«Meine Einstellung zu gewissen Fragestellungen hat sich während der dreijährigen Schreibzeit geändert»
Medialex-Serie «Meine Diss»: Was AutorInnen heute über ihre Doktorarbeit von damals denken – Teil 8
Denise Schmohl-Sigrist zu Ihrer 2013 erschienenen Dissertation «Der Schutz des Redaktionsgeheimnisses in der Schweiz»
Wie geht es Ihnen, wenn Sie heute in Ihrer Dissertation lesen?
Ich bin erstaunt, welche Themenbreite die Dissertation umfasst und wie viele Detailfragen ich damals alles ausgeleuchtet habe. Das war mir gar nicht mehr so bewusst.
Wie packten Sie damals die Doktorarbeit an?
Ich habe keine langen Vorbereitungen getroffen, sondern rasch mit dem Schreiben begonnen. Letztlich war das Verfassen der Dissertation ein Prozess, bei welchem ich mein Konzept mehrmals teilweise anpasste, geplante Themenbereiche wieder wegliess und neue dazu nahm. Da ich die Dissertation über einen Gesamtzeitraum von ca. drei Jahren verfasste, hat sich meine Einstellung zu gewissen Aspekten oder Fragestellungen während dieser Zeit auch teilweise geändert. So ging ich etwa mit einer Meinung an eine bestimmte Frage heran und stellt nach drei Jahren fest, dass sich diese inzwischen geändert hat. Von da her war das Verfassen meiner Dissertation auch ein Weg, ein bewegter Prozess.
Wovon handelte Ihre Doktorarbeit?
Meine Dissertation analysiert die Ausgestaltung des Redaktionsgeheimnisses und des Informanten- und Quellenschutzes von Medienschaffenden im Schweizer Straf- und Strafprozessrecht, im Polizeirecht und Staatsschutz, auch im Hinblick auf Veränderungen der Medienlandschaft wie etwa die zunehmende Bedeutung von direkten Medienkanälen im Internet wie Blogs. Dabei habe ich viele praxisrelevante Detailaspekte für die Schweiz (soweit ersichtlich) erstmals beleuchtet.
War Ihre Dissertation auch von Nutzen für die Rechtspraxis?
Ich hoffe es, da sie sehr praxisbezogen ist. Allerdings muss man auch sehen, dass der Informanten- und Quellenschutz kein Thema ist, welches tagtäglich zu Anwendungsfällen in der Rechtspraxis führt. Immerhin wurde ich aber schon vom Bundesgericht und Bundesstrafgericht zitiert, sodass ich zumindest von einem gewissen Nutzen der Dissertation für die Praxis ausgehen kann.
Was würden Sie anders machen, wenn Sie Ihre Diss. nochmals schreiben würden?
Im Nachhinein ist mir der Gedanke gekommen, dass ich sie eventuell nicht parallel zu meiner damaligen Arbeitstätigkeit hätte schreiben sollen, sondern mir dafür bewusst eine Auszeit hätte nehmen sollen, um mich voll und ganz auf das Schreiben fokussieren zu können. So wäre ich wohl wesentlich schneller gewesen und beim Schreiben auch nicht immer wieder (gedanklich) unterbrochen worden. Wenn man Teilzeit arbeitet und daneben die Dissertation verfasst, sind die dadurch entstehenden wiederkehrendenden Unterbrechungen aus meiner Sicht nicht zu unterschätzen. Damals bin ich aber gar nicht auf die Idee gekommen, das anders zu machen.
Gibt es Merkmale, die Ihre Arbeit von damals von anderen abhebt?
Vielleicht, dass meine Dissertation auch nichtjuristische Aspekte der Thematik behandelte, indem ich auch auf die Rolle der Medien in einer demokratischen Gesellschaft und den Wandel der Medienlandschaft einging und mich mit der Auswirkung der wachsenden Bedeutung von nicht berufsmässig tätigen Akteuren (Stichwort: Blogger) befasste. Weiter habe ich den Aufwand nicht gescheut und im Kreise von Praktikern eine Expertenbefragung durchgeführt, um aktuelle Problemstellungen in der Praxis festzumachen. Neuland habe ich zudem darin betreten, dass ich mich mit den Auswirkungen der Staatsschutzgesetzgebung auf den Informanten- und Quellenschutz der Medienschaffenden auseinandergesetzt und davon ausgehende mögliche Gefahren für die Medienschaffenden aufgezeigt habe. Zudem habe ich in der ganzen Dissertation immer wieder einen rechtsvergleichenden Blick nach Deutschland, Österreich und weitere Länder geworfen.
Verraten Sie zum Schluss eine Anekdote oder ein Geheimnis im Zusammenhang mit ihrer Diss?
Ein «Geheimnis», welches aber wohl oft beim Verfassen einer Dissertation vorkommt, ist, dass ich ab und zu «Schreibkrisen» hatte. Es war für mich aber eine sehr spannende Zeit, und ich blicke voller positiver Erinnerungen darauf zurück.