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Radio Alpin Grischa: Ein fragwürdiger Entscheid

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-929/2024 erscheint der Autorin «formalistisch und unverhältnismässig»

Mirjam Teitler, Rechtsanwältin, Zürich

Résumé: En janvier, le Tribunal administratif fédéral (TAF) a retiré à Roger Schawinski la concession pour Radio Alpin que l’OFCOM lui avait accordée en 2024. Il fonde son jugement sur le fait que, au moment du dépôt de la demande de concession pour la radio privée, cette dernière aurait compté une ou un stagiaire de trop. Le rapport exigé de trois rédacteurs ou rédactrices expérimentés pour un stagiaire n’aurait donc pas été respecté. L’auteure de l’analyse critique ce jugement. La règle du 3:1 n’est pas inscrite dans la loi et ne concerne pas l’essence même du mandat de prestations, à savoir l’accomplissement optimal du service public médiatique dans la zone de concession. En outre, le manquement avait été corrigé avant le prononcé du jugement. L’accent mis sur le rapport entre les stagiaires et les personnes expérimentées lui semble excessivement formaliste et disproportionné. La décision est d’autant plus choquante que le jugement ne peut pas être porté devant le Tribunal fédéral, car la procédure d’octroi de la concession ne prévoit qu’une seule instance, conformément à la LRTV.

Zusammenfassung: Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) entzog im Januar Roger Schawinski die ihm vom Bakom 2024 erteilte Konzession für Radio Alpin. Es stützt sein Urteil auf die Tatsache, dass es im Dossier zum Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs bei Radio Alpin angeblich einen Praktikanten bzw. eine Praktikantin zu viel gegeben habe. Das geforderte Verhältnis von drei erfahrenen Redaktoren zu einem Praktikanten sei somit nicht eingehalten worden. Die Autorin kritisiert dieses Urteil. Die 3:1-Regel stehe nicht im Gesetz und betreffe nicht den Kern des Leistungsauftrags, nämlich die bestmögliche Erfüllung der medialen Grundversorgung im Konzessionsgebiet. Zudem sei der Mangel vor der Urteilsverkündung behoben worden. Die Fokussierung auf das Verhältnis von Praktikanten und erfahrenen Medienschaffenden erscheint ihr übertrieben formalistisch und unverhältnismässig. Besonders stossend sei der Entscheid auch deshalb, weil das Urteil nicht an das Bundesgericht weitergezogen werden könne, da das Konzessionsverfahren gemäss RTVG nur eine Instanz vorsehe.

1. Wie kam es zum Urteil?

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Am 11. Januar 2024 erhielt Radio Alpin, vertreten durch Roger Schawinski und Stefan Bühler, die Radiokonzession für das Sendegebiet 32 (Graubünden – Glarus – Sarganserland). In der Schweiz benötigen Lokalradios, die einen Anteil an den Radio- und Fernsehempfangsgebühren erhalten möchten, eine Konzession nach dem Radio- und Fernsehgesetz (RTVG). Diese Konzession wird vom Bundesamt für Kommunikation (Bakom) im Auftrag des UVEK vergeben. Voraussetzung ist, dass das Radio einen Leistungsauftrag erfüllt – etwa regionale Berichterstattung, Vielfalt der Meinungen und Programme. Die Konzession wird in einem öffentlichen Auswahlverfahren vergeben, bei dem insbesondere publizistische, wirtschaftliche und organisatorische Kriterien geprüft werden. Alpins Konzept übertraf laut UVEK zusammenfassend die Medienqualität gegenüber jener der Mitbewerberin Südostschweiz Radio AG und erfüllte den gesetzlichen Leistungsauftrag besser.

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Die unterlegene Mitbewerberin legte daraufhin Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein. Nach einem langen Verfahren folgte am 23. Januar 2025 der Paukenschlag: Die Konzession wurde Radio Alpin entzogen und der Südostschweiz Radio AG zugeschlagen (BVGer A-929/2024).

2. Urteilskritik

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Das Gericht stützt das Urteil auf die Tatsache, dass es zum Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs bei Radio Alpin einen Praktikanten bzw. eine Praktikantin zu viel im Bewerbungsdossier gegeben habe und das geforderte Verhältnis von drei erfahrenen Redaktoren zu einem Praktikanten somit nicht eingehalten worden sei, was Radio Alpin in der Revision beim BVGer widerlegen möchte (Näheres siehe unten Rn. 11 ff.). Weiter argumentiert das Gericht, dass es sich bei diesem Kriterium um eine Konzessionsvoraussetzung handle. Dies bedeutet, dass Gesuche, welche bei der Eingabe das Kriterium nicht erfüllen, sofort aus dem Verfahren ausscheiden müssen und an dem «Beauty Contest», bei dem es um die Bewertung der Qualität des Gesuchs geht, gar nicht teilnehmen dürfen.

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Diese Auffassung ist jedoch fragwürdig, da die 3:1-Regel im Gesetz nicht ausdrücklich genannt wird. Das Gesetz fordert ausschliesslich, dass der Gesuchsteller Gewähr bieten muss, dass arbeitsrechtliche Vorschriften und Arbeitsbedingungen der Branche eingehalten werden (Art. 44 Abs. 1 lit. d RTVG). Die 3:1–Regel betrifft eher organisatorische Aspekte und nicht den Kern des Leistungsauftrags, nämlich die bestmögliche Erfüllung der medialen Grundversorgung im Konzessionsgebiet. Die Einhaltung der Arbeitsbedingungen kann auch anders als durch Befolgung der 3:1-Regel – einer branchenüblichen aber nicht zwingenden Richtgrösse – sichergestellt werden, etwa gestützt auf einen unternehmensinternen GAV.

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Aber selbst wenn man von einer zwingenden Voraussetzung ausgehen würde, bleibt das Urteil unverständlich, weil der Mangel noch vor der Urteilsverkündung beseitigt wurde. Radio Alpin hat bestätigt, dass es beim Sendestart die 3:1-Regel beachten werde. Im übrigen wurde das im Konzessionsentscheid auch ausdrücklich verlangt.

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Es ist nicht nachvollziehbar, warum das Gericht trotzdem darauf beharrt, dass die fehlende Voraussetzung nicht im Verlauf des Verfahrens geheilt werden könne. Dies widerspricht den allgemein anerkannten Grundsätzen des intertemporalen Rechts, wonach ein geringfügiger Mangel – und ein Missverhältnis von 0.25 Stellenpunkten ist ein solcher –, der während des Verfahrens behoben wird, bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden muss. So wird beispielsweise im Ausländerrecht eine anfänglich geplante Ausweisung nicht ausgesprochen, wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen während des Verfahrens wegfallen – etwa, weil der Betroffene in der Zwischenzeit geheiratet und dadurch ein Bleiberecht erlangt hat.

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Das Gericht argumentiert, dass bei einer Lockerung der 3:1–Regel theoretisch auch Bewerber mit fast ausschliesslich Praktikantinnen und Praktikanten in Betracht kämen. Zudem behauptet es, die Möglichkeit, Mängel während des Verfahrens zu beheben, könnte künftige Bewerberinnen dazu verleiten, Konzessionsvoraussetzungen bewusst knapp nicht einzuhalten.

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Präjudizien können sinnvoll sein – etwa dann, wenn an einem konkreten Fall ein Exempel statuiert wird, um künftigem Unrecht wirksam vorzubeugen. Doch darum geht es hier nicht. Im vorliegenden Fall wird nicht auf der Basis eines realistischen Szenarios eine klare Linie gezogen, sondern es wird ein lehrmeisterhafter Massstab konstruiert, der mit der tatsächlichen Ausgangslage wenig zu tun hat. Radio Alpin hat sich nicht etwa am unteren Rand der Anforderungen entlanggemogelt oder gar versucht, den Leistungsauftrag zu unterlaufen – vielmehr hat es im Bewerbungsverfahren qualitativ überzeugt und den Mitbewerber deutlich übertroffen. Die theoretische Gefahr, dass sich künftige Bewerberinnen und Bewerber systematisch nicht an Vorgaben halten könnten, wirkt im Lichte dessen wie ein vorgeschobenes Argument, das mit dem konkreten Fall nichts  zu tun hat.

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Diese Argumente sind jedoch an den Haaren herbeigezogen. Schliesslich wird niemand in einem derart komplexen und kostspieligen Verfahren absichtlich Fehler einkalkulieren, die den Erfolg des Gesuchs gefährden könnten. Im konkreten Fall hatte Radio Alpin das geforderte Verhältnis von ausgebildeten Journalistinnen und Journalisten zu Praktikanten mit 2,75 zu 1 nahezu erfüllt. Dennoch gab das Bakom Alpin hier null Punkte, während die Südostschweiz Radio AG für die Einhaltung dieser Vorgabe 75 Punkte erhielt. Angesichts der Tatsache, dass der Mangel zwischenzeitlich behoben wurde und Investitionen von fast einer Million Franken seit dem vermeintlichen Zuschlag getätigt worden sind, erscheint der Entscheid sehr unverhältnismässig.

3. Kritik am gesetzlichen Verfahrensweg

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Besonders stossend ist der Entscheid auch deshalb, weil es sich um ein endgültiges Urteil handelt, das nicht an das Bundesgericht weitergezogen werden kann, denn das Konzessionsverfahren gemäss RTVG sieht nur eine Instanz vor (Art. 83 lit. p Ziff. 1 BGG), und diese ist mit dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ausgeschöpft.

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Somedia hatte immerhin die Möglichkeit, den ursprünglichen Konzessionsentscheid des UVEK/Bakom durch ein Gericht umfassend überprüfen zu lassen. Radio Alpin hingegen, das im verwaltungsinternen Verfahren obsiegt hatte und dessen Medienangebot von der zuständigen Fachbehörde zur Erfüllung des Leistungsauftrags als besser geeignet beurteilt worden war, steht nun nach dieser Kehrtwende vor der rechtsstaatlich fragwürdigen Situation, dass die inzwischen gegründete Radio Alpin Grischa AG den für sie nachteiligen Entscheid nicht von einer weiteren Instanz beurteilen lassen kann. Ihr bleibt einzig und allein das ausserordentliche Rechtsmittel der Revision. Radio Alpin hat deshalb am 3. März 2025 ein Revisionsgesuch beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht, und das Gericht tritt auf das Gesuch ein.

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Die Revision wird damit begründet, dass das Bundesverwaltungsgericht entscheidungsrelevante Tatsachen, die aus den Akten hervorgehen – insbesondere zur Anzahl und Qualifikation der Programmschaffenden – versehentlich nicht berücksichtigt habe (Art. 121 lit. c BGG i.V.m. Art. 45 VGG).

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Auf Nachfrage bei Stefan Bühler von Radio Alpin Grischa AG erklärte dieser, das Gericht habe – wie oben beschrieben – das geringere Missverhältnis von 2,75 erfahrenen Redaktoren gegenüber einem Praktikanten anerkannt und damit die ursprünglich noch unzutreffenderen Zahlen des UVEK/Bakom (Verhältnis von 1,75:1) in die richtige Richtung korrigiert.

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Im Gerichtsverfahren sei jedoch unbeachtet geblieben, dass das verlangte Verhältnis von drei erfahrenen Journalisten pro Praktikanten bereits bei Einreichung des Konzessionsgesuchs erfüllt gewesen sei. Übersehen worden sei insbesondere, dass Roger Schawinski als Geschäftsführer und Programmleiter auch redaktionelle Aufgaben übernehme und somit bei der Berechnung des Verhältnisses hätte berücksichtigt werden müssen. Da Roger Schawinski die redaktionelle Verantwortung und die Führung des Teams innehabe, sei auch das Verhältnis von 3:1 von allem Anfang an korrekt eingehalten worden.

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Die Radio Alpin Grischa AG hat im Revisionsverfahren nun ihre Argumente dargelegt, die eine Aufhebung des Urteils begründen sollen. Das Gericht hat überdies einen neuen Instruktionsrichter eingesetzt und das Vernehmlassungsverfahren eröffnet in dem sich die Vorinstanz (UVEK) und die Gegenpartei (Somedia) zu den Revisionsgründen und der Argumentation der Radio Alpin Grischa AG äussern können.

4. Problematisches Konzessionsverfahren

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Unabhängig vom Ausgang dieses spezifischen Falls bleibt die grundsätzliche Problematik von Konzessionsverfahren bestehen. Es scheint eine Diskrepanz zwischen der entscheidenden Fachbehörde (UVEK bzw. Bakom) und dem überprüfenden Gericht hinsichtlich der Kriterien für die Konzessionsvergabe zu geben. Es herrscht Uneinigkeit darüber, welche Voraussetzungen im Vorfeld zu einem Ausschluss aus dem Konzessionsverfahren führen müssen und welche Kriterien lediglich als Qualitätsmerkmale für die Bewertung der Leistungsauftragserfüllung herangezogen werden sollten.

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Die Fokussierung auf das Verhältnis von Praktikanten und erfahrenen Journalistinnen und Journalisten, insbesondere bei geringfügigen Diskrepanzen und der Möglichkeit zur Heilung bis zum Urteilszeitpunkt, erscheint übertrieben formalistisch, unverhältnismässig und wenig nachvollziehbar. Schliesslich sollte das Verfahren primär die Medienqualität durch eine optimale Erfüllung des Leistungsauftrags sicherstellen. Zudem ist die Entscheidung fraglich, wenn bei sonst mehr oder weniger gleichwertigen Gesuchen (hier sogar ein leichter Vorteil für Radio Alpin) die Medienvielfalt zugunsten eines Monopols vernachlässigt wird. Ein solcher Ansatz widerspricht dem eigentlichen Ziel, eine vielfältige Medienlandschaft zu fördern.

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Während bei unerheblicheren Angelegenheiten ein zwei- oder dreistufiges Verfahren zur Verfügung steht, fehlt diese Möglichkeit der mehrfachen Überprüfung bei Konzessionsvergaben. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts sind hier endgültig und unterliegen keiner weiteren Überprüfung durch das Bundesgericht. Diese Begrenzung erscheint angesichts der Tragweite von Konzessionsentscheidungen, bei denen oft die Qualität des regionalen medialen Service public auf dem Spiel steht, als besonders stossend. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, einen angemessenen Instanzenzug einzuführen.