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So wurde im Fall Spiess-Hegglin die Gewinnherausgabe berechnet

Obwohl angefochten, kommt dem Entscheid des Kantonsgerichts Zug Signalwirkung zu

Isabelle Egli, Dr. iur., Rechtsanwältin, Zürich, *
Martin Steiger, lic. iur HSG, Rechtsanwalt, Zürich *

Résumé: En janvier 2025, la décision du Tribunal cantonal de Zoug contre Ringier, éditeur du «Blick», avait fait de hautes vagues . La Cour l’a en effet condamné à verser le gain de 309’531 francs suisses, majoré des intérêts, à Jolanda Spiess-Hegglin, réalisé par la publication de quatre articles sur une cérémonie festive à Zoug sur une cérémonie festive à Zoug devenue célèbre dans le pays. Commenté par medialex 01/2025, ce verdict n’a pas surpris l’autrice et l’auteur de l’article qui suit, car le Tribunal fédéral avait déjà montré la voie. Ils expliquent en détail comment le Tribunal cantonal de Zoug a calculé le bénéfice net pour les quatre articles mentionnés. Bien que la décision ne soit pas définitive, elle peut envoyer un signal fort, à plusieurs égards. La décision indique clairement, que certaines atteintes à la personnalité pourraient avoir des conséquences financières concrètes dans des cas particuliers. En outre, la décision explique clairement comment calculer les bénéfices et aussi, à quel point la procédure en matière de droit de médias est complexe et coûteuse. Le verdict zougois aide ainsi surtout les victimes qui peuvent se permettre ces frais et prendre le risque d’un procès.

Zusammenfassung: Hohe Wellen hatte im Januar 2025 der Entscheid des Kantonsgerichts Zug geworfen, der die Ringier AG verpflichtete, Jolanda Spiess-Hegglin einen Gewinn von CHF 309’531.00 zuzüglich Zinsen herauszugeben, dies für vier im «Blick», «Blick am Abend» und auf «Blick Online» publizierte Artikel rund um die landesweit bekannt gewordene Zuger Landammannfeier. Der Entscheid, den medialex in der Ausgabe 01/2025 besprochen hat, kam für das Autorenteam nicht überraschend, denn das Bundesgericht habe die Richtung dafür vorgegeben. Der nachfolgende Beitrag zeigt detailliert auf, wie das Kantonsgericht Zug den Nettogewinn für die erwähnten vier Artikel berechnet hat. Obwohl der Entscheid nicht rechtskräftig sei, komme ihm in mehrerer Hinsicht Signalwirkung zu. Der Entscheid mache deutlich, dass bei gewissen widerrechtlichen Persönlichkeitsverletzungen im Einzelfall handfeste finanzielle Folgen drohten. Er zeige konkret, wie die Gewinnherausgabe berechnet werden könne, aber auch, wie aufwändig und teuer das medienrechtliche Vorgehen sei. Insofern helfe der Entscheid vor allem Medienopfern, die sich diesen Aufwand leisten und die Prozessrisiken eingehen könnten.

I. Ausgangslage

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Das Kantonsgericht Zug verpflichtete die Ringier AG als Beklagte mit Entscheid A1 2020 56 vom 22. Januar 2025, einen Gewinn von CHF 309’531.00 zuzüglich Zinsen von 5.0 % an Jolanda Spiess-Hegglin als Klägerin herauszugeben.

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Den Gewinn hatte die Ringier AG, so das Kantonsgericht Zug, als Herausgeberin der Boulevard-Medien «Blick», «Blick am Abend» und «Blick Online» (blick.ch) mit vier persönlichkeitsverletzenden Artikeln über Jolanda Spiess-Hegglin in den Jahren 2014 und 2015 erzielt.

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Die vier Artikel betrafen die angeblichen Vorkommnisse an der Zuger Landammannfeier im Dezember 2014 und waren Teil einer Kampagne oder Serie von beachtlichen 167 Artikeln über Jolanda Spiess-Hegglin. Der vorliegende Entscheid betrifft, wie erwähnt, vier Artikel und den damit erzielten Nettogewinn der Ringier AG, nämlich:

  • «Sex-Skandal in Zug: Alles begann auf der ‹MS Rigi›» vom 27. Dezember 2014 im «Blick» und bei «Blick Online»
  • «Jolanda ‹Heggli› zeigt ihr ‹Weggli›» vom 4. Februar 2015 im «Blick am Abend» und bei «Blick Online»
  • «DNA-Analyse in Zuger Polit-Affäre beweist ‹Kontakt im Intimbereich›» vom 14. August 2015 im «Blick» und bei «Blick Online»
  • «Zeugen-Protokoll der Zuger Sex-Affäre aufgetaucht: ‹Ich öffnete die Türe und sah Kleider am Boden›» vom 24. September 2015 im «Blick am Abend» und bei «Blick Online»
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Die Ringier AG reichte Berufung gegen den Entscheid ein, der deshalb nicht rechtskräftig ist (erste Medienmitteilung der Ringier AG vom 27. Januar 2025). Wenn der Entscheid bestätigt bzw. rechtskräftig würde, könnte Jolanda Spiess-Hegglin im gleichen Sinn auf die Gewinnherausgabe für die weiteren über 150 Artikel gegen die Ringier AG auf Gewinnherausgabe klagen.

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Der Entscheid warf medial und medienrechtlich hohe Wellen. So sprach die Ringier AG von einem «fatalen Schlag für den freien Journalismus» (zweite Medienmitteilung der Ringier AG vom 27. Januar 2025). Der Verlegerverband Schweizer Medien (VSM), unter anderem mit der Ringier AG als Mitglied, bezeichnete den Entscheid gegenüber persoenlich.com am 28. Januar 2025 als «brandgefährlich für die Medienfreiheit, weil es künftig leichter würde, Verlage mit der Androhung von Klagen einzuschüchtern und von Recherchen abzuhalten.» Am gleichen Ort äusserten sich beispielsweise auch die «Reporter ohne Grenzen» kritisch.

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In medialex 01/25 schrieb Anwaltskollege Christoph Born von einer «Gewinnschätzung mit schalem Nachgeschmack und beschränkter Tragweite». In der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) vom 3. Februar 2025 übte Anwaltskollege Urs Saxer unter anderem folgende allgemeine Kritik: «Sogenannten Boulevardmedien wird pauschal ein Geschäftsmodell unterstellt, das stets an der Grenze zur Persönlichkeitsverletzung operiere. Es geht nicht, einzelne Medien so zu stigmatisieren.»

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Der Entscheid ist – anders als zum Teil behauptet – allerdings nicht überraschend. Die Gewinnherausgabe gemäss Art. 28a Abs. 3 ZGB i.V.m. Art. 423 Abs. 1 OR ist seit dem 1. Juli 1985 ausdrücklich vorgesehen (BBl 1982 II 636). Eher überraschend ist, dass es erst jetzt einer Klägerin gelang, ein Urteil zu erwirken, in dem ein Gericht die Gewinnherausgabe berechnen musste.

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Das Bundesgericht hatte die Richtung vorgegeben (vgl. BGE 143 III 297, BGE 133 III 153 bzw. 5C.66/2006 vom 7. Dezember 2006 und BGer 5A_376/2013 vom 29. Oktober 2013). Nun musste das Kantonsgericht Zug die Gewinnherausgabe berechnen, da sich die Parteien nicht einvernehmlich einigen konnten oder wollten. In dieser Berechnung liegt die Neuheit, aber keine Überraschung (vgl. dazu auch die Entscheidbesprechung von Roland Fankhauser / Isabel Szinnai: Gewinnherausgabe bei persönlichkeitsverletzender Boulevardberichterstattung – Besprechung des Urteils des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025 i.S. Spiess-Hegglin, recht Online first/2025, S. 1–1).

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Bei der Gewinnberechnung war das Kantonsgericht Zug mit der hohen Komplexität der Mechanismen, mit denen Medien ihren Gewinn erzielen, konfrontiert. Bei Medienerzeugnissen wie jenen der Ringier AG geht es nicht allein um die Gewinnerzielung mit dem Verkauf von Abonnements und einzelnen Ausgaben, sondern das Werbegeschäft hat einen enormen Stellenwert (vgl. Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 6.4.1). Dabei hängt der wirtschaftliche Wert einzelner Artikel – gedruckt und online – massgeblich von ihrer Aufmachung und Positionierung in den Medienerzeugnissen ab (BGE 133 III 153 E. 3.5).

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Das Kantonsgericht Zug musste in der Folge den Anteil der einzelnen Artikel am Gesamtgewinn errechnen. Dafür stützte es sich weitgehend auf das Berechnungsmodell gemäss dem Parteigutachten von Jolanda Spiess-Hegglin ab (Ralf Baumann / Bea Knecht / Hansi Voigt: Gutachten zur Gewinnherleitung von Online- und Print-Medienbeiträgen vom 10. Februar 2023, nicht veröffentlicht). Für die Ringier AG hatte die PricewaterhouseCoopers AG in Zusammenarbeit mit der Post Futurum GmbH ein Parteigutachten erstellt (Ralf Baumberger / Sivan M. Goldberg / Sven Ruoss: Gutachten zur Gewinnberechnung im Verfahren «A1 2020 56» am Kantonsgericht Zug vom 28. August 2023, nicht veröffentlicht).

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Auf «iudex non calculat» konnten sich die drei Kantonsrichterinnen und Kantonsrichter sowie die Gerichtsschreiberin am Kantonsgericht Zug nicht berufen. Wir zeigen nachfolgend im Einzelnen auf, wie das Kantonsgericht Zug den Nettogewinn für die erwähnten vier Artikel gemäss der ausführlichen Darstellung im Entscheid berechnet hat.

II. Gewinnberechnung im Allgemeinen

1. Offenlegung der Berechnungsgrundlagen

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Das Kantonsgericht Zug hatte die Ringier AG mit Teilentscheid vom 22. Juni 2022 im Rahmen einer Stufenklage von Jolanda Spiess-Hegglin verpflichtet, sämtliche Informationen zur Abschätzung und Eruierung des Gewinns, der mit der Veröffentlichung der vier persönlichkeitsverletzenden Artikel erzielt worden war, offenzulegen.

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Die Ringier AG musste insbesondere folgende Informationen offenlegen (vgl. Teilentscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Juni 2022, Dispositiv-Ziff. 2.1):

  • Sämtliche Page-Impressions (Aufrufe bzw. Klicks) für die Artikel bei «Blick Online» ab den Erscheinungsdaten von Ende 2014 und im Jahr 2015 bis zur Löschung von Ende 2018
  • Sämtliche Unique-Clients-Zahlen für «Blick Online» (Anzahl Geräte wie Computer, Smartphones und Tablets, mit denen an den Erscheinungsdaten der Artikel auf «Blick Online» zugegriffen wurde)
  • Durchschnittswert der Ad-Impressions bei «Blick Online» (ausgelieferte Werbeeinblendungen pro angeklicktem Artikel) vom 24. Dezember 2014 bis Ende 2015
  • Anzahl der Einzelverkäufe von «Blick» und «Sonntagsblick» an den Erscheinungsdaten der gedruckten Artikel
  • Anzahl der Print-Abonnementsverkäufe von «Blick» und «Sonntagsblick» an den Erscheinungsdaten der gedruckten Artikel
  • Beglaubigte Leserzahlen von «Blick» und «Sonntagsblick» ab dem 24. Dezember 2014 bis Ende 2015

2. Absage an die Differenztheorie gemäss «Mehrgewinnmethode»

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Die Ringier AG forderte, der Gewinn sei gemäss der Differenztheorie zu berechnen. Massgeblich sei nur der zusätzliche «Mehrgewinn», der durch die Veröffentlichung der persönlichkeitsverletzenden Artikel erwirtschaftet worden sei. Die Vergleichsgrösse sei, so die Ringier AG, der Gewinn, den die «Blick»-Publikationen bei normalem Geschäftsgang ohne die Artikel erwirtschaftet hätten (vgl. Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 6.3.1 f.).

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Das Kantonsgericht Zug verwarf die Berechnung gemäss dieser «Mehrgewinnmethode» mit Verweis auf insbesondere BGE 133 III 153. In diesem Urteil im Fall Schnyder hatte das Bundesgericht festgehalten, dass es nicht um die einzelne Berichterstattung, sondern um eine längerfristig angelegte Befriedigung der Leserschaft gehe. Der Gewinn dürfe daher nicht so verstanden werden, dass die Tagesauflage erhöht und gewissermassen Tagesmehreinnahmen erzielt worden sein müssten. Vielmehr sei der Gewinn gemäss Art. 42 Abs. 2 OR nach Ermessen des Richters auf der Basis von Auflage-, Leser- und Umsatzzahlen als auch der Aufmachung, Ausrichtung, Grösse und Positionierung der Berichterstattung zu schätzen (vgl. Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 6.2.1; BGE 133 III 153 E. 3.3, bestätigt in BGE 143 III 297 E. 8.2.5.2).

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Hingegen folgte das Kantonsgericht Zug weitgehend einem gewichteten Berechnungsmodell, dessen Anwendung Jolanda Spiess mit Verweis auf ihr Parteigutachten gefordert hatte. Mit diesem Modell werden die Artikel innerhalb einer gedruckten Ausgabe aufgrund mehrerer Kriterien gewichtet.

3. Gewinnberechnung in drei Schritten

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Das Kantonsgericht Zug berechnete den Gewinn – genauer den Nettogewinn – für die einzelnen persönlichkeitsverletzenden Artikel in drei Schritten.

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Im ersten Schritt berechnete das Kantonsgericht Zug, ob, und falls ja, in welchem Umfang die Ringier AG einen Erlös bzw. Bruttogewinn durch die Veröffentlichung eines persönlichkeitsverletzenden Artikels erwirtschaftet hatte (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 6.4.1). Dafür wurde der Anteil des betreffenden Artikels am gesamten Erlös herangezogen. Der Gesamterlös setzte sich aus drei möglichen Teilen zusammen:

  • Erlös durch Werbung in Online-Medien: Werbeerlös bei «Blick Online» in Abhängigkeit der Seitenaufrufe, wobei der Wert eines Seitenaufrufs unter anderem von der Anzahl der Werbeeinblendungen und vom Preis der zur Verfügung gestellten Werbefläche abhängt.
  • Erlös durch Werbung in Printmedien: Werbeerlös im «Blick» und im «Blick am Abend» grundsätzlich in Abhängigkeit der verkauften Werbefläche multipliziert mit dem Preis.
  • Erlös durch den Verkauf der Medienerzeugnisse selbst: Erlös in Abhängigkeit von den erzielten Abonnements- und Einzelverkäufen für den «Blick» multipliziert mit dem Preis.
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Im zweiten Schritt brachte das Kantonsgericht Zug die Kosten bzw. Redaktionskosten vom berechneten Erlös bzw. Bruttogewinn in Abzug, um den Nettogewinn zu berechnen (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 6.4.2).

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Im dritten und letzten Schritt begrenzte und bereinigte das Kantonsgericht Zug ermessensweise den berechneten Nettogewinn, wobei dieser Schritt bereits im Rahmen der Eruierung des Erlöses bzw. Umsatzes erfolgen könne (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 6.4.3).

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Betroffen waren insbesondere die Einzelverkäufe bzw. «Kioskverkäufe», da bei diesen – anders als online – naturgemäss nicht gemessen werden könne, was zum Kaufentscheid der Leserschaft geführt habe. Der Kaufentscheid könne sich auf eine Vielzahl von rechtmässigen Artikeln in den verkauften gedruckten Zeitungen beziehen (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 6.4.3.1). Betroffen war von dieser Begrenzung und Bereinigung aber auch der Werbeumsatz überhaupt, beispielsweise mit dem vorgängigen Verkauf von Werbeflächen unabhängig vom konkreten späteren Inhalt (E. 6.4.3.2).

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Bei diesen Berechnungen und überhaupt im Entscheid ist zu beachten, dass das Kantonsgericht Zug jeweils auf ganze Frankenbeträge rundete. Die Schreibweise mit «.00» ist insofern eine Scheingenauigkeit.

III. Gewinnberechnung im Einzelnen

1. Berechnung des Online-Werbeerlöses («Blick Online»)

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Das Kantonsgericht Zug berechnete den Online-Werbeerlös bei «Blick Online» mit folgender Formel:

Anzahl Artikelaufrufe (Page-Impressions) × Anzahl Werbeeinblendungen (Ad-Impressions bzw. Ad-Views) × Preis pro ausgelieferte Werbung (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 7.1.1).
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Die Zahl der Page-Impressions wurde von der Ringier AG für die einzelnen persönlichkeitsverletzenden Artikel offengelegt (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 7.1.2). Der Durchschnittswert der Ad-Impressions hingegen war umstritten (E. 7.1.3) und wurde vom Kantonsgericht Zug von drei (Ringier AG) auf fünf bis sechs (Jolanda Spiess-Hegglin) erhöht. Es habe sich, so das Kantonsgericht Zug, um Top-Artikel mit einem entsprechend hohen ökonomischen Potenzial gehandelt (E. 7.1.3.3 und 7.1.3.5).

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Der Preis für ausgelieferte Werbung ergibt sich aus dem «Tausenderkontaktpreis», kurz TKP. Es handelt sich um den Preis, den ein Werbekunde für 1’000 Sichtkontakte bzw. Werbeeinblendungen zahlen muss. Das Kantonsgericht Zug ging – gestützt auf den öffentlich verfügbaren Anzeigetarif der Ringier AG – von einem TKP von CHF 40.00 aus (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 7.1.4.2). Dabei berücksichtigte das Gericht den Einwand der Ringier AG nicht, es würden üblicherweise hohe Rabatte gewährt und ein Rabatt von 50 Prozent sei der «Marktstandard». Die Ringier AG erbrachte keinen Nachweis für solche Rabatte, und das Kantonsgericht Zug stellte auf den insofern unbestrittenen gebliebenen Anzeigentarif der Ringier AG ab (E. 7.1.5).

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Im Ergebnis ergab sich der folgende Online-Werbeerlös im Zusammenhang mit den vier persönlichkeitsverletzenden Artikeln bei «Blick Online» (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 7.1.5).

  • «Sex-Skandal in Zug: Alles begann auf der ‹MS Rigi›»: (285’590 Page-Impressions × 6 Ad-Impressions × CHF 40.00) / 1000 = CHF 68’542.00.

  • «Jolanda ‹Heggli› zeigt ihr ‹Weggli›»: (115’971 Page-Impressions × 5 Ad-Impressions × CHF 40.00) / 1000 = CHF 23’194.00.

  • «DNA-Analyse in Zuger Polit-Affäre beweist ‹Kontakt im Intimbereich›»: (245’609 Page-Impressions × 6 Ad-Impressions × CHF 40.00 / 1000 = CHF 58’946.00.

  • «Zeugen-Protokoll der Zuger Sex-Affäre aufgetaucht: ‹Ich öffnete die Türe und sah Kleider am Boden›»: (211’996 Page-Impressions × 6 Ad-Impressions × CHF 40.00) / 1000 = CHF 50’879.00.
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Werbeerlös aus «Folgetraffic» – wenn ein Leser eines persönlichkeitsverletzenden Artikels in der Folge weitere Artikel konsumierte – wurde nicht berücksichtigt (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 7.1.6.2).

2. Berechnung des Print-Werbeerlöses («Blick» und «Blick am Abend»)

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Das Kantonsgericht Zug berechnete den Print-Werbeerlös im «Blick» und im «Blick am Abend» weitgehend gemäss dem gewichteten Berechnungsmodell, dessen Anwendung Jolanda Spiess mit Verweis auf ihr Parteigutachten gefordert hatte (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 7.2.2. ff.).

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Mit diesem Modell kann ermittelt werden, was die Wertigkeit eines einzelnen persönlichkeitsverletzenden Artikels in einer gedruckten Zeitung und wie gross der gewichtete Anteil eines solchen Artikels am gesamten Werbeerlös einer Tagesausgabe ist. Dabei haben im Boulevard die Platzierung und Aufmachung sowie insbesondere die Präsentation auf der Frontseite eine besondere wirtschaftliche Bedeutung.

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Für den «Blick» als gedruckte Bezahlzeitung sieht das Berechnungsmodell von Jolanda Spiess-Hegglin beispielsweise folgende Gewichte und Werte vor (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 7.2.3.2):

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Den einzelnen persönlichkeitsverletzenden Artikeln als auch den anderen Artikeln in der betreffenden «Blick»- oder «Blick am Abend»-Tagesausgabe wurde ein Aufmerksamkeitswert bzw. ein Gewichtungswert gemäss den Kriterien «Frontanrisse», «Seiten-Aufmachung» und «Platzierung» in Form von Punkten zugewiesen. Je höher die Punktzahl für die Gewichtung eines einzelnen Artikels ausfällt, desto grösser ist der Anteil am gesamten Werbeerlös (vgl. die Tabellen im Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 7.2.3.2 ff.).

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Für den Werbeerlös mit den einzelnen Tagesausgaben mit einem persönlichkeitsverletzenden Artikel stellte das Kantonsgericht Zug auf den entsprechenden Anzeigentarif der Ringier AG ab (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E.7.2.8). Dabei berücksichtigte es im Sinn einer abstrakten Kausalität, dass die Artikel geeignet waren, die Erwartungen der Boulevard-Leserschaft über längere Zeit zu befriedigen und damit diese Leserschaft zu binden (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 6.2.1, 6.3.3 und 7.3.4).

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Im Ergebnis ergab sich der folgende Print-Werbeerlös im Zusammenhang mit den vier persönlichkeitsverletzenden Artikeln im «Blick» und im «Blick am Abend» (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 7.2.9 ff.) was folgt:

  • «Sex-Skandal in Zug: Alles begann auf der ‹MS Rigi›»: CHF 308’000.00 Werbeinventar / 64 gewichtete redaktionelle Einheiten = CHF 4’812.50 Werbewert pro gewichtete redaktionelle Einheit × 7 Punkte (Gewicht des Artikels) = CHF 33’688.00 (10.9 % Anteil am Werbeinventar).
    Der Artikel war auf der Titelseite prominent beim «Blick»-Logo angekündigt und wurde auf Seite 6 im ersten, bei Werbekunden begehrtesten Bund abgedruckt (3 + 4 Punkte).
  • «Jolanda ‹Heggli› zeigt ihr ‹Weggli›»: CHF 80’290.00 Werbeinventar / 92 gewichtete redaktionelle Einheiten = CHF 872.70 Werbewert pro gewichtete redaktionelle Einheit x 4 Punkte (Gewicht des Artikels) = CHF 3’491.00 (4.3 % Anteil am Werbeinventar).
    Der Artikel erschien nicht auf der Titelseite im «Blick am Abend», wurde jedoch auf Seite 5 als Aufmacher mit Bild abgedruckt (4 Punkte).
  • «DNA-Analyse in Zuger Polit-Affäre beweist ‹Kontakt im Intimbereich›»: CHF 238’650.00 Werbeinventar / 71 gewichtete redaktionelle Einheiten = CHF 3’361.25 Werbewert pro gewichtete redaktionelle Einheit × 9 Punkte (Gewicht des Artikels) = CHF 30’251.00 (12.7 % Anteil am Werbeinventar).
    Der Artikel war auf der Titelseite mit Bild und Text im «Blick» auf einer Viertelseite angekündigt und war der Aufmacher im ersten Bund auf Seite 5 (4 + 5 Punkte).
  • «Zeugen-Protokoll der Zuger Sex-Affäre aufgetaucht: ‹Ich öffnete die Türe und sah Kleider am Boden›»: CHF 169’260.00 Werbeinventar / 83 gewichtete redaktionelle Einheiten = CHF 2’039.30 Werbewert pro gewichtete redaktionelle Einheit × 13 Punkte (Gewicht des Artikels) = CHF 26’511.00 (15.7 % Anteil am Werbeinventar).
    Der Titelseiten-Anriss zeigte gross ein Bild von Jolanda Spiess-Hegglin mit Schlagzeile und der Artikel war auf den Seiten 4 und 5 doppelseitig aufgemacht (8 + 5 Punkte).
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Für den «Blick am Abend»-Artikel Jolanda «‹Heggli› zeigt ihr ‹Weggli›» sehen die Gewichtungswerte beispielsweise wie folgt aus, wobei das Gericht sechs klägerische Fehler korrigierte (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 7.2.10.1 f.):

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Bei der Korrektur unterlief dem Gericht allerdings ein Fehler: Das nicht korrigierte Ergebnis war 90 und nicht 86, wenn man die einzelnen Punktwerte zusammenzählt. Wenn man 90 ⁒ (6 × 1) rechnet, also die sechs Korrekturen abzieht, erhält man das korrigierte Ergebnis von 84.

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Ferner beurteilte das Kantonsgericht Zug einige weitere Artikel als zentrale redaktionelle Beiträge und nicht als blosse untergeordnete Meldungen. Das Kantonsgericht Zug erhöhte deshalb eigenständig das fehlerbereinigte Ergebnis von 84 Punkten um 8 Punkte nach oben, was insgesamt 92 Punkte ergab (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 7.2.10.2 f.):

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Zwei weitere klägerische Fehler korrigierte das Gericht beim «Bild am Abend»-Artikel «Zeugen-Protokoll der Zuger Sex-Affäre aufgetaucht: ‹Ich öffnete die Türe und sah Kleider am Boden›». Das Ergebnis verringerte sich dadurch von 81 auf 79 Punkte. Ferner beurteilte das Kantonsgericht drei Artikel als zentrale redaktionelle Beiträge und erhöhte deshalb eigenständig erneut das fehlerbereinigte Ergebnis um 4 Punkte nach oben, was 83 Punkte ergab (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 7.2.12.1 f.).

3. Berechnung des Erlöses aus Abonnements- und Einzelverkäufen («Blick»)

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Das Kantonsgericht Zug berechnete den Erlös aus Abonnements- und Einzelverkäufen für den «Blick» mit folgender Formel: 

Abonnements- bzw. Einzelverkäufe × Preis (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 7.3.1).
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Erneut berücksichtigte das Kantonsgericht Zug im Sinn einer abstrakten Kausalität, dass die persönlichkeitsverletzenden Artikel geeignet waren, die Erwartungen der Boulevard-Leserschaft über längere Zeit zu befriedigen und damit diese Leserschaft zu binden.

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Bei den Einzelverkäufen ging das Kantonsgericht Zug von einem Kaufpreis von CHF 2.50 pro Ausgabe aus und setzte den Gewinn auf 50.0 Prozent bzw. CHF 1.25 pro Exemplar fest. Die Ringier AG bestritt diesen Gewinn nicht, jedenfalls nicht substantiiert (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 7.3.4).

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Die Berechnung erfolgte, wie schon beim Print-Werbeerlös, weitgehend gemäss dem gewichteten Berechnungsmodell, dessen Anwendung Jolanda Spiess-Hegglin gefordert hatte. 

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Im Ergebnis ergab sich der folgende Erlös aus «Blick»-Abonnementsverkäufen bei einem festgesetzten Preis von CHF 345.00 für ein Jahresabonnement mit rund 304 Ausgaben pro Jahr und damit einem Preis von rund CHF 1.10 pro einzelner Ausgabe (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 7.3.7):

  • «Sex-Skandal in Zug: Alles begann auf der ‹MS Rigi›»: 117’527 zahlende «Blick»-Abonnenten am 27. Dezember 2014 × CHF 1.10 = CHF 129’279.70 mit einem Anteil von 10.9 % am Gesamterlös der betreffenden Ausgabe = CHF 14’091.00.
  • «DNA-Analyse in Zuger Polit-Affäre beweist ‹Kontakt im Intimbereich›»: 112’820 zahlende «Blick»-Abonnenten am 14. August 2015 × CHF 1.10 mit einem Anteil von 12.7 % am Gesamterlös der betreffenden Ausgabe = CHF 15’761.00.
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Im weiteren Ergebnis ergab sich der folgende Erlös aus «Blick»-Einzelverkäufen im Zusammenhang mit zwei der vier persönlichkeitsverletzenden Artikeln (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 7.3.7):

  • «Sex-Skandal in Zug: Alles begann auf der ‹MS Rigi›»: 42’395 «Blick»-Einzelverkäufe am 27. Dezember 2014 × CHF 1.25 = CHF 52’993.75 mit einem Anteil von 10.9 % am Gesamterlös der betreffenden Ausgabe = CHF 5’776.00.
  • «DNA-Analyse in Zuger Polit-Affäre beweist ‹Kontakt im Intimbereich›»: 27’960 «Blick»-Einzelverkäufe am 14. August 2015 × CHF 1.25 = CHF 34’950.00 mit einem Anteil von 12.7 % am Gesamterlös der betreffenden Ausgabe = CHF 4’439.00.
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Mit dem «Blick am Abend» als Gratiszeitung erzielte die Ringier AG keinen Erlös aus Einzelverkäufen.

4. Kumulierter Erlös für alle Artikel

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Das Kantonsgericht Zug berechnete aufgrund der einzelnen Berechnungen (Online-Werbeerlös, Print-Werbeerlös, Erlös aus Abonnements- und Einzelverkäufen) den folgenden gesamten Erlös bzw. Bruttogewinn für die vier persönlichkeitsverletzenden Artikel (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom vom 22. Januar 2025, E.7.4): 

  • «Sex-Skandal in Zug: Alles begann auf der ‹MS Rigi›»: Online-Werbeerlös (CHF 68’542.00) + Print-Werbeerlös (CHF 33’688.00) + Erlös aus Einzelverkauf (CHF 5’776.00) + Erlös aus Abonnementen (CHF 14’091.00) = CHF 122’097.00.
  • «Jolanda ‹Heggli› zeigt ihr ‹Weggli›»: Online-Werbeerlös (CHF 23’194.00) + Print-Werbeerlös (CHF 3’491.00) = CHF 26’685.00.
  • «DNA-Analyse in Zuger Polit-Affäre beweist ‹Kontakt im Intimbereich›»: Online-Werbeerlös (CHF 58’946.00) + Print-Werbeerlös (CHF 30’251.00) + Erlös aus Einzelverkäufen (CHF 4’439.00) + Erlös aus Abonnementsverkäufen (CHF 15’761.00) = CHF 109’397.00.
  • «Zeugen-Protokoll der Zuger Sex-Affäre aufgetaucht: ‹Ich öffnete die Türe und sah Kleider am Boden›»: Online-Werbeerlös (CHF 50’879.00) + Print-Werbeerlös (CHF 26’511.00) = CHF 77’390.00.

5. Abzug von Redaktionskosten

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Der Anspruch auf Gewinnherausgabe gemäss Art. 28a Abs. 3 ZGB i.V.m. Art. 423 Abs. 1 OR bezieht sich auf den Nettogewinn. Das Kantonsgericht Zug musste deshalb vom Erlös bzw. Bruttogewinn jene Kosten abziehen, die der Ringier AG als Verletzerin für die entsprechende Gewinnerzielung entstanden waren (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 6.4.2 und 8; analog BGE 134 III 306).

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Der Abzug für die Kosten beschränkte sich auf die Redaktionskosten, da die Ringier AG nur diese Kosten geltend gemacht hatte. Die unbestritten gebliebenen Redaktionskosten umfassten Personal- und Honorarkosten sowie «übrige Kosten» wie beispielsweise Spesen.

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Der Anteil der einzelnen persönlichkeitsverletzenden Artikel an den jeweiligen Redaktionskosten schätzte das Kantonsgericht Zug nach Ermessen gemäss Art. 42 Abs. 2 OR pro Ausgabe von «Blick» und «Blick am Abend» bzw. pro Tag für «Blick Online». Dabei wendete das Kantonsgericht Zug erneut das gewichtete Berechnungsmodell von Jolanda Spiess-Hegglin an. Die Ringier AG drang auch in dieser Hinsicht mit ihrer «Mehrgewinnmethode» nicht durch.

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Im Ergebnis ergaben sich die folgenden Redaktionskosten pro Artikel:

  • «Sex-Skandal in Zug: Alles begann auf der ‹MS Rigi›»: CHF 74’416.75 («Blick») + CHF 10’961.20 («Blick Online») = CHF 85’378.95 × 10.9 % (Anteil an den Redaktionskosten) = CHF 9’306.00.
  • «Jolanda ‹Heggli› zeigt ihr ‹Weggli›»: CHF 22’336.15 («Blick am Abend») + CHF 11’311.55 («Blick Online») = CHF 33’647.70 × 4.3 % (Anteil an den Redaktionskosten) = CHF 1’447.00.
  • «DNA-Analyse in Zuger Polit-Affäre beweist ‹Kontakt im Intimbereich›»: 69’075.80 («Blick») + CHF 11’578.85 («Blick Online») = CHF 80’654.65 × 12.7 % (Anteil an den Redaktionskosten) = CHF 10’243.00.
  • «Zeugen-Protokoll der Zuger Sex-Affäre aufgetaucht: ‹Ich öffnete die Türe und sah Kleider am Boden›»: CHF 20’807.25 («Blick am Abend») + CHF 11’310.20 («Blick Online») × 15.7 % (Anteil an den Redaktionskosten) = CHF 5’042.00.

     

IV. Ergebnis: Gewinnherausgabe (Nettogewinn)

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Das Kantonsgericht Zug berechnete auf Grundlage dieser detaillierten Berechnungen die folgende Gewinnherausgabe bzw. den folgenden Nettogewinn (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 9):

  • «Sex-Skandal in Zug: Alles begann auf der ‹MS Rigi›» im «Blick» und bei «Blick Online»: CHF 122’097.00 (Erlös bzw. Bruttogewinn) ⁒ CHF 9’306.00 (Redaktionskosten) = CHF 112’791.00.
  • «Jolanda ‹Heggli› zeigt ihr ‹Weggli›» im «Blick am Abend» und bei «Blick Online»: CHF 26’685.00 (Erlös bzw. Bruttogewinn) ⁒ CHF 1’447.00 (Redaktionskosten) = CHF 25’238.00.
  • «DNA-Analyse in Zuger Polit-Affäre beweist ‹Kontakt im Intimbereich›» im «Blick» und «Blick am Abend» sowie bei «Blick Online»: CHF 109’397.00 (Erlös bzw. Bruttogewinn) ⁒ CHF 10’243.00 = CHF 99’154.00.
  • «Zeugen-Protokoll der Zuger Sex-Affäre aufgetaucht: ‹Ich öffnete die Türe und sah Kleider am Boden›» im «Blick am Abend» und bei «Blick Online»: CHF 77’390.00 (Erlös bzw. Bruttogewinn) ⁒ CHF 5’042.00 (Redaktionskosten) = CHF 72’348.00.
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Im Gesamtergebnis ergab sich für Jolanda Spiess-Hegglin ein Anspruch auf Gewinnherausgabe in Höhe von CHF 309’531.00.

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Ferner schuldet die Ringier AG Zinsen von 5.0 % ab dem Zeitpunkt der Gewinnerzielung und damit ab dem jeweiligen Publikationsdatum. Diese Zinsen fallen erheblich ins Gewicht, da seit der Veröffentlichung der persönlichkeitsverletzenden Artikel rund zehn Jahre vergangen sind. Die geschuldeten Zinsen würden heute bereits den Betrag von CHF 155’000.00 überschreiten.

V. Würdigung: Entscheid mit Signalwirkung für Medien und Medienopfer

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Der Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025 dürfte eine gewisse Signalwirkung für den harten Boulevardjournalismus haben: Es gibt nicht nur allein rechtliche Grenzen für Medienschaffende und Verlage, wie sie immer wieder vom Bundesgericht bereits aufgezeigt wurden. Es drohen im Einzelfall auch handfeste finanzielle Folgen bei gewissen widerrechtlichen Persönlichkeitsverletzungen.

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Der Entscheid ist allerdings kein «fataler Schlag für den freien Journalismus», wie die Ringier AG behauptete. «Freier Journalismus» oder überhaupt die Medienfreiheit bedeuteten noch nie, dass Medien die Menschen, über die sie berichten, beliebig in ihrer Persönlichkeit verletzen dürfen. Ohnehin bezieht sich der Entscheid auf den selten gewordenen harten Boulevardjournalismus. Die Ringier AG betont denn auch, solchen Journalismus nicht mehr zu praktizieren.

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Die Medien konnten und können im Allgemeinen darauf zählen, dass sich die meisten Medienopfer nicht wirksam zur Wehr setzen können oder an einem gewissen Punkt bereit sind, einen – häufig vertraulichen – und für die Medien vergleichsweise preisgünstigen Vergleich zu schliessen. Jolanda Spiess-Hegglin bot bislang offensichtlich keine Hand für einen Vergleich mit der Ringier AG und zeigt mit dem erstinstanzlichen Entscheid des Kantonsgerichts Zug, dass sie sich wirksam zur Wehr setzen kann.

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Einzelne Autoren relativieren den Entscheid des Kantonsgerichts Zug, weil dieser 1) nicht rechtskräftig ist und weil das Kantonsgericht Zug 2) weitgehend auf das gewichtete Berechnungsmodell sowie die Zahlen von Jolanda Spiess-Hegglin abstellte.

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Beide Punkte relativieren den Entscheid aber nicht in seiner Wirkung:

  • Die «höchstrichterlichen Stoppschilder» bei persönlichkeitsverletzender Medienberichterstattung waren bereits bekannt. Nun wurden diese «Stoppschilder»  erstmals durch ein konkretes «Preisschild» ergänzt (vgl. die Urteilsbesprechung von Roland Fankhauser / Isabel Szinnai: Gewinnherausgabe bei persönlichkeitsverletzender Boulevardberichterstattung – Besprechung des Urteils des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025 i.S. Spiess-Hegglin, recht Online first/2025, S. 1–1, III / 6). Der erstinstanzliche Entscheid mit seinen aufwändigen, sorgfältigen und transparenten Berechnungen, die einen beeindruckenden Gewinn von CHF 309’531.00 für vier persönlichkeitsverletzende Artikel ergaben, hat auch ohne Rechtskraft, ja selbst ohne eine Bestätigung durch eine höhere Instanz, eine erhebliche Wirkung. Das Kantonsgericht Zug zeigt mit dem Entscheid konkret, wie die Gewinnherausgabe berechnet werden kann. Der Entscheid ist erst einmal eine hilfreiche Anleitung für Gerichte und Medienopfer. Künftige Entscheide zur Berechnung der Gewinnherausgabe werden sich daran messen lassen müssen.
  • Das Kantonsgericht Zug folgte tatsächlich weitgehend der Argumentation von Jolanda Spiess-Hegglin, weil es – so das Kantonsgericht Zug – vielfach an einer substantiierten Bestreitung durch die Ringier AG fehlte. In einem Zivilverfahren müssen die Parteien das Gericht wortwörtlich mit Substanz überzeugen. Wenn das eine Partei nicht kann oder aus taktischen Gründen nicht will, dann ist das kein Grund, die Rechtsprechung zu relativieren. Das ist  Alltag in Zivilverfahren.
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Alles in allem kann dem Kantonsgericht Zug auch nicht mit Anwaltskollege Christoph Born vorgeworfen werden, es habe sich in seinem Entscheid nicht vertieft mit den Gewichtungswerten des Expertengutachtens von Jolanda Spiess-Hegglin auseinandergesetzt (medialex 01/25 vom 3. Februar 2025, Rz. 19). Immerhin besteht die Begründung des Entscheids mehr als zur Hälfte aus der konkreten und schrittweisen Berechnung der Gewinnherausgabe. Die Gewichtungswerte werden im Entscheid im Übrigen nachvollziehbar durch einzelne Tabellen dargestellt (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 7.2.9.1, 7.2.10.1, 7.2.11.1 und 7.2.12.1). Jolanda Spiess-Hegglin und die Ringier AG haben ihre Parteigutachten bislang nicht veröffentlicht, aber die gerichtlichen Erwägungen geben einen hilfreichen Einblick in die propagierten Methoden und Modelle der Parteien.

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Die Ringier AG und andere Medien haben, wie erwähnt, von den meisten Medienopfern in rechtlicher Hinsicht nichts zu befürchten. Der Entscheid hat auch in dieser Hinsicht eine unmissverständliche Signalwirkung, denn es zeigt, wie aufwendig das medienrechtliche Vorgehen in jeder Hinsicht ist. Die Gewinnherausgabe gemäss dem erstinstanzlichen Entscheid des Kantonsgerichts Zug mag im Betrag eindrücklich sein, führte bei Jolanda Spiess-Hegglin aber zu Anwaltskosten von über CHF 150’000.00 brutto und zu weiteren Kosten von CHF 86’480.00 brutto für das Parteigutachten (Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025, E. 11.6.1 f.). Dazu kommen die erforderliche Ausdauer und der grosse Zeitaufwand. Insofern hilft der Entscheid vor allem – aber immerhin – jenen Medienopfern, die sich den ganzen Aufwand leisten und die Prozessrisiken eingehen können.

* Offenlegung: Die Autorin und der Autor sind Rechtsanwälte bei der Steiger Legal AG, die Jolanda Spiess-Hegglin in anderen Verfahren vertritt.


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