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Neue Erkenntnisse zu Vertraulichkeitsabreden

Überblick über praxisrelevante Entscheide des Jahres 2020 zum Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ)

Daniel Ladanie-Kämpfer *, MLaw, Jurist beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA, Bern;
Annina Keller *, MLaw, Juristin beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten EDÖB, Bern

Résumé: La jurisprudence de l’année écoulée au sujet de la LTrans a débouché sur des conclusions nouvelles et importantes dans certains domaines – par exemple, en ce qui concerne la licéité des accords de confidentialité entre les autorités et les particuliers au sujet des informations transmises volontairement. Cela étant, de manière générale, les tribunaux ont continué à traiter les questions habituelles telles que les secrets d’affaires et les données personnelles. A cet égard, il s’avère que, en 2020, les tribunaux attachent une grande importance à l’intérêt public à la transparence et qu’il n’est pas facile pour les tiers concernés, notamment dans le cas de grandes entreprises – éventuellement détenues ou en partie détenues par la Confédération – de faire valoir des intérêts privés au maintien du secret devant les tribunaux. En revanche, la tendance des tribunaux à traiter de manière erronée l’intérêt du requérant, soit parce que des tiers concernés soulèvent cet intérêt en vue d’un prétendu abus de droit, soit parce que le tribunal exprime son avis sur la question de sa propre initiative, doit être considérée de manière assez critique. A noter enfin que les tribunaux ont une fois de plus confirmé leur jurisprudence stricte en ce qui concerne l’application de la transparence au sein de l’administration au niveau fédéral.

Zusammenfassung: Die Rechtsprechung zum BGÖ im vergangenen Jahr brachte punktuell neue und wichtige Erkenntnisse, so beispielsweise in Bezug auf die Zulässigkeit von Vertraulichkeitsabreden zwischen Behörden und Privaten für freiwillig mitgeteilte Informationen. Mehrheitlich befassten sich die Gerichte aber weiterhin mit den üblichen Themen wie Geschäftsgeheimnissen und Personendaten. Es zeigte sich auch 2020, dass die Gerichte dem öffentlichen Interesse an Transparenz grosses Gewicht beimessen und es für betroffene Dritte, insbesondere wenn es sich um grosse Unternehmen – allenfalls ganz oder teilweise im Eigentum des Bundes – handelt, nicht einfach ist, mit ihren privaten Geheimhaltungsinteressen vor Gericht durchzudringen. Eher kritisch zu betrachten ist hingegen die Tendenz, dass sich die Gerichte fälschlicherweise mit dem Einsichtsinteresse der gesuchstellenden Person befassen, sei es, weil betroffene Dritte dieses Interesse mit Blick auf einen angeblichen Rechtsmissbrauch thematisieren, sei es, weil das Gericht sich von sich aus dazu äussert. Alles in allem haben die Gerichte ihre strenge Rechtsprechung in Bezug auf die Durchsetzung der Verwaltungsöffentlichkeit auf Bundesebene aber erneut bestätigt.

Inhaltsübersicht

I.     Einleitung          N 1
II.    Persönlicher Geltungsbereich des Gesetzes (Art. 2 BGÖ)          N 2
III.   Sachlicher Geltungsbereich des Gesetzes (Art. 3 BGÖ)          N 9
IV.   Spezialbestimmungen anderer Bundesgesetze (Art. 4 BGÖ)          N 13
V.    Zielkonforme Durchführung konkreter behördlicher Massnahmen
       (Art. 7 Abs. 1 Bst. b BGÖ)          N 22
VI.   Gefährdung der inneren und äusseren Sicherheit der Schweiz
        (Art. 1 Abs. 1 Bst. c BGÖ)         N 29
VII.  Dokumente mit Geschäftsgeheimnissen (Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ)          N 32
VIII. Vertraulichkeitszusicherungen (Art. 7 Abs. 1 Bst. h BGÖ)          N 42
IX.   Dokumente mit Personendaten / Anhörung betroffener Dritter
        (Art. 7 Abs. 2, 9 und 11 BGÖ, Art. 19 Abs. 1bis  DSG)          N 49
X.   Datenschutzrechtliche Ansprüche im BGÖ-Verfahren (Art. 25 und 25bis DSG)          N 62
XI.  Verfahrensrechtliche Fragen (Art. 15 BGÖ)           N 72


 

I. Einleitung

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In vergangenen Jahr haben sich das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) und das Bundesgericht (BGer) regelmässig mit dem Öffentlichkeitsgesetz[1] befassen müssen. Der vorliegende Beitrag soll einen Überblick über praxisrelevante Entscheide liefern. Diese werden nachfolgend anhand der geprüften Bestimmungen gruppiert, weshalb einzelne Entscheide mehrmals zu besprechen sind. Als besonders umstritten erwiesen sich abermals Fragen zu möglichen Spezialbestimmungen, zur Geltendmachung vermeintlicher Geschäftsgeheimnisse und zur Offenlegung von Personendaten. Erfreulicherweise befassten sich zudem zwei Urteile näher mit der Zulässigkeit von bilateralen Geheimhaltungsvereinbarungen zwischen Behörden und Privaten, welche einem Dokumentenzugang im Einzelfall entgegenstehen können. Als ebenfalls neuere Entwicklung erweist sich die Geltendmachung datenschutzrechtlicher Ansprüche durch betroffene Dritte in Verfahren um Zugang zu amtlichen Dokumenten nach BGÖ. Dabei stellen sich nicht zuletzt in verfahrensrechtlicher Hinsicht wichtige Abgrenzungsfragen. Wie bereits in den vergangenen Jahren bieten auch in dieser Berichtsperiode wieder einige Urteile Anlass zu Bemerkungen.

II. Persönlicher Geltungsbereich des Gesetzes (Art. 2 BGÖ)

Unterlagen zur schriftlichen Diplomprüfung für Steuerexpertinnen und Steuerexperten (BVGer A-458/2020 vom 18. Mai 2020)

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Nachdem ein Kandidat die höhere Fachprüfung für Steuerexperten nicht bestanden hatte, focht er diesen Entscheid der Prüfungskommission der Trägerorganisation Steuerexperten mit Beschwerde beim Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) an. Später verlangte er parallel dazu bei der Trägerorganisation Zugang zu Unterlagen betreffend die schriftliche Prüfung wie etwa Korrekturschemata, Musterlösungen, Notenskala etc. gestützt auf das BGÖ. Im Schlichtungsverfahren vor dem Eidg. Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) bestritt die Trägerorganisation, vom persönlichen Geltungsbereich des BGÖ erfasst zu sein. Der EDÖB kam in seiner Empfehlung zum gegenteiligen Schluss und empfahl, den Zugang zu den verlangten Unterlagen zu gewähren. Daraufhin verfügte die Trägerorganisation die Verweigerung des Zugangs mit der Begründung, die Einsicht nach BGÖ sei während des hängigen Beschwerdeverfahrens betreffend Nichtbestehen der Prüfung vor dem SBFI ausgeschlossen. Gegen diese Verfügung gelangte der Gesuchsteller mit Beschwerde an das BVGer.

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Das BVGer kam im Rahmen der Prüfung des persönlichen Geltungsbereiches gemäss Art. 2 Abs. 1 Bst. b BGÖ zum Schluss, dass die Trägerschaft Steuerexperten und deren Prüfungskommission als Organisationen resp. Personen des privaten Rechts zu qualifizieren seien, die nicht der Bundesverwaltung angehören würden. Sie fielen demnach in den persönlichen Geltungsbereich des Gesetzes, soweit sie Prüfungsordnungen (Trägerorganisation) resp. erstinstanzliche Verfügungen (Prüfungskommission) erlassen würden und damit hoheitlich tätig seien. Dokumente, die die Trägerschaft bzw. deren Prüfungskommission im Rahmen der Durchführung der Prüfung für Steuerexpertinnen und Steuerexperten erstelle, stellten demnach amtliche Dokumente i.S.v. Art. 5 BGÖ dar und seien vom persönlichen Anwendungsbereich des BGÖ grundsätzlich erfasst.

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Weshalb das BVGer das Recht auf Zugang dennoch verneinte, wird nachfolgend unter III. besprochen.

III. Sachlicher Geltungsbereich des Gesetzes (Art. 3 BGÖ)

1. Dokumente aus gemeinsamem Tarifgenehmigungsverfahren von fünf Verwertungsgesellschaften (BVGer A-816/2019 vom 9. April 2020)

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In diesem Verfahren verlangte eine Privatperson gestützt auf das BGÖ bei der Eidg. Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (ESchK) Zugang zu den Gesuchsunterlagen betreffend den «Gemeinsamen Tarif 7 (GT 7), Schulische Nutzung». Die ESchK hatte den GT 7 zuvor genehmigt. Die ESchK verweigerte den Zugang mit der Begründung, sie falle als richterliche Behörde nicht in den persönlichen Geltungsbereich des BGÖ. Nachdem der EDÖB im Schlichtungsverfahren die Empfehlung erlassen hatte, dass die ESchK den Zugang nach den Bestimmungen des BGÖ prüfen solle, da sie als Einheit der dezentralen Bundesverwaltung sehr wohl in den persönlichen Geltungsbereich des BGÖ falle, erliess die ESchK eine Verfügung, in welcher sie den Zugang abermals ablehnte. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass sie im Rahmen der Tarifprüfung eine richterliche Tätigkeit ausübe, weshalb das Tarifgenehmigungsverfahren nicht in den sachlichen Geltungsbereich des BGÖ falle.

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In seinem Urteil kam das BVGer nach ausführlichen Erörterungen zum Schluss, dass der ESchK mit Blick auf die Frage, ob sie eher Justiz- oder Verwaltungsbehörde sei, eine differenzierte Rechtsstellung zukomme. Unter Berücksichtigung ihrer Funktion, der Ausgestaltung des Tarifprüfungsverfahrens, der Organisation und Zusammensetzung der Kommission sowie der Ernennung und Stellung ihrer Mitglieder sei sie als Aufsichtsbehörde zu qualifizieren und nur in untergeordneter Weise vergleichbar mit einer richterlichen Behörde. Im Hinblick auf den sachlichen Geltungsbereich gemäss Art. 3 Abs. 1 Bst. a Ziff. 5 BGÖ könne das Tarifgenehmigungsverfahren somit nicht als Justizverfahren eingestuft werden, welches vom Anwendungsbereich des BGÖ ausgenommen wäre. Vielmehr werde es als erstinstanzliches Verwaltungsverfahren gerade von dessen sachlichem Geltungsbereich erfasst, weshalb das Einsichtsgesuch des Beschwerdeführers nach den Bestimmungen des BGÖ zu prüfen sei.

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Eine Beschwerde gegen dieses Urteil ist vor dem Bundesgericht hängig.

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Kommentar: Eine abweichende Einschätzung des BGer würde nach der hier vertretenen Auffassung sehr überraschen und wäre mit Blick auf die aus der BGÖ-Perspektive typischerweise als Verwaltungstätigkeit zu qualifizierende Aufgabe der ESchK im Rahmen der Tarifgenehmigung kaum begründbar. Nach der hier vertretenen Auffassung hat das BVGer seine in der Sache überzeugende Begründung in teilweiser Vermischung der Prüfung von persönlichem und sachlichem Geltungsbereich des Gesetzes aufgebaut. Hier hätte eine klar getrennte Prüfung des persönlichen und sachlichen Geltungsbereiches dem Entscheid etwas mehr Klarheit verschaffen können.

2. Unterlagen zur schriftlichen Diplomprüfung für Steuerexpertinnen und Steuerexperten (BVGer A-458/2020 vom 18. Mai 2020)

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Im bereits unter II. (siehe vorne N 2 f.) besprochenen Urteil zum nicht erfolgreichen Kandidaten der Steuerexpertenprüfung kam das BVGer mit Blick auf den sachlichen Geltungsbereich des BGÖ zum Schluss, dass sämtliche vom Gesuchsteller zur Einsicht verlangten Dokumente in engem Zusammenhang mit dem parallel zum Einsichtsverfahren nach BGÖ von ihm selbst eingeleiteten, noch hängigen Rechtsmittelverfahren in Sachen Nichtbestehen der Steuerexpertenprüfung stehen würden. Die entsprechenden Unterlagen fielen demnach aufgrund des derzeitigen Vorrangs der Einsichtnahme durch die Parteien in Akten eines erstinstanzlichen Verwaltungsverfahrens gemäss Art. 3 Abs. 1 Bst. b BGÖ nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes, weshalb der Zugang zu verweigern sei.

3. Strafbescheide der Eidgenössischen Steuerverwaltung aus dem Jahr 2017 (BVGer A-1878/2018 vom 27. Mai 2020)

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Diesem Urteil[2] zugrunde liegt ein Zugangsgesuch eines Journalisten, welcher bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) gestützt auf das BGÖ um Zugang zu sämtlichen von dieser im Jahr 2017 ausgestellten Strafbescheide ersuchte. Nachdem ihm der Zugang per Verfügung mit der Begründung verweigert worden war, dass das BGÖ auf hängige als auch auf abgeschlossene Strafverfahren nicht anwendbar sei, stellte der Journalist ein zweites, inhaltlich identisches Einsichtsgesuch, diesmal gestützt auf den Grundsatz der Justizöffentlichkeit. Dieses Gesuch hiess die ESTV per Verfügung teilweise gut und gewährte ihm in anonymisierter Form Einsicht. Gegen beide Verfügungen erhob der Journalist Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und verlangte eine uneingeschränkte Einsicht.

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In verfahrensrechtlicher Hinsicht beurteilte das BVGer den Streitgegenstand dahingehend, dass die ESTV mit der teilweisen Gutheissung des zweiten Einsichtsgesuchs ihre erste ablehnende Verfügung gestützt auf das BGÖ in Wiedererwägung gezogen und zugunsten des Gesuchstellers abgeändert habe. Somit sei die erste Beschwerde gegenstandslos geworden und die Frage, ob das BGÖ im vorliegenden Falle zur Anwendung komme, könne offen bleiben. In der Folge prüfte das BVGer den Zugang ausschliesslich gestützt auf den Grundsatz der Justizöffentlichkeit (Art. 30 Abs. 3 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK sowie Art. 14 Abs. 1 UNO-Pakt II) und bestätigte mit Blick auf das Steuergeheimnis die Einsichtnahme in anonymisierter Form.

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Kommentar: Dieser Entscheid ist insbesondere aus der Optik von Medienschaffenden zu begrüssen, da er Klarheit darüber schafft, dass Strafbescheide von Bundesbehörden dem Grundsatz der Justizöffentlichkeit unterliegen. Leider bleibt damit aber die Frage, ob das BGÖ bloss auf hängige oder auch auf abgeschlossene Justizverfahren keine Anwendung findet, auch nach diesem Urteil weiterhin unbeantwortet. Die Frage nach der Rechtsgrundlage für eine Einsichtnahme ist insofern relevant, als für ein Einsichtsgesuch gestützt auf das BGÖ – im Unterschied zur Justizöffentlichkeit – kein besonderes Interesse glaubhaft gemacht werden muss.

IV. Spezialbestimmungen anderer Bundesgesetze (Art. 4 BGÖ)

1. Abschlussbericht zur Überprüfung der Sicherheit von Wickelkommoden nach dem Produktesicherheitsgesetz (BGer 1C_299/2019 vom 7. April 2020)[3]

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In diesem Urteil befasste sich das BGer mit dem Verhältnis zwischen dem Anspruch auf Zugang zu amtlichen Dokumenten nach dem BGÖ und Bestimmungen zur aktiven Informationspflicht im Bundesgesetz über die Produktesicherheit (PrSG; SR 930.11). Streitig war der Zugang zu Informationen betreffend die Produktebezeichnungen sowie die Inverkehrbringer von Wickelkommoden anlässlich eines Tests über deren Sicherheit im Alltag. Die Schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) verweigerte den Zugang unter Verweis auf Art. 10 Abs. 4 (öffentliche Warnung der Bevölkerung) i.V.m. Art. 12 PrSG (Schweigepflicht), welche als Spezialbestimmungen dem BGÖ vorgehen würden.

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In Aufhebung des Urteils des BVGer kam das BGer zum Schluss, dass es sich bei Art. 10 Abs. 4 i.V.m. Art. 12 PrSG nicht um eine Spezialbestimmung i.S.v. Art. 4 BGÖ handle. Das Einsichtsgesuch sei demnach nach den Bestimmungen des BGÖ zu prüfen.

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Kommentar: Das Urteil des BGer ist zu begrüssen. Es stellt klar, dass vermeintliche Spezialbestimmungen i.S.v. Art. 4 BGÖ nicht leichthin anzunehmen bzw. so auszulegen sind, dass dem Zweck des BGÖ am besten entsprochen werden kann. Weshalb das vorinstanzliche Urteil des BVGer im Einzelnen Anlass zu Kritik gab, wird in den unter Fn. 4 referenzierten Beiträgen ausführlich besprochen.

2. Prüfungsbericht der RAB betreffend die Revisionstätigkeiten der KPMG AG für die PostAuto AG (BVGer B-6115/2019 vom 16. Dezember 2020)[4]

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Die Schweizerische Post AG sowie die PostAuto AG ersuchten die Eidg. Revisionsaufsichtsbehörde (RAB) um Zugang zum Prüfungsbericht sowie den darin referenzierten Dokumenten über die Revisionstätigkeiten der KPMG für die PostAuto AG. Die RAB verweigerte den Zugang unter Hinweis auf den angeblich spezialgesetzlichen Vorbehalt zum BGÖ gemäss Art. 19 Abs. 2 des Revisionsaufsichtsgesetzes[5], wonach sie die Öffentlichkeit nur über laufende und abgeschlossene Verfahren informiere, wenn dies aus Gründen überwiegender öffentlicher oder privater Interessen erforderlich sei. Nachdem der EDÖB in seiner Empfehlung Art. 19 Abs. 2 RAG nicht als Spezialbestimmung i.S.v. Art. 4 BGÖ qualifiziert hatte, erliess die RAB eine Verfügung, in welcher sie gestützt auf Art. 19 Abs. 2 RAG den Zugang erneut ablehnte.

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In seinem Urteil erwog das BVGer, dass der Vorbehalt von Spezialbestimmungen anderer Bundesgesetze nicht auf solche der passiven behördlichen Informationstätigkeit beschränkt sei. Auch Verpflichtungen zur aktiven Information könnten spezielle Zugangsnormen i.S.v. Art. 4 BGÖ darstellen. Weiter stelle eine Verpflichtung zur aktiven Information nicht automatisch und in jedem Fall bloss eine Mindestvorschrift der öffentlichen Information dar, wohingegen auf der anderen Seite aus einer Verpflichtung zur aktiven Information auch nicht gefolgert werden könne, dass jeder weitergehende Zugang, gestützt auf ein passives Informationsersuchen, verweigert werden dürfe. Es könne nicht sein, dass das BGÖ einem Dritten Anspruch auf Einsicht in Unterlagen ermögliche, bezüglich derer es der RAB selbst untersagt sei, Informationen offenzulegen. Demnach bestehe bereits aus Gründen der Logik eine zwingende Korrelation zwischen der in Art. 19 Abs. 2 RAG aufgestellten Beschränkung der Informationsbefugnis der RAB und einem möglichen Anspruch eines Dritten auf Zugang zu diesen Informationen gestützt auf das BGÖ. Schliesslich erblickte das BVGer auch im strafrechtlich geschützten Revisionsgeheimnis sowie im Schutz von Personendaten nach dem Datenschutzgesetz[6] als auch im Vorliegen von Berufs-, Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnissen Hinweise auf eine Qualifikation von Art. 19 Abs. 2 RAG als Spezialbestimmung, welche dem BGÖ vorbehalten ist. Im Ergebnis liess das BVGer Art. 19 Abs. 2 RAG als Spezialbestimmung gemäss Art. 4 BGÖ zu, ohne dies explizit so festzuhalten, und schützte damit die Zugangsverweigerung durch die RAB.

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Eine Beschwerde gegen dieses Urteil ist vor dem BGer hängig.

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Kommentar: Nach der hier vertretenen Auffassung kann dieses Urteil nicht überzeugen. Im Rahmen der Auslegung von Art. 19 Abs. 2 RAG als mögliche Spezialbestimmung nach Art. 4 BGÖ äussert sich das BVGer teilweise zu Fragen, welche anlässlich der Prüfung von Ausnahmebestimmungen gemäss Art. 7 BGÖ zu beantworten wären. Darüber hinaus beschreitet es anlässlich seiner Interessenabwägung einen mit Blick auf die gesetzliche Konzeption des BGÖ geradezu abenteuerlichen Weg, indem es das Einsichtsinteresse der Schweizerischen Post AG bzw. der PostAuto AG als rein finanzielles und damit nicht schützenswertes Interesse qualifiziert, welches letztlich einzig den Zweck verfolge, mögliche Beweismittel zur Abklärung ihrer Prozesschancen und zur Verwendung in einem allfälligen Verantwortlichkeitsprozess gegen die KPMG zu sammeln.

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Diese Argumentation führt im Rahmen eines BGÖ-Verfahrens völlig konzeptwidrig den Nachweis eines berechtigten Einsichtsinteresses des Gesuchstellers ein und erweist sich spätestens in dem Moment als ungeeignet, in welchem ein identisches Einsichtsgesuch von einer unbekannten Drittperson eingereicht würde.

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Ebenso unbefriedigend erscheint der Umstand, dass das BVGer im Rahmen der Prüfung von Art. 19 Abs. 2 RAG offenbar keine überwiegenden Interessen zu erkennen vermochte, die zu einer ausnahmsweisen Informationsbefugnis der RAB führen würden, obgleich es in seinem Entscheid sogar selbst noch auf Art. 6 Abs. 2 VBGÖ verwies, welcher in nicht abschliessender Weise Konstellationen aufzählt, in denen das öffentliche Einsichtsinteresse typischerweise überwiegen kann. Selbst wenn Art. 19 Abs. 2 RAG demnach als Spezialbestimmung dem BGÖ vorgehen sollte, käme immer noch eine ausnahmsweise Information der Öffentlichkeit aufgrund überwiegender öffentlicher oder privater Interessen in Betracht. Dass keine solchen überwiegenden (öffentlichen) Interessen an der lückenlosen Aufarbeitung der sog. Postauto-Affäre bestehen sollen, erstaunt doch sehr.

V. Zielkonforme Durchführung konkreter behördlicher Massnahmen (Art. 7 Abs. 1 Bst. b BGÖ)

1. Standorte der Anlagen des Radiomonitoring-Netzes des BAKOM
(BVGer A-407/2019 vom 14. Mai 2020)

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In diesem Urteil befasste sich das BVGer mit der Frage, ob einer Privatperson Zugang zu Informationen über die Anlagen des Radiomonitoring-Netzes des Bundesamtes für Kommunikation(BAKOM), insbesondere die genauen Standorte der Messstationen sowie genaue Angaben zu deren gerätetechnischen Bestückung, gewährt werden muss. Das BAKOM hatte den Zugang unter anderem gestützt auf Art. 7 Abs. 1 Bst. b BGÖ verweigert und geltend gemacht, dass der Zugang zu den Standortinformationen die zeitnahe Ortung und Behebung von Funkstörungen und damit konkrete behördliche Massnahmen beeinträchtigen würde.

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Das BVGer teilte diese Auffassung und hielt fest, dass die Messanlagen das zentrale Instrument zur zeitnahen Lokalisierung und Behebung von Funkstörungen bildeten. Die streitigen Informationen würden folglich in unmittelbarem Zusammenhang mit der zielkonformen Durchführung von Ortungsmassnahmen stehen, weshalb bei einer Zugangsgewährung ernsthaft mit Beeinträchtigungen durch illegal operierende Akteure und Störer gerechnet werden müsste.

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Kommentar: Wie in der nachfolgenden Ziffer 5 aufgezeigt wird, erscheint es im Ergebnis zwar vertretbar, den Zugang gestützt auf die Ausnahmebestimmung nach Art. 7 Abs. 1 Bst. c BGÖ (Schutz der inneren und äusseren Sicherheit der Schweiz) zu verweigern. Zusätzlich die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung nach Art. 7 Abs. 1 Bst. b BGÖ zu bejahen, war jedoch weder zwingend notwendig noch kann diese Schlussfolgerung des BVGer restlos überzeugen. Die Durchführung von Ortungsmassnahmen insgesamt als konkrete behördliche Massnahme im Sinne der Ausnahmebestimmung verstehen zu wollen, führt nach der hier vertretenen Auffassung etwas weit, zumal das BAKOM in seiner Begründung nicht näher zwischen den beiden Ausnahmetatbeständen (Bst. b und c) unterschieden hatte.

2. Dokumente betreffend den unberechtigten Zugriff auf Kundendaten bei Swisscom (BVGer A-4781/2019 vom 17. Juni 2020 / BVGer A-2564/2018 vom 5. August 2020)

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Diese beiden thematisch zusammenhängenden Fälle betrafen Zugangsgesuche beim EDÖB zu Dokumenten im Zusammenhang mit einem unberechtigten Zugriff auf Kundendaten bei Swisscom. Der EDÖB hatte entschieden, einen teilweisen Zugang zu gewähren, wogegen sich die Swisscom als betroffene Dritte vor BVGer wehrte. In solchen Konstellationen stellt sich regelmässig die Frage, ob beschwerdeführende Dritte auch Ausnahmetatbestände vorbringen können, welche öffentliche Interessen der Verwaltung und nicht ihre eigenen, privaten Interessen schützen. Konkret machte Swisscom unter Hinweis auf die Ausnahmetatbestände von Art. 7 Abs. 1 Bst. a und b BGÖ geltend, die Zugangsgewährung würde die Willensbildung und die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des EDÖB stark gefährden und die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen ihm und den Unternehmen, auf deren Kooperation er angewiesen sei, beeinträchtigen.

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Im Urteil A-2564/2018 vom 5. August 2020 sprach sich das BVGer klar dagegen aus, dass sich die Swisscom anstelle der Verwaltung auf diese Ausnahmetatbestände berufen kann, während es sich im Urteil A-4781/2019 vom 17. Juni 2020 darauf beschränkte, die Anwendbarkeit der beiden Ausnahmen im konkreten Fall zu verneinen.

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Eine Beschwerde gegen das Urteil A-2564/2018 vom 5. August 2020 ist vor dem BGer hängig.

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Kommentar: Auch wenn damit die Frage, ob sich private Dritte auch auf «behördliche» Ausnahmetatbestände berufen können, nicht eindeutig beantwortet wurde, dürfte es in der Praxis nur schwer vorstellbar sein, dass ein Gericht ein öffentliches Geheimhaltungsinteresse bejahen würde, welches die betroffene Behörde für sich selbst gar nicht in Anspruch nehmen möchte.

VI. Gefährdung der inneren und äusseren Sicherheit der Schweiz (Art. 7 Abs. 1 Bst. c BGÖ)

Standorte der Anlagen des Radiomonitoring-Netzes des BAKOM
(BVGer A-407/2019 vom 14. Mai 2020)

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Im bereits besprochenen Urteil (siehe vorne N 22 ff.) betreffend den Zugang zu den genauen Standorten und der gerätetechnischen Bestückung von Messanlagen des Bundesamtes für Kommunikation (BAKOM) stand in erster Linie der Ausnahmetatbestand nach Art. 7 Abs. 1 Bst. c BGÖ zur Diskussion. Dabei gelangte das BVGer zum Schluss, dass die Offenlegung der exakten Standort-Koordinaten der Messstationen und die detaillierte technische Bestückung jeder einzelnen Anlage in mehrfacher Hinsicht eine ernstzunehmende, keineswegs nur entfernt denkbare Gefährdung der Messstationen und ihrer sicherheitsrelevanten Funktionen, insbesondere der Ortungen von Funkstörungen bei sicherheitsrelevanten Diensten und von kriminellen Funkaktivitäten, schaffe. Zusätzlich entstehe eine erhöhte Gefährdung der militärischen Infrastruktur. Insgesamt lasse es sich somit nicht verantworten, die verlangten Informationen preiszugeben, da sie sich in nachteiliger Weise für die innere Sicherheit der Schweiz nutzen liessen. Folglich sei ihre Geheimhaltung und die Anwendung des Ausnahmegrundes gerechtfertigt.

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Bei der anschliessenden Prüfung der Frage, ob mit Blick auf das Verhältnismässigkeitsprinzip allenfalls ein eingeschränkter Zugang in Betracht kommt, erlaubte sich das BVGer eine Bemerkung zum Einsichtsinteresse des Gesuchstellers, welches sich laut BVGer auf eine private Affinität beschränke, weshalb kein öffentliches Informationsinteresse im Sinne der Zielsetzungen des BGÖ bestehe.

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Kommentar: Das individuelle Einsichtsinteresse der gesuchstellenden Person ist im Anwendungsbereich des BGÖ – welches gerade keinen Interessennachweis kennt – unerheblich und muss anlässlich der Schadensrisikoprüfungen im Rahmen von Art. 7 Abs. 1 BGÖ unberücksichtigt bleiben.

VII. Dokumente mit Geschäftsgeheimnissen (Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ)

1. Informationen bei der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) zu Preiserhöhungen von Zigaretten (BVGer A-1751/2017 vom 1. Mai 2020)

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In diesem Entscheid war der Zugang zu Angaben über Preiserhöhungen von Zigaretten – aufgeschlüsselt nach Name des Zigarettenherstellers, Marke, Verkaufspreis und Datum des Inkrafttretens – in Bezug auf die Jahre 2014 und 2015 zu beurteilen. Die EZV hatte den Zugang zu den verlangten Informationen, welche sich in zwei Zollformularen für Anmeldungen von Tabakfabrikaten befinden, abgelehnt unter dem Hinweis, dass es sich dabei um Geschäftsgeheimnisse der drei betroffenen Tabakunternehmen handle, da damit unter anderem deren Preispolitik und Marketingstrategie offenbart würde.

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Dieser Ansicht widersprach das BVGer und verneinte bereits die relative Unbekanntheit der verlangten Informationen. So seien diese teilweise bereits öffentlich zugänglich oder zumindest einmal öffentlich zugänglich gewesen und könnten nicht wieder geheim werden. Andere Informationen würden sich durch sorgfältige Marktbeobachtung oder Online-Recherchen herausfinden lassen. Auch das objektive Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Tabakunternehmen verneinte das BVGer mit deutlichen Worten und gelangte somit zum Schluss, dass Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ einem Zugang nicht entgegensteht.

2. Dokumente betreffend den unberechtigten Zugriff auf Kundendaten bei Swisscom (BVGer A-4781/2019 vom 17. Juni 2020 / BVGer A-2564/2018 vom 5. August 2020)

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In Bezug auf den bereits erwähnten in Frage stehenden teilweisen Zugang zu Dokumenten des EDÖB betreffend einen «Datenvorfall» bei der Swisscom (siehe vorne N 25 ff.), machte das Unternehmen zudem geltend, die zur Offenlegung vorgesehenen Stellen in den Dokumenten enthielten zahlreiche Geschäftsgeheimnisse, welche dem Zugang entgegenstünden und deshalb geschwärzt werden müssten. So bilde unter anderem die Analyse der Risiken von Folgeschäden des gemeldeten Datenvorfalls ein Geschäftsgeheimnis, da bei einer Offenlegung die Gefahr bestehe, dass so Rückschlüsse auf das strategische Vorgehen und die Organisation betreffend Hackerangriffe, Phishing, unerwünschte Werbung, Systemfehler und Datendiebstahl möglich würden. Weitere Dokumente würden überdies ausführliche Informationen zum exakten zeitlichen Ablauf und zu konkreten Ursachen von datensicherheitsrelevanten Zwischenfällen enthalten, welche nicht allgemein bekannt seien. Weiter erklärte das Unternehmen, dass sie ihr Geschäftsmodell, ihre Vertriebs- und IT-Systeme sowie ihre internen Entscheidungsprozesse schützen wollten.

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Bis auf eine kleine zusätzliche Schwärzung in einem der Dokumente erachtete das BVGer die vorgebrachten Argumente allesamt als nicht überzeugend. So seien die in den Dokumenten enthaltenen Informationen bloss allgemein formuliert und offenbarten keine detaillierten technischen Sachverhalte, zumal viele davon bereits durch das Unternehmen selbst veröffentlicht worden seien. Was die Entscheidungsprozesse anbelange, so sei die Entscheidung im Zeitpunkt des Zugangsgesuchs bereits getroffen worden, so dass dieser Prozess in keiner Weise gestört worden sei. Auch in Bezug auf das Vertriebssystem habe das Unternehmen eine Vielzahl von Informationen, welche sie nun als Geschäftsgeheimnis bezeichne, bereits selbst veröffentlicht. Im Ergebnis bestätigte das BVGer die vom EDÖB unter dem Blickwinkel von Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ vorgenommenen Schwärzungen und lehnte eine weitergehende Zugangsbeschränkung – bis auf die erwähnte Ausnahme – ab.

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Eine Beschwerde gegen das Urteil A-2564/2018 vom 5. August 2020 ist vor dem BGer hängig.

3. Prüfbericht Gewinnmarge RUAG (BVGer A-6003/2019 vom 18. November 2020)

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Im Dezember 2018 waren in verschiedenen Medien Berichte über die von der RUAG dem Eidg. Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) in Rechnung gestellten, mutmasslich überhöhten Preise für den Unterhalt von Kampfjets und Armeehelikoptern erschienen. Auf Ersuchen der RUAG nahm die Eidg. Finanzkontrolle (EFK) daraufhin eine Prüfung vor. Die Ergebnisse wurden in Form einer Zusammenfassung des Prüfberichts publiziert. In der Folge gelangte ein Journalist an die EFK und verlangte Zugang zum gesamten Prüfbericht.

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Dies lehnte die EFK ab und führte unter anderem mit Blick auf die Ausnahmebestimmung nach Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ an, dass der vollständige Prüfbericht Informationen zu den Nettoumsätzen, Herstellkosten, Materialkosten, Kosten für Marketing und Verkauf, Forschung und Entwicklung, Administration, Abschreibungen, Bruttogewinnen, zum immateriellen Anlagevermögen sowie zu den kalkulatorischen Zuschlägen und Details zur Preiskalkulation der RUAG enthalte. Eine Offenlegung dieser Informationen – insbesondere der Preiskalkulation mit allen Kostenpositionen – würde zu einer Beeinträchtigung des geschäftlichen Erfolgs der RUAG bzw. zu einer Verfälschung des Wettbewerbs führen, wenn sie Konkurrenzunternehmen bekannt würden. Die RUAG brachte ergänzend vor, dass diese Angaben nicht nur die Beziehungen zwischen der RUAG und dem Bund, sondern auch ihre privatwirtschaftliche Tätigkeit betreffen würde. Einzelne Positionen dieser privatwirtschaftlichen Tätigkeit würden noch weiter aufgeschlüsselt und mit Zahlen unterlegt, wie beispielsweise die Projekt-, Marketing- und Beratungskosten für das zivile Flugzeug Dornier 228. Auch liesse sich das Verhältnis der einzelnen Positionen nahezu eins zu eins auf andere ihrer Kunden übertragen. Sie habe keine Monopolstellung, sondern befinde sich bei Ausschreibungen von Beschaffungsstellen anderer Länder in einer Konkurrenzsituation.

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Weil alle anderen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses erfüllt waren, hatte das BVGer nur die Frage zu prüfen, ob ein berechtigtes objektives Geheimhaltungsinteresse der RUAG besteht bzw. ob eine Schädigung ihrer privaten Interessen wahrscheinlich ist. Diesbezüglich wies das BVGer einleitend darauf hin, dass das Bundesamt für Rüstung (armasuisse) in der Schweiz unbestrittenermassen die einzige Auftraggeberin für die Wartung von Kampfjets und Armeehelikoptern sei, weshalb es unwahrscheinlich erscheine, dass eine Offenlegung zu spürbaren Marktverzerrungen führen könnte. Die Frage, ob die RUAG über ein faktisches Monopol verfüge, liess es jedoch offen. Insgesamt war das BVGer der Ansicht, dass – selbst wenn durch die Offenlegung des Prüfberichts gewisse Rückschlüsse auf die Geschäftstätigkeit der RUAG möglich seien – nicht belegt sei, dass dies aller Voraussicht nach mit wesentlichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden wäre. Das von der EFK und der RUAG gelten gemachte Schadensrisiko erscheine nicht hinreichend wahrscheinlich. Im Ergebnis fehlt es laut BVGer an einem ernsthaften Schadensrisiko, welches die Verweigerung oder Beschränkung des Zugangs gestützt auf Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ rechtfertigen würde, weshalb es das Vorliegen dieses Ausnahmegrundes verneinte.

4. Beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) vorhandene Dokumente eines Krankenversicherers betreffend Prämienerhöhung in der obligatorischen Krankenversicherung (BGer 1C_59/2020 vom 20. November 2020)

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In diesem Verfahren vor BGer rügte der beschwerdeführende Gesuchsteller, dass das BVGer[7] die Anwendbarkeit von Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ auf die streitgegenständlichen Dokumente zu Unrecht bejaht habe. So könne sich ein Krankenversicherer im Bereich der obligatorischen Krankenversicherung nicht auf das Geschäftsgeheimnis berufen, da seine Leistungen gesetzlich vorgeschrieben seien und kein Gewinn erzielt werden dürfe.

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Diesem Argument folgte das BGer nicht und bestätigte die Auffassung der Vorinstanz, dass auch im Bereich der obligatorischen Krankenversicherung ein gewisses Mass an Wettbewerb zwischen den Versicherern herrsche und Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ folglich zur Anwendung gelange. So würden Grundversicherer zwar die gleichen Leistungen anbieten, sich aber bezüglich der Prämien und des Services unterscheiden. Die im Zusammenhang mit der Genehmigung der Prämien mitgeteilten Informationen würden sich insbesondere auf die Struktur der Versicherten beziehen, auf die Geschäftspolitik (d.h. den Wunsch, die Zahl der Versicherten in bestimmten Kantonen oder Regionen insbesondere durch gezielte Werbung oder den Einsatz kommerzieller Mittel oder die Schaffung neuer Agenturen zu erhöhen), zur Risikobewertung sowie zur kurz-, mittel- und langfristigen Strategie. Die Offenlegung solcher Informationen könnte es anderen Versicherern ermöglichen, die Politik der gezielten Erhöhung der Versichertenzahl in bestimmten Regionen zu behindern.

VIII. Vertraulichkeitszusicherungen (Art. 7 Abs. 1 Bst. h BGÖ)

1. Dokumente betreffend den unberechtigten Zugriff auf Kundendaten bei Swisscom (BVGer A-4781/2019 vom 17. Juni 2020 / BVGer A-2564/2018 vom 5. August 2020)

42

Eine der zentralen Fragen im bereits erwähnten Urteil betreffend Dokumente beim EDÖB im Zusammenhang mit einem unberechtigten Zugriff auf Kundendaten bei Swisscom (siehe vorne N 25 f. und 34 f.) war, ob der EDÖB dem Unternehmen eine Vertraulichkeitszusicherung im Sinne der Ausnahmebestimmung von Art. 7 Abs. 1 Bst. h BGÖ abgegeben hatte. Diese setzt voraus, dass der Behörde Informationen von einer Privatperson freiwillig mitgeteilt worden sind und die Behörde deren Geheimhaltung zugesichert hat.

43

Grundsätzlich waren sich beide Parteien einig, dass der EDÖB mündlich eine vertrauliche Behandlung der übermittelten Informationen zugesichert habe. Uneinig war man sich jedoch in Bezug auf die rechtliche Bedeutung dieser Aussage. Während die Swisscom geltend machte, es handle sich um eine Vertraulichkeitszusicherung nach Art. 7 Abs. 1 Bst. h BGÖ, stellte sich der EDÖB auf den Standpunkt, er habe sich damit lediglich auf sein Amtsgeheimnis berufen, das seit dem Inkrafttreten des BGÖ nur in Bezug auf solche Informationen gelte, die aufgrund von Ausnahmebestimmungen nicht zugänglich seien. Darüber hinaus könnten Beziehungen zwischen Privaten und Behörden, in deren Rahmen eine Privatperson eine gesetzlich vorgesehene Aufgabe der Behörde in Anspruch nehme, ohnehin nicht unter den Schutz der Vertraulichkeit im Sinne der Ausnahmebestimmung gestellt werden, da die Tätigkeit der Verwaltung weder durch Vereinbarung noch einseitig von den Regeln der Transparenz ausgenommen werden könne. Schliesslich hätte es sich auch nicht um eine freiwillige Übermittlung gehandelt, da die Informationen im Sinne einer Art Mitwirkungspflicht nötig gewesen seien, um die gewünschte Beratungsleistung nach Art. 29 DSG zu erhalten.

44

Das BVGer liess diese Argumentation des EDÖB über weite Strecken nicht gelten und stellte einleitend klar, dass Art. 7 Abs. 1 Bst. h BGÖ auch dann zur Anwendung gelangen könne, wenn eine Behörde in Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben handle. Im konkreten Fall seien die Dokumente zudem – soweit sie nicht im Rahmen der offiziellen Sachverhaltsabklärung nach Art. 29 DSG mitgeteilt worden seien – freiwillig übermittelt worden. Es sei den Privatpersonen überlassen, ob sie dem EDÖB im Hinblick auf eine Beratung Informationen zukommen lassen wollten oder nicht. Im Falle einer Auskunftsverweigerung habe dies keine rechtlichen Auswirkungen, sondern sie müsse nur davon ausgehen, dass keine (adäquate) Beratung möglich sei. In Bezug auf das Kriterium der Vertraulichkeit wies das BVGer darauf hin, dass das Amtsgeheimnis eine Person binde, wohingegen die Vertraulichkeitszusicherung nach Art. 7 Abs. 1 Bst. h BGÖ eine Behörde binde. Angesichts der Umstände wäre es aus Sicht des BVGer zu erwarten gewesen, dass sich die Swisscom nicht mit einer mündlichen Vertraulichkeitszusicherung zufriedengegeben, sondern einen schriftlichen Nachweis verlangt hätte. Ein solcher fehle jedoch hier. Im Ergebnis gebe es keine konkreten Hinweise, dass der EDÖB explizit oder stillschweigend eine Vertraulichkeitszusicherung im Sinne dieser Ausnahmebestimmung abgegeben habe.

45

Eine Beschwerde gegen das Urteil A-2564/2018 vom 5. August 2020 ist vor dem BGer hängig.

2. Prüfbericht Gewinnmarge RUAG (BVGer A-6003/2019 vom 18. November 2020)

46

Die EFK und die RUAG stützten ihre Argumentation zur bereits erwähnten Verweigerung des Zugangs zum Prüfbericht betreffend Gewinnmarge bei RUAG Aviation (vorne N 37 ff.) auch auf die Ausnahmebestimmung nach Art. 7 Abs. 1 Bst. h BGÖ. Die EFK machte geltend, dass die RUAG zwar ihrer Finanzaufsicht unterstellt sei, dass es sich bei der vorliegend relevanten Prüfung der effektiven Gewinnmarge aber nicht um eine solche gehandelt habe, die auf Grundlage ihrer Aufsichtskompetenz ins Prüfprogramm aufgenommen worden sei, sondern um eine, die auf ausdrücklichen Wunsch der RUAG stattgefunden habe. Dementsprechend sei das Kriterium der Freiwilligkeit erfüllt. Zudem handle es sich bei der RUAG um eine Privatperson und sie habe dieser die Vertraulichkeit der Informationen auf ausdrückliches Verlangen zugesichert, weshalb auch die übrigen Kriterien von Art. 7 Abs. 1 Bst. h BGÖ erfüllt seien.

47

Das BVGer hatte insbesondere zu prüfen, ob es sich um eine freiwillige Mitteilung im Sinne dieser Ausnahmebestimmung handelte. In Auslegung der Norm gelangte es zum Schluss, dass eine freiwillige Mitteilung von Informationen nicht möglich ist, wenn eine Privatperson von Gesetzes wegen zur Auskunft verpflichtet sei. Im vorliegenden Fall sei die RUAG gemäss Art. 8 Abs. 1 Bst. e i.Vm. Art. 10 Abs. 1 des Finanzkontrollgesetzes[8] zur Offenlegung der Informationen verpflichtet gewesen, unabhängig davon, ob die Prüfung von Amtes wegen oder erst auf Ersuchen der RUAG erfolgt sei. Demnach könne der Prüfbericht nicht gestützt auf Art. 7 Abs. 1 Bst. h BGÖ vom Zugang ausgenommen werden.

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Kommentar: Die Haltung des BVGer zur Frage der freiwilligen Übermittlung ist zu begrüssen. Andernfalls könnte durch eine vorzeitige freiwillige Einreichung von Dokumenten der Gesetzeszweck des BGÖ ausgehöhlt werden.

IX. Dokumente mit Personendaten / Anhörung betroffener Dritter (Art. 7 Abs. 2, Art. 9, Art. 11 BGÖ und 19 Abs. 1bis DSG)

1. Informationen bei der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) zu Preiserhöhungen von Zigaretten (BVGer A-1751/2017 vom 1. Mai 2020)

49

In Bezug auf den bereits erwähnten Fall betreffend Zugang zu Angaben über Preiserhöhungen von Zigaretten der Jahre 2014 und 2015 (siehe vorne N 32 f.) – aufgeschlüsselt nach Name des Zigarettenherstellers, Marke, Verkaufspreis und Datum des Inkrafttretens – beriefen sich die EZV und die betroffenen Tabakunternehmen vor BVGer auch auf den Schutz der Privatsphäre und argumentierten, dass die Offenlegung der beantragten Informationen die Privatsphäre der Tabakunternehmen verletzen würde. Dies insbesondere durch die Gefährdung ihres wirtschaftlichen Ansehens und durch die Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen und persönlichen Daten, ohne dass daran ein überwiegendes öffentliches Interesse bestehen würde.

50

Wie bereits bei der Prüfung von Geschäftsgeheimnissen verneinte das BVGer auch ein überwiegendes privates Geheimhaltungsinteresse der Tabakunternehmen an ihren Personendaten. Im Hinblick auf allfällige Reputationsschäden sei festzuhalten, dass nicht die in den Dokumenten enthaltenen Informationen an sich geeignet seien, den Ruf der betroffenen Tabakunternehmen zu schädigen, sondern allenfalls die mögliche Verwendung durch den Gesuchsteller. Folglich seien die Dokumente an sich oder ihre Offenlegung nicht geeignet, den Ruf der Unternehmen zu schädigen. Allfällige kritische Berichterstattungen stellten – wie bereits das Bundesgericht festgestellt habe – bloss unangenehme Konsequenzen dar, die ein exponiertes Unternehmen in einem demokratischen System hinnehmen müsse. Folglich würden die privaten Interessen der Betroffenen durch die Zugangsgewährung nicht gefährdet. Im Ergebnis hob das BVGer die Verfügung der EZV auf und wies die Behörde an, dem Gesuchsteller einen vollständigen Zugang zu den ausdrücklich verlangten Angaben in den beiden Formularen zu gewähren.

2. Auskünfte über zolltarifische Einreihung von Waren im sog. TADOC-System der Eidg. Zollverwaltung (EZV) (BVGer A-5635/2019 vom 12. Mai 2020)

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Ein Gesuchsteller ersuchte bei der EZV um Zugang zu sämtlichen Zolltarifentscheiden des schweizerischen Zolltarifs der Kapitel 12–22 in der Datenbank TADOC mit Angabe von Zolltarifnummer, Schlüssel, Sachname, Markenname, Typ, etc. der Jahre 2010–2016. Nach Zustellung von 10 beispielhaften TADOC-Entscheiden, welche teilweise geschwärzt worden waren, kam es zu einem Schlichtungsverfahren vor dem EDÖB, in welchem dieser der EZV eine vollständige Zugangsgewährung empfahl. In der Folge hiess die EZV das Gesuch mit Verfügung teilweise gut und gewährte den verlangten Zugang unter Angabe des Sachnamens, der Zolltarifnummer und – soweit vorhanden – des statistischen Schlüssels. Im Übrigen wies die EZV das Gesuch mit der Begründung ab, eine kombinierte Bekanntgabe von Tarifnummer, Sach- und Markenname würde Rückschlüsse auf die Zusammensetzung oder die Herstellung eines Produktes erlauben, wodurch Geschäftsgeheimnisse offenbart werden könnten. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom BVGer (A-199/2018 vom 18. April 2019)[9] gutgeheissen und die Sache an die EZV zur Neubeurteilung zurückgewiesen. In diesem Rahmen sollte die EZV, sofern sie bei der Wiederaufnahme des Verfahrens anlässlich einer vorläufigen Interessenabwägung eine Bekanntgabe auch von Markennamen (und damit von Personendaten) in Betracht ziehe, die betroffenen Personen gemäss Art. 11 Abs. 1 BGÖ anhören.

52

Da der Gesuchsteller sein Gesuch nicht weiter einschränken wollte, teilte ihm die EZV nach Wiederaufnahme des Verfahrens mit, dass eine Anhörung der insgesamt 5’600 betroffenen Unternehmen im Hinblick auf 32’500 Einträge im TADOC-System das Verhältnismässigkeitsprinzip verletzen würde. Die EZV sehe sich daher ausser Stande, das Gesuch weiter zu behandeln. Gegen die entsprechende Verfügung der EZV gelangte der Gesuchsteller abermals mit Beschwerde an das BVGer.

53

In seinem Urteil kam das BVGer zum Schluss, dass die Gewährung des Zugangs zu den vom Gesuchsteller über die bereits zugesicherten Informationen hinausgehenden Markenamen und Zusatzbezeichnungen der TADOC-Entscheide der Kapitel 12–22 für die Jahre 2010–2016 von der EZV zu Recht unter Verweis auf die Unverhältnismässigkeit der gesetzlich vorgesehenen Anhörung verweigert worden war. Eine provisorische Interessenabwägung führe zu keinem klaren Ergebnis, weshalb für die definitive Interessenabwägung eine Anhörung der Betroffenen durchzuführen wäre, welche es diesen ermöglichen würde, ihre Interessen geltend zu machen. Es müsse damit gerechnet werden, dass eine Anhörung im Einzelfall noch nicht erkannte Interessen zutage fördern würde, die allenfalls höher zu gewichten seien, als die öffentlichen Interessen am Zugang. Eine Anhörung von sämtlichen betroffenen 5’600 teils im Ausland ansässigen natürlichen und juristischen Personen erscheine dabei aber ohne Weiteres unverhältnismässig. Als Konsequenz dieser nicht durchführbaren Anhörung könne nur die Verweigerung des Zugangs zu den verlangten Informationen resultieren, da ein milderes Mittel, wie z.B. die Anonymisierung, gerade nicht möglich sei.

54

Kommentar: Auf den ersten Blick mag das Entfallen der Verpflichtung zur Anhörung von Betroffenen einzig aus Gründen der Verhältnismässigkeit etwas stossend erscheinen, zumal aus diesem Grund der Zugang im streitigen Umfang verweigert wird. Bei genauerer Betrachtung ist jedoch zu berücksichtigen, dass in vorliegendem Fall die provisorische Interessenabwägung in der Tat zu keinem eindeutigen Ergebnis führte. Fraglich bleibt jedoch, wie das BVGer entschieden hätte, wenn die vorläufige Interessenabwägung deutlich zugunsten des Zugangs ausgefallen wäre.

3. Dokumente betreffend den unberechtigten Zugriff auf Kundendaten bei Swisscom (BVGer A-4781/2019 vom 17. Juni 2020 / BVGer A-2564/2018 vom 5. August 2020)

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Der strittige Zugang zu den bereits erwähnten Dokumenten beim EDÖB betreffend einen «Datenvorfall» bei Swisscom (siehe vorne N 25 ff., 34 ff. und 42 f.) war auch unter dem Blickwinkel der darin enthaltenen Personendaten zu beurteilen. So berief sich das Unternehmen auf den Schutz seiner Privatsphäre nach Art. 7 Abs. 2 BGÖ und machte geltend, es stehe im öffentlichen und medialen Fokus, weshalb es im Falle eines Zugangs Reputationsrisiken erleide.

56

Das BVGer bejahte jedoch ein überwiegendes öffentliches Interesse am Zugang im verfügten Umfang. Die zunehmende politische und gesellschaftliche Bedeutung des Datenschutzes und der Datensicherheit spreche für ein gewichtiges öffentliches Interesse an der Tätigkeit des EDÖB. Hinzu komme, dass der Bund zur Mehrheit an Swisscom beteiligt sei und sie mithin eine gewisse Staatsnähe aufweise, was ein erhöhtes Interesse an der Offenlegung der umstrittenen Informationen begründe. Zudem verfüge sie über eine Grundkonzession des Bundes gemäss dem Fernmeldegesetz, welche ihr gewisse (finanzielle) Vorteile bringe. Was die befürchteten Reputationsrisiken anbelangt, weist das BVGer schliesslich darauf hin, dass eine kritische Berichterstattung bei einem in der Öffentlichkeit stehenden Unternehmen wie Swisscom tendenziell kein gewichtiges privates Geheimhaltungsinteresse zu begründen vermöge und in einer rechtsstaatlichen Demokratie hinzunehmen sei.

57

Eine Beschwerde gegen das Urteil A-2564/2018 vom 5. August 2020 ist vor dem BGer hängig.

4. Prüfbericht Gewinnmarge RUAG (BVGer A-6003/2019 vom 18. November 2020)

58

Im bereits erwähnten Fall betreffend den Zugang zum Prüfbericht der EFK zur effektiven Gewinnmarge bei RUAG (siehe vorne N 37 ff. und 46 ff.) berief sich letztere auch auf den Schutz ihrer Privatsphäre und stellte sich auf den Standpunkt, dass eine Offenlegung der im Prüfbericht enthaltenen Informationen in der Öffentlichkeit zu Missverständnissen und Spekulationen zu ihren Ungunsten führen würde.

59

Die im Rahmen von Art. 7 Abs. 2 BGÖ vom BVGer vorgenommene Interessenabwägung ergab, dass die privaten Interessen der RUAG die durch das Öffentlichkeitsprinzip statuierten Transparenzinteressen nicht überwiegen. Es bestehe offensichtlich ein gewichtiges öffentliches Interesse am Einblick in die Tätigkeit der EFK. Dafür spreche überdies, dass die RUAG, namentlich um eine transparente und kostenoptimierte Leistungserbringung gegenüber dem VBS zu gewährleisten, in zwei verschiede Subholdings aufgeteilt worden sei. Hinzu komme, dass die RUAG sich in Bundeshand befinde, sie mithin eine gewisse Staatsnähe aufweise, was ein erhöhtes Interesse der Öffentlichkeit an der Offenlegung der umstrittenen Informationen zu begründen vermöge. Hinsichtlich der möglichen Reputationsrisiken für die RUAG wies das BVGer darauf hin, dass zum einen die Medien bereits breit über den anstehenden Verkauf der deutschen Tochtergesellschaft berichtet hätten. Zum anderen würde die RUAG ein allgemein in der Öffentlichkeit stehendes Unternehmen betreiben, welches gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung eine kritische oder negative Berichterstattung eher hinzunehmen habe. Darüber hinaus sei der Inhalt des Prüfberichts im Grundsatz bereits öffentlich bekannt, insofern sei bei einer Zugangsgewährung nicht mit zusätzlichen erheblichen Reputationsverlusten zu rechnen. Damit gelangte das BVGer zum Ergebnis, dass der Zugang zum Prüfbericht – unter Anonymisierung der Personennamen einschliesslich der Revisionsgesellschaft – zu gewähren ist.

5. Beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) vorhandene Dokumente eines Krankenversicherers betreffend Prämienerhöhung in der obligatorischen Krankenversicherung (BGer 1C_59/2020 vom 20. November 2020)

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In diesem bereits erwähnten Verfahren vor BGer (siehe vorne N 40 f.) brachte der beschwerdeführende Gesuchsteller unter anderem vor, dass der Grund für eine Zugangsverweigerung bei vier Dokumenten soweit erkennbar nur darin bestanden habe, dass dort die Namen von Vertretern der betroffenen Versicherung enthalten seien.

61

In diesem Punkt gab das BGer dem Gesuchsteller recht und gewährte ihm im Gegensatz zur Vorinstanz den Zugang zu diesen vier Dokumenten. Das BGer wies darauf hin, dass die betreffende Versicherungsgesellschaft im Bereich der obligatorischen Krankenversicherung als Bundesorgan gelte (Art. 2 Abs. 1 Bst. b BGÖ), weshalb deren Mitarbeitende in diesem Rahmen eine öffentliche Aufgabe erfüllten. Diese personenbezogenen Daten hätten daher nicht im Sinne von Art. 9 Abs. 1 BGÖ anonymisiert werden dürfen. In Bezug auf alle anderen Dokumente wurde die Beschwerde hingegen abgewiesen.

X. Datenschutzrechtliche Ansprüche im BGÖ-Verfahren (Art. 25 und 25bis DSG)

1. Dokumente betreffend den unberechtigten Zugriff auf Kundendaten bei Swisscom (BVGer A-4781/2019 vom 17. Juni 2020 / BVGer A-2564/2018 vom 5. August 2020)

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Vermehrt machen betroffene Dritte in BGÖ-Verfahren Rechtsansprüche nach Art. 25 DSG geltend und beantragen beispielsweise die Berichtigung oder Löschung von ihren in den Dokumenten enthaltenen Personendaten. Die Behörde hat in einem solchen Fall im BGÖ-Verfahren sowohl über die Zugangsgewährung als auch über die datenschutzrechtlichen Ansprüche der betroffenen Dritten zu entscheiden (Art. 25bis DSG). In verfahrensrechtlicher Hinsicht bringt dies zum einen die Herausforderung mit sich, dass die betroffene Drittperson ihre Anträge nach Art. 25 DSG ausreichend begründen können muss, ohne dass die Gefahr besteht, dass der Gesuchsteller dadurch vorzeitig von Inhalten der Dokumente Kenntnis erhält, zu denen er Zugang verlangte. Andererseits müssen gleichzeitig die Verfahrensrechte des Gesuchstellers, einschliesslich seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (insbesondere auf ausreichende Begründung), beachtet werden.

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Auch in den den beiden bereits erwähnten Urteilen zugrundeliegenden Zugangsverfahren beim EDÖB betreffend Dokumente zu einem «Datenvorfall» bei der Swisscom (siehe vorne N 25 ff., 34 ff. und 42 ff.) beantragte diese im Rahmen der Anhörung nach Art. 11 BGÖ, dass gewisse Personendaten gelöscht oder berichtigt werden bzw. ein Bestreitungsvermerk angebracht wird. Der EDÖB entschied über diese datenschutzrechtlichen Begehren sowie den Umfang der Zugangsgewährung in einer einzigen Verfügung. Dem Gesuchsteller wurde diese Verfügung allerdings in teilweise abgedeckter Form eröffnet. So wurden sämtliche Erwägungen zu den Anträgen nach Art. 25 DSG geschwärzt.

64

Damit stellte sich in einem ersten Schritt die Frage nach der Beschwerdelegitimation des Zugangsgesuchstellers in Konstellationen, in welchen eine Verfügung nebst dem Zugang nach BGÖ auch Anträge nach Art. 25 DSG von betroffenen Dritten behandelt (Art. 25bis DSG). Das BVGer hielt diesbezüglich fest, dass in solchen Fällen nebst den betroffenen Dritten auch der Zugangsgesuchsteller (oder beide) Beschwerde erheben können. Die Parteistellung des Zugangsgesuchstellers beschränke sich dabei jedoch darauf, eine gerichtliche Überprüfung der Anwendung von Artikel 25 DSG zu erwirken.

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In einem zweiten Schritt äusserte sich das BVGer zu den vom EDÖB vorgenommenen Schwärzungen in der Verfügung an den Zugangsgesuchsteller und stellte fest, dass damit das rechtliche Gehör des Gesuchstellers verletzt worden sei. So sei er weder in der Lage gewesen zu erfahren, was in dem von ihm initiierten Verfahren geschehen sei, noch habe er die Beschwerdeinstanz auffordern können, die Begründetheit der von den betroffenen Dritten vorgebrachten Ansprüchen nach Art. 25 DSG zu überprüfen. Um die berechtigten Interessen der betroffenen Dritten zu schützen, hätte ihm zumindest eine kurze Zusammenfassung der Begründung der Anträge auf Berichtigung bzw. Löschung der Daten mitgeteilt werden müssen. Da die Verfügung des EDÖB jedoch ohnehin so allgemein gehalten sei, hätte diese dem Gesuchsteller im vorliegenden Fall auch vollständig eröffnet werden können, ohne dass damit die Rechte der betroffenen Dritten verletzt worden wären.

66

Eine Beschwerde gegen das Urteil A-2564/2018 vom 5. August 2020 ist vor dem BGer hängig.

2. Schlussbericht Administrativuntersuchung (BGer 1C_527/2019 vom 14. April 2020)

67

Auch im Jahr 2020 musste sich das BGer abermals mit dem Fall betreffend den Schlussbericht einer im Auftrag des Eidg. Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) von der EFK durchgeführten Administrativuntersuchung im Zusammenhang mit der Gewährung von Bürgschaften des Bundes für die Schweizer Hochseeflotte beschäftigen. Das BVGer hatte geurteilt, dass aufgrund einer schweren Verletzung des rechtlichen Gehörs während der Administrativuntersuchung sämtliche im Schlussbericht enthaltenen Personendaten der beschwerdeführenden Dritten zu vernichten seien und anschliessend der Zugang gewährt werden könne.[10]

68

Dies ging einer von der Administrativuntersuchung betroffenen Person zu wenig weit, weshalb sie Beschwerde vor BGer erhob und verlangte, dass zusätzlich die zuständige Behörde angewiesen werde, die widerrechtliche Bearbeitung sämtlicher personenbezogenen Daten im Schlussbericht zu unterlassen, die in irgendeiner Weise auf sie Bezug nähmen bzw. Rückschlüsse auf ihre Person zuliessen. Subsidiär seien die besagten personenbezogenen Daten so zu vernichten, wie wenn eine Bearbeitung nie stattgefunden hätte. Sollte von solchen Anordnungen abgesehen werden, sei der Zugang zum Schlussbericht der Administrativuntersuchung zu verweigern.

69

Strittig war demnach die Frage, ob neben der Anordnung, bestimmte Personendaten gemäss Art. 25 Abs. 3 Bst. a DSG zu vernichten, noch Raum bleibt, die Datenbearbeitung zusätzlich zu unterlassen (Art. 25 Abs. 1 Bst. a DSG). Das BGer liess diese Frage letztlich offen, führte aber aus, dass das Vernichten im Normalfall auch die Bearbeitung «in maiore minus» abdecke. Das gehe bereits daraus hervor, dass das Vernichten gemäss Art. 3 Bst. e DSG ein Anwendungsfall des Bearbeitens sei. Deshalb führe der Antrag, das Bearbeiten zu unterlassen, streng logisch dazu, dass auch das angeordnete Vernichten nicht mehr zulässig wäre, was offensichtlich nicht gemeint sein könne. Vernichtete Personendaten könnten schon definitionsgemäss nicht mehr weiterbearbeitet oder verwendet werden, womit das Objekt einer möglichen Unterlassungsanordnung entfallen würde.

70

Indem das BVGer im vorliegenden Fall entschieden habe, dass sämtliche im fraglichen Schlussbericht enthaltenen Personendaten über die Beschwerdeführerin zu vernichten seien, sei ihrem entsprechenden Anliegen bereits dadurch ausreichend Genüge getan. Würde dem von ihr offenbar vertretenen Standpunkt gefolgt, dass der Schlussbericht selbst nach Vernichtung aller sie betreffenden Personendaten gemäss der datenschutzrechtlichen Definition überhaupt keine möglichen Rückschlüsse auf sie mehr zulassen dürfte, erschiene ein sinnvoller Abschluss der Administrativuntersuchung kaum mehr möglich. Nach der Vernichtung ihrer Personendaten werde sie durch den Bericht nicht persönlich belastet werden können. Damit seien ihre Interessen ausreichend berücksichtigt und diese könnten die Verweigerung des Zugangs zum Schlussbericht nicht mehr rechtfertigen. Im Ergebnis wies das BGer die Beschwerde als unbegründet ab.

71

Kommentar: Mit Blick auf das vorangehende unter Bst. a besprochene Urteil zur Beschwerdelegitimation bzw. Parteistellung eines Gesuchstellers hinsichtlich Anträgen von betroffenen Drittpersonen nach Art. 25 DSG gilt es anzumerken, dass im vorliegenden Beschwerdeverfahren betreffend Administrativuntersuchung die Zugangsgesuchsteller – soweit erkennbar – zu keinem Zeitpunkt in das Verfahren einbezogen worden sind, obwohl ihr Anspruch auf Zugang durch die Löschung sämtlicher Personendaten in bedeutendem Umfang eingeschränkt wurde.

XI. Verfahrensrechtliche Fragen (Art. 15 BGÖ)

1. Unterlagen zur schriftlichen Diplomprüfung für Steuerexpertinnen und Steuerexperten (BVGer A-458/2020 vom 18. Mai 2020)

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Im bereits besprochenen Urteil zum nicht erfolgreichen Kandidaten der Steuerexpertenprüfung (siehe vorne N 2 f. und 9) erhob dieser auch die Rüge, die Trägerorganisation habe die angefochtene Verfügung betreffend die Zugangsverweigerung in Verletzung der gesetzlichen Frist gemäss Art. 15 Abs. 3 BGÖ drei Tage zu spät erlassen, weshalb sie der Empfehlung des EDÖB zu folgen habe und ihre Verfügung aufzuheben sei.

73

Dazu hielt das BVGer gemäss seiner ständigen Rechtsprechung fest, dass Verfahrensfristen des BGÖ reine Ordnungsfristen seien. Ihre Überschreitung (insb. beim Erlass einer Verfügung) legitimiere den Gesuchsteller zur Einreichung einer Rechtsverzögerungsbeschwerde, führe hingegen nicht zur Aufhebung der zu spät erlassenen Verfügung. Ebenso wenig sei die Behörde aufgrund der (geringen) Fristüberschreitung verpflichtet, der Empfehlung des EDÖB zu folgen, zumal die Empfehlung aufgrund ihrer Rechtsnatur gerade keine Verfügung darstelle und demnach keine bindende Wirkung zu entfalten vermöge.

2. Dokumente betreffend den unberechtigten Zugriff auf Kundendaten bei Swisscom (BVGer A-4781/2019 vom 17. Juni 2020 / BVGer A-2564/2018 vom 5. August 2020)

74

Zum ersten Mal seit Inkrafttreten des BGÖ musste sich das BVGer in diesen beiden Urteilen mit der Frage beschäftigen, ob und gegebenenfalls von welcher Behörde ein Schlichtungsverfahren durchzuführen ist, wenn Zugangsgesuche an den EDÖB selbst gerichtet werden. Dieser hatte es im konkreten Fall abgelehnt, ein Schlichtungsverfahren in eigener Sache durchzuführen, sondern gemäss seiner ständigen Praxis direkt eine Verfügung nach Art. 15 BGÖ erlassen. Die von den Zugangsgesuchen betroffene Swisscom machte vor BVGer geltend, dass vor Erlass der angefochtenen Verfügung zwingend ein Schlichtungsverfahren durch eine Ersatzbehörde hätte durchgeführt werden müssen.

75

Das BVGer gelangte durch Auslegung zum Schluss, dass diesbezüglich von einer echten Gesetzeslücke auszugehen sei. Das (unvollständige) Gesetz sehe für eine solche Doppelfunktion des EDÖB keinen Verfahrensablauf vor und nenne auch keine allenfalls zuständige Ersatzbehörde. Mit Blick auf den Gesetzeszweck und den dem BGÖ zugrundeliegenden Wertungen dränge sich keine Pflicht zur Durchführung eines Schlichtungsverfahrens durch eine Ersatzbehörde auf. Damit würde insbesondere den Vorstellungen des Gesetzgebers betreffend die Einfachheit des Verfahrens, die Unabhängigkeit und die fachliche Eignung der Schlichtungsstelle nicht hinreichend Rechnung getragen.

76

Eine Beschwerde gegen das Urteil A-2564/2018 vom 5. August 2020 ist vor dem BGer hängig.

3. Dokumente zur Untersuchung der Wettbewerbskommission (WEKO) des Projektes «D»  (Urteil des BVGer A-3215/2020 vom 7. Dezember 2020)

77

Streitig war der Umfang des Zugangs zu Akten der WEKO betreffend die Untersuchung eines Projektes. Die WEKO hatte den Zugang teilweise eingeschränkt, indem sie Personendaten anonymisiert und Geschäftsgeheimnisse abgedeckt hatte. Anlässlich des Schlichtungsverfahrens erliess der EDÖB die Empfehlung, wonach die WEKO einen vollständigen Zugang zu den betroffenen Dokumenten nach Massgabe des Öffentlichkeitsgesetzes gewähren solle, da sie es unterlassen habe, die geltend gemachten Geschäftsgeheimnisse im Einzelfall ausreichend zu begründen. Akzeptiert wurde hingegen die Anonymisierung von Personendaten. Diese Empfehlung wurde von den Parteien des Schlichtungsverfahrens in der Folge völlig unterschiedlich interpretiert. Während die Gesuchstellerin diese dahingegen verstand, dass sie nun den uneingeschränkten Zugang erhalten werde, leitete die WEKO aus der Empfehlung ab, dass sie den Zugang nach wie vor durch die Einschwärzung von Geschäftsgeheimnissen beschränken könne, diese Einschränkungen allerdings nach Massgabe des BGÖ zu begründen habe. Dieses unterschiedliche Verständnis führte im Ergebnis dazu, dass die Gesuchstellerin, in der Meinung vollständig obsiegt zu haben, ihre zehntägige Frist gemäss Art. 15 Abs. 1 BGÖ für das Verlangen einer anfechtbaren Verfügung ungenutzt verstreichen liess, wohingegen die WEKO in der erneuten Beschränkung des Zugangs unter ausreichender Begründung der Abdeckung von Geschäftsgeheimnissen ihrerseits die bedingungslose Umsetzung der Empfehlung des EDÖB sah und das Zugangsverfahren damit für abgeschlossen erklärte. Daraufhin verlangte die Gesuchstellerin von der WEKO nachträglich den Erlass einer Verfügung, welche diese nach Auffassung der Gesuchstellerin ohnehin von Amtes wegen hätte erlassen müssen, da sie der Empfehlung des EDÖB nicht Folge geleistet habe. Da die WEKO an ihrem Standpunkt festhielt, gelangte die Gesuchstellerin mit Beschwerde an das BVGer und beantragte, die WEKO sei anzuweisen, ihr den vollständigen Zugang gemäss Empfehlung des EDÖB zu gewähren oder aber es sei die Rechtsverweigerung seitens der WEKO betreffend ihren Anspruch auf Erlass einer anfechtbaren Verfügung festzustellen, und die WEKO sei anzuweisen, über den Zugang in Form einer anfechtbaren Verfügung zu befinden.

78

In seinem Urteil kam das BVGer zum Schluss, dass der Gesuchsteller mit Blick auf die 10-tägige Frist nach Art. 15 Abs. 1 BGÖ von der Behörde eine Verfügung verlangen muss, bevor die Behörde ihre Interpretation der Empfehlung des EDÖB festlegt und mitteilt. Dadurch bestehe die Gefahr, dass der Gesuchsteller unter Umständen erst nach Ablauf der 10-tägigen Frist erkennen könne, dass er von einem anderen Verständnis der Empfehlung ausgehe, als die Behörde. Demnach sei es wegen des gesetzlichen Verfahrensablaufs möglich, dass die Behörde ein Zugangsverfahren ohne Verfügung beenden könne, ohne dass der Gesuchsteller entweder mit der Empfehlung des EDÖB einverstanden sei oder sich gerichtlich dagegen zu wehren vermöge. Das widerspreche dem Zweck des BGÖ, justiziable Zugangsrechte durchzusetzen. Die Behörde trage trotz ihrer «Parteirolle» eine Verantwortung für den rechtsstaatlichen Ablauf des Verfahrens. Sie habe eine Empfehlung des EDÖB demnach so zu verstehen (bzw. zu interpretieren), dass die (Verfahrens-)Rechte der Gesuchstellenden gewahrt blieben. Im Ergebnis qualifizierte das BVGer die erneute Abdeckung von Geschäftsgeheimnissen als Abweichen von der Empfehlung des EDÖB, weshalb die WEKO gemäss Art. 15 Abs. 2 BGÖ verpflichtet gewesen wäre, von Amtes wegen eine Verfügung über den Umfang der Gewährung des Zugangs zu erlassen. Indem sie dies unterliess, habe sie eine Rechtsverweigerung begangen. Die WEKO wurde angewiesen, entweder den vollständigen Zugang zu den verlangten Dokumenten zu gewähren oder aber in Abweichung der Empfehlung des EDÖB den Zugang mittels anfechtbarer Verfügung einzuschränken.

79

Kommentar: Dieser Art von Missverständnissen der Verfahrensbeteiligten des Schlichtungsverfahrens könnte entgegengewirkt werden, indem die Frist gemäss Art. 15 Abs. 1 BGÖ für die Gesuchstellenden für den Antrag um Erlass einer anfechtbaren Verfügung von 10 auf 30 Tage verlängert würde. Dabei hätte die gesuchstellende Person nach Ablauf der 20-tägigen Frist nach Art. 15 Abs. 2 (Erlass einer Verfügung durch die Behörde v.A.w.) nochmals 10 Tage Zeit, ihrerseits den Erlass einer Verfügung zu verlangen.



* Die Autoren vertreten in diesem Beitrag ihre persönliche Meinung.


 

Fussnoten:

  1. Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ; SR 152.3).

  2. Vgl. dazu auch die Urteilsbesprechung von Dominique Strebel, Das Steuergeheimnis gilt nicht mehr absolut, vom 3. September 2020; in medialex 07/20.

  3. s. dazu bereits Daniel Kämpfer, Öffentlichkeitsprinzip: Hintertür Spezialbestimmungen? medialex 01/2019, 1. Okt. 2019 sowie Daniel Kämpfer, Annina Keller, Überblick über praxisrelevante Entscheide der Jahre 2018 und 2019 zum Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ), medialex 02/2020, 4. März 2020, Rz. 10.

  4. Neben diesem Urteil wird auf die weiteren Urteile des BVGer B-709/2018 und B-1109/2018 beide ebenfalls vom 16. Dezember 2020 aufmerksam gemacht. Auch in diesen beiden Entscheiden war im Wesentlichen die Frage über die Anwendung von Art. 19 Abs. 2 RAG als Spezialbestimmung i.S.v. Art. 4 BGÖ zu beantworten, weshalb anlässlich des vorliegenden Beitrags nicht weiter auf diese eingegangen wird.

  5. Bundesgesetz über die Zulassung und Beaufsichtigung der Revisorinnen und Revisoren (Revisionsaufsichtsgesetz, RAG; SR 221.302).

  6. Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG; SR 235.1).

  7. Urteil BVGer A-2352/2017 vom 11. Dezember 2019. Vgl. dazu auch Daniel Kämpfer, Annina Keller, Überblick über praxisrelevante Entscheide der Jahre 2018 und 2019 zum Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ), medialex 02/2020, 4. März 2020.

  8. Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzkontrolle (Finanzkontrollgesetz, FKG; SR 614.0).

  9. s. dazu auch Daniel Kämpfer, Annina Keller, Überblick über praxisrelevante Entscheide der Jahre 2018 und 2019 zum Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ), medialex 02/2020, 4. März 2020, Rz. 41 ff.

  10. Urteil BVGer A-7102/2017 vom 27. August 2019; Vgl. dazu auch Daniel Kämpfer, Annina Keller, Überblick über praxisrelevante Entscheide der Jahre 2018 und 2019 zum Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ), medialex 02/2020, 4. März 2020.


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