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Erneut Spezialbestimmungen und der Schutz aussenpolitischer Interessen im Fokus

Überblick über praxisrelevante Entscheide des Jahres 2023 zum Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ)

Daniel Ladanie-Kämpfer*, MLaw, Rechtsberater im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA, Bern

Résumé: De nombreux arrêts relatifs à la LTrans ont été rendus en 2023. Comme les années précédentes, les dispositions spéciales d’autres lois fédérales ainsi que la protection des intérêts de politique extérieure et des relations internationales de la Suisse ont régulièrement fait l’objet de litiges. L’examen de prétendues dispositions spéciales qui priment sur le droit d’accès selon la LTrans semble encore parfois poser problème aux tribunaux. Des contradictions latentes apparaissent parfois dans la jurisprudence. En revanche, les tribunaux ont consolidé leur pratique en matière de protection des intérêts de la politique extérieure et des relations internationales de la Suisse. Conformément à leur jurisprudence constante, ils font preuve d’une certaine retenue dans l’examen des décisions ayant un contenu essentiellement de politique étrangère, tout en montrant clairement que cette retenue ne doit pas être interprétée comme un blanc-seing donné aux autorités pour appliquer de manière arbitraire cette disposition d’exception.

Zusammenfassung: Im Jahr 2023 ergingen zahlreiche Urteile zum BGÖ. Wie bereits in vergangenen Jahren waren insbesondere Spezialbestimmungen anderer Bundesgesetzte sowie der Schutz aussenpolitischer Interessen und internationaler Beziehungen der Schweiz regelmässig Streitgegenstand. Die Prüfung vermeintlicher Spezialbestimmungen, die dem Zugangsrecht nach BGÖ vorgehen, scheint den Gerichten gelegentlich noch immer Schwierigkeiten zu bereiten. Teilweise kommt es hier zu latenten Widersprüchen in der Rechtsprechung. Hingegen festigten die Gerichte ihre Praxis zum Schutz der aussenpolitischen Interessen und der internationalen Beziehungen der Schweiz. Dabei üben sie in Einklang mit ihrer ständigen Rechtsprechung eine gewisse Zurückhaltung bei der Überprüfung von Entscheiden vorwiegend aussenpolitischen Gehalts, zeigen zugleich aber auch deutlich auf, dass diese Zurückhaltung nicht als Freipass der Behörden für eine willkürliche Anwendung der entsprechenden Ausnahmebestimmung verstanden werden darf.

I. Einleitung

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Der vorliegende Beitrag liefert einen Überblick über praxisrelevante Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) und des Bundesgerichts (BGer) vom vergangenen Jahr zum BGÖ. Wie in den Vorjahren werden die Urteile anhand der geprüften Bestimmungen des BGÖ gruppiert und nötigenfalls kurz kommentiert, weshalb einzelne Entscheide mehrmals erwähnt werden. 

II. Sachlicher Geltungsbereich des Gesetzes (Art. 3 BGÖ)

a) Beschaffungsdossier Hygienemasken der Armeeapotheke
(BVGer A-3297/2021 vom 20. Januar 2023)
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Nachdem mehrere Medienschaffende unabhängig voneinander bei der Gruppe Verteidigung des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS Zugang zu verschiedenen Unterlagen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Hygienemasken durch die Armeeapotheke bei einem bestimmten Unternehmen ersucht und das VBS die Gewährung des Zugangs mit gewissen Einschränkungen in Betracht gezogen hatte, wehrte sich das betroffene Unternehmen und verlangte vom VBS eine anfechtbare Verfügung über die vorgesehene Zugangsgewährung, gegen welche es Beschwerde erhob.

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Zur Begründung der vom Unternehmen verlangten vollständigen Zugangsverweigerung stellte sich dieses u.a. auf den Standpunkt, das Beschaffungsdossier würde zurzeit Gegenstand eines Strafverfahrens bei einer kantonalen Staatsanwaltschaft sowie eines Entsiegelungsverfahrens bei einem Zwangsmassnahmengericht bilden und sei demnach gemäss Art. 3 Abs. 1 Bst. a Ziff. 2 BGÖ dem sachlichen Geltungsbereich des BGÖ entzogen.

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Dieser Haltung widersprach das BVGer, indem es unter Bezugnahme auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung[1] klarstellte, dass sich Art. 3 Abs. 1 Bst. a Ziff. 2 BGÖ gerade nicht auf sämtliche amtlichen Dokumente und Akten beziehe, die sich in einer Strafakte befinden würden. Lediglich Dokumente, welche ausdrücklich im Rahmen eines Strafverfahrens angeordnet oder explizit im Hinblick auf ein solches Verfahren erstellt worden sind, seien als Strafakten im engeren Sinne zu qualifizieren, welche definitiv vom sachlichen Anwendungsbereich des BGÖ ausgeschlossen sind. Strafakten im weiteren Sinne würden hingegen grundsätzlich dem BGÖ unterstehen. Schliesslich nehme das BGer aber zumindest implizit auch amtliche Dokumente, die als Beweismittel in einem Strafverfahren vorhanden sind, vom sachlichen Geltungsbericht des BGÖ aus, soweit diese in einem direkten Zusammenhang zum angefochtenen Entscheid stünden und eng mit dem Streitgegenstand verbunden seien. Die Kriterien des direkten Zusammenhangs und der engen Verbundenheit zum Streitgegenstand führe das BGer jedoch bislang nicht weiter aus. Im Ergebnis kam das BVGer zum Schluss, dass es sich beim E-Mailverkehr sowie den Angeboten, Bestellungen und Rechnungen im Beschaffungsdossier nicht um zentrale, eng mit dem Streitgegenstand des Strafverfahrens verbundene Beweismittel, sondern um Strafakten im weiteren Sinne handle, welche nicht gestützt auf Art. 3 Abs. 1 Bst. a Ziff. 2 BGÖ vom sachlichen Geltungsbereich des BGÖ ausgenommen seien.

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Zur Frage, ob das streitgegenständliche Beschaffungsdossier zugleich Gegenstand des Entsiegelungsverfahrens vor dem Zwangsmassnahmengericht sei, hielt das BVGer fest, dass die zu entsiegelnden Urkunden in einem Entsiegelungsverfahren zwar dessen zentraler Streitgegenstand bildeten. Zugleich würden jedoch oft zahlreiche Urkunden beschlagnahmt, für welch von vornherein keine Siegelungsgründe bestünden. Soweit einem amtlichen Dokument im Einzelfall eindeutig und ohne jeglichen Zweifel kein Siegelungsgrund entgegengehalten werden könne, der es rechtfertigen würde, den Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts abzuwarten, könne dessen Herausgabe nicht unter Verweis auf Art. 3 Abs. 1 Bst. a Ziff. 2 BGÖ verhindert werden. Dies gelte auch für die in diesem Zugangsverfahren zur Einsicht verlangten amtlichen Dokumente.

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Eine Beschwerde gegen dieses Urteil ist vor BGer hängig.

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Kommentar: Mit Blick auf Sinn und Zweck des BGÖ, die Transparenz über das Verwaltungshandeln zu fördern, überzeugt die von BVGer erfolgte Auslegeordnung über die entsprechende Rechtsprechung des BGer. Art. 3 Abs. 1 Bst. a Ziff. 2 BGÖ ist im Ergebnis restriktiv auszulegen und kommt nur für Strafakten im engeren Sinne sowie für Strafakten im weiteren Sinne in direkten Zusammenhang und enger Verbundenheit zum Streitgegenstand zur Anwendung. Es bleibt abzuwarten, ob das BGer diese Auslegung abermals bestätigen wird. Mit Blick auf die Rechtssicherheit wäre es zu begrüssen.

b) Teilungsvereinbarung («SharingAgreement») des Bundesamtes für Justiz BJ betreffend Rückgabe eingezogener Vermögenswerte an Usbekistan
(TAF A-5260/2021 du 1er novembre 2023)
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Eine Nichtregierungsorganisation verlangte beim BJ Zugang zur zwischen der Schweiz und Usbekistan abgeschlossenen Teilungsvereinbarung betreffend die Rückgabe eingezogener Vermögenswerte. Nach erfolgter vollständiger Zugangsverweigerung und durchlaufenem Schlichtungsverfahren, welches zu keiner Einigung führe, verfügte das BJ die vollständige Zugangsverweigerung zur verlangten Vereinbarung.

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Zur Begründung stützte sich das BJ u.a. auf Art. 3 Abs. 1 Bst. a Ziff. 3 BGÖ und erklärte, dass die zur Einsicht verlangte Teilungsvereinbarung zwischen der Schweiz und Usbekistan gestützt auf das TEVG[2] Teil eines internationalen Rechtshilfeverfahrens und damit vom sachlichen Geltungsbereich des BGÖ ausgeschlossen sei. Art. 3 Abs. 1 Bst. a Ziff. 3 BGÖ beschränke sich nicht auf Verfahren nach dem IRSG[3], sondern sei auf sämtliche internationalen Rechtshilfeverfahren anwendbar. Dabei stelle das Teilungsverfahren den letzten Schritt des Rechtshilfeverfahrens in Strafsachen dar. Das Recht auf Akteneinsicht in einem „Sharing-Verfahren“, insbesondere in Bezug auf die streitgegenständliche Teilungsvereinbarung, falle vielmehr unter das IRSG. Der Beschwerdeführerin komme jedoch im Rahmen dieses Verfahrens keine Parteistellung im Sinne von Art. 80b bzw. 80h Bst. b IRSG zu, weshalb sie keinen Anspruch auf Akteneinsicht habe.

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Das BVGer bestätigte einerseits, dass das zur Einsicht verlangte „SharingAgreement“ Teil eines laufenden internationalen Teilungsverfahrens im Sinne von Art. 11 Abs. 1 Bst. a TEVG darstelle und in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit der Beteiligung der usbekischen Behörden im Hinblick auf diverse internationale Rechtshilfeersuchen in Strafsachen der Schweiz stünden. Andererseits hielt es jedoch unter Hinweis auf die ratio legis von Art. 3 Abs. 1 Bst. a BGÖ, wonach Normenkollisionen zwischen besonderen Verfahrensvorschriften über den Zugang zu Dokumenten aus laufenden Verfahren und dem Zugangsrecht nach BGÖ zu vermeiden sind, zugleich auch fest, dass das BGÖ mangels einer solchen Kollision vorliegend durchaus zur Anwendung kommen könnte. Schliesslich liess es die Frage offen, da es eine andere Bestimmung des BGÖ für anwendbar erklärte, welche den Zugang zur verlangten Teilungsvereinbarung ausschloss.[4]

III. Spezialbestimmungen anderer Bundesgesetze (Art. 4 BGÖ)

a) Beschaffungsdossier Hygienemasken der Armeeapotheke
(BVGer A-3297/2021 vom 20. Januar 2023)
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Im bereits erwähnten Beschwerdeverfahren um Zugang zum Beschaffungsdossier betreffend Hygienemasken der Armeeapotheke stellte sich das betroffene Unternehmen u.a. auf den Standpunkt, die strafprozessualen Akteneinsichts- und Informationsrechte gemäss Art. 69 Abs. 3 Bst. a und b StPO[5] würden das Vorverfahren wie auch die Verfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht als geheim qualifizierten und die Öffentlichkeit ausschliessen. Dabei handle es sich um Spezialbestimmungen anderer Bundesgesetze, die dem BGÖ gemäss dessen Art. 4 vorgingen.

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Dem widersprach das BVGer, indem es festhielt, dass Art. 69 StPO einzig die sog. Publikumsöffentlichkeit im Sinne eines Anspruchs auf Zugänglichkeit zu einer Verhandlung regle, nicht jedoch den Zugang zu Informationen in den Strafakten selbst. Die Öffentlichkeit oder Nichtöffentlichkeit eines Verfahrens habe demnach keinen Einfluss auf den Geheimnisgrad einer Strafakte, zumal auch die Gerichtsakten eines öffentlichen Verfahrens dem Amtsgeheimnis unterliegen würden.

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Eine Beschwerde gegen dieses Urteil ist vor BGer hängig.

b) Kriterien und Gewichtung Evaluation Air2030 neues Kampfflugzeug des Bundesamtes für Rüstung armasuisse (BVGer A-839/2022 vom 5. April 2023)
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Ein Medienschaffender verlangte bei armasuisse Zugang zu diversen Unterlagen im Zusammenhang mit dem Evaluations- bzw. Beschaffungsprozess neuer Kampfflugzeuge. Nachdem armasuisse ihm den Zugang zu den beiden Dokumenten „Konkretisierung Subkriterien» (Dokument A) und «Bewertungsmatrix» (Dokument B) mittels Verfügung verweigerte, gelangte er mit Beschwerde ans BVGer.

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Armasuisse begründete die Zugangsverweigerung zu den beiden streitgegenständlichen Dokumenten im Wesentlichen unter Hinweis auf die Vertraulichkeit von Rüstungsbeschaffungen gemäss Art. 3 Abs. 1 Bst. e aBöB[6], welche als Spezialbestimmung i.S.v. Art. 4 Bst. a BGÖ vorbehalten bleibe.

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Das BVGer gelangte im Rahmen einer Gesamtbeurteilung über die verschiedenen Auslegungsmethoden zum Schluss, dass es sich bei Art. 3 Abs. 1 Bst. e aBöB um eine spezialgesetzliche Bestimmung zum BGÖ handle, welche diesem gemäss seinem Art. 4 vorgehe. Während die grammatikalische sowie die historische Auslegung zu keinen Ergebnissen führten, stützte sich das BVGer anlässlich der systematischen Auslegung auf den Umstand, dass bei Vergaben nach Art. 3 Abs. 1 Bst. e aBöB keine aktiven behördlichen Informations- und Publikationspflichten bestehen würden. In teleologischer Hinsicht sah es den Zweck der Vertraulichkeit seines Sinnes entleert, wenn trotz Fehlens aktiver Informations- und Publikationspflichten dennoch im Rahmen der passiven Information gemäss BGÖ der Zugang zu Informationen gewährt werden müsste. Schliesslich erkannte das BVGer, dass die militärischen Interessen an der nationalen Sicherheit das Informationsbedürfnis des Journalisten bzw. der Öffentlichkeit überwiegen würden.

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Eine Beschwerde gegen dieses Urteil ist vor BGer hängig.

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Kommentar: Der Entscheid vermag im Ergebnis zwar zu überzeugen, doch wirft er im Hinblick auf die Herleitung des Auslegungsergebnisses gewisse Fragen auf. Heikel erscheint etwa die Argumentation des BVGer anlässlich der systematisch-teleologischen Auslegung, wonach bei Fehlen gesetzlicher Informations- und Publikationsvorschriften (d.h. bei Fehlen behördlicher Aktivinformationsvorschriften) davon auszugehen sei, dass auch ein Dokumentenzugang über passive Informationszugangsansprüche konsequenterweise abzulehnen sei. Dies steht in einem gewissen Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des BGer hinsichtlich der Abgrenzung von aktiver und passiver behördlicher Informationstätigkeit anlässlich der Prüfung vermeintlicher Spezialbestimmungen.[7] Schliesslich erscheint auch die bloss skizzierte Interessenabwägung zwischen den militärischen Geheimhaltungsinteressen und den öffentlichen Informationsinteressen im Rahmen der Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Bst. e aBöB etwas einseitig und ergebnisorientiert.

c) Bericht Lärmmessungen neues Kampfflugzeug der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA (BVGer A-1526/2022 vom 12. April 2023)
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Ein Medienschaffender verlangte bei der EMPA Zugang zum Abschlussbericht «Evaluation neues Kampfflugzeug – Messtechnische Ermittlung akustischer Kenngrössen und Auswirkungsanalyse». Nachdem die EMPA ihm den Zugang zum verlangten Bericht mittels Verfügung verweigerte, gelangte er mit Beschwerde ans BVGer.

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Die Begründung der Zugangsverweigerung durch die EMPA als auch die bundesverwaltungsgerichtlichen Erwägungen fielen weitestgehend identisch mit dem hiervor besprochenen Urteil [Bst. b. Kriterien und Gewichtung Evaluation Air2030 neues Kampfflugzeug von armasuisse (BVGer A-839/2022 vom 5. April 2023)] aus, weshalb auf die dortigen Ausführungen verwiesen wird.

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Eine Beschwerde gegen dieses Urteil ist vor BGer hängig.

d) Unterlagen zum Grossterminal Gateway Basel Nord der Wettbewerbskommission WEKO (BVGer A-722/2021 vom 29. Juni 2023)
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Ein Unternehmen ersuchte bei der WEKO um Zugang zu Dokumenten im Zusammenhang mit der Untersuchung des Zusammenschlusses dreier Logistikfirmen zum Grossterminal Gateway Basel Nord.

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Nach durchlaufenem Schlichtungsverfahren sowie einer Rüge des BVGer wegen Rechtsverweigerung[8], gewährte die WEKO mittels Verfügung einen teilweisen Zugang zu den streitgegenständlichen Dokumenten. Dabei schwärzte sie Personendaten als auch geschäftsrelevante Informationen der betroffenen Unternehmen ein und argumentierte, Art. 25 Abs. 2 KG[9] sei eine Spezialbestimmung im Sinne von Art. 4 BGÖ, welche die betroffenen Daten über das kartellrechtliche Zweckbindungsgebot als geheim qualifiziere, weshalb diese Bestimmung einer Zugangsgewährung grundsätzlich entgegenstehe.

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Das BVGer hielt dazu unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung[10] fest, dass Art. 25 KG einer Datenbekanntgabe nicht entgegenstehe, solange keine wesentlichen privaten Interessen wie Geschäftsgeheimnisse betroffen seien. So schütze Art. 25 KG zwar allfällige bestehende Geschäftsgeheimnisse, lege aber keine neuen Geheimhaltungspflichten fest, welche über das allgemeine Berufs-, Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnis nach Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ hinausgingen. Im Ergebnis könne Art. 25 KG keine über den Geheimnisschutz von Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ hinausreichende Bedeutung zukommen, selbst wenn dieser als vorbehaltene Bestimmung im Sinne von Art. 4 BGÖ zu qualifizieren wäre.

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Eine Beschwerde gegen dieses Urteil ist vor BGer hängig.

e) Betriebsdaten der Antennendatenbank 5G des Bundesamtes für Kommunikation BAKOM (BVGer A-516/2022 vom 12. September 2023)
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Ein Medienschaffender verlangte bei BAKOM Zugang zu den Betriebsdaten der Antennendatenbank bezüglich 5G-Antennen. Nachdem sich die Sunrise GmbH, die Salt Mobile SA und die Swisscom (Schweiz) AG anlässlich ihrer Anhörung gegen eine Offenlegung der verlangten Daten zur Wehr gesetzt und auch das Schlichtungsverfahren vor dem EDÖB zu keiner Einigung geführt hatte, verfügte das BAKOM gegenüber den drei Mobilfunkunternehmen die Gewährung des Zugangs zu einem Auszug aus den Betriebsdaten der Antennendatenbank. Dagegen erhoben die drei Mobilfunkunternehmen als betroffene Dritte Beschwerde vor dem BVGer und verlangten, die Verfügung der Vorinstanz aufzuheben oder den Zugang zumindest nur in eingeschränkterer Form zu gewähren.

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Zur Begründung führen die Beschwerdeführerinnen u.a. aus, Art. 24f FMG[11] mit seinen Auskunftsrechten des BAKOM sei als Spezialbestimmung im Sinne von Art. 4 BGÖ zu qualifizieren und gehe diesem vor. Ausserdem stehe auch Art. 22 GeoIV[12], welcher sich auf Art. 10 GeoIG[13] beziehe und den Zugang zu Geobasisdaten regle, einer Zugangsgewährung entgegen.

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Das BVGer hatte für diese Argumentation kein Gehör und wies darauf hin, dass Art. 24f FMG, welcher rund acht Jahre vor Inkrafttreten des BGÖ eingeführt wurde und ebenfalls die Transparenz fördern wollte, bereits mit Blick auf seinen Zweck keine Spezialbestimmung im Sinne von Art. 4 BGÖ sein könne, welcher den Informationszugang in diesem Bereich einschränken wolle. Daneben sei Art. 22 GeoIV als Verordnungsbestimmung von vornherein aufgrund der Normstufe nicht als Spezialbestimmung im Sinne von Art. 4 BGÖ zu verstehen, zumal sie ohnehin grundsätzlich die öffentliche Zugänglichkeit von Geobasisdaten vorsehe.

f) Angaben zu Goldimporten beim Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit BAZG (TF 1C_272/2022 du 15 novembre 2023)
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Eine Organisation ersuchte bei der Eidg. Zollverwaltung EZV (heute Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit BAZG) um Zugang zu statistischen Angaben betreffend Goldimporte in die Schweiz. Konkret interessierte sich die Gesuchstellerin für die Herkunft und die Lieferanten des Goldes der vier mengenmässig grössten goldimportierenden Unternehmen in der Schweiz (ohne Banken). Nachdem das BAZG dieses Zugangsgesuch zuerst ablehnend beantwortet hatte, verfügte es nach entsprechender Empfehlung des EDÖB den Zugang zu den verlangten Informationen. Gegen diese Verfügung erhoben die vier betroffenen goldimportierenden Unternehmen je separat Beschwerde vor BVGer.

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Sie argumentierten u.a., die verlangten Daten würden dem Steuergeheimnis nach Art. 74 MWSTG[14] unterliegen, da die strittigen Angaben im Rahmen der Erhebung der Einfuhrsteuer einverlangt worden seien. Weiter dienten die Daten der Erstellung der Aussenhandelsstatistik, weshalb sie zusätzlich auch unter das Statistikgeheimnis gemäss Art. 14 Abs. 1 BStatG[15] fallen würden. Damit lägen Spezialbestimmungen nach Art. 4 BGÖ vor, welche dem Öffentlichkeitsgesetz vorgehen würden.

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Demgegenüber stellte sich das BAZG auf den Standpunkt, dass die verlangten Angaben nicht unter das Steuergeheimnis fielen, da es sich dabei weder um Daten über die Einfuhrsteuer noch um Zoll- oder Mehrwertsteuerveranlagungen handle. Die Daten würden zum Zweck der Überwachung und Kontrolle des Warenverkehrs über die Schweizer Grenze sowie zu Steuerzwecken – d.h. zur Erhebung von Zollabgaben und Mehrwertsteuer – erhoben. Das BAZG argumentierte weiter, dass das Steuergeheimnis die gleiche Tragweite habe wie das Amtsgeheimnis, welches keine Spezialbestimmung im Sinne von Art. 4 BGÖ darstelle. Da zudem nicht Zugang zu den Daten der Aussenhandelsstatistik als solche, sondern zu den Daten der Zollanmeldungen über die Einfuhr von Gold verlangt worden sei, könnten sich die betroffenen Unternehmen auch nicht auf das Statistikgeheimnis berufen.

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In seinem Urteil vom 16. März 2022 (vereinigte Verfahren BVGer A-741/2019, A-743/2019, A-745/2019, A-746/2019) hielt das BVGer zunächst fest, dass es sich bei Art. 74 Abs. 1 MWSTG um eine Spezialbestimmung im Sinne von Art. 4 BGÖ handle, welche dem Öffentlichkeitsgesetz vorgehe, da die streitgegenständlichen Daten anlässlich der Zollanmeldung der Waren bei der BAZG im Rahmen ihrer offiziellen Funktion als Veranlagungsbehörde für die Mehrwertsteuer bei der Einfuhr gesammelt worden seien. Eine Abgrenzung in Bezug auf die anderen mit denselben Daten verfolgten Zwecke sei nicht vorgenommen worden. Da diese Informationen zur Privatsphäre der betroffenen Goldimporteure gehörten und diese ein schutzwürdiges privates Interesse an der Geheimhaltung des Inhalts hätten, würden die Angaben unter das Steuergeheimnis und folglich unter die Ausnahme nach Art. 4 Bst. a BGÖ fallen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Datenerhebung auch zum Zweck der Zollerhebung, die im Gegensatz zur Mehrwertsteuer kein Steuergeheimnis kennt, oder zu statistischen Zwecken erfolge, und dass sich die verlangten Daten unter Umständen für die Erhebung der Mehrwertsteuer gar nicht als relevant herausstellen würden. Das Steuergeheimnis stelle einen absoluten Schutz der fraglichen Informationen dar, unabhängig von anderen Zwecken, für die die Daten gesammelt worden seien. Das Statistikgeheimnis sei auf die vorliegend relevanten Daten hingegen nicht anwendbar, da die Daten bereits in anderem Zusammenhang vorlägen und nicht ausschliesslich zu statistischen Zwecken erhoben worden seien.[16]

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Das BGer bestätigte das vorinstanzliche Urteil, indem es festhielt, dass die goldimportierenden Unternehmen als steuerpflichtige Personen die Goldmengen, die sie in die Schweiz eingeführt hatten, sowie insbesondere die Identität ihrer ausländischen Kunden gestützt auf die MWST- sowie die Zollgesetzgebung gegenüber dem BAZG deklarieren mussten. Demnach seien die strittigen Informationen aufgrund einer Meldepflicht im Hinblick auf eine allfällige Erhebung von Steuern bzw. Steuerbefreiung vorgelegt worden, wobei das BAZG als Steuerbehörde in Ausübung seines Amtes im Sinne von Art. 74 MWSTG gehandelt habe. Der Umstand, dass dieselben Daten u.a. auch zu statistischen Zwecken erhoben würden, ändere daran nichts. Im Ergebnis falle die Gesamtheit der streitgegenständlichen Informationen unter das Steuergeheimnis nach Art. 74 MWSTG. Weiter wies das BGer darauf hin, dass die Problematik der Daten über den Goldhandel regelmässig in den gesetzgebenden Organen diskutiert werde. So sei das eidgenössische Parlament in diesem Zusammenhang schon mehrfach aktiv geworden und es obläge nun auch dem Gesetzgeber, gegebenenfalls die Transparenzpflichten in diesem Bereich auszuweiten bzw. die Regelung des Steuergeheimnisses, an welches das Bundesgericht gebunden sei, entsprechend anzupassen. Schliesslich hielt das BGer unter Verweis auf Sinn und Zweck des BGÖ fest, dass sich das Zugangsgesuch auf die Menge und die Herkunft des von den betroffenen Unternehmen importierten Goldes beziehe. Somit betreffe es ausschliesslich private Aktivitäten von Dritten und ziele weder direkt noch indirekt auf irgendein Einsichtsrecht in staatliche Aktivitäten ab, wie beispielsweise die von den Zollbehörden durchgeführten Kontrollen oder die Intervention der Steuerbehörden. Insofern sei das Vorgehen der Beschwerdeführerin mit dem vom BGÖ verfolgten Zweck nicht vereinbar.

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Kommentar: Das Urteil des BGer vermag insgesamt nicht zu überzeugen. Zunächst steht die starre Auslegung von Art. 74 MWSTG als Spezialbestimmung im Sinne von Art. 4 BGÖ in einem gewissen Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des BGer, wonach vermeintliche Spezialbestimmungen so auszulegen sind, dass dem Zweck des Öffentlichkeitsprinzips am besten entsprochen werden kann.[17] Im Ergebnis kommt die bundesgerichtliche Auslegung von Art. 74 MWSTG einer beinahe umfassenden Ausnahme der Tätigkeit des BAZG und damit de facto eines Ausschlusses des BAZG aus dem persönlichen Geltungsbereich des BGÖ gleich. Die nach erfolgter Bestätigung von Art. 74 MWSTG als Spezialbestimmung vom BGer gemachten Ausführungen zu einem allfälligen Handlungsbedarf des Gesetzgebers hinsichtlich der Transparenzregelungen im Bereich der Edelmetallbrache sowie der Unvereinbarkeit der Zielsetzung des vorliegenden Zugangsgesuches mit dem Zweck des BGÖ legen nahe, dass dem BGer das Ergebnis seiner Prüfung von Art. 74 MWSTG als Spezialbestimmung selbst nicht sehr behagte und es nach zusätzlichen Rechtfertigungen für eine Ablehnung des Zugangsgesuches suchte. Der im Hinblick auf die Zielrichtung des Gesuches konstruierte Rechtsmissbrauch unter Hinweis auf Sinn und Zweck des BGÖ erscheint daher etwas hilflos und steht im Widerspruch zur gesetzlichen Konzeption, welche für Zugangsgesuch gerade keinen Interessennachweis kennt.

IV. Amtliche Dokumente (Art. 5 BGÖ)

a) Verfügungsentwurf des Bundesamtes für Gesundheit BAG betreffend Aufnahme eines Medikamentes in die Spezialitätenliste (BVGer A-1051/2022 vom 29. August 2023)
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Ein Unternehmen verlangte beim BAG Zugang zum Verfügungsentwurf über die Aufnahme eines Medikamentes einer Zulassungsinhaberin in die Spezialitätenliste. Die Zulassungsinhaberin wehrte sich sowohl im Zugangs- als auch im Schlichtungs- und schliesslich im Beschwerdeverfahren gegen die vom BAG vorgesehene Zugangsgewährung zum Verfügungsentwurf. Sie argumentiert u.a. damit, es handle sich beim verlangten Verfügungsentwurf des BAG um ein nicht fertig gestelltes Dokument gemäss Art. 5 Abs. 3 Bst. b BGÖ.

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Zur Begründung führt die Zulassungsinhaberin im Beschwerdeverfahren aus, das Dokument sei ausdrücklich als «Entwurf» gekennzeichnet und von der Vorinstanz auch nicht unterschrieben worden. Der Verfügungsentwurf lasse sich mit einer provisorischen Fassung eines Berichts vergleichen, der noch finalisiert werden müsse. Schliesslich habe sich der Verfügungsentwurf auch nicht zu einer Endfassung gewandelt, da sie ihr Gesuch um Aufnahme ihres Medikamentes in die Spezialitätenliste mittlerweile zurückgezogen habe.

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Das BVGer widersprach der Haltung der Beschwerdeführerin und hielt fest, dass ihr die Vorinstanz den Verfügungsentwurf zur Stellungnahme zugesandt habe, was gemäss den Kriterien von Art. 1 Abs. 2 Bst. b VBGÖ für ein fertig gestelltes Dokument spreche. Der Verfügungsentwurf sei fertig ausformuliert und enthalte auch keine internen Anmerkungen oder Streichungen. Dementsprechend erfahre das Dokument auch keine weiteren Bearbeitungsschritte mehr und sei deshalb eher mit einer Instruktions- oder Zwischenverfügung, statt mit einem provisorischen Bericht vergleichbar. Die Bezeichnung als «Entwurf» sowie die fehlende Unterschrift änderten daran nichts.

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Kommentar: Mit diesem Urteil sagt das BVGer zumindest indirekt, dass es sich bei einem nicht fertig gestellten Dokument grundsätzlich nur um einen zeitlich begrenzten Zustand handeln kann. Dies zumindest dann, wenn das Dokument ausformuliert ist. Ein amtliches Dokument wird demnach in der Regel nicht für immer nicht fertig gestellt bleiben. Mit dem vom BVGer hervorgehobenen Kriterium der ausbleibenden weiteren Bearbeitungsschritte wird klar, dass auch ein zunächst nicht fertig gestelltes Dokument durch blossen Zeitablauf zum fertig gestellten Dokument werden kann.[18]

b) Betriebsdaten der Antennendatenbank 5G des Bundesamtes für Kommunikation BAKOM (BVGer A-516/2022 vom 12. September 2023)
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Im bereits besprochenen Urteil betreffend den Zugang zu den Betriebsdaten der Antennendatenbank bezüglich 5G-Antennen, in welchem das BAKOM gegenüber den drei Mobilfunkunternehmen die Gewährung des Zugangs zu einem Auszug aus den Betriebsdaten der Antennendatenbank verfügte, wogegen die drei Mobilfunkunternehmen als betroffene Dritte Beschwerde vor dem BVGer führten, rügten diese die Verletzung der Zweckbestimmung des BGÖ und leiteten daraus die Unzulässigkeit des Zugangsgesuches ab.

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Zur Begründung führen die Beschwerdeführerinnen u.a. aus, das Gesuch ziele auf eine Ausforschung der Unternehmen als Marktakteure und damit auf die privatwirtschaftliche Tätigkeit der Mobilfunkbetreiberinnen ab, anstatt die (Kontroll-)Tätigkeit der Verwaltung zu verfolgen. Damit widerspreche das Zugangsgesuch Sinn und Zweck des BGÖ und sei folglich unzulässig.

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Das BVGer liess diesen Einwand nicht gelten und stellte klar, dass es sich bei den vom Beschwerdegegner geforderten Daten unbestrittenermassen um amtliche Dokumente im Sinne von Art. 5 BGÖ handle. Dass diese Daten für die Beschwerdeführerinnen geschäftsstrategisch relevant sind, ändere nichts an der Anwendbarkeit des BGÖ, da letztlich sämtliche amtlichen Dokumente im Sinne des Gesetzes Objekt eines Zugangsgesuches sein könnten. Die legitimen Geheimhaltungsinteressen von privatwirtschaftlich tätigen Akteuren würden hierbei über die gesetzlichen Ausnahmebestimmungen geschützt, hingegen änderten diese nichts an der Qualifikation als amtliches Dokument.

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Kommentar: Vgl. hierzu oben die Zusammenfassung des Urteils des BGer 1C_272/2022 vom 15 November 2023 sowie den entsprechenden Kommentar unter Ziffer 3 Bst. f des vorliegenden Beitrags. Im Rahmen der Frage betreffend vermeintlich zweckwidrige Zugangsgesuche widersprechen sich das BVGer und das BGer. Das BVGer lässt diese Argumentation unter Hinweis auf die gesetzliche Konzeption des BGÖ zu Recht nicht zu, das BGer hingegen schon. Es wäre wünschenswert, dass das BGer hierbei auf die Linie des BVGer umschwenken würde.

c) Dienstnotiz des ehemaligen Kommandanten der Patrouille des Glaciers des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS (TAF A-3577/2022 du 26 septembre 2023)
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Eine Privatperson, welche zugleich Angestellter des VBS war, ersuchte beim VBS um Zugang zu einer Dienstnotiz des ehemaligen Kommandanten der Patrouille des Glaciers betreffend verschiedene Ereignisse und Zerwürfnisse innerhalb des Unterstützungsvereins der Patrouille des Glaciers. Nachdem das VBS die Notiz nur in geschwärzter Form offenlegen wollte und das Schlichtungsverfahren vor dem EDÖB zu keiner Einigung führte, verfügte es die Verweigerung einer vollständigen Offenlegung der Notiz, indem es sich u.a. auf den Standpunkt stellte, bei der streitgegenständlichen Notiz handle es sich teilweise um ein Dokument, welches zum persönlichen Gebrauch im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Bst. c BGÖ bestimmt sei.

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Zur Begründung führte das VBS aus, die Notiz enthalte eine persönliche Analyse ihres Verfassers und sei lediglich an seine beiden Vorgesetzten und zwei weitere Empfänger und damit an einen eng begrenzten Personenkreis gerichtet gewesen. Es handle sich demnach um eine interne Dienstmitteilung («internes Whistleblowing») innerhalb eines Vertrauensverhältnisses zwischen Ersteller und Empfänger in der Annahme, diese würde vertraulich bleiben. Im Übrigen habe der Verfasser in seinen einleitenden Bemerkungen darauf hingewiesen, dass es sich beim streitgegenständlichen Dokument weder um eine Untersuchung noch um eine Anklageschrift handle.

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Dieser Argumentation folgte das BVGer nicht. Es hielt fest, dass es dem VBS nicht gelungen war nachzuweisen, dass das streitgegenständliche Dokument lediglich als Arbeitshilfsmittel verwendet wurde. Auch sei der Umstand nicht ausschlaggebend, dass die Dienstnotiz in formeller Hinsicht lediglich an zwei Haupt- und zwei Nebenadressaten gerichtet war. Vielmehr sei das Dokument von einem hochrangigen Offizier der Armee für seine Vorgesetzten und auf Anfrage hin verfasst worden, umfasse ca. 30 Seiten, sei datiert und unterzeichnet und damit in einer abgeschlossenen Form vorgelegt worden. Auch inhaltlich könne es mit Kontext, detaillierten Feststellungen und Schlussfolgerungen sowie Varianten und Handlungsmöglichkeiten nicht als blosses Arbeitshilfsmittel qualifiziert werden. Im Ergebnis handle es sich nicht lediglich um ein persönliches Arbeitshilfsmittel, sondern um eine abgeschlossene, auf Wunsch der Behörde erstellte Dienstnotiz, welche als amtliches Dokument dem BGÖ unterliege.

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Kommentar: Das Ergebnis der gerichtlichen Erwägungen sowie deren Herleitung vermögen zwar durchaus zu überzeugen, doch wird bei genauer Lektüre ersichtlich, dass nicht ganz konsequent zwischen den Qualifikationsmerkmalen des zum persönlichen Gebrauch bestimmten Dokuments und jenen des nicht fertig gestellten Dokuments unterschieden wird.

V. Zielkonforme Durchführung konkreter behördlicher Massnahmen (Art. 7 Abs. 1 Bst. b BGÖ)

a) Controllingberichte der JDMT Medical Services AG zuhanden des Staatssekretariats für Migration SEM über medizinische Untersuchungen bei der Rückführung abgewiesener Asylsuchender durch die Oseara AG (TAF A-2373/2022 du 30 juin 2023)
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Zwei Medienschaffende ersuchten beim SEM um Zugang zu den drei letzten Berichten der JDMT, welcher ihnen nach erfolglosem Schlichtungsverfahren mittels Verfügung gestützt auf mehrere Ausnahmebestimmungen des BGÖ vollständig verweigert wurde.

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Das SEM begründete die vollständige Zugangsverweigerung u.a. mit dem Schutz der zielkonformen Durchführung konkreter behördlicher Massnahmen, indem es sich auf den Standpunkt stellte, die Offenlegung entsprechender Berichte würde den Vollzug künftiger Wegweisungen aus der Schweiz auf dem Luftweg gefährden.

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Das BVGer stützte diese Haltung nicht und begründete ausführlich, weshalb die Argumente über vermeintliche künftige Vollzugsschwierigkeiten bei Ausschaffungsflügen nicht stichhaltig seien. Schliesslich strich es das Einsichtsinteresse der Öffentlichkeit an der Bekanntgabe entsprechender Berichte in diesem verfassungsrechtlich heiklen Bereich besonders hervor und erklärte die Berücksichtigung dieses besonderen Informationsinteresses als offensichtlich in Einklang mit der Zielsetzung des BGÖ, die Transparenz über das Verwaltungshandeln zu fördern. Im Ergebnis habe das SEM den Zugang zu den verlangten Berichten weder ganz noch teilweise gestützt auf Art. 7 Abs. 1 Bst. b BGÖ verweigern dürfen.

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Kommentar: Das Ergebnis der Ausführungen des BVGer zu Art. 7 Abs. 1 Bst. b BGÖ überzeugt, doch erscheint die Herleitung etwas gar umständlich. Die besondere Hervorhebung des gewichtigen öffentlichen Einsichtsinteresses im Rahmen einer Interessenabwägung erweist sich bei genauer Betrachtung als konzeptwidrig, da bei den Ausnahmebestimmungen gemäss Art. 7 Abs. 1 BGÖ gerade keine eigentliche Interessenabwägung, sondern nur, aber immerhin, eine Schadenrisikoprüfung zu erfolgen hat.

b) Unterlagen zu vertraulichen Preismodellen der autologen CAR-T-Zelltherapie des Bundesamtes für Gesundheit BAG (BVGer A-2459/2021 vom 27. Juli 2023)
51

Ein Journalist verlangte beim BAG Zugang zu Dokumenten für die autologe CAR-T-Zelltherapie, aus denen die real bezahlte Höhe der Vergütung gemäss Tarifvereinbarung vom 26. August 2020 hervorgeht. Nach durchlaufenem Schlichtungsverfahren wegen erfolgter Zugangsbeschränkungen ersuchte sowohl der Gesuchsteller als auch zwei Betroffene um Erlass einer Verfügung.

52

In seiner Verfügung hielt das BAG an seiner Zugangsbeschränkung hinsichtlich der Höhe der real bezahlten Vergütungen, der Höhe der Rabatte, der Höhe der geschätzten Gesamtkosten sowie deren Berechnung fest und begründete die Einschwärzung dieser Informationen damit, dass bei neuen, innovativen und hochpreisigen Therapien die Versorgungssicherheit zu wirtschaftlichen Preisen nur gewährleistet werden könne, wenn auch vertrauliche Preisvereinbarungen umgesetzt werden könnten. Eine Publikation der Preisvereinbarungen sowie spezifischer Rückerstattungsbeträge würde die entsprechenden Vorkehrungen unterlaufen. Die Anwendung vertraulicher Preisvereinbarungen im Sinne einer zielkonformen Durchführung konkreter behördlicher Massnahmen gemäss Art. 7 Abs. 1 Bst. b BGÖ diene der Gewährleistung einer hochstehenden, wirtschaftlichen Versorgung der Schweizer Bevölkerung mit neuen, hochpreisigen und innovativen Therapien. Ähnlich argumentierten auch die beiden Beschwerdegegnerinnen.

53

Das BVGer setzte sich ausführlich und mit vielen Hinweisen auf branchenspezifische Gegebenheiten und Abhängigkeiten mit den verschiedenen Argumentationslinien des Beschwerdeführers (Journalist), der Beschwerdegegnerinnen (Betroffene) sowie der Vorinstanz (BAG) auseinander und kam dabei zum Schluss, dass die Zurverfügungstellung der CAR-T-Zelltherapie in der Schweiz sehr wahrscheinlich gefährdet würde, wenn die Vorinstanz die vertraulichen Preisvereinbarungen zwischen den Spitälern und den Zulassungsinhaberinnen bekannt geben müsste. Es sei davon auszugehen, dass die Zulassungsinhaberinnen sehr wahrscheinlich zu den Listenpreisen zurückkehren oder sich sogar ganz aus der Schweiz zurückziehen würden. Zwar sei sich das Gericht bewusst, dass das System der Genehmigung von Tarifverträgen gestützt auf Kostenberechnungen anhand vertraulicher Preismodellein einem umstrittenen gesundheitsökonomischen und politischen Spannungsfeld stattfinde und mit entsprechenden Zielkonflikten einhergehe, doch habe das BAG überzeugend dargelegt, dass die Voraussetzungen einer Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Bst. b BGÖ gegeben seien.

54

Eine Beschwerde gegen dieses Urteil ist vor BGer hängig.

55

Kommentar: Die Konstellation dieses Beschwerdeverfahrens zeigt anschaulich, was für finanzielle Konsequenzen einer gesuchstellenden Person, welche bei der Behörde ein Zugangsgesuch stellt, drohen können, wenn sie sich für ein Beschwerdeverfahren entscheidet und in diesem vollständig unterliegt. Da neben dem Beschwerdeführer (Journalist) und der Vorinstanz (BAG) auch zwei Beschwerdegegnerinnen am Verfahren beteiligt waren, welche zusammen mit der Vorinstanz vollständig obsiegten, wurde dem Beschwerdeführer (Journalist) schlussendlich die Zahlung der Verfahrenskosten (CHF. 1500.-) sowie Parteientschädigungen für die beiden Beschwerdegegnerinnen (total rund CHF. 15‘500.-) auferlegt. Solche Fälle dürften gerade in der Medienlandschaft durchaus abschreckende Wirkung entfalten und viele Medienschaffende bzw. Medienunternehmen zumindest davon abhalten, sich vor Gericht Zugang zu amtlichen Dokumenten zu erstreiten.

c) Dokument «APPA» (Asyl Praxis/Pratique en matière d’asile) des Staatssekretariates für Migration SEM (TF 1C_412/2022 du 9 août 2023)
56

Ein Rechtsanwalt ersuchte beim SEM u.a. um Zugang zum Dokument «APPA» (Asyl Praxis/Pratique en matière d’asile) im Zusammenhang mit Asylentscheiden betreffend Eritrea. Das SEM verweigerte den Zugang zum Dokument unter Verweis auf mehrere Ausnahmebestimmungen des BGÖ vollständig. Dabei stellte es sich u.a. auf den Standpunkt, eine Offenlegung dieses Dokumentes würde seinen gesetzlichen Auftrag im Rahmen der Durchführung der Asylverfahren im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Bst. b BGÖ erheblich beeinträchtigen, da es den Asylsuchenden als eine Art Leitfaden für das Asylverfahren im Hinblick auf die Darlegung der Fluchtgründe dienen könnte.

57

In seinem Urteil A-2022/2021 vom 7. Juni 2022 folgte das BVGer der Argumentation des SEM über weite Strecken nicht. Es stellte fest, dass die Informationen, Leitlinien und Einschätzungen im streitgegenständlichen Dokument zu einem Grossteil bereits öffentlich bekannt seien oder zumindest aus anderen öffentlich zugänglichen Quellen abgeleitet werden könnten. Es erachtete die Ausnahmebestimmung gemäss Art. 7 Abs. 1 Bst. b BGÖ deshalb nur für einige spezifischen Stellen im Dokument als erfüllt. Dies etwa in Bezug auf Fragen oder Abklärungen zur Person, zur ursprünglichen Herkunft, zu Zwangsheirat und zur Zumutbarkeit einer Rückführung bei unbegleiteten Minderjährigen. Demgegenüber gehe jedoch die Asylpraxis in Bezug auf Eritrea bereits klar aus den entsprechenden Entscheiden der ehemaligen Asylrekurskommission sowie den Entscheiden des BVGer hervor und sei demnach ebenfalls bereits öffentlich bekannt. Dementsprechend hob es die Verfügung des SEM in teilweiser Gutheissung der Beschwerde auf und verpflichtete dieses, dem Gesuchsteller unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes einen teilweisen (aber weitgehenden) Zugang zum verlangten Dokument zu gewähren, indem es die Verfügung des SEM direkt reformatorisch abänderte.

58

Das BGer stützte diesen vorinstanzlichen Entscheid vollständig, indem es die ausführliche Argumentation der Vorinstanz für überzeugend erklärte und darauf hinwies, dass sich das SEM nicht eingehend mit dieser Argumentation auseinandergesetzt, sondern lediglich in allgemeiner Weise darauf hingewiesen habe, dass der Zugang zum Dokument APPA seine Arbeit erschweren würde. Dies reiche jedoch nicht aus, um eine Verweigerung des Zugangs zu einem amtlichen Dokument zu begründen.

VI. Schutz der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz (Art. 7 Abs. 1 Bst. c BGÖ)

Betriebsdaten der Antennendatenbank 5G des Bundesamtes für Kommunikation BAKOM (BVGer A-516/2022 vom 12. September 2023)
59

Im bereits besprochenen Urteil betreffend den Zugang zu den Betriebsdaten der Antennendatenbank bezüglich 5G-Antennen, in welchem das BAKOM gegenüber den drei Mobilfunkunternehmen die Gewährung des Zugangs zu einem Auszug aus den Betriebsdaten der Antennendatenbank verfügte, wogegen die drei Mobilfunkunternehmen als betroffene Dritte Beschwerde vor dem BVGer führten, stellten sich diese auf den Standpunkt, die Offenlegung der verlangten Informationen würde die innere und äussere Sicherheit der Schweiz gefährden.

60

Zur Begründung führen die Beschwerdeführerinnen u.a. aus, die Offenlegung der Betriebsdaten der 5G-Mobilfunkantennen würde zu einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung führen und die Möglichkeit von Beschädigungen der Antennen oder vermehrter Cyber-Kriminalität mit sich bringen, weil damit die Gefahr von koordinierten, grossangelegten Angriffen und damit von systemrelevanten Störungen des Netzes eröffnet würden.

61

Dieser Einschätzung widersprach das BVGer, indem es darauf hinwies, dass die Beschwerdegegnerinnen sich auf bloss allgemeine Aussagen bezüglich der behaupteten Gefährdung der inneren und äusseren Sicherheit der Schweiz beschränkten. Da im Übrigen die Standorte der 5G-Antennen bereits heute auf dem Geoportal des Bundes eingesehen werden könnten, würden durch die Gutheissung des Zugangsgesuches diesbezüglich keine Daten neu an die Öffentlichkeit gelangen. Eine nachvollziehbare, konkrete und ernsthafte Gefährdung der öffentlichen Ordnung in der Schweiz durch die Veröffentlichung der Daten aus der Antennendatenbank sei damit nicht ersichtlich.

VII. Aussenpolitische Interessen und internationale Beziehungen der Schweiz (Art. 7 Abs. 1 Bst. d BGÖ)

a) Controllingberichte der JDMT Medical Services AG zuhanden des Staatssekretariats für Migration SEM über medizinische Untersuchungen bei der Rückführung abgewiesener Asylsuchender durch die Oseara AG (TAF A-2373/2022 du 30 juin 2023)
62

Im bereits besprochenen Verfahren um Zugang zu den drei letzten Berichten der JDMT zuhanden des SEM stützte dieses die vollständige Zugangsverweigerung auch auf den Schutz der aussenpolitischen Interessen und der internationalen Beziehungen der Schweiz gemäss Art. 7 Abs. 1 Bst. d BGÖ.

63

Das SEM argumentierte, die Veröffentlichung der fraglichen Berichte würde zu Spannungen mit den jeweiligen Ländern im ohnehin sensiblen Bereich der zwangsweisen Rückführungen auf dem Luftweg führen, wodurch die sorgfältig aufgebauten Kooperationsbeziehungen, welche jeweils für beide Seiten von Bedeutung seien, gefährdet werden könnten. Dabei sei die Schweiz auf die gute Zusammenarbeit mit den jeweiligen Ländern angewiesen, da der Erfolg dieser Massnahme davon abhänge, ob das Zielland überhaupt bereit sei, seine Staatsangehörigen einreisen zu lassen und entsprechenden (Sonder)Flügen überhaupt zuzustimmen.

64

Das BVGer folgte dieser Haltung nicht. Zwar wies es darauf hin, dass die zwangsweise Rückführung ausländischer Staatsangehöriger auf dem Luftweg tatsächlich als besonders sensibler Bereich staatlichen Handelns gelte, welcher weitgehend von der guten Zusammenarbeit mit Drittstaaten sowie deren Bereitschaft zur Rücknahme ihrer Staatsangehörigen abhänge. Dies entbinde die Behörde jedoch nicht davon, konkret und präzise zu begründen, inwiefern eine Offenlegung der verlangten Berichte diese Zusammenarbeit mit grosser Wahrscheinlichkeit beeinträchtigen könnte. Die diesbezüglichen Ausführungen des SEM erachtete das Gericht jedoch als zu allgemein und nicht überzeugend.

65

Kommentar: Mit diesem Urteil macht das BVGer einmal mehr deutlich, dass die übliche gerichtliche Zurückhaltung im Rahmen der Überprüfung aussenpolitischer Einschätzungen der Behörden anlässlich der Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Bst. d BGÖ nicht als Freipass für bloss in allgemeiner Weise begründete Zugangsbeschränkungen oder -verweigerungen verstanden werden darf. Vielmehr muss das Schadensrisiko für eine mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Beeinträchtigung konkret und glaubhaft dargelegt werden können.[19]

b) Teilungsvereinbarung («SharingAgreement») des Bundesamtes für Justiz BJ betreffend Rückgabe eingezogener Vermögenswerte an Usbekistan
(TAF A-5260/2021 du 1er novembre 2023)
66

Im bereits besprochenen Verfahren um Zugang zur Teilungsvereinbarung zwischen der Schweiz und Usbekistan betreffend Rückgabe eingezogener Vermögenswerte verweigerte das BJ die Herausgabe des «SharingAgreements» u.a. auch unter Hinweis auf Art. 7 Abs. 1 Bst. d i.V.m. Art. 8 Abs. 4 BGÖ.

67

Hierzu erklärte es die Verhandlungen zwischen den beiden Ländern in diesem komplexen Fall für noch nicht abgeschlossen. Da bislang nur ein vergleichsweise bescheidener Anteil der eingezogenen Vermögenswerte habe aufgeteilt werden können, seien weitere Abkommen zwischen der Schweiz und Usbekistan auszuhandeln. Dabei würde eine Offenlegung des Teilungsabkommens ohne ausdrückliche Zustimmung von Usbekistan sowohl die Beziehungen als auch die noch ausstehenden weiteren Verhandlungen zwischen den beiden Ländern wesentlich beeinträchtigen.

68

Diese Ansicht wurde vom BVGer bestätigt. Zwar könne die fragliche Teilungsvereinbarung mit dem Abschluss der Rückgabevereinbarung als abgeschlossen betrachtet werden, doch sei der Verhandlungsprozess mit Usbekistan über die Aufteilung und Rückgabe der übrigen noch in der Schweiz beschlagnahmten Vermögenswerte, von denen der Betrag, der Gegenstand der strittigen Vereinbarung ist, nur einen Teil ausmacht, als Ganzes gesehen noch nicht abgeschlossen. Ob eine Offenlegung der streitgegenständlichen Teilungsvereinbarung für die weitere Verhandlungsstrategie der Bundesbehörden im Rahmen dieses Prozesses mit Usbekistan von Bedeutung oder für die Verhandlungsposition der Schweiz nachteilig sein könnte, dürfe zumindest nicht ausgeschlossen werden. Darüber hinaus sei die Teilungsvereinbarung für beide Staaten gleichermassen rechtlich bindend und demnach üblicherweise nicht ohne ausdrückliche Zustimmung des ausländischen Staates offenzulegen. Vielmehr würde eine einseitige Veröffentlichung der Vereinbarung mit hoher Wahrscheinlichkeit die aussenpolitischen Interessen der Schweiz und ihre Beziehungen sowohl gegenüber Usbekistan als auch gegenüber anderen Staaten, die mit Usbekistan verbunden sind oder die die in Zukunft solche Teilungsabkommen schliessen könnten, beeinträchtigen. Im Ergebnis könnte dadurch die Zusammenarbeit anlässlich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen zum Nachteil der Schweiz beeinträchtigt werden.

69

Kommentar: Zwar sind die Ausführungen des BVGer hinsichtlich der Anwendbarkeit von Art. 7 Abs. 1 Bst. d i.V.m. Art. 8 Abs. 4 BGÖ im Ergebnis durchaus nachvollziehbar, doch grenzt das Gericht die beiden Bestimmungen nicht ausreichend voneinander ab. Zwar verfolgen die beiden Bestimmungen nachweislich ähnliche Ziele, doch erweist sich bereits ihre unterschiedliche Einordnung innerhalb der gesetzlichen Systematik als zwingend notwendiges Unterscheidungskriterium. Dies wird umso deutlicher, als anlässlich der „Ausnahmebestimmung“ gemäss Art. 7 Abs. 1 Bst. d BGÖ eine Schadenrisikoprüfung zu erfolgen hat, wobei im Rahmen des „besonderen Falles“ gemäss Art. 8 Abs. 4 BGÖ lediglich die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen sind.

c) Liste aller bei der Schweizerischen Exportrisikoversicherung (SERV) beantragten und bewilligten Projekte der Firma «Crypto AG» bzw. «Crypto International AG» (BGer 1C_321/2021 vom 7. Juni 2023)
70

Eine Journalistin hatte die SERV um Zugang zu einer Liste aller bei ihr beantragten und bewilligten Projekte der Firma «Crypto AG» für den Zeitraum 2007 bis und mit 2018 sowie den entsprechenden Daten ihrer Vorgängerin, der Exportrisikogarantie (ERG), ersucht. Weiter wünschte sie eine Liste gleichen Inhalts für die Firma «Crypto International AG» für den Zeitraum ab 2018. Die SERV verweigerte den Zugang zu diesen beiden Listen nach Anhörung der betroffenen Firmen vollständig. Nach erfolglosem Schlichtungsverfahren vor dem EDÖB verfügte die SERV die Ablehnung des Zugangs zu den beiden Listen.

71

Dabei stellte sich die SERV auf den Standpunkt, durch die Gewährung des Zugangs zu den verlangten Angaben würde teilweise offenbart, welche Staaten bzw. welche ihrer Ministerien, Departemente oder Regierungsstellen welche Produkte zur Verschlüsselung ihrer Datenkommunikation wann und zu welchem Wert von einer der genannten Unternehmen gekauft hätten. Die erworbenen Sicherheitslösungen würden von diesen Staaten auch für die Landesverteidigung bzw. den Nachrichtendienst eingesetzt. Es handle sich dementsprechend um Bereiche, in denen die entsprechenden Staaten ein erhebliches Geheimhaltungsinteresse an Informationen über die verwendete Technologie und die verwendeten Produkte hätten. Die entsprechenden Geheimhaltungsvereinbarungen bezüglich der fraglichen Lieferungen seien ausserdem ein klares Indiz dafür, dass die betroffenen Staaten eine vertrauliche Behandlung der Projektinformationen verlangten. Eine Veröffentlichung dieser Informationen gegen die offenkundigen Geheimhaltungsinteressen der Importstaaten und ohne deren vorgängige explizite Einwilligung würde die internationalen Beziehungen der Schweiz zu diesen Staaten ernsthaft beeinträchtigen und zu einem Vertrauensverlust führen.

72

Mit seinem Urteil A-4494/2020 vom 20. April 2021 bestätigte das BVGer diese Haltung und erwog, es entspreche weder den internationalen Gepflogenheiten noch der Staatenpraxis, mit Geheimhaltungsinteressen anderer Staaten behaftete Informationen öffentlich zugänglich zu machen. Die Offenlegung entsprechender Informationen könne durchaus zu einer Verschlechterung der bilateralen Beziehungen führen. Solange es sich nicht um allgemein öffentlich zugängliche Informationen handle, würden die Daten zur Verschlüsselungstechnik für abhörsichere Kommunikation dem Geheimhaltungsvorbehalt gemäss Art. 7 Abs. 1 Bst. d BGÖ unterliegen und es sei auch davon auszugehen, dass die Empfängerländer ein substanzielles Interesse an der Vertraulichkeit der Angaben hätten.

73

Das BGer bestätigte das vorinstanzliche Urteil in dieser Hinsicht vollständig. Unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung zu Art. 7 Abs. 1 Bst. d BGÖ, wonach Entscheide politischen und insbesondere aussenpolitischen Gehalts der justiziellen Kontrolle nur bedingt zugänglich und dementsprechend mit einer entsprechenden Zurückhaltung bei der gerichtlichen Überprüfung verknüpft sind, erklärte es die Argumentation der SERV sowie der Vorinstanz für nachvollziehbar. Insbesondere erweise sich die Annahme diplomatischer Verspannungen im Falle einer Offenlegung der streitgegenständlichen Listen als naheliegend und ein eindeutiger Beweis für nachteilige Folgen könne ohnehin nicht verlangt werden, da solche Prognosen in die Zukunft gerichtet seien und nicht nur auf «harten» Fakten, sondern vielmehr nur auf Annahmen, Vermutungen oder Hypothesen basieren würden. Auch lehnte das BGer im Hinblick auf den Verhältnismässigkeitsgrundsatz eine teilweise Offenlegung der verlangten Listen ab, da eine Anonymisierung bzw. Teilschwärzung gar nicht möglich sei.

74

Kommentar: Dieses Urteil (ebenso wie das vorinstanzliche Urteil des BVGer) zeigt anschaulich die Funktionsweise der gerichtlichen Zurückhaltung bei der Überprüfung von Entscheidungen und Abwägungen vorwiegend aussenpolitischen Gehalts im Rahmen der Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Bst. d BGÖ. Soweit die behördliche Argumentation insgesamt nachvollziehbar und sachlich erfolgt, greift das Gericht nicht ein. Da der Behörde aufgrund dieser Praxis ein grösserer Ermessensspielraum als bei anderen Ausnahmebestimmungen des BGÖ zukommt, erscheint es umso wichtiger, dass sie dieses Ermessen pflichtgemäss nutzt und Art. 7 Abs. 1 Bst. d BGÖ nicht willkürlich zur Anwendung bringt.

d) Dokument «APPA» (Asyl Praxis/Pratique en matière d’asile) des Staatssekretariates für Migration SEM
(TF 1C_412/2022 du 9 août 2023)
75

Im bereits besprochenen Verfahren auf Zugang zum Dokument «APPA» (Asyl Praxis/Pratique en matière d’asile) des SEM im Zusammenhang mit Asylentscheiden betreffend Eritrea stützte dieses seine vollständige Zugangsverweigerung u.a. auch auf Art. 7 Abs. 1 Bst. d BGÖ und erklärte, dass die Offenlegung des fraglichen Dokuments die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Eritrea im Bereich der Migration und Rückführung beeinträchtigen würde. Dies insbesondere deshalb, weil im Dokument mehrfach Kritik an der Situation in Eritrea und am Umgang mit Deserteuren, Armeedienstverweigerern und regierungskritischen Personen geäussert werde. Darüber hinaus gelte Eritrea seit einem Jahrzehnt als eines der Hauptherkunftsländer von Asylsuchenden in der Schweiz. Die entsprechend umfangreiche Diaspora in der Schweiz sei gut vernetzt, weshalb das streitgegenständliche Dokument mit grosser Wahrscheinlichkeit innert kurzer Zeit auch in Eritrea verbreitet werden würde. Schliesslich habe der EDÖB anlässlich eines anderen Schlichtungsverfahrens die teilweise Verweigerung des Zugangs zu einem Dienstreisebericht des SEM in Eritrea geschützt, weil dieser Bewertungen über Eritrea enthielt, die als offizielle Werturteile der Schweiz zu qualifizieren waren.

76

In seinem Urteil A-2022/2021 vom 7. Juni 2022 widersprach das BVGer dieser Argumentation. Es stellte fest, dass das fragliche Dokument im Wesentlichen die Asylpraxis in Bezug auf eritreische Asylsuchende beschreibe, wie sie bereits aus den Entscheiden der ehemaligen Asylrekurskommission und des BVGer hervorgehe. Diese Praxis, die bekanntermassen kritisch gegenüber der in Eritrea herrschenden Gegebenheiten sei, gelte somit grundsätzlich als öffentlich bekannt. Weiter verweise das Dokument verschiedentlich auf andere Berichte mit länderspezifischen Informationen, deren Hauptautor ebenfalls das SEM sei. Die offizielle, kritische Haltung des SEM gegenüber der eritreischen Regierung und der Situation in Eritrea könne etwa auch auf dessen Website unter der Rubrik «Häufig gestellte Fragen zu Eritrea»; «Wie ist die Lage in Eritrea nach Ansicht des SEM?» nachgelesen werden. Entsprechendes gehe überdies auch aus der öffentlich publizierten Antwort des EJPD auf das Schreiben des UNO-Hochkommissariates für Menschenrechte (OHCHR) aus dem Jahr 2019 zur Situation von eritreischen Asylsuchenden in der Schweiz hervor.

77

Das BGer stützte das vorinstanzliche Urteil umfassend, indem es abermals festhielt, dass sich das SEM im bundesgerichtlichen Verfahren nicht mit der ausführlichen und für überzeugend erklärten Argumentation des BVGer auseinandergesetzt habe. Auch der vom SEM befürchteten Präzedenzwirkung auf vergleichbare Dokumente in Bezug auf andere Länder erteilte das BGer eine deutliche Abfuhr, indem es klarstellte, dass im vorliegenden Verfahren einzig die Zugänglichkeit des Dokuments APPA betreffend die Asylpraxis zu Eritrea zu beantworten sei. Eine gewissermassen automatische Auswirkung auf andere Dokumente vergleichbaren Charakters lehnte es hingegen kategorisch ab.

78

Kommentar: Dieses Urteil kann als wichtiges Signal für die Rechtssicherheit in Bezug auf die Ausnahmegründe des BGÖ gesehen werden. Das BGer unterstreicht einmal mehr höchstrichterlich, dass es in Übereinstimmung mit dem BVGer die Hürden einer Anwendung der Ausnahmebestimmungen hoch ansetzt und sich nicht leichthin von aussenpolitischen Risikoszenarien überzeugen lässt. Diese Gerichtspraxis darf zwar durchaus als streng eingestuft werden, ist im Ergebnis jedoch richtig und im Hinblick auf die Zielsetzung des BGÖ notwendig.

VIII. Berufs-, Geschäfts- oder Fabrikationsgeheimnisse (Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ)

a) Unterlagen zum Grossterminal Gateway Basel Nord der Wettbewerbskommission WEKO (BVGer A-722/2021 vom 29. Juni 2023)
79

Im bereits erwähnten Beschwerdeverfahren betreffend den Zugang zu Dokumenten im Zusammenhang mit der Untersuchung des Zusammenschlusses dreier Logistikfirmen zum Grossterminal Gateway Basel Nord begründete die WEKO ihre Einschwärzungen auch mit der Qualifikation der zurückgehaltenen Informationen als Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen.

80

Das BVGer hielt anlässlich der Prüfung allfälliger Geschäftsgeheimnisse zunächst fest, dass sich auch Unternehmen in einer potenziell marktbeherrschenden Stellung auf den Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse berufen könnten.[20] Die umso mehr, als zum Zeitpunkt vor dem Zusammenschluss noch gar keine marktbeherrschende Stellung bestehe. Im Übrigen bestätigte es unter Bezugnahme auf die einzelnen Einschwärzungen weitestgehend deren Qualifikation als Geschäftsgeheimnisse und damit die Rechtmässigkeit ihrer Abdeckung, da es sich um Informationen zur Preiskalkulation, zur Geschäftsstrategie oder zur internen Organisation der Unternehmen handle.

81

Eine Beschwerde gegen dieses Urteil ist vor BGer hängig.

b) Verfügungsentwurf des Bundesamtes für Gesundheit BAG betreffend Aufnahme eines Medikamentes in die Spezialitätenliste (BVGer A-1051/2022 vom 29. August 2023)
82

Ein Unternehmen verlangte beim BAG Zugang zum Verfügungsentwurf über die Aufnahme eines Medikamentes einer Zulassungsinhaberin in die Spezialitätenliste. Die Zulassungsinhaberin verlangte anlässlich ihrer Anhörung durch das BAG eine vollständige oder zumindest teilweise Zugangsverweigerung zum Verfügungsentwurf. Daraufhin beabsichtigte das BAG einen teilweisen Zugang gemäss Vorschlag der Zulassungsinhaberin zu gewähren, indem die Preise, die Berechnungsgrundlagen sowie allfällige Limitationen des Medikamentes als Geschäftsgeheimnisse geschwärzt würden. Sowohl die Gesuchstellerin als auch die betroffene Zulassungsinhaberin gelangten darauf mit Schlichtungsanträgen an den EDÖB.

83

Nach durchlaufenem Schlichtungsverfahren verfügte das BAG eine weitergehende Zugangsgewährung zum verlangten Verfügungsentwurf, indem nunmehr lediglich die Preisberechnung der Zulassungsinhaberin als Geschäftsgeheimnis gemäss Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ eingeschwärzt werden solle. Dagegen gelangt die Zulassungsinhaberin mit Beschwerde ans BVGer und verlangte, den Zugang u.a. im Hinblick auf den Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse gemäss Art. 7 Abs 1 Bst. g BGÖ vollständig zu verweigern oder zumindest mit weiteren Einschwärzungen zu gewähren. Dazu begründet sie ausführlich, inwiefern eine Offenlegung des Verfügungsentwurfs für sie Wettbewerbsverzerrungen und Marktnachteile mit sich bringen würde. Im Übrigen rügte sie eine Verletzung der Begründungspflicht durch das BAG, da dieses sich in seiner Verfügung nicht mit den von ihr aufgeworfenen Argumenten auseinandersetzte, sondern lediglich auf die Empfehlung des EDÖB verwies.

84

Das BVGer gab der Zulassungsinhaberin Recht und stellte fest, dass durch den blossen Verweis der Vorinstanz auf die Empfehlung des EDÖB ohne eigene ausführliche Auseinandersetzung mit den vorgetragenen Argumenten der Beschwerdeführerin eine erhebliche Verletzung der Begründungspflicht zu bejahen sei. Dies erscheine umso deutlicher, als das BAG und nicht der EDÖB für spezifische Fachfragen des Arzneimittelmarktes als Fachbehörde erscheine. Darüber hinaus sei der EDÖB in seiner Empfehlung ohne Begründung von seiner früheren Empfehlungspraxis abgewichen, bereits den Umstand eines laufenden Aufnahmeverfahrens eines Medikamentes in die Spezialitätenliste als Geschäftsgeheimnis gemäss Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ der Zulassungsinhaberin anzuerkennen.[21] Im Ergebnis habe sich die Vorinstanz in ihrer Verfügungsbegründung nicht darauf beschränken dürfen, ausschliesslich auf die Empfehlung des EDÖB zu verweisen, wodurch es der Beschwerdeführerin nicht ausreichend möglich war, die Verfügung sachgerecht anzufechten. Da das BVGer für die erfolgte Verletzung der Begründungspflicht keine Heilungsmöglichkeit sah und es ausserdem als Aufgabe der fachkundigen Vorinstanz und nicht der Rechtsmittelbehörde ansah, sich erstinstanzlich mit den strittigen Sach- und Rechtsfragen in Berücksichtigung der Parteivorbringen auseinanderzusetzen, hob es die Verfügung des BAG aus formellen Gründen auf und wies die Angelegenheit zur erneuten, vertieften Auseinandersetzung über die zu prüfenden Ausnahmebestimmungen im Rahmen einer neuen Verfügung an die Vorinstanz zurück.

85

Kommentar: In diesem Urteil streicht das BVGer die unterschiedlichen Rollen der verschiedenen Verfahrensbeteiligten am Zugangsverfahren nach BGÖ insgesamt deutlich hervor. So zieht es die mit einem Zugangsgesuch befasste Behörde besonders stark in ihre Verantwortung, indem es nicht zulässt, dass diese sich als Fachbehörde gewissermassen hinter der Argumentation des EDÖB in seiner Empfehlung versteckt, ohne sich selbst ausführlich mit dem Vorbringen der Gegenpartei auseinanderzusetzen. In vorliegender Konstellation dürfte sich das BVGer jedoch insbesondere durch die vermeintliche Abkehr des EDÖB von seiner bisherigen Empfehlungspraxis veranlasst gesehen haben, der Empfehlung des EDÖB weniger Gewicht als üblich einzuräumen.

c) Betriebsdaten der Antennendatenbank 5G des Bundesamtes für Kommunikation BAKOM (BVGer A-516/2022 vom 12. September 2023)
86

Im bereits besprochenen Urteil betreffend den Zugang zu den Betriebsdaten der Antennendatenbank bezüglich 5G-Antennen, in welchem das BAKOM gegenüber den drei Mobilfunkunternehmen die Gewährung des Zugangs zu einem Auszug aus den Betriebsdaten der Antennendatenbank verfügte, wogegen die drei Mobilfunkunternehmen als betroffene Dritte Beschwerde vor dem BVGer führten, stellten sich diese auf den Standpunkt, die offenzulegenden Informationen aus der Antennendatenbank würden Geschäftsgeheimnisse gemäss Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ darstellen.

87

Zur Begründung führen die Beschwerdeführerinnen u.a. aus, ihre Mobilfunknetze seien von zentraler Bedeutung für ihr Geschäft, wobei für den Geschäftserfolg nicht nur das bestehende Netz, sondern auch die Netzplanung und die Netzstrategie entscheidend seien. Dementsprechend bestehe an allen technischen Daten, die Rückschlüsse auf den Aufbau und die Entwicklung eines Mobilfunknetzes zuliessen, ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse. Die Offenlegung solcher Informationen könne es Konkurrenten sowie allfälligen künftigen Markteinsteigern ausserdem ermöglichen, die Netzstrategien zu kopieren und nachzubauen. Nicht ausgeschlossen sei schliesslich eine Behinderung des geplanten Netzausbaus durch Konkurrenten, etwa bei der eigenen Standortplanung oder im Rahmen künftiger Konzessionsvergaben.

88

Das BVGer stützte diese Auffassung nicht und wies darauf hin, dass ein Grossteil der betroffenen Informationen bereits öffentlich bekannt und damit im Hinblick auf ihre relative Unbekanntheit – als eine der Voraussetzungen von Geschäftsgeheimnissen – unproblematisch seien. Aus den bereits öffentlichen Daten sowie aus anderen öffentlichen Quellen lasse sich zudem auf weitere Angaben aus der Datenbank schliessen. Die übrigen offenzulegenden Daten seien im Rahmen von Baubewilligungsverfahren für Mobilfunkantennen (wenigstens zeitlich beschränkt) öffentlich aufgelegt und damit ebenfalls öffentlich zugänglich. Selbst wenn die streitigen Daten als nicht bereits öffentlich zugänglich einzustufen wären, sei es den Beschwerdeführerinnen ohnehin nicht gelungen, eine ernsthafte Gefahr einer Beeinträchtigung ihres geschäftlichen Erfolgs durch die Veröffentlichung dieser Daten aufzuzeigen. Ihre diesbezüglichen Ausführungen seien zu abstrakt, zu vage und zu wenig substantiiert erfolgt.

IX. Dokumente mit Personendaten / Anhörung betroffener Dritter (Art. 7 Abs. 2, Art. 9, Art. 11 BGÖ und Art. 36 Abs. 3 Bst. b DSG)

a) Unterlagen zum Grossterminal Gateway Basel Nord der Wettbewerbskommission WEKO (BVGer A-722/2021 vom 29. Juni 2023)
89

Im bereits besprochenen Verfahren auf Zugang zu Dokumenten im Zusammenhang mit der Untersuchung des Zusammenschlusses dreier Logistikfirmen zum Grossterminal Gateway Basel Nord anonymisierte die WEKO die Namen zweier Gutachter, einerseits ein grosses international tätiges Beratungsunternehmen, andererseits eine Schweizer Fachhochschule.

90

Dem widersprach das BVGer, indem es anlässlich der gemäss Art. 19 Abs. 1bis aDSG[22] vorgesehenen Interessenabwägung festhielt, dass es grundsätzlich im öffentlichen Interesse liege, die Verfasser von Gutachten in Verwaltungsverfahren offenzulegen, da die Qualität der darin gemachten Aussagen unter anderem von den Erfahrungen der Gutachterinnen und Gutachter abhänge und ein Interesse an der Kenntnis allfälliger Interessenbindungen bestehe. Weiter betreffe das Gutachten einen Sachverhalt von grossem öffentlichem Interesse. Schliesslich hätten die betroffenen Gutachter keine konkreten privaten Geheimhaltungsinteressen geltend gemacht, weshalb der Zugang zu ihren Namen offenzulegen sei.

91

Eine Beschwerde gegen dieses Urteil ist vor BGer hängig.

92

Kommentar: Es dürfte als höchst überraschend bezeichnet werden, wenn das BGer das Urteil in diesem Punkt aufheben würde.

b) Controllingberichte der JDMT Medical Services AG zuhanden des Staatssekretariats für Migration SEM über medizinische Untersuchungen bei der Rückführung abgewiesener Asylsuchender durch die Oseara AG (TAF A-2373/2022 du 30 juin 2023)
93

Im Zugangsverfahren betreffend die Controllingberichte der JDMT zuhanden des SEM stützte das SEM seine vollständige Zugangsverweigerung auch auf den Schutz der Privatsphäre der zurückgeführten abgewiesenen Asylbewerbenden gemäss Art. 7 Abs. 2 BGÖ ab.

94

Das SEM argumentierte mit der Qualifikation der in den Berichten enthaltenen gesundheitsbezogenen Daten als besonders schützenswerte Personendaten im Sinne des DSG. Diese würden in kleineren geografischen Kontexten wie Gemeinden Rückschlüsse auf bestimmte Personen zulassen, insbesondere in jenen Fällen, die allenfalls bereits in einer medialen Berichterstattung behandelt wurden. Dementsprechend erweise sich auch eine Anonymisierung als nicht zielführend. Weiter sehe Art. 15s Abs. 3 VVWAL[23] vor, dass medizinische Daten und Informationen für die Ausreiseorganisation spätestens zwölf Monate, nachdem die Person die Schweiz verlassen hat, zu löschen sind, was einer Offenlegung der Berichte entgegenstehe. Schliesslich gebe es auf der anderen Seite kein überwiegendes öffentliches Einsichtsinteresse und auch keine explizite Einwilligung der Betroffenen, wodurch sich eine Beeinträchtigung ihrer Privatsphäre rechtfertigen liesse.

95

Demgegenüber urteilte das BVGer, dass das Einsichtsinteresse der Öffentlichkeit schwerer wiege, als die privaten Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen, selbst wenn eine Beeinträchtigung der Privatsphäre trotz Anonymisierung nicht ganz ausgeschlossen werden könne. Dabei ergebe sich das besondere Informationsinteresse der Öffentlichkeit gemäss Art. 6 Abs. 2 Bst. a BGÖ auch aus dem Umstand, dass regelmässig Kritik seitens der Medien oder der Politik oder von Menschenrechtsorganisationen in diesem Zusammenhang erfolge. Im Übrigen dürfe der Schutz der Privatsphäre nicht dazu dienen es der Verwaltung zu ermöglichen, störende Informationen, Missstände oder potenzielle Interessenkonflikte im Rahmen der öffentlichen Aufgabenerfüllung unter Beteiligung Dritter zurückzuhalten. Auch die gemäss Art. 15s Abs. 3 VVWAL vorgesehene Löschung gesundheitsbezogener Daten zwölf Monate nach Ausreise der betroffenen Person ändere an der prinzipiellen Zugänglichkeit der Berichte nichts, zumal es sich bei dieser Bestimmung ohnehin nicht um eine Spezialbestimmung i.S.v. Art. 4 BGÖ handle, welche vorbehalten sei. Schliesslich hätte das SEM in Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips ohnehin nur jene Textpassagen einschwärzen dürfen, welche sich zum Schutz der Privatsphäre als unbedingt notwendig erwiesen hätten.

96

Abschliessend griff das BVGer insofern direkt reformatorisch in die Verfügung des SEM ein, als es diverse Stellen in den Berichten explizit nannte, deren Einschwärzung ihm gerechtfertigt erschien. In Bezug auf den umfangreichen Anhang eines Berichts mit zahlreichen enthaltenen personenbezogenen Daten wies es die Sache aber schlussendlich zur Identifikation und Einschwärzung weiterer Textstellen an das SEM zurück.

97

Kommentar: In diesem Urteil machte das BVGer einmal mehr deutlich, dass die Anwendbarkeit von Ausnahmebestimmungen des BGÖ – insbesondere bei einer vollständigen Zugangsverweigerung – nicht leichthin angenommen und mit generischen Argumenten gerechtfertigt werden kann. Zudem strich es hervor, dass der Schutz der Privatsphäre als privates Geheimhaltungsinteresse betroffener Dritter nicht durch die Behörde dazu verwendet werden darf, unliebsame Informationen zurückzuhalten. Im Rahmen von BGÖ-Urteilen als sehr selten erweist sich die direkte reformatorische Abänderung behördlicher Verfügungen. Dass das Gericht hier eine strenge und eher seltene Vorgehensweise wählte, dürfte damit zusammenhängen, dass es sich nicht um den ersten Entscheid gegen das SEM mit einer solchen Konstellation und Vorgeschichte handelte.[24]

c) Betriebsdaten der Antennendatenbank 5G des Bundesamtes für Kommunikation BAKOM (BVGer A-516/2022 vom 12. September 2023)
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Im bereits besprochenen Urteil betreffend den Zugang zu den Betriebsdaten der Antennendatenbank bezüglich 5G-Antennen, in welchem das BAKOM gegenüber den drei Mobilfunkunternehmen die Gewährung des Zugangs zu einem Auszug aus den Betriebsdaten der Antennendatenbank verfügte, wogegen die drei Mobilfunkunternehmen als betroffene Dritte Beschwerde vor dem BVGer führten, stellten sich diese auf den Standpunkt, die offenzulegenden Informationen aus der Antennendatenbank würden Personendaten darstellen, weshalb der Zugang zu verweigern sei.

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Zur Begründung führen die Beschwerdeführerinnen u.a. aus, die Offenlegung dieser Informationen stehe im Widerspruch zu ihrem grundrechtlichen Anspruch auf Schutz ihrer Personendaten und verstosse gegen die Wirtschaftsfreiheit sowie gegen den Vertrauensschutz. Darüber hinaus seien auch Personendaten von Dritten betroffen, insbesondere der Standorteigentümer, die mit zusätzlichen Anfeindungen und Vandalismus rechnen müssten. Diese Personen seien nicht gemäss Art. 11 BGÖ in das Verfahren einbezogen worden und hätten nicht Stellung nehmen können. Den gewichtigen privaten Interessen sei sodann klarerweise Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse an Transparenz der Verwaltung einzuräumen.

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Diese Interessenabwägung überzeugte das BVGer nicht. Vielmehr sah es anlässlich der Interessenabwägung gemäss Art. 9 Abs. 2 BGÖ i.V.m. Art. 19 Abs. 1bis aDSG[25] aufgrund des Umstandes, dass die streitgegenständlichen Daten bereits weitestgehend öffentlich zugänglich sind, gerade keine gewichtigen, schützenswerten privaten Geheimhaltungsinteressen der drei Mobilfunkunternehmen. Auf der Seite des öffentlichen Einsichtsinteresses verortete das Gericht hingegen ein gewichtiges Informationsbedürfnis der Bevölkerung bezüglich der 5G-Technologie, welche seit ihrer Einführung in der Schweiz bei vielen Personen Fragen und Befürchtungen aufgeworfen habe. Daraus ergebe sich ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Bst. a VBGÖ. Ausserdem ergebe sich das überwiegende öffentliche Interesse am Zugang auch aus der Sonderbeziehung zwischen den Mobilfunkunternehmen als Konzessionsinhaberinnen und dem Bund, weil hierbei von einer rechtlichen Beziehung auszugehen sei, welche den Beschwerdeführerinnen bedeutende Vorteile im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Bst. c VBGÖ bringe.

d) Dienstnotiz des ehemaligen Kommandanten der Patrouille des Glaciers des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS (TAF A-3577/2022 du 26 septembre 2023)
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Im bereits besprochenen Verfahren um Zugang zu einer Dienstnotiz des ehemaligen Kommandanten der Patrouille des Glaciers betreffend verschiedene Ereignisse und Zerwürfnisse innerhalb des Unterstützungsvereins der Patrouille des Glaciers stützte da VBS die erfolgten Einschwärzungen u.a. auch auf Datenschutzüberlegungen gemäss Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 BGÖ.

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Zur Begründung führte es aus, dass der Schutz der eingeschwärzten Passagen auch nach erfolgter Anhörung des Verfassers sowie eines der Adressaten bestätigt wurden und demnach beizubehalten seien. Zudem seien (bzw. waren) sowohl der Verfasser als auch die Adressaten der Dienstnotiz Bundesangestellte, weshalb die aus Datenschutzgründen erfolgten Einschwärzungen aus der Sicht des VBS auch aufgrund seiner arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht notwendig seien. Dem öffentlichen Einsichtsinteresse sei zudem im Rahmen der in diesem Zusammenhang bereits erfolgten Medienberichterstattung ausreichend Rechnung getragen worden.

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Das BVGer hielt hierzu zunächst fest, dass die streitgegenständliche Notiz sowohl Personendaten des Beschwerdeführers selbst als auch Personendaten weiterer Personen enthalte. Da die Offenlegung der Dienstnotiz in ihrer Gesamtheit verlangt werde, sei eine Anonymisierung der darin enthaltenen Personendaten gemäss Art. 9 Abs. 1 BGÖ nicht möglich und der Zugang sei nach Art. 9 Abs. 2 BGÖ i.V.m. Art. 19 Abs. 1bis aDSG[26] zu beurteilen. Die vom VBS anlässlich der Interessenabwägung erfolgte Begründung erachtete das BVGer als zu undifferenziert, habe es doch weder dargelegt, welche Art von Personendaten betroffen seien, noch welche konkreten negativen Konsequenzen im Falle einer Offenlegung der geschwärzten Stellen im Dokument zu erwarten seien. Ebenso wenig seien die Bestätigungen über die Notwendigkeit der erfolgten Einschwärzungen durch die angehörten Betroffenen (Verfasser und einer der Empfänger) nicht nachvollziehbar. Weiter würden die intensive Medienberichterstattung sowie verschiedene parlamentarische Vorstösse im Zusammenhang mit den Turbulenzen innerhalb des Unterstützungsvereins der Patrouille des Glaciers für ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit aufgrund wichtiger Vorkommnisse im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Bst. a VBGÖ sprechen. Schliesslich habe das VBS die erfolgten Schwärzungen nur in allgemeiner Weise begründet, anstatt für jede einzelne Schwärzung konkret aufzuzeigen, worin genau das überwiegende Geheimhaltungsinteresse liege. Dementsprechend hob es die Verfügung des VBS auf und wies die Sache zum neuen Entscheid an dieses zurück.

X. Zeitlicher Geltungsbereich des Gesetzes (Art. 23 BGÖ)

Liste aller bei der Schweizerischen Exportrisikoversicherung (SERV) beantragten und bewilligten Projekte der Firma «Crypto AG» bzw. «Crypto International AG» (BGer 1C_321/2021 vom 7. Juni 2023)
104

Im bereits thematisierten Verfahren um Zugang zu Listen aller bei der SERV (bzw. ihrer Vorgängerorganisation ERG) beantragten und bewilligten Projekte der Firma «Crypto AG» bzw. «Crypto International AG» lehnte sie SERV den Zugang in Bezug auf Daten aus der Zeit vor 2006 gestützt auf den fehlenden zeitlichen Geltungsbereich des BGÖ ab.

105

Mit seinem Urteil A-4494/2020 vom 20. April 2021 bestätigte das BVGer, dass die Liste mit den Daten der ERG nicht in den zeitlichen Anwendungsbereich des BGÖ falle. Soweit diese Liste einzig im Hinblick auf den Schlichtungsversuch vor dem EDÖB erstellt worden sei, könne diese nicht als ein Dokument betrachtet werden, das nach dem Inkrafttreten des Gesetzes fertiggestellt worden sei. Dies würde dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers widersprechen, den zeitlichen Geltungsbereich des BGÖ einzuschränken. Die durch die SERV unter Hinweis auf Art. 23 BGÖ verfügte Zugangsverweigerung sei somit rechtmässig. Gegen dieses Urteil gelangte die Journalistin mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das BGer und verlangte u.a. abermals die Offenlegung der Liste mit den Daten aus der Zeit vor 2006.

106

Das BGer bestätigte das vorinstanzliche Urteil, indem es zunächst festhielt, dass es sich selbst bei der eigens für das Schlichtungsverfahren erstellten Liste mit den Daten aus der Zeit vor 2006 um ein amtliches Dokument im Sinne des Gesetzes handle, welches durch einen einfachen elektronischen Vorgang aus aufgezeichneten Informationen gemäss Art. 5 Abs. 2 BGÖ erstellt worden sei. Bei der Bestimmung des zeitlichen Geltungsbereichs des BGÖ gemäss Art. 23 BGÖ sei hingegen grundsätzlich auf den Erstellungs- oder Empfangszeitpunkt der aufgezeichneten Informationen abzustellen, aus welchen das Dokument zu erstellen sei. Würde hingegen auf den Erstellungszeitpunkt des sogenannt virtuellen Dokuments abgestellt, wäre das BGÖ in zeitlicher Hinsicht auf praktisch alle virtuellen Dokumente anwendbar, unabhängig von den aufgezeichneten Informationen, aus denen sie erstellt werden. Dies würde dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers widersprechen, den zeitlichen Geltungsbereich des BGÖ einzuschränken. Die diesbezügliche Zugangsverweigerung unter Verweis auf den zeitlichen Geltungsbereich sei von der Vorinstanz zu Recht geschützt worden. 


Fussnoten:

* Der Autor vertritt in diesem Beitrag seine persönliche Meinung.

  1. BGE 147 I 47.

  2. Bundesgesetz über die Teilung eingezogener Vermögenswerte (TEVG; SR 312.4).

  3. Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG; SR 351.1).

  4. Siehe weiter unten Ziffer 7 Bst. b.

  5. Schweizerische Strafprozessordnung (Strafprozessordnung, StPO; SR 312.0).

  6. Bundesgesetz vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (aBöB; AS 1996 508). Aufgrund der Übergangsbestimmung in Art. 62 des aktuell geltenden BöB gelangte für das streitgegenständliche Vergabeverfahren das alte Recht

    zur Anwendung.

  7. Siehe dazu das Urteil des BGer 1C_299/2019 vom 7. April 2020, E. 3.2 m.w.H. Solche gewissermassen automatischen Schlussfolgerungen über das Zusammenspiel von (fehlenden) aktiven und passiven behördlichen Informationspflichten lässt das BGer üblicherweise gerade nicht zu.

  8. Urteil des BVGer A-3215/2020 vom 7. Dezember 2020.

  9. Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG; SR 251).

  10. Urteil BVGer A-6320/2014 vom 23. August 2016, E. 11.3.4.2.

  11. Fernmeldegesetz (FMG; SR 784.10).

  12. Verordnung über Geoinformation (Geoinformationsverordnung, GeoIV; SR 510.620).

  13. Bundesgesetz über Geoinformation (Geoinformationsgesetz, GeoIG; SR 510.62).

  14. Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (Mehrwertsteuergesetz, MWSTG; SR 641.20).

  15. Bundesstatistikgesetz (BStatG; SR 431.01).

  16. Siehe zu diesem Urteil kritisch Daniel Ladanie-Kämpfer und Annina Keller, Spezialbestimmungen, Schutz behördlicher Massnahmen sowie aussenpolitische Interessen im Fokus, medialex 03/23, 11. April 2023, Ziff. III. a.

  17. Vgl. dazu etwa BGer 1C_299/2019 vom 7. April 2020 E. 5.3.

  18. Anders teilweise noch das Urteil des BVGer BVGer A-5768/2018 vom 12.9.2019.

  19. In diesem Sinne bereits das Urteil des BVGer A-2022/2021 vom 7. Juni 2022, bestätigt durch das Urteil des BGer 1C_412/2022 vom 09. August 2023.

  20. Anders noch der EDÖB in seiner diesbezüglichen Empfehlung vom 4. März 2020, Ziff. 22.

  21. Vgl. hierzu die sich gemäss BVGer widersprechenden Empfehlungen des EDÖB vom 23. Dezember 2021, BAG / Verfügungsentwurf Aufnahme in die Spezialitätenliste, sowie vom 25. Juni 2012, BAG / Protokoll-Beilagen Eidgenössische Arzneimittelkommission.

  22. Entspricht dem aktuellen Art. 36 Abs. 3 Bst. b DSG.

  23. Verordnung über den Vollzug der Weg- und Ausweisung sowie der Landesverweisung von ausländischen Personen (VVWAL; SR 142.281).

  24. Vgl. dazu Urteil des BVGer A-2022/2021 vom 7. Juni 2022.

  25. Nach dem aktuellen, totalrevidierten DSG sind Personendaten von juristischen Personen nicht mehr geschützt. Informationen über juristische Personen in amtlichen Dokumenten sind – sofern nicht anonymisierbar – gemäss neuem Recht nach Art. 57s des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG; SR 172.010) zu beurteilen. Art. 57s Abs. 4 RVOG entspricht von seinem Wortlaut her dem ehemaligen Art. 19 Abs. 1bis aDSG.

  26. Entspricht dem aktuellen Art. 36 Abs. 3 Bst. b DSG.


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