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Justizöffentlichkeit im schweizerischen Strafprozessrecht

Eine (kritische) Auslegeordnung

Patrick Bischoff, Dr. iur., Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, Ersatzrichter am Bezirksgericht Dielsdorf

Résumé: Cette analyse présente un aperçu systématique  (et critique) de la manière dont la transparence de la justice est garantie, en théorie selon le droit de procédure pénale suisse, et en réalité. L’auteur examine la conformité de la pratique avec le cadre légal mais se demande aussi si cette pratique va au-delà des standards minimaux prévus par le droit international et par le droit constitutionnel. Il pose ensuite la question de savoir si le législateur, lors de prochaines révisions des codes de procédure, pourrait donner encore plus de poids au principe de transparence et exploiter la marge de manœuvre permise, par exemple dans les procédures sur les mesures de contrainte (voir N 33 pp.).

Zusammenfassung: Der vorliegende Beitrag gibt einen systematischen Überblick über die rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung der Justizöffentlichkeit im schweizerischen Strafprozessrecht. Dabei untersucht der Autor sowohl deren Übereinstimmung mit höherrangigem Recht als auch, ob sie über den völker- und verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Mindeststandard hinausgeht und inwiefern der Gesetzgeber im Zuge künftiger Revisionen der einschlägigen Verfahrensordnungen dem Öffentlichkeitsgrundsatz noch mehr Gewicht einräumen und entsprechenden Gestaltungsspielraum ausschöpfen könnte, beispielsweise bei Verfahren über Zwangsmassnahmen (siehe Rn. 33 ff.).

Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung     Rn 1

II. Der Öffentlichkeitsgrundsatz und seine Ausnahmen
     1. Der Öffentlichkeitsgrundsatz     5
     2. Gesetzlich vorgesehene Ausnahmen    
          A. Nicht öffentliche Urteilsberatung     13
          B. Nicht öffentliche Urteilsverkündung     18
          C. Nicht öffentliches Vorverfahren     26
          D. Nicht öffentliches Zwangsmassnahmenverfahren     33
          E. Nicht öffentliches Beschwerde- und schriftliches Berufungsverfahren   49
          F. Nicht öffentliches Strafbefehlsverfahren     62
     3. Gerichtlich angeordnete Ausnahmen
          A. Zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung     67
          B. Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen eines Verfahrensbeteiligten     69
          C. Bei (zu) grossem Andrang     73
          D. Kompensationsmassnahmen     78
          E. Rechtsschutz     91

III. Zusammenfassende Schlussbetrachtung     101

Der Erstabdruck dieses Aufsatzes erfolgte in der Richterzeitung 2021/4.

 

I. Einleitung

1

Im schweizerischen Strafprozessrecht gilt der Öffentlichkeitsgrundsatz, soweit er nicht durch das Gesetz selbst generell oder auf Anordnung des Gerichts im Einzelfall eingeschränkt oder sogar gänzlich aufgehoben wird.

2

Nachfolgend werden zunächst der Öffentlichkeitsgrundsatz als elementare Verfahrensmaxime sowie hernach Arten, Möglichkeiten und Dimensionen der gesetzlich vorgesehenen oder gerichtlich angeordneten Ausnahmen davon dargestellt und kritisch gewürdigt.

3

Dabei wird in erster Linie von der sich aus den einschlägigen völker- und verfassungsrechtlichen Vorgaben ableitenden und diese konkretisierenden Gesetzesbestimmung von Art. 69 Abs. 1 StPO (Öffentlichkeitsgrundsatz) ausgegangen und werden sodann die entsprechenden Ausnahmebestimmungen von Art. 69 Abs. 2–4 StPO (gesetzlich vorgesehene Ausnahmen) bzw. Art. 70 Abs. 1–4 StPO (gerichtlich angeordnete Ausnahmen) thematisiert.

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Demgegenüber erfahren die in der Strafprozessordnung bei den allgemeinen Verfahrensregeln ebenfalls unter dem Abschnitt «Öffentlichkeit» statuierten Bestimmungen betreffend Bild- und Tonaufnahmen (Art. 71 StPO) sowie Gerichtsberichterstattung (Art. 72 StPO) vorliegend keine Abhandlung.

II. Der Öffentlichkeitsgrundsatz und seine Ausnahmen

1. Der Öffentlichkeitsgrundsatz

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Die einleitende Qualifikation des Öffentlichkeitsgrundsatzes als elementare Verfahrensmaxime kommt nicht von ungefähr, ist dieser in seinen Grundzügen doch schon völker- und verfassungsrechtlich verankert.

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Gemäss Art. 14 Ziff. 1 IPBPR, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 30 Abs. 3 BV haben Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung stets öffentlich zu sein, sofern nicht die Wahrung etwa der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in einer demokratischen Gesellschaft, der Moral, der Privatsphäre von Prozessparteien, der Interessen von Jugendlichen o.dgl. dagegen sprechen.

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Die Art. 69 f. StPO übernehmen diesen Kerngehalt, konkretisieren ihn und präzisieren insbesondere die gesetzlich vorgesehenen und gerichtlich angeordneten Ausnahmen vom Öffentlichkeitsgrundsatz im Vorverfahren sowie im erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsverfahren. Gleiches tut Art. 14 JStPO, wenngleich es sich im Jugendstrafverfahren gerade umgekehrt verhält, d.h. Öffentlichkeit nicht nur im Vorverfahren, sondern auch vor erster und zweiter Instanz die Ausnahme ist.[1] Art. 59 BGG schliesslich ist das Pendant für das drittinstanzliche Gerichtsverfahren.

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Mit der Statuierung des Öffentlichkeitsgrundsatzes soll m.E. in erster Linie Publikumsöffentlichkeit (einschliesslich Medienöffentlichkeit) geschaffen werden, welche v.a. im gerichtlichen Entscheidverfahren zum Tragen kommt. Dies im Gegensatz zur Parteiöffentlichkeit, welche im Vor- bzw. Beweisverfahren dominiert. Dass der Öffentlichkeitsgrundsatz primär auf Publikumsöffentlichkeit abzielt, ergibt sich ja nur schon daraus, dass Parteiöffentlichkeit doch eher als Teilgehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 29 Abs. 1 und 2 BV sowie Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO und Art. 107 Abs. 1 StPO erscheint und demzufolge ein Anwesenheits-, Teilnahme- und Mitwirkungsrecht darstellt, was sich auch an Gesetzesbestimmungen wie Art. 147 Abs. 1 StPO, Art. 4 Abs. 2 JStPO oder Art. 56 Abs. 1 BGG zeigt.[2]

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Mit der Schaffung von Publikumsöffentlichkeit soll jeder interessierten Person[3] die Möglichkeit gegeben werden, einem (mündlichen) Gerichtsverfahren beiwohnen zu können, d.h. zunächst die Gerichtsverhandlung vor Ort live mitzuverfolgen und hernach vom gefällten Urteil Kenntnis zu erhalten. Damit werden gleich mehrere Schutzzwecke verfolgt:[4]

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Zum einen soll der formelle Ablauf der Gerichtsverhandlung transparent gemacht werden. Jede interessierte Person soll Zugang zum Gerichtssaal haben und sich dort vom ordnungsgemässen Gerichtsbetrieb, von der verantwortungsvollen Ausübung des Richteramts und von der korrekten Behandlung der Verfahrensbeteiligten mit ihren eigenen Augen und Ohren überzeugen können. Geschützt werden dadurch in erster Linie die Verfahrensbeteiligten – auch wenn diese die Publikumsöffentlichkeit oft vielmehr als Fluch denn als Segen empfinden dürften.[5]

11

Zum anderen soll der materielle Gehalt des Urteilsspruchs kontrolliert werden können. Jede interessierte Person soll wissen dürfen, wie eine Gerichtsverhandlung ausgegangen und mit welcher Begründung das Gericht zu seinem Urteil gelangt ist, was eine Absage an jede Form von geheimer Kabinettsjustiz bedeutet. Geschützt wird dadurch v.a. die Allgemeinheit in ihrem Anspruch zu erfahren, wie das Recht verwaltet bzw. angewendet wird. Daraus kann jedoch kein Anspruch Dritter auf Akteneinsicht abgeleitet werden, steht dem doch das Amtsgeheimnis entgegen (Art. 73 Abs. 1 StPO).[6]

12

Darüber hinaus sind eine transparente Rechtspflege und eine demokratisch kontrollierte Rechtsprechung aber auch unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Allgemeinheit der Judikative das nötige Vertrauen und ihren Urteilen die nötige Akzeptanz entgegenbringt, was ultimativ der (Wieder-)Herstellung des Rechtsfriedens dient.

2. Gesetzlich vorgesehene Ausnahmen

A. Nicht öffentliche Urteilsberatung

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Mit Blick auf den Öffentlichkeitsgrundsatz, wie er sich aus den einschlägigen völker- und verfassungsrechtlichen Bestimmungen ergibt, lässt sich daraus lediglich ein Anspruch auf eine öffentliche Gerichtsverhandlung und eine öffentliche Urteilsverkündung, nicht aber auch ein Anspruch auf eine öffentliche Urteilsberatung ableiten. Es ist somit in Übereinstimmung mit höherrangigem Recht, dass die Strafprozessordnung bei der Umsetzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes zwar die Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung vorsieht, die Öffentlichkeit der Urteilsberatung aber explizit davon ausnimmt (Art. 69 Abs. 1 StPO).

14

Soweit frühere kantonale Prozessordnungen eine öffentliche Urteilsberatung vorsahen bzw. Art. 59 Abs. 1 BGG dies für das Verfahren vor Bundesgericht noch immer vorsieht, gingen diese Erlasse bzw. geht das Bundesgerichtsgesetz also über den völker- und verfassungsrechtlichen Mindeststandard hinaus.

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Es erstaunt m.E., dass völker- und verfassungsrechtlich keine öffentliche Urteilsberatung vorgesehen ist und die Strafprozessordnung eine solche sogar explizit ausschliesst, stellt der richterliche Diskurs ja das Herzstück des Rechtsfindungsprozesses dar und müsste er als solcher doch gerade publik gemacht werden, um der vom Öffentlichkeitsgrundsatz bezweckten transparenten Rechtspflege und demokratisch kontrollierten Rechtsprechung auch wirklich zum Durchbruch zu verhelfen.[7]

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Verschiebt man den Fokus weg von der Rechtstheorie hin zur Rechtspraxis, werden immerhin gute Gründe ersichtlich, die gegen eine öffentliche Urteilsberatung sprechen. Denn richterlicher Diskurs und Rechtsfindungsprozess können wohl nur dann als maximal unabhängig, unbeeinflusst und ergebnisoffen bezeichnet werden, wenn die Richterinnen und Richter im Rahmen der Urteilsberatung nicht jedes Wort und jede Erwägung auf die «Goldwaage» legen müssen, sondern sich frei von äusseren Hemmnissen äussern können.[8] Als solche zu nennen wären etwa Bedenken, vor Parteien und Publikum sich wegen sachverhaltlicher oder rechtlicher Unklarheiten oder Schwierigkeiten die Blösse zu geben, von Mitrichterinnen und Mitrichtern korrigiert oder sogar belehrt zu werden oder – mit Blick auf eine von ihrer Wiederwahl abhängige Richterschaft – eine juristisch zwar als korrekt empfundene, aufgrund ihrer politischen Implikationen bei der eigenen Partei bzw. Wählerbasis jedoch unpopuläre Auffassung zu vertreten.

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Nichtsdestotrotz erscheint es opportun, das vorbeschriebene Spannungsverhältnis jedenfalls dann zu Gunsten von Transparenz und demokratischer Kontrolle aufzulösen, wenn ein oberstes Gericht betroffen ist. Wo Richterinnen und Richter Leitentscheide verantworten, die nicht nur die gesamte Judikative binden, sondern darüber hinaus auch die anderen Staatsgewalten tangieren, soll für jedermann ersichtlich und nachvollziehbar sein, wie und mit welcher Begründung deren Urteile zustandekommen, und ist demzufolge auch die Urteilsberatung öffentlich zu machen.

B. Nicht öffentliche Urteilsverkündung

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Wenngleich Art. 69 Abs. 1 StPO im Grundsatz eine öffentliche Urteilsverkündung vorsieht, besteht nach Art. 69 Abs. 2 StPO die Möglichkeit, davon abzusehen, sofern die Parteien vorgängig darauf verzichtet haben. Diesfalls haben interessierte Personen aber von Gesetzes wegen Anspruch darauf, in das Urteil Einsicht nehmen zu können.

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Mit Blick auf seine Formulierung ist Art. 69 Abs. 2 StPO m.E. missverständlich, wird doch der Eindruck erweckt, als könnten die Parteien und das Gericht frei wählen, ob sie eine öffentliche Urteilsverkündung durchführen wollten oder nicht. Dem steht jedoch nicht nur Art. 84 Abs. 1 StPO entgegen, wonach einer öffentlichen Gerichtsverhandlung eine öffentliche Urteilsverkündung mit mündlicher Urteilseröffnung und -begründung zu folgen hat. Es tut dies auch Art. 84 Abs. 3 StPO, wonach ein Verzicht auf eine mündliche Urteilseröffnung und -begründung nur dann zulässig ist, wenn das Gericht sein Urteil nicht sofort fällen kann, die mündliche Urteilseröffnung und -begründung anlässlich einer extra dafür neu anzusetzenden Verhandlung nachgeholt werden müsste und die Parteien wegen dieses Mehraufwands für alle Beteiligten darauf verzichten. Entsprechend muss m.E. auch die Anwendung von Art. 69 Abs. 2 StPO auf diesen Ausnahmefall beschränkt sein.

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Mit Blick auf seinen materiellen Gehalt ist Art. 69 Abs. 2 StPO hingegen nicht zu beanstanden. Will der Öffentlichkeitsgrundsatz Publikumsöffentlichkeit schaffen und führen bei Parteien und Gericht liegende Gründe dazu, dass ausnahmsweise keine öffentliche Urteilsverkündung stattfindet, so ist es nur folgerichtig, wenn jeder interessierten Person als Ersatz für eine mündliche Urteilseröffnung und -begründung der Anspruch eingeräumt wird, in das Urteil Einsicht nehmen zu können. Andernfalls hätten es Parteien und Gericht in der Hand, den Öffentlichkeitsgrundsatz als auch die Allgemeinheit schützende elementare Verfahrensmaxime teilweise ausser Kraft zu setzen bzw. deren Schutzzweck einer demokratisch kontrollierten Rechtsprechung auszuhebeln.

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Vor diesem Hintergrund erscheint es so richtig wie nötig, dass Art. 69 Abs. 2 StPO den vorbeschriebenen ersatzweisen Anspruch interessierter Personen, in nicht mündlich eröffnete und begründete Urteile Einsicht nehmen zu können, auf Strafbefehle ausdehnt.[9] Richtig deshalb, weil ein Strafbefehl mit Eintritt der Rechtskraft die Qualität eines gerichtlichen Urteils erlangt (Art. 354 Abs. 3 StPO) und sich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr von einem Urteil unterscheidet, das ohne öffentliche Urteilsverkündung ergangen ist. Nötig deshalb, weil im Gegensatz zur Grundkonstellation von Art. 69 Abs. 2 StPO, wo es nach einer immerhin noch öffentlichen Gerichtsverhandlung zu keiner öffentlichen Urteilsverkündung mehr kommt, in der Strafbefehlskonstellation ja schon das Verfahren, das zum Erlass eines Strafbefehls führt, nicht öffentlich ist.[10] Ohne Art. 69 Abs. 2 StPO hätte es die Staatsanwaltschaft also in der Hand, die grosse Masse von Strafsachen, die mit einem Strafbefehl abgeschlossen werden können, durch Wahl dieser Erledigungsform selbst einem Minimum an demokratischer Kontrolle zu entziehen.

22

Und so ist es nur konsequent, wenn das Bundesgericht Art. 69 Abs. 2 StPO sinngemäss auch auf Verfahren anwendet, welche mit einer Einstellungsverfügung erledigt worden sind, ist eine solche mit Eintritt der Rechtskraft doch ebenso einem (freisprechenden) Urteil gleichzusetzen (Art. 320 Abs. 4 StPO).[11]

23

Kommt es zu keiner öffentlichen Urteilsverkündung mit mündlicher Urteilseröffnung und -begründung und tritt an deren Stelle der Anspruch interessierter Personen, in das Urteil, den Strafbefehl oder die Einstellungsverfügung Einsicht nehmen zu können, so kann die zuständige Strafbehörde diesem surrogatsweise etwa durch Auflage des Entscheids in der Gerichts- bzw. Amtskanzlei, durch Aushändigung einer Kopie an ersuchende Personen, durch Zustellung einer Kopie an Gerichtsberichterstatter oder durch Publikation im Internet gerecht werden. Solche Surrogate lässt auch der EGMR in ständiger Rechtsprechung als mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK kompatibel gelten.[12]

24

Aus der ratio legis sowohl der völker- und verfassungsrechtlichen Vorgaben als auch von Art. 69 Abs. 2 StPO muss sich freilich ein umfassender Surrogatsanspruch ergeben, der jeder interessierten Person das Recht gibt, Einsicht in den vollständigen Entscheid nehmen zu können, soweit nicht berechtigte bzw. schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen von Verfahrensbeteiligten entgegenstehen, denen in aller Regel aber mit massvollen Anonymisierungen, Schwärzungen oder Auslassungen Rechnung getragen werden kann.[13]

25

Entsprechend geht es auch nicht an, den Surrogatsanspruch nur Personen zuzugestehen, die ein – wie auch immer zu definierendes – berechtigtes bzw. schutzwürdiges Interesse für die Einsichtnahme geltend machen können, wenngleich die bundesgerichtliche Rechtsprechung das bei Strafbefehlen nach wie vor tut.[14]

C. Nicht öffentliches Vorverfahren

26

Vom Öffentlichkeitsgrundsatz weitestgehend ausgenommen ist das Vorverfahren (Art. 69 Abs. 3 lit. a StPO).

27

Dies erscheint aus dreierlei Gründen sachgerecht:

Erstens wird im Ermittlungs- und Untersuchungsstadium noch nicht über eine strafrechtliche Anklage im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK verhandelt, so dass schon aus völker- und verfassungsrechtlicher Sicht keine Notwendigkeit für Publikumsöffentlichkeit besteht.[15]

28

Zweitens geht es im Ermittlungs- und Untersuchungsstadium in erster Linie darum, einem initialen Tatverdacht nachzugehen, d.h. den genauen Sachverhalt zu klären bzw. in diesem Zusammenhang möglichst frei von äusseren Einflüssen belastende und entlastende Beweise zu erheben, um so möglichst nahe an die objektive Wahrheit heranzukommen (Art. 6 StPO). Dies verlangt zwar in der Regel nach Parteiöffentlichkeit, wohingegen Publikumsöffentlichkeit offenkundig heikel wäre, weil der Zweck des Vorverfahrens dadurch gerade gefährdet werden könnte.[16]

29

Drittens ist es ohne weiteres denkbar und kommt es in der Praxis häufig vor, dass sich ein initialer Tatverdacht im Zuge der getätigten Ermittlungen und Untersuchungen abschwächt oder gar verflüchtigt, was dann zu einer Nichtanhandnahme oder Einstellung des Vorverfahrens führt, so dass auch die Unschuldsvermutung und Gründe des Persönlichkeitsschutzes gegen ein publikumsöffentliches Vorverfahren sprechen.[17]

30

Die Nichtöffentlichkeit des Vorverfahrens wird denn auch nicht durchbrochen, wenn interessierten Personen ein Anspruch eingeräumt wird, in Einstellungsverfügungen Einsicht nehmen zu können. Dabei geht es nämlich nicht mehr um die Sicherung des Ermittlungs- und Untersuchungszwecks, um die Unschuldsvermutung oder um den Persönlichkeitsschutz, sondern ist dies vielmehr die Konsequenz der qualitativen Gleichstellung einer Einstellungsverfügung mit einem freisprechenden Urteil (Art. 320 Abs. 4 StPO).[18]

31

Soweit Art. 69 Abs. 3 lit. a StPO von der Nichtöffentlichkeit des Vorverfahrens eine Ausnahme macht, indem Mitteilungen der Strafbehörden an die Öffentlichkeit vorbehalten bleiben, kann man sich m.E. fragen, ob es sich dabei tatsächlich um eine Ausnahmeregelung handelt und ob es diesen Gesetzesvorbehalt überhaupt braucht. Denn damit soll ja gerade keine Publikumsöffentlichkeit im Hinblick auf Transparenz oder demokratische Kontrolle geschaffen werden, sondern geht es vielmehr darum, den Strafbehörden zu Fahndungs- oder Orientierungszwecken ein Instrument zur Information der Öffentlichkeit in die Hand zu geben, wie es sich freilich weit detaillierter auch aus Art. 74 Abs. 1 und 2 StPO sowie aus Art. 211 Abs. 1 StPO ergibt.[19]

32

M.E. weisen Art. 69 Abs. 3 lit. a StPO und Art. 74 Abs. 1 und 2 StPO also eine gänzlich verschiedene ratio legis auf, so dass der vermeintlichen Ausnahmeregelung in ersterer Bestimmung in Tat und Wahrheit gar keine eigenständige Bedeutung zukommt, so dass sie ersatzlos gestrichen werden könnte. Dies umso mehr, als sich letztere Bestimmung nicht nur auf das Vorverfahren beschränkt, sondern das gesamte Strafverfahren abdeckt und somit gleichermassen für Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte gilt.

D. Nicht öffentliches Zwangsmassnahmenverfahren

33

Vom Öffentlichkeitsgrundsatz vollständig ausgenommen ist das Zwangsmassnahmenverfahren (Art. 69 Abs. 3 lit. b StPO).

34

Soweit ersichtlich, wird diese Bestimmung von Lehre und Rechtsprechung nicht weiter hinterfragt, was daran liegen dürfte, dass sie mit geltendem Völker- und Verfassungsrecht in Einklang steht und dass das Zwangsmassnahmenverfahren als Teil des Vorverfahrens betrachtet wird,[20] so dass sämtliche Argumente für dessen Nichtöffentlichkeit auch für das Zwangsmassnahmenverfahren gelten.[21]

35

So schreibt Art. 6 Ziff. 1 EMRK die Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung ja lediglich in Fällen vor, in denen ein Gericht über eine strafrechtliche Anklage entscheidet, mithin also gerade nicht in Fällen, in denen ein Gericht «nur» über die Anordnung von Massnahmen befindet, mit denen der Zweck des Vorverfahrens sichergestellt werden soll.[22]

36

Und auch Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK i.V.m. Art. 5 Ziff. 3 und 4 EMRK sowie Art. 31 Abs. 3 BV schreiben lediglich vor, dass eine während laufendem Verfahren inhaftierte Person unverzüglich einer richterlichen Behörde vorgeführt werden muss und Anspruch auf Überprüfung der Rechtmässigkeit der Haftsituation innert angemessener bzw. kurzer Frist hat, nicht aber, dass dies im Rahmen eines öffentlichen Verfahrens geschehen müsste.[23]

37

Weiter versteht sich mit Blick auf die gerichtliche Anordnung bzw. Genehmigung geheimer Zwangsmassnahmen wie etwa einer Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Art. 274 StPO) oder einer verdeckten Ermittlung (Art. 289 StPO) von selbst, dass es hier vorab den Ermittlungs- und Untersuchungszweck zu schützen gilt, welcher nur schon bei einer parteiöffentlichen, erst recht aber bei einer publikumsöffentlichen Gerichtsverhandlung und Entscheidverkündung offenkundig unterlaufen würde.[24]

38

M.E. wäre es jedoch angezeigt, bei der gerichtlichen Anordnung bzw. Verlängerung nicht geheimer Zwangsmassnahmen, namentlich von Untersuchungs- und Sicherheitshaft, über den völker- und verfassungsrechtlichen Mindeststandard sowie vorverfahrensspezifische Argumente hinaus zusätzliche Aspekte zu berücksichtigen:

39

Art. 69 Abs. 3 lit. b StPO wird für das Haftverfahren durch Art. 225 Abs. 1 StPO und Art. 227 Abs. 6 StPO (Anordnung und Verlängerung von Untersuchungshaft) sowie Art. 229 Abs. 3 lit. a und b StPO (Anordnung und Verlängerung von Sicherheitshaft) konkretisiert, indem explizit festgehalten wird, dass auch eine mündliche Gerichtsverhandlung und Entscheidverkündung vor dem Zwangsmassnahmengericht unter Ausschluss der Publikumsöffentlichkeit stattfinden. Der Grund dafür sind unzweifelhaft vorverfahrensspezifische Argumente (Sicherung des Ermittlungs- und Untersuchungszwecks, Unschuldsvermutung, Persönlichkeitsschutz).[25]

40

Es steht denn auch ausser Frage, dass eine mündliche Gerichtsverhandlung und Entscheidverkündung vor dem Zwangsmassnahmengericht unter Zulassung der Publikumsöffentlichkeit das Risiko bärgen, dass durch Bekanntwerden der beschuldigten Person, der im Raum stehenden Tatvorwürfe und weiterer fallbezogener Details der Ermittlungs- und Untersuchungszweck gefährdet sein könnte. Hinzu kämen Bedenken, wie ein publikumsöffentliches Haftverfahren punkto Kommunikation, Organisation und Sicherheit auszugestalten wäre.

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Demgegenüber erscheint es aber schon fast zynisch, den Ausschluss der Publikumsöffentlichkeit im Haftverfahren unter Berufung auf die Unschuldsvermutung und den Persönlichkeitsschutz zu begründen,[26] gibt es doch keine andere Zwangsmassnahme, die mit der Unschuldsvermutung und dem Persönlichkeitsschutz so sehr in einem Spannungsverhältnis, ja sogar im Widerspruch steht, wie die Untersuchungs- und Sicherheitshaft. Denn deren Anordnung bzw. Verlängerung bedeutet für die beschuldigte Person nicht nur einen massiven Grundrechtseingriff, sondern hat für diese klarerweise auch Strafcharakter. Sei dies wegen der äusserst strengen Ausgestaltung des Haftregimes, dessen Strenge den normalen Strafvollzug bei weitem übertrifft. Sei dies wegen der sich aus einer Inhaftierung stets ergebenden Vorverurteilung und deren familiären, sozialen und wirtschaftlichen Folgen (Abwenden von Familie und Freunden, Rufschädigung, Stellenverlust etc.). Und all dies, obschon die Täterschaft der beschuldigten Person sowie Tatbestandsmässigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuldhaftigkeit des ihr vorgeworfenen Verhaltens noch gar nicht gerichtlich beurteilt, geschweige denn rechtskräftig festgestellt wurden.

42

Daraus ergibt sich nicht nur, dass die Unschuldsvermutung und der Persönlichkeitsschutz als Argumente für einen Ausschluss der Publikumsöffentlichkeit im Haftverfahren offensichtlich nicht taugen, sondern dass das Fehlen von Publikumsöffentlichkeit im Haftverfahren recht eigentlich unhaltbar ist: Ausgerechnet dort, wo die beschuldigte Person einen objektiv massiven Grundrechtseingriff und eine subjektiv drastische Bestrafung erfährt, sie als Rechtsunterworfene mithin die volle Härte und Macht der Staatsgewalt zu spüren bekommt, soll der Öffentlichkeitsgrundsatz nicht zum Tragen kommen, sollen Transparenz und demokratische Kontrolle verzichtbar sein?

43

Dieser Umstand ist – pointiert ausgedrückt – noch umso fataler, wenn Zwangsmassnahmengerichte den eigentlichen Sinn und Zweck ihres Daseins nicht verstehen und sich vielmehr zu Feigenblättern der Staatsanwaltschaften machen, sprich deren Haft(verlängerungs)anträge unkritisch durchwinken, anstatt sie kritisch zu hinterfragen, sich auch mit den konträren Argumenten der Verteidigung auseinanderzusetzen und etwa durch Befristungen (Art. 226 Abs. 4 lit. a StPO), Anweisungen an die Staatsanwaltschaften (Art. 226 Abs. 4 lit. b StPO) oder Ersatzmassnahmen (Art. 226 Abs. 4 lit. c StPO) gestaltend ins Haftverfahren einzugreifen. Solchen Zwangsmassnahmengerichten wird von den Rechtsunterworfenen denn auch keine echte Legitimität attestiert und ihren Entscheiden keine echte Akzeptanz entgegengebracht.

44

Nun versteht sich von selbst, dass Zwangsmassnahmengerichte, die sich mit diesem Vorwurf konfrontiert sehen, ihn vehement in Abrede stellen.[27] Wer wie der Autor dieses Beitrags aber nicht nur die Gerichts- und Strafverfolgungsperspektive kennt, sondern auch über langjährige Erfahrung als Strafverteidiger verfügt, kommt nicht umhin einzugestehen, dass besagter Vorwurf des öfteren aus gutem Grund erhoben wird.

45

Das letztlich also bestehende Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel der Sicherung des Ermittlungs- und Untersuchungszwecks einerseits und dem Bedürfnis nach Transparenz und demokratischer Kontrolle auch im Haftverfahren andererseits liesse sich freilich einfach auflösen: durch sinngemässe Anwendung von Art. 69 Abs. 2 StPO.[28]

46

Denn wieso soll bei einem Sachurteil, das ohne öffentliche Urteilsverkündung mit mündlicher Urteilseröffnung und -begründung ergangen ist, der ersatzweise Anspruch interessierter Personen bestehen, in das Erkenntnis Einsicht nehmen zu können, bei einem nicht minder gewichtigen Haftentscheid, der auf dieselbe Art und Weise ergangen ist, aber nicht? Zwar mag sich diese Differenzierung de lege lata so aus der Strafprozessordnung ergeben, gerechtfertigt ist sie mit Blick auf die ratio legis des Öffentlichkeitsgrundsatzes aber nicht.[29]

47

Dies noch umso weniger, als ja auch ein Haftentscheid anonymisiert, geschwärzt oder mit Auslassungen versehen in der Gerichtskanzlei aufgelegt, in Kopie ersuchenden Personen ausgehändigt, unter Auflagen Gerichtsberichterstattern zugestellt oder im Internet publiziert werden könnte. Weder würde der Ermittlungs- und Untersuchungszweck unterlaufen, noch würden berechtigte bzw. schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen von Verfahrensbeteiligten verletzt. Umgekehrt würde zumindest ein Minimum an aktuell fehlender, aus rechtsstaatlicher Sicht aber dringend nötiger Transparenz und demokratischer Kontrolle geschaffen.

48

Es bleibt somit zu hoffen, dass der Gesetzgeber de lege ferenda entsprechende Anpassungen der Strafprozessordnung in die Wege leiten wird. Soweit sich für die Zwangsmassnahmengerichte daraus ein administrativer Mehraufwand ergäbe, wäre dieser jedenfalls kein valables Argument gegen eine entsprechende Gesetzesänderung, würde er sich doch in engen Grenzen halten und wäre er mit Blick auf den weitaus gewichtigeren Zugewinn an Rechtsstaatlichkeit, Legitimität und Akzeptanz zu Gunsten der Zwangsmassnahmengerichte und ihrer Entscheide fraglos in Kauf zu nehmen.

E. Nicht öffentliches Beschwerde- und schriftliches Berufungsverfahren

49

Vom Öffentlichkeitsgrundsatz ebenfalls vollständig ausgenommen sind sodann das Beschwerdeverfahren und, soweit es schriftlich durchgeführt wird, das Berufungsverfahren (Art. 69 Abs. 3 lit. c StPO).

50

Diese Bestimmung vermag in doppelter Hinsicht nicht zu überraschen: Zum einen impliziert schon Art. 69 Abs. 1 StPO, wonach mündliche Verfahren vor dem erstinstanzlichen Gericht und dem Berufungsgericht publikumsöffentlich sind, dass schriftliche Verfahren wie das Beschwerdeverfahren (Art. 397 Abs. 1 StPO) und das schriftlich durchgeführte Berufungsverfahren (Art. 406 Abs. 1 und 2 StPO) es umgekehrt nicht sind. Zum anderen wäre auch schwer vorstellbar, wie ein schriftliches bzw. schriftlich durchgeführtes Verfahren als solches publikumsöffentlich ausgestaltet werden könnte.[30]

51

Vorab stellt sich aber auch hier die Frage, ob es mit höherrangigem Recht vereinbar ist, wenn Art. 69 Abs. 3 lit. c StPO das Beschwerdeverfahren und das schriftlich durchgeführte Berufungsverfahren vom Öffentlichkeitsgrundsatz ausnimmt.

52

Für das Beschwerdeverfahren ist die Antwort rasch gefunden; es kann mutatis mutandis auf das nicht öffentliche Zwangsmassnahmenverfahren verwiesen werden:[31] Da Art. 6 Ziff. 1 EMRK die Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung lediglich für den Fall vorschreibt, dass ein Gericht über eine strafrechtliche Anklage entscheidet, braucht das Verfahren vor einem Gericht, das «nur» prozessuale Entscheide, Verfahrenshandlungen und Anordnungen betreffend Massnahmen zur Sicherung des Zwecks des Vorverfahrens überprüft, nicht publikumsöffentlich zu sein.

53

Für das schriftlich durchgeführte Berufungsverfahren liegt die Antwort weniger auf der Hand, sondern ergibt sich erst mit Blick auf die Rechtsprechung des EGMR: Danach kann aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK nämlich nicht abgeleitet werden, dass der Öffentlichkeitsgrundsatz vor sämtlichen Gerichtsinstanzen zum Tragen kommen müsste, und besteht in Strafverfahren ein Anspruch auf Publikumsöffentlichkeit auch nur insoweit, als ein Gericht über Tat- und Rechtsfragen bzw. damit zusammenhängend über Schuld und Unschuld zu entscheiden hat. Stets sollen aber das Strafverfahren als Ganzes und die Umstände des Einzelfalles mitberücksichtigt werden.[32]

54

Im Lichte dieser Rechtsprechung erscheint es somit unproblematisch, wenn ein Berufungsverfahren schriftlich durchgeführt wird, sofern einerseits ein publikumsöffentliches erstinstanzliches Gerichtsverfahren stattgefunden hat und andererseits das Berufungsgericht keine umfassende Klärung von Tat- und Rechtsfragen mehr vornehmen muss, mithin nicht mehr Schuld- und Strafpunkt im Zentrum stehen, wenn bloss noch Nebensanktionen bzw. Nebenmassnahmen, Zivilforderungen oder Kosten- und Entschädigungsfolgen angefochten sind, wenn es sich um eine Strafsache von geringer Bedeutung handelt oder wenn sich keine Fragen zur beschuldigten Person mehr stellen, die einen persönlichen Eindruck von ihr verlangen.[33]

55

Diesen Anforderungen genügt die Strafprozessordnung, indem sie einerseits stets ein publikumsöffentliches erstinstanzliches Gerichtsverfahren vorsieht (Art. 69 Abs. 1 StPO), andererseits schriftlich durchgeführte Berufungsverfahren nur zulässt, wenn ausschliesslich noch Rechtsfragen zu entscheiden sind, der Zivilpunkt angefochten ist, Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Urteils bildeten und mit der Berufung nicht ein Schuldspruch wegen eines Vergehens oder Verbrechens beantragt wird oder Kosten-, Entschädigungs- und Genugtuungsfolgen angefochten sind (Art. 406 Abs. 1 lit. a–e StPO) oder wenn die Anwesenheit der beschuldigten Person nicht erforderlich oder ein Urteil eines Einzelgerichts Gegenstand der Berufung ist und die Parteien mit dieser Vorgehensweise einverstanden sind (Art. 406 Abs. 2 lit. a–b StPO).

56

Im Ergebnis ist Art. 69 Abs. 3 lit. c StPO im Zusammenspiel mit Art. 69 Abs. 1 StPO und Art. 397 Abs. 1 StPO bzw. Art. 406 Abs. 1 und 2 StPO also mit höherrangigem Recht vereinbar.[34]

57

Wenn Art. 69 Abs. 3 lit. c StPO das Beschwerdeverfahren und das schriftlich durchgeführte Berufungsverfahren vom Öffentlichkeitsgrundsatz ausnimmt, sind damit freilich nur die Verfahren als solche gemeint. Gemäss Art. 390 Abs. 5 StPO besteht aber auch in schriftlichen bzw. schriftlich durchgeführten Verfahren die Möglichkeit, im Bedarfsfall auf Antrag einer Partei oder von Amtes wegen eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Wird entsprechend verfahren, so ist diese nach herrschender Lehre und Rechtsprechung publikumsöffentlich im Sinne von Art. 69 Abs. 1 StPO durchzuführen.[35]

58

M.E. wäre es jedoch angezeigt, das Beschwerdeverfahren und das schriftlich durchgeführte Berufungsverfahren auch über die Ausnahmefälle von Art. 390 Abs. 5 StPO hinaus weiter zu öffnen:

59

Mit Blick auf das Beschwerdeverfahren kann abermals auf das nicht öffentliche Zwangsmassnahmenverfahren verwiesen werden:[36] Was dort dafür spricht, bei der gerichtlichen Anordnung bzw. Verlängerung nicht geheimer Zwangsmassnahmen, namentlich von Untersuchungs- und Sicherheitshaft, aktuell fehlende, aus rechtsstaatlicher Sicht aber dringend nötige Transparenz und demokratische Kontrolle zu schaffen, gilt selbstredend auch für das Rechtsmittelverfahren, in welchem solche Anordnungen bzw. Verlängerungen überprüft werden.

60

Und mit Blick auf das schriftlich durchgeführte Berufungsverfahren kann auf die nicht öffentliche Urteilsverkündung verwiesen werden:[37] Dort wurde aufgezeigt, dass es sich mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz nicht vereinbaren liesse, wenn es die Parteien und das Gericht in der Hand hätten, diese auch die Allgemeinheit schützende elementare Verfahrensmaxime teilweise ausser Kraft zu setzen bzw. deren Schutzzweck einer demokratisch kontrollierten Rechtsprechung auszuhebeln, indem sie auf eine öffentliche Urteilsverkündung verzichten. Wieso soll es in den Fällen von Art. 406 Abs. 1 und 2 StPO, wo alleine das Berufungsgericht, teilweise mit dem Einverständnis der Parteien, über die Schriftlichkeit und damit Nichtöffentlichkeit des Berufungsverfahrens entscheidet, anders sein?

61

Im Ergebnis würde sich m.E. somit auch beim Beschwerdeverfahren und beim schriftlich durchgeführten Berufungsverfahren eine sinngemässe Anwendung von Art. 69 Abs. 2 StPO als nicht nur sachgerecht, sondern unter rechtsstaatlichen Aspekten geradezu geboten erweisen.[38]

F. Nicht öffentliches Strafbefehlsverfahren

62

Zu guter Letzt ist vom Öffentlichkeitsgrundsatz auch noch das Strafbefehlsverfahren vollständig ausgenommen (Art. 69 Abs. 3 lit. d StPO).

63

Mit Blick auf die völker- und verfassungsrechtlichen Vorgaben erweist sich diese Bestimmung als unproblematisch. Zwar ist ein Strafbefehl als strafrechtliche Anklage im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu betrachten, stellt er aber zugleich auch nur einen Urteilsvorschlag dar, gegen welchen sich die beschuldigte Person durch Einsprache zur Wehr setzen und so eine gerichtliche Überprüfung im Rahmen einer publikumsöffentlichen Hauptverhandlung herbeiführen kann (Art. 354 ff. StPO). Und so lässt denn auch der EGMR diesen Mechanismus in ständiger Rechtsprechung als mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK kompatibel gelten.[39]

64

M.E. fragt sich jedoch, ob Art. 69 Abs. 3 lit. d StPO nicht recht eigentlich obsolet ist. Denn wenn die Strafprozessordnung das Vorverfahren als nicht publikumsöffentlich erklärt (Art. 69 Abs. 3 lit. a StPO) und den Anspruch interessierter Personen statuiert, in einen Strafbefehl Einsicht nehmen zu können, womit sie zum Ausdruck bringt, dass ein solcher nie publikumsöffentlich verkündet wird (Art. 69 Abs. 2 StPO), ist schon für die Verfahrensspanne von der Eröffnung der Untersuchung bis zum Erlass des Strafbefehls kein eigener Anwendungsbereich für diese Bestimmung erkennbar.

65

Demzufolge könnte Art. 69 Abs. 3 lit. d StPO nur im Falle einer Einsprache der beschuldigten Person gegen den Strafbefehl zum Tragen kommen, wobei das «Verfahren bei Einsprache» im Sinne von Art. 355 StPO aber gerade kein eigenständiges Einspracheverfahren darstellt, sondern vielmehr eine Fortführung des – eben nicht öffentlichen – Vorverfahrens zwecks allfälliger Wiedererwägung der von der Staatsanwaltschaft gewählten Erledigungsart bedeutet. Und so ist die Publikumsöffentlichkeit auch für die Verfahrensspanne von der Einsprache bis zur neuerlichen Erledigung des Vorverfahrens von vornherein ausgeschlossen.

66

Im Ergebnis hat Art. 69 Abs. 3 lit. d StPO somit keine selbständige Bedeutung, weshalb die Bestimmung ersatzlos gestrichen werden könnte.

3. Gerichtlich angeordnete Ausnahmen

A. Zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung

67

Das Gericht kann die Öffentlichkeit von im Sinne von Art. 69 Abs. 1 StPO publikumsöffentlichen Gerichtsverhandlungen teilweise oder ganz ausschliessen, wenn die öffentliche Sicherheit oder Ordnung dies erfordert (Art. 70 Abs. 1 lit. a StPO).

68

Dieser mit Blick auf Art. 14 Ziff. 1 IPBPR, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 30 Abs. 3 BV völkerrechts- und verfassungskonforme Ausnahmegrund erlaubt die Einschränkung oder den Ausschluss der Publikumsöffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen, wenn der Verfahrensgegenstand, dessen Bekanntwerden und/oder damit zusammenhängende äussere Umstände eine Gefährdung der Verfahrensbeteiligten, des Gerichts, der Zuschauer und/oder der Allgemeinheit mit sich bringen könnten. Zu denken ist einerseits etwa an Strafverfahren betreffend Delikte gegen den Staat (Art. 265 ff. StGB), verbotenen Nachrichtendienst (Art. 272 ff. StGB) oder Gefährdung der verfassungsmässigen Ordnung (Art. 275 ff. StGB), in welchen staats-, sicherheits- oder wirtschaftspolitische Geheimnisse oder heikle Informationen im Zentrum stehen, andererseits etwa an Strafverfahren, in deren Kontext durch Dritte Störungen der Gerichtsverhandlung, Angriffe auf Personen oder Institutionen oder übergreifende Unruhen zu befürchten sind.[40]

B. Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen eines Verfahrensbeteiligten

69

Sodann kann das Gericht die Öffentlichkeit von im Sinne von Art. 69 Abs. 1 StPO publikumsöffentlichen Gerichtsverhandlungen teilweise oder ganz ausschliessen, wenn schutzwürdige Interessen eines Verfahrensbeteiligten, insbesondere des Opfers, dies erfordern (Art. 70 Abs. 1 lit. a StPO).

70

Im Lichte von Art. 14 Ziff. 1 IPBPR, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 30 Abs. 3 BV erweist sich auch dieser Ausnahmegrund als völkerrechts- und verfassungskonform. Das Gericht soll die Möglichkeit haben, durch einen Ausschluss der Publikumsöffentlichkeit schutzwürdigen Interessen grundsätzlich jedes Verfahrensbeteiligten, insbesondere aber des Opfers, gerecht zu werden.[41]

71

Vom Gesetzeswortlaut her müsste das Gericht also von Amtes wegen prüfen, ob und wenn ja, bei welchen Verfahrensbeteiligten was für schutzwürdige Interessen bestehen, und diese hernach sowohl gegeneinander als auch gegen das Öffentlichkeitsinteresse der Allgemeinheit abwägen.[42]

72

Die Praxis sieht freilich anders aus: Zum einen wird ein Ausschluss der Publikumsöffentlichkeit kaum je vom Gericht thematisiert, sondern meistens von Seiten des Beschuldigten oder des Opfers beantragt. Zum anderen werden regelmässig die Beschuldigteninteressen unter sowie die Opferinteressen über das Öffentlichkeitsinteresse der Allgemeinheit gestellt. Entsprechend wird dem Beschuldigten zwar die Berufung auf die persönliche Freiheit und sich daraus ableitende Persönlichkeitsrechte zugestanden, darin aber nur selten ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse erblickt, da psychische Belastungen und Blossstellungen mit jeder Gerichtsverhandlung einhergingen und gerade unvermeidbare Folge des den Beschuldigten eigentlich ja schützenden Öffentlichkeitsgrundsatzes seien. Umgekehrt wird den Opferinteressen gerade bei Delikten gegen die sexuelle Integrität fast immer von vornherein schon ein erhebliches Gewicht beigemessen.[43]

C. Bei (zu) grossem Andrang

73

Zu guter Letzt kann das Gericht die Öffentlichkeit von im Sinne von Art. 69 Abs. 1 StPO publikumsöffentlichen Gerichtsverhandlungen auch teilweise oder ganz ausschliessen, wenn grosser Andrang herrscht (Art. 70 Abs. 1 lit. b StPO).

74

Dieser Ausnahmegrund erweist sich nur schon deshalb als völkerrechts- und verfassungskonform, weil er m.E. recht eigentlich gar keiner ist. Anders als bei den vorerwähnten Ausnahmegründen der Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung und der Wahrung schutzwürdiger Interessen eines Verfahrensbeteiligten geht es hier nämlich nicht um eine qualitative, sondern lediglich um eine quantitative Einschränkung des Öffentlichkeitsgrundsatzes.

75

Weder dient noch taugt Art. 70 Abs. 1 lit. b StPO dazu, Informationen geheim zu halten, Gefahren abzuwehren oder Interessen eines Verfahrensbeteiligten zu schützen. Vielmehr räumt die Bestimmung dem Gericht bloss eine selbstverständliche sitzungspolizeiliche Befugnis ein, und zwar bei einem dessen räumliche Kapazitäten übersteigenden Publikumsinteresse überzählige Besucher abweisen zu dürfen. Damit wird der Öffentlichkeitsgrundsatz im Kern überhaupt nicht tangiert.[44]

76

Mit Blick auf die ratio legis erweist sich der Gesetzeswortlaut freilich als unpräzis und missverständlich: Einerseits knüpft er an eine unzureichende Prämisse an, kann doch nicht schon ein «grosser», sondern erst ein «zu grosser» Publikumsandrang entsprechende sitzungspolizeiliche Massnahmen auslösen. Andererseits vermöchte auch ein zu grosser Publikumsandrang keinen teilweisen, geschweige denn einen vollständigen Ausschluss der Publikumsöffentlichkeit zu rechtfertigen, sondern eben gerade nur ihre Begrenzung auf das mit den räumlichen Kapazitäten des Gerichts vereinbare Mass.[45]

77

M.E. könnte Art. 70 Abs. 1 lit. b StPO den Öffentlichkeitsgrundsatz immerhin insofern tangieren, als die Bestimmung offenlässt, nach welchen Kriterien im Falle begrenzter räumlicher Kapazitäten des Gerichts Publikum zuzulassen ist bzw. überzählige Besucher abzuweisen sind. Diesbezüglich dürfte immerhin klar sein, dass ein gezielter Ausschluss ganzer Personengruppen bzw. bestimmter Personenkreise nicht anginge, umgekehrt eine gezielte Privilegierung von Gerichtsberichterstattern jedoch zulässig wäre und mit Blick auf deren in einem demokratischen Rechtsstaat besondere Rolle bzw. Bedeutung sogar geboten sein könnte.[46] In diesem Zusammenhang fragt sich jedoch, ob im Lichte der heutigen technischen Möglichkeiten jedenfalls bei einem zu erwartenden grossen Publikumsinteresse nicht von vornherein ein Anspruch des Publikums bzw. eine entsprechende Verpflichtung des Gerichts besteht, begrenzten räumlichen Kapazitäten durch eine (zusätzliche) audiovisuelle Live-Übertragung der Gerichtsverhandlung in eine weitere bzw. geeignetere Lokalität Rechnung zu tragen.[47]

D. Kompensationsmassnahmen

78

Macht ein Gericht von Art. 70 Abs. 1 StPO Gebrauch, so sieht die Strafprozessordnung für den teilweisen oder vollständigen Ausschluss der Publikumsöffentlichkeit von der Gerichtsverhandlung entsprechende Kompensationsmassnahmen vor. Dabei geht es darum, im Widerstreit der verschiedenen Interessen derjenigen Lösung den Vorzug zu geben, welche den Öffentlichkeitsgrundsatz am wenigsten einschränkt, wodurch letztlich das Verhältnismässigkeitsprinzip als Richtschnur allen staatlichen Handelns gewahrt werden soll (Art. 5 Abs. 2 BV, Art. 18 EMRK).[48]

79

a) Gemäss Art. 70 Abs. 2 StPO können im Falle eines Ausschlusses der Öffentlichkeit von der Gerichtsverhandlung der Beschuldigte, das Opfer und der Privatkläger sich von höchstens drei Vertrauenspersonen begleiten lassen.

80

Diese Bestimmung ist in mehrfacher Hinsicht unklar:

Erstens bleibt offen, ob sie bereits bei einem teilweisen oder nur bei einem vollständigen Ausschluss der Öffentlichkeit gilt. Soweit ersichtlich, haben sich Lehre und Rechtsprechung noch nicht dazu geäussert. Immerhin scheint der Gesetzeswortlaut in der französischen Fassung auf einen vollständigen Ausschluss der Öffentlichkeit hinzudeuten, wenngleich m.E. nichts dagegensprechen würde, Vertrauenspersonen stets zuzulassen, sobald nicht uneingeschränkte Publikumsöffentlichkeit besteht.

81

Zweitens lässt der Gesetzeswortlaut hinsichtlich der Anzahl an Vertrauenspersonen verschiedene Interpretationen zu, könnten damit doch insgesamt höchstens drei Vertrauenspersonen[49] oder aber je höchstens drei Vertrauenspersonen[50] gemeint sein. M.E. kann erstere Auslegung freilich schon deshalb nicht richtig sein, weil auch in Strafverfahren mit mehr als drei Beschuldigten, Opfern und/oder Privatklägern jeder dieser Verfahrensbeteiligten Anrecht auf Begleitung durch mindestens eine Vertrauensperson haben müsste, was sich mit einer Beschränkung auf maximal drei Vertrauenspersonen im Gerichtssaal aber nicht vereinbaren liesse. Demgegenüber sprechen für je höchstens drei Vertrauenspersonen auch psychologische Gründe, wird für die Verfahrensbeteiligten doch nur so eine echte Kompensation für den Ausschluss der Öffentlichkeit geschaffen, gleichzeitig aber auch verhindert, dass eine Partei mit einer möglichst grossen Anhängerschaft die Gegenpartei unter Druck setzen oder einschüchtern kann.[51]

82

Drittens könnte man sich fragen, ob als Vertrauenspersonen auch Rechtsbeistände gelten, welche bejahendenfalls dann mitzuzählen wären. Mit Blick auf Art. 149 Abs. 3 StPO und Art. 152 Abs. 2 StPO, wo die Strafprozessordnung eine explizite Unterscheidung zwischen Vertrauenspersonen und Rechtsbeiständen vornimmt, wird dies wohl verneint werden können.[52]

83

b) Gemäss Art. 70 Abs. 3 StPO kann das Gericht Gerichtsberichterstattern und weiteren Personen, die ein berechtigtes Interesse haben,[53] unter bestimmten Auflagen den Zutritt zu nicht öffentlichen Gerichtsverhandlungen gestatten.

84

Wenngleich es sich bei dieser Bestimmung um eine Kann-Vorschrift handelt, ist sie m.E. trotzdem als zwingende Privilegierung der Gerichtsberichterstatter zu verstehen, gründet deren Interesse an der Zulassung zu nicht publikumsöffentlichen Gerichtsverhandlungen doch bereits auf der Informations- und Medienfreiheit im Sinne von Art. 16 Abs. 3 BV und Art. 17 Abs. 1 BV und kommt diesen aufgrund ihrer Wächterrolle – vom EGMR als «public watch dogs» bezeichnet – und Brückenfunktion zwischen Publikumsöffentlichkeit und Judikative in einem demokratischen Rechtsstaat auch eine ganz besondere Bedeutung zu.[54]

85

Mit der Zulassung alleine der Medienöffentlichkeit, flankiert von einzelfallgerechten Auflagen für die Gerichtsberichterstattung (Art. 72 StPO), lässt sich in aller Regel denn auch ein vertretbarer Ausgleich zwischen den Interessen der Verfahrensbeteiligten am eigenen Persönlichkeitsschutz und denjenigen der Allgemeinheit an Information über laufende Gerichtsverfahren herstellen[55] sowie die Verbindung zwischen Publikumsöffentlichkeit und Judikative aufrechterhalten.[56]

86

Und so ist m.E. zu begrüssen, dass mit Blick auf die neuere bundesgerichtliche Rechtsprechung heute kaum mehr Fälle denkbar sind, in denen ein Ausschluss nicht nur der Publikumsöffentlichkeit, sondern auch der Medienöffentlichkeit von der (gesamten) Gerichtsverhandlung als verhältnismässig qualifiziert werden könnte.[57] Es sei denn, ein Gerichtsberichterstattter weigere sich oder könne nicht garantieren, die gerichtlich angeordneten Auflagen einzuhalten.[58]

87

c) Gemäss Art. 70 Abs. 4 StPO hat das Gericht nach einem Ausschluss der Öffentlichkeit von der Gerichtsverhandlung das Urteil in einer öffentlichen Verhandlung zu eröffnen oder die Öffentlichkeit bei Bedarf in anderer geeigneter Weise über den Ausgang des Verfahrens zu orientieren.

88

Verlangt der Öffentlichkeitsgrundsatz nicht nur eine öffentliche Gerichtsverhandlung, sondern auch auch eine öffentliche Urteilsverkündung,[59] muss die Allgemeinheit im Nachgang zu einer zum Schutze öffentlicher oder privater Interessen nichtöffentlichen Gerichtsverhandlung also zumindest erfahren dürfen, zu was für einem Urteil das Gericht gelangt ist und von welchen Erwägungen es sich dabei hat leiten lassen.[60]

89

Es ist folglich genau dieser sich aus dem Öffentlichkeitsgrundsatz ergebende Anspruch der Allgemeinheit, der in Art. 70 Abs. 4 StPO kodifiziert und überdies dahingehend konkretisiert wird, dass eine öffentliche Urteilsverkündung mit mündlicher Urteilseröffnung und -begründung zwar die Regel sein soll, mit Blick auf die Umstände des Einzelfalles alternative Formen der Urteilskundgabe jedoch nicht ausgeschlossen sind.

90

Nachdem Art. 6 Ziff. 1 EMRK lediglich eine öffentliche Urteilsverkündung, nicht aber zwingend eine mündliche Urteilseröffnung und -begründung vorschreibt und der EGMR alternative Formen der Urteilskundgabe ebenfalls zulässt,[61] gibt die konkrete Ausgestaltung von Art. 70 Abs. 4 StPO somit zu keinen Bedenken Anlass.[62]

E. Rechtsschutz

91

Soweit der Öffentlichkeitsgrundsatz von der Strafprozessordnung selbst eingeschränkt oder aufgehoben wird, ist das von den Rechtsunterworfenen selbstredend hinzunehmen. Wird er aber durch eine gerichtliche Anordnung tangiert, können sie sich dagegen zur Wehr setzen. Allerdings haben Parteien und Dritte (Gerichtsberichterstatter, Publikum) nicht dieselben Rechtsschutzmöglichkeiten.

92

a) Für eine Partei stellt eine den Öffentlichkeitsgrundsatz tangierende gerichtliche Anordnung einen verfahrensleitenden Zwischenentscheid dar, der nicht selbständig, sondern nur zusammen mit dem verfahrenserledigenden Endentscheid angefochten werden kann (Art. 65 Abs. 1 StPO, Art. 393 Abs. 1 lit. b StPO).[63]

93

Stellt die Rechtsmittelinstanz dann eine unzulässige Einschränkung oder Aufhebung des Öffentlichkeitsgrundsatzes fest, unterscheiden sich die Rechtsfolgen je nachdem, ob die Gerichtsverhandlung oder die Urteilsverkündung betroffen war:

94

Im Falle einer zu Unrecht nicht öffentlichen Gerichtsverhandlung ist das Urteil grundsätzlich aufzuheben und die Gerichtsverhandlung zu wiederholen, ist der Anspruch auf eine öffentliche Gerichtsverhandlung nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung doch formeller Natur. Davon kann nur dann abgesehen werden, wenn auch die zweite Instanz über volle Kognition verfügt und die öffentliche Gerichtsverhandlung nachholt, wodurch der Mangel geheilt wird.[64]

95

Im Falle einer zu Unrecht nicht öffentlichen Urteilsverkündung hat das Urteil hingegen Bestand und ist lediglich das Versäumnis nachzuholen, d.h. das Urteil nachträglich noch zu veröffentlichen bzw. öffentlich zugänglich zu machen.[65]

96

b) Für einen Dritten (Gerichtsberichterstatter, Publikum) stellt eine den Öffentlichkeitsgrundsatz tangierende gerichtliche Anordnung dagegen einen verfahrensleitenden Endentscheid dar, gegen welchen grundsätzlich selbständig Beschwerde erhoben werden kann (Art. 393 Abs. 1 lit. b StPO).[66]

97

Es ist aber auch hier zu unterscheiden, ob mit der Beschwerde eine zu Unrecht nicht öffentliche Gerichtsverhandlung oder eine zu Unrecht nicht öffentliche Urteilsverkündung gerügt werden soll:

98

Gemäss Lehre und Rechtsprechung soll der sich aus Art. 30 Abs. 3 BV ergebende Anspruch auf eine öffentliche Gerichtsverhandlung seinem primär die Verfahrensbeteiligten schützenden Zweck entsprechend[67] als selbständiges Verfahrensgrundrecht nämlich nur von den Parteien angerufen werden können, während Dritte sich primär auf die Informations- und/oder Medienfreiheit im Sinne von Art. 16 Abs. 3 BV oder 17 Abs. 1 BV berufen müssten und nur sekundär auf Art. 30 Abs. 3 BV abstellen könnten (sog. hinkendes, weil prozessual eben unselbständiges Grundrecht).[68]

99

Folglich können Dritte eine zu Unrecht nicht öffentliche Gerichtsverhandlung nur dann (mit Erfolg) rügen, wenn sie nicht nur eine Verletzung des hinkenden Grundrechts, sondern auch eine solche von Gesetzesrecht vorzubringen vermögen. Dies wird regelmässig bedingen, dass es zu einer (mündlichen) Gerichtsverhandlung kommt bzw. gekommen ist und das Gericht in diesem Rahmen einen Ausschluss der Publikumsöffentlichkeit in Anwendung von Art. 70 StPO verfügt bzw. beschlossen hat. Ist dies jedoch nicht der Fall, läuft der Rechtsschutz für Dritte von vornherein leer.[69]

100

Demgegenüber stellt der sich aus Art. 30 Abs. 3 BV ergebende Anspruch auf eine öffentliche Urteilsverkündung seinem primär die Allgemeinheit schützenden Zweck entsprechend[70] für diese wohl ein selbständiges Verfahrensgrundrecht dar, dessen Verletzung von Dritten unabhängig von weiteren Gesetzesverletzungen gerügt werden kann. Soweit ersichtlich, haben sich Lehre und Rechtsprechung dazu noch nicht geäussert.

III. Zusammenfassende Schlussbetrachtung

101

Der in seinen Grundzügen schon völker- und verfassungsrechtlich verankerte Öffentlichkeitsgrundsatz verlangt sowohl eine publikumsöffentliche Gerichtsverhandlung (im Interesse der Verfahrensbeteiligten) als auch eine publikumsöffentliche Urteilsverkündung (im Interesse der Allgemeinheit). Als elementare Verfahrensmaxime darf er nur dann eingeschränkt oder gänzlich aufgehoben werden, wenn überwiegende öffentliche oder private Interessen es gebieten (Schutz der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung sowie eines Verfahrensbeteiligten). Diese Vorgaben werden von der Strafprozessordnung, der Jugendstrafprozessordnung und dem Bundesgerichtsgesetz ordnungsgemäss übernommen, weiter konkretisiert und insbesondere mit Blick auf die gesetzlich vorgesehenen und gerichtlich angeordneten Ausnahmen vom Öffentlichkeitsgrundsatz präzisiert. Die Justizöffentlichkeit im schweizerischen Strafprozessrecht ist somit gewahrt.

102

Dieses positive Zwischenfazit darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Justizöffentlichkeit im schweizerischen Strafprozessrecht mit Ausnahme der publikumsöffentlichen Urteilsberatung am Bundesgericht aber auch nicht über den sich aus höherrangigem Recht ergebenden Mindeststandard hinausgeht. Es wäre deshalb zu begrüssen, wenn der Gesetzgeber im Zuge künftiger Revisionen besagter Verfahrensordnungen dem Öffentlichkeitsgrundsatz noch mehr Gewicht einräumen und entsprechenden Gestaltungsspielraum ausschöpfen würde.

103

Bei den gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen vom Öffentlichkeitsgrundsatz wäre m.E. insbesondere die Nichtöffentlichkeit sowohl des Zwangsmassnahmenverfahrens (Art. 69 Abs. 3 lit. b StPO) als auch des Beschwerde- und schriftlichen Berufungsverfahrens (Art. 69 Abs. 3 lit. c StPO) dahingehend zu relativieren, dass bei zwar auch weiterhin nicht öffentlicher Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung interessierten Personen inskünftig immerhin der ersatzweise Anspruch eingeräumt würde, in die in solchen Verfahren ergangenen Entscheide Einsicht nehmen zu können, mithin durch sinngemässe Anwendung von Art. 69 Abs. 2 StPO.

104

Entsprechend wären auch im Zwangsmassnahmenverfahren sowie im Beschwerde- und schriftlichen Berufungsverfahren sämtliche Entscheide, soweit nötig anonymisiert, geschwärzt oder mit Auslassungen versehen, in der Gerichtskanzlei aufzulegen, in Kopie an ersuchende Personen auszuhändigen, unter Auflagen Gerichtsberichterstattern zuzustellen oder im Internet zu publizieren. Davon auszunehmen wären einzig Entschiede betreffend die Anordnung bzw. Genehmigung geheimer Zwangsmassnahmen.

105

Denn nur so würde auch im Zwangsmassnahmenverfahren sowie im Beschwerde- und schriftlichen Berufungsverfahren zumindest ein Minimum an aktuell fehlender, aus rechtsstaatlicher Sicht aber dringend nötiger Transparenz und demokratischer Kontrolle geschaffen.

106

Demgegenüber besteht bei den gerichtlich angeordneten Ausnahmen vom Öffentlichkeitsgrundsatz kein akuter gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Freilich würde nichts dagegen sprechen, die neuere bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach bei einem Ausschluss der Publikumsöffentlichkeit nach Art. 70 Abs. 1 StPO ein zusätzlicher Ausschluss auch der Medienöffentlichkeit entgegen dem missverständlichen Wortlaut von Art. 70 Abs. 3 StPO nur ausnahmsweise möglich ist, durch Anpassung der entsprechenden Gesetzesbestimmung in die Strafprozessordnung zu überführen.

Der vorliegende Beitrag basiert auf der vom Autor im Rahmen des Studiengangs CAS Judikative 2019/2020 an der Schweizerischen Richterakademie verfassten Abschlussarbeit, für deren Betreuung er lic. iur. Martin Burger, alt Obergerichtspräsident des Kantons Zürich, herzlich dankt.

Fussnoten:

  1. Reich, in: Waldmann/Belser/Epiney (Hrsg.), Basler Kommentar zur Bundesverfassung, 1. Auflage, Basel 2015, Art. 30 N 59; Saxer/Thurnheer, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar zur schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Auflage, Basel 2014, Art. 70 N 6.

  2. Ähnlich Müller/Schefer, Grundrechte in der Schweiz im Rahmen der Bundesverfassung, der EMRK und der UNO-Pakte, 4. Auflage, Bern 2008, S. 964; Riklin, StPO-Kommentar, 2. Auflage, Zürich 2014, Vorbem. Art. 69–72 N 1 ff.; Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 6 und 34 f.; Steinmann/Leuenberger, in: Ehrenzeller/Schindler/Schweizer/Vallender (Hrsg.), St. Galler Kommentar zur schweizerischen Bundesverfassung, 3. Auflage, Zürich 2014, Art. 30 N 54; Wiprächtiger, Öffentlichkeit und Justiz, in: Ehrenzeller/Saxer (Hrsg.), St. Galler Tagung zur Öffentlichkeitskommunikation des Staates, St. Gallen 2010, S. 149; offener dagegen Reich (Fn. 1), Art. 30 N 50; Steiner/Bretscher, Der Grundsatz der Justizöffentlichkeit im Zivilprozess, «Justice – Justiz – Giustizia» 2020/2, Rz. 3; BGE 122 V 47 Erw. 2c; BGE 120 V 1 Erw. 3b; BGE 119 Ia 99 Erw. 4a.

  3. Gemäss Art. 69 Abs. 4 StPO ist interessierten Personen unter 16 Jahren der Zugang zu einer Gerichtsverhandlung nur mit Bewilligung der Verfahrensleitung gestattet, was auf Jugendschutzgründe zurückzuführen sein dürfte (Brüschweiler, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber (Hrsg.), Kommentar zur schweizerischen Strafprozessordnung (StPO), 2. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2014, Art. 69 N 6; Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 34).

  4. Näher dazu Brüschweiler (Fn. 3), Art. 69 N 1; Guidon, Wechselwirkungen zwischen Medien und Gerichten, Anwalts-Revue 6/7/2019, S. 272; Müller/Schefer (Fn. 2), S. 964 f.; Reich (Fn. 1), Art. 30 N 42, 48 und 53; Riklin (Fn. 2), Vorbem. Art. 69–72 N 3 sowie Art. 353 N 16; Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 3, 7 und 11 ff.; Steiner/Bretscher (Fn. 2), Rz. 4; Steinmann/Leuenberger (Fn. 2), Art. 30 N 43, 47 ff. und 61 ff.; Wiprächtiger, Justiz und Medien – Erwartungen des Richters, in: Heer/Urwyler (Hrsg.), Justiz und Öffentlichkeit, Bern 2007, S. 40 f.; Wiprächtiger (Fn. 2), S. 146 ff.; BGE 143 I 194 Erw. 3.1; BGE 139 I 129 Erw. 3.3; BGE 137 I 16 Erw. 2.2; BGE 134 I 286 Erw. 5.1, 6.1 und 6.5; BGE 133 I 106 Erw. 8.1 und 8.3; BGE 124 IV 234 Erw. 3b; BGE 119 Ia 99 Erw. 2a und 4a.

  5. Näher zu diesem Spannungsverhältnis Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 25 ff. m.w.H.

  6. Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 36.

  7. Gl.M. Müller/Schefer (Fn. 2), S. 970.

  8. Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 32; Wiprächtiger (Fn. 2), S. 151.

  9. Müller/Schefer (Fn. 2), S. 969; BGE 124 IV 234 Erw. 3c.

  10. Näher dazu nachfolgend 2.2.3. und 2.2.6.

  11. Müller/Schefer (Fn. 2), S. 968; Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 39 f.; Steinmann/Leuenberger (Fn. 2), Art. 30 N 64; BGE 137 I 16 Erw. 2.3 f.; BGE 134 I 286 Erw. 6.

  12. Brüschweiler (Fn. 3), Art. 69 N 3; Reich (Fn. 1), Art. 30 N 54; Riklin (Fn. 2), Art. 353 N 16; Müller/Schefer (Fn. 2), S. 976 f.; Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 39; Steiner/Bretscher (Fn. 2), Rz. 45; Steinmann/Leuenberger (Fn. 2), Art. 30 N 66; BGE 124 IV 234 Erw. 3c ff.

  13. Müller/Schefer (Fn. 2), S. 978; Reich (Fn. 1), Art. 30 N 54 und 58; Riklin (Fn. 2), Art. 69 N 3 f.; Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 39; Steiner/Bretscher (Fn. 2), Rz. 47; Steinmann/Leuenberger (Fn. 2), Art. 30 N 68; BGE 139 I 129 Erw. 3.6; BGE 137 I 16 Erw. 2.5; BGE 133 I 106 Erw. 8.3; BGE 124 IV 234 Erw. 3c ff.; Urteil des Bundesgerichts 4P.74/2006 vom 19. Juni 2006 Erw. 8.4.2.

  14. Reich (Fn. 1), Art. 30 N 53; Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 39; Steiner/Bretscher (Fn. 2), Rz. 46; Steinmann/Leuenberger (Fn. 2), Art. 30 N 63; BGE 139 I 129 Erw. 3.6.; BGE 137 I 16 Erw. 2.4; BGE 134 I 286 Erw. 5.1; BGE 124 IV 234 Erw. 3d.

  15. Dazu auch nachfolgend 2.2.4.

  16. Riklin (Fn. 2), Art. 69 N 4; Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 33.

  17. Riklin (Fn. 2), Art. 69 N 4.

  18. Dazu vorstehend 2.2.2.

  19. Näher dazu Riklin (Fn. 2), Art. 74 N 1 ff. sowie Art. 211 N 1 f.

  20. Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 33.

  21. Dazu vorstehend 2.2.3.

  22. Illustrativ BGE 114 Ia 182 Erw. 3b.

  23. Illustrativ BGE 114 Ia 182 Erw. 3c.

  24. Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 37.

  25. Dazu vorstehend 2.2.3.

  26. Soweit das Bundesgericht dies schon tat, ist darauf hinzuweisen, dass es sich dabei nicht um «normale» Haftfälle handelte, sondern um Freiheitsentzüge nach Jugendstrafrecht oder Erwachsenenschutzrecht, wo der Persönlichkeitsschutz anders zu gewichten ist (so etwa BGE 114 Ia 182 Erw. 3d).

  27. Näher dazu etwa Hanimann, In der Dunkelkammer der Justiz, Republik vom 29. Mai 2019, zuletzt unter «https://www.republik.ch/2019/05/29/in-der-dunkelkammer-der-justiz» abgerufen am 7. September 2021.

  28. Dazu vorstehend 2.2.2.

  29. Dazu vorstehend 2.1.

  30. Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 28.

  31. Dazu vorstehend 2.2.4.

  32. Müller/Schefer (Fn. 2), S. 970; Steinmann/Leuenberger (Fn. 2), Art. 30 N 52; illustrativ auch BGE 119 Ia 316 Erw. 2b mit einer Zusammenfassung der einschlägigen EGMR-Praxis.

  33. Riklin (Fn. 2), Art. 69 N 4.

  34. Gl.M. Brüschweiler (Fn. 3), Art. 69 N 5.

  35. BGE 143 IV 151 Erw. 2.4.

  36. Dazu vorstehend 2.2.4.

  37. Dazu vorstehend 2.2.2.

  38. Näher dazu vorstehend 2.2.4. a.E.

  39. Brüschweiler (Fn. 3), Art. 69 N 5; Müller/Schefer (Fn. 2), S. 969; Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 33; BGE 124 IV 234 Erw. 3c m.w.H.

  40. Brüschweiler (Fn. 3), Art. 70 N 2 f.; Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 70 N 4.

  41. Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 70 N 5. Zur Möglichkeit des Verzichts auf den Öffentlichkeitsanspruch bei gleichzeitigem Nichtbestehen eines Rechts auf Nichtöffentlichkeit Müller/Schefer (Fn. 2), S. 972 ff. und 978; Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 21; Steinmann/Leuenberger (Fn. 2), Art. 30 N 58 und 68.

  42. Gl.M. wohl Riklin (Fn. 2), Art. 70 N 2; Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 70 N 8; Steinmann/Leuenberger (Fn. 2), Art. 30 N 57; a.M. wohl Brüschweiler (Fn. 3), Art. 70 N 4, welche das Gericht nur mit Blick auf das Opfer in der Pflicht zu sehen scheint.

  43. Brüschweiler (Fn. 3), Art. 70 N 4 f.; Riklin (Fn. 2), Art. 70 N 2; Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 19 und Art. 70 N 9 f.; BGE 119 Ia 99 Erw. 2b und 4b.

  44. A.M. wohl Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 70 N 11 f., welche Art. 70 Abs. 1 lit. b StPO nicht bloss als sitzungspolizeiliche Massnahme zu betrachten scheinen.

  45. Im Ergebnis wohl gl.M. Reich (Fn. 1), Art. 30 N 57; Riklin (Fn. 2), Art. 70 N 3; Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 18 und 34 sowie Art. 70 N 11.

  46. Brüschweiler (Fn. 3), Art. 70 N 6; Guidon (Fn. 4), S. 272; Reich (Fn. 1), Art. 30 N 57; Steinmann/Leuenberger (Fn. 2), Art. 30 N 54; Wiprächtiger (Fn. 2), S. 149 f.; BGE 143 I 194 Erw. 3.1; BGE 141 I 211 Erw. 3.1 und 3.3.1.3; BGE 137 I 16 Erw. 2.2 und 2.4; BGE 129 III 531 Erw. 3.2; dazu auch nachfolgend 2.3.4.2.

  47. Brüschweiler (Fn. 3), Art. 70 N 6; Müller/Schefer (Fn. 2), S. 975 f.; a.M. wohl Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 18.

  48. Brüschweiler (Fn. 3), Art. 70 N 1; Reich (Fn. 1), Art. 30 N 57; Riklin (Fn. 2), Art. 70 N 1; Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 70 N 2 und 13; Steiner/Bretscher (Fn. 2), Rz. 18.

  49. Riklin (Fn. 2), Art. 70 N 4.

  50. Brüschweiler (Fn. 3), Art. 70 N 7.

  51. Brüschweiler (Fn. 3), Art. 70 N 7.

  52. Brüschweiler (Fn. 3), Art. 70 N 7.

  53. Als solche denkbar wären etwa Angehörige und Beistände (sofern sie nicht ohnehin als Vertrauenspersonen anwesend sein dürfen), mit dem Verfahren in irgendeiner Art und Weise befasste Beamte, Sachverständige o.dgl. sowie Personen mit wissenschaftlichem oder pädagogischem Hintergund, die ein besonderes Interesse geltend machen können (Brüschweiler (Fn. 3), Art. 70 N 9; Riklin (Fn. 2), Art. 70 N 5; Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 70 N 18).

  54. Guidon (Fn. 4), S. 272; Müller/Schefer (Fn. 2), S. 965; Reich (Fn. 1), Art. 30 N 57; Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 9 und 35; Steiner/Bretscher (Fn. 2), Rz. 20; Steinmann/Leuenberger (Fn. 2), Art. 30 N 54; Wiprächtiger (Fn. 4), S. 40 ff.; Wiprächtiger (Fn. 2), S. 149 f.; BGE 143 I 194 Erw. 3.1; BGE 141 I 211 Erw. 3.1 und 3.3.1.3; BGE 139 I 129 Erw. 3.3 und 3.6; BGE 137 I 209 Erw. 4.2; BGE 137 I 16 Erw. 2.2 und 2.4; BGE 129 III 531 Erw. 3.2; BGE 127 I 145 Erw. 4c.

  55. So schon BGE 117 Ia 387 Erw. 2 f.

  56. Brüschweiler (Fn. 3), Art. 70 N 8.

  57. BGE 143 I 194 Erw. 3.1, 3.4 und 3.6 f.; BGE 137 I 8 Erw. 2.5; im Ansatz auch schon BGE 117 Ia 387 Erw. 2 f.

  58. Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 70 N 19 und 22; Steinmann/Leuenberger (Fn. 2), Art. 30 N 67; BGE 137 I 209 Erw. 4.7.

  59. Dazu vorstehend 2.1.

  60. Brüschweiler (Fn. 3), Art. 70 N 10; Riklin (Fn. 2), Art. 70 N 6; Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 70 N 4 und 23.

  61. Dazu vorstehend 2.2.2. a.E.

  62. Brüschweiler (Fn. 3), Art. 70 N 10 f.; Riklin (Fn. 2), Art. 70 N 6; Steinmann/Leuenberger (Fn. 2), Art. 30 N 66; BGE 124 IV 234 Erw. 3c ff.

  63. Brüschweiler (Fn. 3), Art. 70 N 12.

  64. Müller/Schefer (Fn. 2), S. 970; Reich (Fn. 1), Art. 30 N 51; Steiner/Bretscher (Fn. 2), Rz. 21 f.; Steinmann/Leuenberger (Fn. 2), Art. 30 N 60; BGE 121 I 30 Erw. 5j; dazu auch vorstehend 2.2.5.

  65. Müller/Schefer (Fn. 2), S. 979; Reich (Fn. 1), Art. 30 N 56; Steiner/Bretscher (Fn. 2), Rz. 24; Steinmann/Leuenberger (Fn. 2), Art. 30 N 69; BGE 124 IV 234 Erw. 3e; dazu auch vorstehend 2.2.2. a.E.

  66. Brüschweiler (Fn. 3), Art. 70 N 12; Urteil des Bundesgerichts 1C_332/2008 vom 15. Dezember 2008 Erw. 1.2.

  67. Dazu vorstehend 2.1.

  68. Saxer/Thurnheer (Fn. 1), Art. 69 N 18; Steinmann/Leuenberger (Fn. 2), Art. 30 N 55; BGE 137 I 16 Erw. 2.2.

  69. Reich (Fn. 1), Art. 30 N 49; Steiner/Bretscher (Fn. 2), Rz. 23; Steinmann/Leuenberger (Fn. 2), Art. 30 N 55.

  70. Dazu vorstehend 2.1.


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