Bilder und ihre emotionale Wirkung im Fernsehen
Rechtsprechungsübersicht 2019 der unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI
Oliver Sidler, Dr. iur., Rechtsanwalt, Zug
1. Überblick
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Von den 29 erledigten Beschwerdeverfahren konnte die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) im letzten Jahr 18 materiell-rechtlich beurteilen (2018: 23). Auf elf Beschwerden wurde nicht eingetreten (2018: zwei). Gutgeheissen wurden fünf Beschwerden; bei 13 wurde keine Verletzung des programmrechtlichen Sachgerechtigkeitsgebot von Art. 4 Abs. 2 RTVG oder des Vielfaltsgebots von Art. 4 Abs. 4 RTVG festgestellt. Im Folgenden wird eine Auswahl der im Jahr 2019 abgeschlossenen Verfahren vorgestellt.
2. Nichteintretensentscheide
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Nicht eingetreten ist die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen auf eine als Zeitraumbeschwerde bezeichnete Beschwerde, die sich auf die insbesondere seit dem 11. September 2001 nach Auffassung des Beschwerdeführers nicht ausgewogene und umfassende Berichterstattung von Radio und Fernsehen SRF wie auch namentlich auf die fehlenden Hinweise auf die erheblichen negativen Folgen des US-Imperialismus und des Neoliberalismus bezog. Der Beschwerdeführer sei als Mensch und Schweizer durch diese gefährliche Nichtberichterstattung durch SRF direkt betroffen. Bereits die Ombudsstelle SRG trat auf die Beanstandung nicht ein, so auch die UBI, da es einerseits an den gesetzlichen Anforderungen an einer Zeitraumbeschwerde fehlte und dem Beschwerdeführer die Gelegenheit gegeben wurde, die Voraussetzungen für eine Popularbeschwerde zu erfüllen. Der Beschwerdeführer reagierte nicht auf die ihm angebotene Nachfrist (b. 805).
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Nicht eingetreten wurde auch auf eine Beschwerde, dass in vielen Sendungen von Fernsehen SRF „Deutschland-Hochdeutsch“ statt Schweizer Hochdeutsch gesprochen werde. Die Voraussetzungen zur Beschwerde waren nicht erfüllt und die Rügen betrafen nur teilweise die Zuständigkeit der UBI. Insbesondere die Vereinbarkeit der von der Beschwerdeführerin beanstandeten Sendungen mit Art. 24 RTVG, respektive Art. 24 Abs. 5 RTVG, der festhält, dass in wichtigen, über die Sprach- und Landesgrenzen interessierenden Informationssendungen von SRG-Programmen in der Regel die Standardsprache zu verwenden sei, kann vom Bundesamt für Kommunikation und nicht von der UBI überprüft werden (vgl. Art. 86 Abs. 1 RTVG; b. 824).
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Schliesslich ist noch ein Nichteintretensentscheid, der einen Beanstandeter aus dem Kanton Tessin betrifft, zu erwähnen. Dieser ist dem Ombudsmann der privaten Radio- und Fernsehstationen der italienischen Schweiz wie auch der SRG der italienischen Schweiz bestens bekannt und auch der unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen. In bereits vier Verfahren trat die UBI auf die Beschwerden des Beschwerdeführers nicht ein, da die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt waren. Im Entscheid b. 816 vom 26. Juni 2019 auferlegte sie ihm die Kosten von CHF 250 CHF – gemäss Art. 98 Abs. 2 RTVG. Für mutwillige Beschwerden können der Beschwerde führenden Person Verfahrenskosten auferlegt werden. Nachdem im vorliegenden Fall erneut die Voraussetzungen für eine Individualbeschwerde nicht erfüllt waren, auch keine Popularbeschwerde eingereicht wurde und es für den Beschwerdeführer aus den vergangenen Verfahren klar war, welche Voraussetzungen für das Verfahren vor der UBI erfüllt sein müssen, war die Auferlegung der Verfahrenskosten sicherlich gerechtfertigt.
3. Mängel in Nebenpunkten
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Entscheidend im Lichte des Sachgerechtigkeitsgebots ist letztlich immer Gesamteindruck, den ein Beitrag vermittelt. Nebenpunkte stellen eine redaktionelle Unvollkommenheit dar, welche nicht geeignet sind, die Meinungsbildung des Publikums zum Beitrag insgesamt zu verfälschen. Mit diesen Grundsätzen befasste sich die UBI im Berichtsjahr in mehreren Fällen.
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In der „Tagesschau“ vom 25. August 2018 strahlte Fernsehen SRF einen Beitrag über die Delegiertenversammlung der Grünliberalen Partei der Schweiz (GLP) aus. Die UBI erinnert daran, dass im Lichte des Sachgerechtigkeitsgebots letztlich der Gesamteindruck, der ein Beitrag vermittelt, und nicht einzelne Aussagen, losgelöst vom Kontext, entscheidend seien. So war eine Aussage zum Schluss des Filmberichts, wonach sich die GLP mit ihrer betont positiven Haltung zu einem Rahmenabkommen mit der EU von den anderen Parteien abgrenze, zwar unpräzise und missverständlich, weil insbesondere die BDP sich inhaltlich ebenso äusserte. Dies war nach Ansicht der UBI ein Mangel, der einen Nebenpunkt betrifft, weil das eigentliche Thema der Ausstrahlung die europapolitische Haltung der GLP bildete. Bei einem entsprechenden Fokus sei es auch nicht notwendig, die europapolitischen Positionen der anderen Parteien vollständig und differenziert darzustellen (b. 799).
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Die katalanische Frage rund um das Referendum zur Unabhängigkeit führte auch zu Beschwerden bei der unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen. Dabei ging es um die Berichterstattung in der Tagesschau vom 1. Oktober 2018 sowie 11. September 2018. Gerügt wurde die einseitige und unzutreffende Berichterstattung. Die UBI konstatierte auch hier kleinere Mängel wie zum Beispiel die Aussagen zum historischen Kontext der Diada und der katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen, taxierte diese aber als Nebenpunkte. Im Zentrum des Beitrags standen die tagesaktuellen Ereignisse rund um die Kundgebungen zum Nationalfeiertag, und die wesentlichen Fakten dazu wurden dem Publikum korrekt und in verständlicher Form vermittelt, sodass es sich dazu eine eigene Meinung bilden konnte. Darauf hinzuweisen war auch, dass es in einem kurzen Beitrag in einer tagesaktuellen Nachrichtensendung nicht möglich sei, ein komplexes Thema wie den Konflikt in Katalonien vertieft und umfassend mit dem ganzen geschichtlichen Hintergrund zu behandeln. Auch im zweiten Beitrag war eine unpräzise Formulierung in der Anmoderation zur Illegalität des Referendums vom 1. Oktober 2017 und eine unglücklich formulierte Aussage des Korrespondenten nicht geeignet, die Meinungsbildung des Publikums zu verfälschen (b. 806).
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Ein kurzer Beitrag der „Tagesschau“ von Fernsehen SRF vom 17. Januar 2019 wie auch eine Online-Publikation von SRF News zum Waffenrecht bildete Gegenstand einer Popularbeschwerde. Inhaltlich ging es um die Einreichung von Unterschriften für ein Referendum zur Übernahme des EU-Waffenrechts. Gerügt wurde, die Publikationen enthielten unzutreffende Informationen und vermittelten einen falschen Eindruck zum geplanten Waffenrecht. Tatsächlich wurde im Beitrag über die bei den Anschlägen in Paris im November 2015 verwendeten Waffen nicht den Tatsachen entsprechend informiert, was aber ein Nebenpunkt darstellte. Die Fakten zum eigentlichen Thema wurden in beiden Publikationen korrekt vermittelt (b. 814).
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Um Nebenpunkte ging es auch in einer Reportage des Westschweizer Fernsehens vom 14. Oktober 2018 mit dem Titel „Mise au point“ über das Unternehmen Orllati. Dazu gehörten auch Anschuldigungen eines nicht neutralen Mitbewerbers, Ungenauigkeiten in Bezug auf den Verkauf des Kodak-Gebäudes sowie die Benutzung des Begriffs Kleinunternehmen. Da die Öffentlichkeit aber Vorwissen über das Unternehmen Orllati hatte, konnte es verstehen, dass es eine Kontroverse zwischen den direkten Konkurrenten von Orllati und dem Beschwerdeführer gab und dass sein Erfolg beunruhigend war und Eifersucht erregte. Insgesamt wurde das Image der Gruppe nicht beschädigt und die Öffentlichkeit war in der Lage, zwischen Fakten und persönlichen Meinungen zu unterscheiden (b. 809).
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Im Rahmen des Konsumentenmagazins „Kassensturz“ von Fernsehen SRF mit einem Beitrag über Tricks von Viehändlern thematisierte die Redaktion kritisch Praktiken von Händlern an Viehmärkten. Dabei stellte die UBI Mängel bei einzelnen Aussagen über die Höhe der Importrente fest. Allerdings führte diese nicht dazu, die Meinungsbildung des Publikums zum Beitrag insgesamt zu verfälschen. Zudem konnten die Vertreter des Viehhandels angemessen zum Vorwurf Stellung nehmen, dass es sich bei den Importrenten um leicht verdientes Geld handle und es auf den Viehmärkten Absprachen gebe. Das Sachgerechtigkeitsgebot war somit nicht verletzt (b. 823).
4. Beschwerdelegitimation von Vereinsvorstand und Zugang zum Programm
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In einem Entscheid zur Diskussionssendung „Club“ vom 29. September 2018 erinnerte die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen in Bezug auf die Beschwerdebefugnis daran, dass ein Förderverein respektive dessen drei Vorstandsmitglieder und der Geschäftsführer nicht zur Betroffenheitsbeschwerde legitimiert sind, auch wenn der ärztlich assistierte Suizid, der in der beanstandeten Sendung Thema war, in den statutarischen Aufgabenbereich des Vereins gehört: „Dieser Umstand begründet aber alleine noch keine Legitimation zu einer Betroffenenbeschwerde. Weder der Verein noch die vier Beschwerde führenden Mitglieder wurden in der Sendung erwähnt oder gezeigt. Es wurde auch nicht auf andere Weise Bezug auf sie genommen“. Auf die Beschwerde wurde trotzdem eingetreten, da die Eingabe mit den notwendigen Unterschriften von unterstützenden Personen ergänzt wurde. In inhaltlicher Hinsicht erkannte die UBI keine Verletzung der Programmbestimmungen und wies die Beschwerde ab (b. 807).
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Eine Zugangsbeschwerde eher atypischer Art musste die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen in Bezug auf eine von Radio RaBe abgewiesene Sendung beurteilen. Dem Beschwerdeführer ging es darum, dass seine Sendung einen festen Sendeplatz bei Radio RaBe erhält bzw. regelmässig ausgestrahlt wird. Bei Radio RaBe können grundsätzlich alle interessierten Personen mitwirken und eigene Sendungen produzieren. Es handelt sich um ein sogenanntes Gemeinschaftsradio. Voraussetzung ist, dass man Mitglied des Vereins Radio Bern RaBe ist und gewisse, namentlich fachliche Bedingungen erfüllt. Der Entscheid über den Zugang ist in einem internen Verfahren geregelt. Ob dieses interne Verfahren korrekt und den allgemeinen Rechtsgrundsätzen entsprechend abgewickelt wurde, konnte die UBI nicht prüfen, da diesbezüglich das Vereinsrecht und allenfalls das Konzessionsrecht Anwendung finden. Im Rahmen der Zugangsbeschwerde hatte sie hingegen zu beurteilen, ob Anhaltspunkte für eine Diskriminierung des Beschwerdeführers bzw. der Sendungsmacher durch die Veranstalterin bestanden. Nachdem die Ablehnung des Gesuchs ausschliesslich mit journalistischen Unzulänglichkeiten und den nicht erfüllten inhaltlichen und formalen Qualitätskriterien von Radio RaBe begründet wurde, kam die UBI zum Schluss, dass keine Diskriminierung vorlag und die Verweigerung der Ausstrahlung der Sendung im Programm von Rad RaBe nicht rechtswidrig erfolgte (b. 815).
5. Aufwändige Zeitraumbeschwerde zum Klimawandel
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Eine Zeitraumbeschwerde zur Berichterstattung über den Klimawandel von Fernsehen SRF beschäftigte die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen. Der Beschwerdeführer rügte an zwei konkreten Beispielen die einseitige und unausgewogene Information zu diesem Thema. Als Ursache für den Klimawandel seien in der Berichterstattung von Fernsehen SRF ausschliesslich die von Menschen verursachten CO2-Emissionen genannt worden, was unter Klimaforschern umstritten sei. Zudem gebe es auch keine wissenschaftlichen Belege für den Zusammenhang zwischen CO2-Gehalt und Erderwärmung. Die als Klimaleugner verunglimpften Kritiker der herrschenden Lehre kämen in der Berichterstattung von Fernsehen SRF nicht zu Wort, dagegen werde Greta Thunberg und den Verfechtern eines Klimanotstands viel Sendezeit gewidmet. Bei den vom Beschwerdeführer explizit gerügten Sendungen konnte die UBI keine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots feststellen. Allgemein hält die UBI fest, dass bei Zeitraumbeschwerden nur Sendungen aus einer Periode von maximal drei Monaten berücksichtigt werden könnten. Das Vielfaltsgebot sehe keine Fristen vor, innerhalb welcher dieses eingehalten werden müsse und aus Art. 4 Abs. 4 RTVG könne deshalb nicht abgeleitet werden, dass im Programm von Fernsehen SRF alle Meinungen und Ansichten zu Klimafragen in einem Zeitraum von drei Monaten immer zum Ausdruck kommen müssten, selbst wenn es dafür keinen aktuellen Anlass gibt. Die UBI habe im Rahmen ihrer rundfunkrechtlichen Beurteilung auch nicht darüber zu entscheiden, ob wissenschaftlich bewiesen sei, dass der Mensch mitverantwortlich für den Klimawandel sei. Bei ihrer Prüfung des Sachgerechtigkeitsgebots im Rahmen der Zeitraumbeschwerde berücksichtigte die UBI mehr als 50 Beiträge im relevanten Zeitraum und kam dabei zum Schluss, dass in der Berichterstattung zwar mehrheitlich die herrschende Lehre wiedergegeben wurde und die Meinung von „Klimaskeptikern“ nur am Rande Erwähnung fand. Dafür gab es aber sachliche Gründe wie namentlich die aktuellen Ereignisse in der fraglichen Periode. Es kamen zudem auch regelmässig Vertreter aus der Politik und der Wirtschaft zu Wort, die staatliche Klimaschutzmassnahmen ablehnen oder kritisieren. Diese hätten Gelegenheit gehabt, die herrschende Lehre zu den Ursachen der Klimaerwärmung grundsätzlich infrage zu stellen. So könne dann auch der Umstand, dass sie dies nicht taten und andere Argumente für ihre Position anführten, Fernsehen SRF nicht zur Last gelegt werden. Die UBI erkannte, dass das Vielfaltsgebot von Art. 4 Abs. 4 RTVG nicht verletzt wurde und wies die Beschwerde ab (b. 813).
6. Jesus und die sozialen Medien
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Wieder einmal musste sich die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen zu einem religiösen Thema äussern, welches in einer Satire-Sendung zur Sprache kam. Dabei ging es um einen Teil der humoristischen Latenight-Show „Deville“ vom 28. April 2019, in dem ein eingeladener Comedien Jesus als „Mega Influencer“ bezeichnete und darüber spekulierte, wie sich Jesus heute geschäftlich betätigen würde (Kreuzfahrt inklusive Hochseewanderung, Nagelstudio). Das satirische Format der Sendung war für die Zuschauerinnen und den Zuschauer klar erkennbar. Dennoch war nach Ansicht der UBI der Beitrag an sich geeignet, religiöse Gefühle zu verletzen. Das betrifft namentlich den Vergleich von Jesus Christus, der als Sohn Gottes gilt, mit Influencer und die Wortspiele um die Kreuzigung („Kreuzfahrt“, „Nagelstudio“). Diese Äusserungen berührten nach Ansicht der UBI verschiedene zentrale Glaubensinhalte von Christen, wie etwa die Trinität oder die Auferstehung. „Es ist der Beschwerdegegnerin zuzustimmen, dass sich die eigentliche Kritik von [Comedien] gegen die Influencer-Szene und damit verbunden auch gegen die Oberflächlichkeit der heutigen Zeit gerichtet hat. Es mag zwar vor allem für gläubige Christen stossend sein, dass er für diese Botschaft Jesus Christus und zentrale Glaubensinhalte wie die Kreuzigung und die Wiederauferstehung hinzuzieht und damit instrumentalisiert. Dies bildet aber Teil des grundrechtlich geschützten Satireprivilegs, wozu auch Provokationen, mehrdeutige Aussagen und eine indirekte Kommunikation gehören (…). Dieser besondere Stil erschwert es denn auch mitunter, die eigentliche Botschaft eines satirischen Beitrages mit ihren Pointen sofort zu erkennen. [Der Comedien] wies mit seinem Vergleich von Jesus Christus und Influencer aber zumindest implizit darauf hin, dass es ganz verschiedene Möglichkeiten gibt, Menschen zu beeinflussen. Ebenfalls ging daraus indirekt hervor, dass die von Jesus vermittelte Botschaft keine bloss kurzfristig kommerzielle wie diejenige der heutigen Influencer ist“. Die UBI kam zum Schluss, dass zentrale Glaubensinhalte von Christen nicht in erheblicher Weise berührt wurden und dass daher auch keine Missachtung des Grundrechts der Glaubens- und Gewissensfreiheit vorliegt. Trotz der Instrumentalisierung von zentralen Glaubensinhalten wurden diese nicht lächerlich gemacht oder verspottet und damit auch nicht im Sinne der Rechtsprechung der UBI in erheblicher Weise negativ berührt. Die Thematisierung von zentralen Glaubensinhalten sei nicht Selbstzweck gewesen, sondern diente der Veranschaulichung eines Phänomens in der heutigen Mediengesellschaft („Influencer-Hype“) (b. 820).
7. Zur Auswahl von Bildern und Kommentaren dazu
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„Der Auswahl von Bildern kommt im Medium Fernsehen aufgrund deren auch emotionalen Wirkung beträchtliche Relevanz zu. Der Gehalt, die Bedeutung und die Aussagekraft, welche das Publikum einer Information zumisst, kann durch Bilder wesentlich beeinflusst werden“. Diese von der UBI im Entscheid b. 409 geäusserten Grundsätze waren massgebend für einen von TeleTop ausgestrahlten Beitrag über einen Schafzüchter, der mit versteckter Kamera gefilmt wurde. Das Publikum musste aufgrund des Kommentars annehmen, dass die Aufnahmen aus dem Originalvideo mit der versteckten Kamera stammten, dessen Echtheit von einem befragten Kantonsrat angezweifelt wurde. Tatsächlich handelte es sich aber bei dem im Filmbericht gezeigten Szenen um einen Zusammenschnitt, der neben einer Sequenz aus dem Originalvideo auch eigene Aufnahmen vom TeleTop mit nachgestellten Bildern enthielt. Dabei schlägt der Schafzüchter mit einem Strick auf einen Zaun (und nicht wie im Originalvideo angedeutet, auf die Tiere) und für das Publikum war nicht erkennbar, dass es sich teilweise um nachgestellte Szenen handelte. Die mangelnde Transparenz bezüglich der Quelle und die fehlenden Informationen hinsichtlich der ausgestrahlten Aufnahmen zum Schafzüchter beeinträchtigten die Meinungsbildung des Publikums (b. 802).
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Eine ein Geschlecht pauschal herabwürdigende Sequenz eines Beitrags verletzt das Diskriminierungsverbot und stellt eine Missachtung der Würde der Frau im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Satz 2 RTVG dar. Beanstandet wurde ein humoristischer Beitrag eines Rückblicks auf die Gruppenphase der Fussball-Weltmeisterschaft, welche am 30. Juli 2018 von Fernsehen SRF ausgestrahlt wurde. Der Kommentar lautete wie folgt: „Die Gruppenphase, sie war einfach tierisch gut. Es gab alles: Tränen, Tore, Titelverteidigerfrust. Deutschland zum ersten Mal an einer WM in der Vorrunde gescheitert“. Dazu wurden Bilder eines sich auf dem Spielfeld verirrten Vogels (tierisch), eines weinenden Kindes (Tränen), eines Tores der russischen Mannschaft (Tore), eines jubelnden weiblichen Fans von Costa Rica (Tiii-), eines weinenden deutschen Fans und von niedergeschlagenen Spielern (-telverteidigerfrust) gezeigt. Eine satirische Darstellung vermochte die UBI in Bezug auf die gezeigte jubelnde Frau und Andeutung auf ihre Brüste (Titten) nicht erblicken. Es ging hier offenbar nicht um eine provokative Anspielung auf die Männerfussball vorherrschende Probleme, Klischees und Vorurteile. Vielmehr bestätigten die auf die Brüste fokussierte Darstellung der Frau und des damit zusammenhängenden Wortspiels den Stereotyp, nämlich die Beschränkung der Frau auf ihre sekundären Geschlechtsmerkmale. Der sexistische Charakter der Pointe sei durch den humoristischen Kontext nicht relativiert wurden, weshalb eine Programmrechtsverletzung vorlag, meinte die UBI (b. 797).
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Gegenstand einer weiteren Beschwerde bildeten zwei Beiträge der Sendung „Le 19h30“ von Fernsehen RTS zum Krieg in Syrien. Thema waren ein mutmasslicher Chemiewaffeneinsatz in Douma (8. April 2018) und dessen mögliche Folgen (12. April 2018). In der Beschwerde wird gerügt, die Berichterstattung sei täuschend, intransparent und gebe in einseitiger Weise die Sicht des Westens und namentlich der USA wieder. Statt informiert werde Propaganda betrieben, auch mit Hilfe von schockierenden Bildern. In der Beratung diskutierten die Mitglieder der UBI in kontroverser Weise über die insbesondere im ersten Beitrag ausgestrahlten von den Weisshelmen stammenden Aufnahmen von kontaminierten Kindern, die notfallmässig behandelt werden. Die Mehrheit der UBI-Mitglieder befand, dass diese Bilder die Menschenwürde nicht verletzten, weil sie Bestandteil der Tagesaktualität bildeten, zur Informationsvermittlung gehörten und keinen Selbstzweck bildeten. Trotz der Nichteinhaltung einer journalistischen Sorgfaltsplicht – Quellenangabe von Bildern – kam die UBI zudem zum Schluss, dass sich das Publikum zu beiden Beiträgen eine eigene Meinung im Sinne des Sachgerechtigkeitsgebots bilden konnte. Sie wies daher die Beschwerden ab (b. 800).
8. Fehlendes Hinterfragen von Vorwürfen
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Fernsehen SRF strahlte im Rahmen des wöchentlichen Konsumentenmagazins „Kassensturz“ am 8. Januar 2019 den Beitrag „Schikanöser Chef: Angestellte zur Strafe in den Keller verbannt“ aus. Thematisiert wurden im Beitrag Vorwürfe von zwei ehemaligen Arbeitnehmerinnen. Die Aussagen des Geschäftsinhabers aus der schriftlichen Stellungnahme, welcher alle Vorwürfe bestritt, wurden im Filmbericht erwähnt. Schliesslich ordnete ein Arbeitsrechtsprofessor die Vorwürfe rechtlich ein und auf den Filmbericht folgte ein Studiogespräch mit einem Datenschutzbeauftragten. Die UBI kam zum Schluss, dass sich das Publikum keine eigene Meinung zu den thematisierten Vorwürfen bilden konnte. Die Redaktion hat es unterlassen, die teilweise als Fakten präsentierten Vorwürfe der ehemaligen Arbeitnehmerinnen kritisch zu hinterfragen. Die Ausführungen des Geschäftsinhabers wurden im Filmbericht stark verkürzt wiedergegeben. Eine zusammenfassende Darstellung der Stellungnahme des Angegriffenen ist durchaus möglich, soweit dessen Sichtweise an geeigneter Stelle mit seinen besten Argumenten für das Publikum zum Ausdruck komme, meint die UBI. Auch die Einschätzungen des Arbeitsrechtsexperten basierten auf der Schilderung des Sachverhalts der beiden Frauen, die wohl anders ausgefallen wäre, hätte er den vollständigen Sachverhalt gekannt. Schliesslich waren Formulierungen und non-verbale Gestaltungselemente wie die Musik tendenziös. Auch der zum Filmbericht verfasste Online-Beitrag verletzte nach Meinung der UBI das Sachgerechtigkeitsgebot, da die Vorwürfe als Tatsachen dargestellt wurden und auch im Online-Bericht die besten Argumente des Geschäftsführers, insbesondere hinsichtlich des Vorwurfs der Kameraüberwachung, nicht zum Ausdruck kamen (b. 819).
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Gutgeheissen wurde auch eine Beschwerde gegen den vom Politikmagazin „Rundschau“ am 3. Oktober 2018 ausgestrahlten Beitrag „Fall Maudet: Die Spur des Goldes“. Der Beitrag stellte die Reise des umstrittenen Genfer Regierungsrates Pierre Maudet nach Abu Dhabi in Zusammenhang mit der Vergabe eines Auftrags des Genfer Flughafens sowie mit den Goldimporten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dabei fokussierte die Redaktion auf Aspekte, welche die Reise und damit auch den Genfer Politiker in ein schlechtes Licht stellten. Relevante Gegenargumente als auch der Standpunkt von Pierre Maudet seien nicht ausreichend zum Ausdruck gekommen, meinte die UBI. Zudem hätten die Formulierungen und die Bildsprache zur Einseitigkeit der Berichterstattung beigetragen. Die UBI kam somit zum Schluss, dass die vermittelten Informationen insgesamt einseitig, tendenziös und unvollständig waren (b. 803).
9. Weitere Entscheide zum Sachgerechtigkeitsgebot
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In einem dreiteiligen Beitrag über die Gefahren bei der Ausübung von Wassersportarten wurde ein Beitrag im Rahmen einer Betroffenenbeschwerde vom Beschwerdeführer, der sich selber am Bericht beteiligte, beanstandet. Die Sendung wurde im Fernsehen RTS im Rahmen des Konsumentenmagazins „A bon etendeur“ ausgestrahlt. Der Beschwerdeführer rügte den zweiten Beitragsteil über Wassersportaktivitäten auf dem Neuenburgersee und dazu insbesondere die Auswahl der Befragten, die unsorgfältige Behandlung des Themas sowie das Nichterwähnen von gewissen Informationen. Er sei im Vorfeld von der Redaktion getäuscht worden, um am Beitrag selber mitzuwirken. Die UBI kommt zum Schluss, dass der umstrittene Bericht kein schmeichelhaftes Bild des Clubs vermittelte, die Öffentlichkeit aber über die vom Club ergriffenen Sicherheitsmassnahmen nicht irregeführt worden sei. Der Beanstander wurde auch nicht getäuscht, sich am Bericht zu beteiligen, und die vom Beschwerdeführer festgestellten Ungenauigkeiten seien das Ergebnis von Missverständnissen gewesen; die ausgelassenen Informationen stünden denn auch nicht im Mittelpunkt der Geschichte und brauchten nicht behandelt zu werden. Schleichwerbung für einen anderen Yacht Club gab es nach Ansicht der UBI nicht und die Öffentlichkeit konnte sich angesichts des allgemeinen Gesamteindrucks eine eigene Meinung zum Thema bilden. Die UBI wies die Beschwerde einstimmig ab (b. 796).
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Im Rahmen der Sendung „CH: Filmszene“ strahlte Fernsehen SRF am 17. August 2018 den Dokumentarfilm „Willkommen in der Schweiz“ aus. Es handelt sich um einen von SRF co-produzierten Kinofilm. Darin geht es um die Aargauer Gemeinde Oberwil-Lieli, welche landesweit und auch international bekannt wurde, nachdem sie keine vom Kanton zugeteilte Asylsuchende aufnehmen wollte. Der Beschwerdeführer rügte die Unsachlichkeit und Einseitigkeit des Films. Das Schweizer Asylwesen werde verherrlicht und wesentliche Fakten wie die negativen Seiten seien nicht erwähnt worden. Der irreführende Film stelle linken Populismus dar. Die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen sah dies nicht so und stellte klar, dass sich die Filmemacherin darauf beschränkte, zu beobachten und zu dokumentieren, ohne die Ereignisse und die geäusserten Ansichten zu kommentieren oder zu werten. Alle Protagonisten konnten ihre Sichtweise zu den thematisierten Vorgängen in der Gemeinde umfassend darlegen, was transparent war und das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzte (b. 798).
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In einem Beitrag des Tessiner Fernsehens in der Sendung „ Il Quotidiano“ vom 6. September 2018 wurde die Thematik der im Ausland patentierten und in der Schweiz praktizierenden Rechtsanwälte sowie der ausländischen Berater im Tessin allgemein dargestellt und über ein laufendes Strafverfahren gegen einen Rechtsvertreter berichtet. Die UBI erachtete dabei den Fernsehbericht als sachgerecht, zumal auf das nicht rechtskräftige Urteil gegen den Rechtsvertreter hingewiesen und so die Unschuldsvermutung respektiert wurde. Kleinere Mängel wie beispielsweise die Nichterwähnung der Höhe der Busse oder der Werbebotschaften über die Facebookseite des Rechtsvertreters respektive dessen Unternehmens führten nicht zur Irreführung der Zuschauerinnen und Zuschauer, die sich insgesamt eine eigene Meinung bilden konnten. Hingegen war die UBI der Ansicht, dass der Online-Artikel zu dieser Sendung, der aus einer kurzen Zusammenfassung des laufenden Strafverfahrens bestand, gegen das Sachgerechtigkeitsgebot verstiess. Im Titel des Artikels wurden die Informationen über den Fall als feststehende Tatsache dargestellt, obwohl das Urteil noch nicht rechtskräftig war. Zudem wurde im Artikel versäumt, die Fakten aus chronologischer Sicht korrekt darzustellen. Die UBI kommt zum Schluss, dass journalistische Pflichten wie Transparenz und Unschuldsvermutung in diesem Fall nicht eingehalten worden sind (b. 817).