Öffentlichkeitsprinzip: Hintertür Spezialbestimmungen?

Ö

Im Urteil A-5623/2017 ist das Bundesverwaltungsgericht nach Auffassung des Autors bei Spezialbestimmungen, die dem Öffentlichkeitsgesetz vorgehen, zu grosszügig

Daniel Kämpfer*, MLaw, Jurist beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA

1 Résumé: La Loi fédérale sur la sécurité des produits (LSPro) oblige, à l’art. 10 al. 4, les organes d’exécution à informer la population des dangers particuliers de certains produits et des mesures prises. A l’art. 12 en revanche, la loi exige que ces mêmes organes gardent le secret dans certains cas. Le Tribunal administratif fédéral estime que l’application combinée de ces deux dispositions est une particularité légale ayant la priorité sur le droit à l’accès à des documents officiels au sens de la Loi sur la transparence (LTrans). Ce résultat ne convainc pas. La limite entre des informations officielles actives et passives, les objectifs différents de la LSPro et de la LTrans ainsi que la réserve nécessaire lors de l’examen de possibles dispositions spéciales de la LTrans aboutissent à un autre résultat.

Zusammenfassung: Das Produktesicherheitsgesetz (PrSG) sieht in Art. 10 Abs. 4 eine Aktivinformationspflicht der Vollzugsorgane hinsichtlich besonders gefährlicher Produkte sowie getroffener Massnamen und in Art. 12 eine Schweigepflicht vor. Das BVGer sieht in der kombinierten Anwendung dieser beiden Bestimmungen eine spezialgesetzliche Grundlage, die dem Anspruch auf Zugang zu amtlichen Dokumenten nach BGÖ vorgeht. Dieses Ergebnis überzeugt nicht. Die Abgrenzung von aktiver und passiver behördlicher Information, die unterschiedliche Zielsetzung des PrSG und des BGÖ sowie die notwendige Zurückhaltung bei der Prüfung von möglichen Spezialbestimmungen zum BGÖ legen ein anderes Ergebnis nahe.

Sachverhalt:

A.
Die Schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu; nachfolgend: Vorinstanz) kontrollierte im Jahr 2015 stichprobenweise die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften bei neun Wickelkommoden.

Am 16. bzw. 17. August 2016 reichte Beatrice Walder (nachfolgend: Beschwerdeführerin) als Journalistin der Konsumentenzeitschrift K-Tipp bei der Vorinstanz ein Zugangsgesuch gestützt auf das Bundesgesetz vom 17. Dezember 2004 über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ, SR 152.3) ein. In ihrem Gesuch erkundigte sie sich nach den Produkten, die den Sicherheitsvorschriften nicht entsprochen hätten, und nach den Mängeln, die festgestellt worden seien.

B.
Am 23. August bzw. 8. September 2016 stellte die Vorinstanz der Beschwerdeführerin eine eingeschwärzte Fassung des Abschlussberichts PrSG-Stichprobe 2015 zu. Uneingeschränkt offengelegt wurden die Angaben über die zwei Produkte, für welche Warnungen beim Eidgenössischen Büro für Konsumentenfragen (BFK) im Dezember 2015 veröffentlicht wurden (Verfahren Nr. 300309 und 300311). Bei den sechs Produkten, bei denen Mängel festgestellt wurden, die jedoch nicht derart gravierend waren, dass eine öffentliche Warnung angezeigt gewesen wäre, wurden die Produktbezeichnungen, Produktbilder, Namen der Inverkehrbringer, Artikelnummern, Preise und Bestelladressen eingeschwärzt (Verfahren Nr. 300308, 300310, 300312, 300313, 300315 sowie 300316). Ebenfalls eingeschwärzt wurden die Angaben über das Produkt, welches keine Mängel aufwies (Verfahren Nr. 300314).

C.
C.a Am 13. September 2016 reichte die Beschwerdeführerin einen Schlichtungsantrag nach Art. 13 BGÖ beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) ein.

C.b Anlässlich der Schlichtungsverhandlung vom 15. März BGÖ durchzuführen. Mit Schreiben vom 28. April 2017 informierte die Vorinstanz die Beschwerdeführerin und den EDÖB darüber, dass nur einer der betroffenen Inverkehrbringer mit der Herausgabe der Angaben einverstanden sei (Verfahren Nr. 300310). In diesem Fall gewährte die Vorinstanz der Beschwerdeführerin den vollständigen Zugang. In den anderen Fällen hielt sie am eingeschränkten Zugang fest.

C.c Der EDÖB erliess am 6. Juli 2017 eine Empfehlung im Sinne von Art. 14 BGÖ. Er empfahl, den Zugang zu den verlangten Informationen vollständig zu gewähren. Der Abschlussbericht PrSG-Stichprobe 2015 sei der Beschwerdeführerin zuzustellen, wobei die Daten betreffend Inverkehrbringer, Artikelnummer, Preis und Bestellung zu schwärzen seien, da diese nicht Gegenstand des Zugangsgesuchs seien.

In der Begründung führte der EDÖB im Wesentlichen aus, Art. 10 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Produktesicherheit (PrSG, SR 930.11) regle die aktive Informationspflicht und stelle keine lex specialis im Sinne von Art. 4 Bst. b BGÖ dar. Das Zugangsgesuch sei daher nach dem Öffentlichkeitsgesetz zu beurteilen. Bei den vorliegenden Umständen überwiege das öffentliche Interesse an der vollständigen Offenlegung des Abschlussberichts PrSG-Stichprobe 2015 das private Interesse der betroffenen Verkäufer am Schutz ihrer Personendaten (vgl. Art. 6 Abs. 2 Bst. b der Verordnung vom 24. Mai 2006 über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung [Öffentlichkeitsverordnung, VBGÖ, SR 152.31]).

D.
Am 30. August 2017 verfügte die Vorinstanz, der Zugang zum Abschlussbericht PrSG-Stichprobe 2015 betreffend Wickelkommoden werde eingeschränkt gewährt. In den Verfahren Nr. 300308, 300312, 300313, 300315 sowie 300316 würden jeweils Produktbild, Angaben des Inverkehrbringers, Produktbezeichnung, Artikelnummer, Preis und Bestelladresse geschwärzt.

In den Erwägungen legte die Vorinstanz dar, die spezialgesetzliche Bestimmung von Art. 10 Abs. 4 PrSG (Warnung der Bevölkerung) i.V.m. Art. 12 PrSG (Schweigepflicht) regle den Zugang abweichend vom Öffentlichkeitsgesetz. Der Gesetzgeber habe mit Art. 10 Abs. 4 PrSG eine spezialgesetzliche Regelung geschaffen, um im Sinne des Verhältnismässigkeitsprinzips eine unnötige Rufschädigung für den Inverkehrbringer bzw. Hersteller des Produkts zu verhindern. Das Produktesicherheitsgesetz sehe ferner in Art. 12 PrSG eine spezialgesetzliche Schweigepflicht vor, die zusammen mit Art. 10 Abs. 4
PrSG greife, wenn die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet sei. Das Produktesicherheitsgesetz, welches zeitlich nach dem BGÖ erlassen worden sei, enthalte damit eine eigene Zugangsregelung, die dem Öffentlichkeitgesetz vorgehe (Art. 4 BGÖ). Auch spezialgesetzliche Bestimmungen zur aktiven Information seien vom Vorbehalt von Art. 4 BGÖ erfasst. Bei den fünf eingeschwärzten Fällen sei die öffentliche Sicherheit durch die festgestellten Mängel nicht gefährdet gewesen, weshalb eine öffentliche Warnung unverhältnismässig gewesen wäre und sie unter die spezialgesetzliche Schweigepflicht fallen würden. Angesichts der Geringfügigkeit der Mängel wären auch im Rahmen einer Beurteilung nach dem Öffentlichkeitsgesetz die Interessen der betroffenen Hersteller am Schutz ihrer Personendaten höher zu gewichten gegenüber den Interessen der Öffentlichkeit, über diese Produkte informiert zu werden. Die Personendaten seien deshalb zu anonymisieren (vgl. Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 BGÖ).

E.
Mit Eingabe vom 2. Oktober 2017 erhebt die Beschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen die Verfügung der

Vorinstanz vom 30. August 2017. Sie beantragt, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und ihr sei Zugang zum Abschlussbericht PrSG-Stichprobe 2015 betreffend Wickelkommoden zu gewähren ohne Schwärzung der Produktbezeichnungen und der Produktbilder.

Als Begründung bringt die Beschwerdeführerin vor, das Produktesicherheitsgesetz sehe keine spezialgesetzliche Regelung zum Öffentlichkeitsgesetz vor. Während Art. 10 Abs. 4 PrSG eine aktive Informationspflicht der Behörde begründe, welche das Ziel der Sicherheit der Bevölkerung verfolge, räume das Öffentlichkeitsgesetz ein über die aktive Informationspflicht hinausgehendes Einsichtsrecht in amtliche Dokumente ein. Die Schweigepflicht gemäss Art. 12 PrSG entspreche lediglich dem allgemeinen Amtsgeheimnis. Das Bundesverwaltungsgericht habe bereits mit Urteil A-3363/2012 vom 22. April 2013 erkannt, dass die Informationen, welche das Eidgenössische Starkstrominspektorat (ESTI) als Vollzugsorgan des Produktesicherheitsgesetzes anlässlich der vorgenommenen Kontrollen gewonnen habe, in den Anwendungsbereich des Öffentlichkeitsgesetzes fallen würden, sofern es sich um amtliche Dokumente handle. Das Öffentlichkeitsgesetz finde daher Anwendung. Vorliegend bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse, dass die Konsumentenzeitschrift K-Tipp über die erheblichen Mängel und die Gefahren der Wickelkommoden sowie über die Kontrolltätigkeit der Vorinstanz berichte. Es sei nicht auszuschliessen, dass die mangelhaften Produkte, z.B. in Secondhand-Geschäften, weiterhin erhältlich seien. Nicht einsichtig sei, dass den betroffenen Inverkehrbringern durch die Berichterstattung ein wirtschaftlicher Schaden oder ein erheblicher Imageverlust drohen könnte. Gemäss dem Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG, SR 241) und aufgrund der Erklärung der Pflichten der Journalistinnen und Journalisten des Presserats sei sie gehalten, inhaltlich korrekt und fair über die Thematik zu berichten. Es sei daher nicht gerechtfertigt und grundrechtswidrig, ihr den vollständigen Zugang zum Abschlussbericht PrSG-Stichprobe 2015 zu verweigern.

F.
Die Vorinstanz schliesst in der Vernehmlassung vom 15. Dezember 2017 auf Abweisung der Beschwerde. Ergänzend zur Vernehmlassung reicht sie ein extern eingeholtes Kurzgutachten vom 24. November 2017 ein (nachfolgend: Kurzgutachten).

Unter Verweis auf die Ausführungen im Kurzgutachten bleibt die Vorinstanz bei ihrem Standpunkt, es handle sich beim Produktesicherheitsgesetz um ein in sich geschlossenes, fachspezifisches Gesamtsystem von Regelungen bezüglich Information, Öffentlichkeit und Geheimhaltung. Der Gesetzgeber habe die Transparenz der Staatstätigkeit und komplementär die Schweigepflicht spezifisch für die Kontrollorgane konkretisiert. Gestützt auf Art. 4 BGÖ komme das Öffentlichkeitsgesetz deshalb nicht zur Anwendung, wenn es um den Zugang zu Informationen aus dem Vollzug des Produktesicherheitsgesetzes gehe. Andernfalls könnten Private Informationen aus der Kontrolltätigkeit nutzen, ohne an die verwaltungsrechtlichen Grundsätze gebunden zu sein. Doch selbst wenn das Öffentlichkeitsgesetz Anwendung fände, habe sie die Transparenz lediglich bezüglich ihrer Tätigkeit, nicht jedoch bezüglich der Geschäftsgeheimnisse der kontrollierten Inverkehrbringer herzustellen (vgl. Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ). Bei einer weitergehenden Information sänke zudem zukünftig die Kooperationsbereitschaft der Inverkehrbringer, was die Kontrolltätigkeit der Vorinstanz behindern würde (vgl. Art. 7 Abs. 1 Bst. b BGÖ). Auch nach dem Öffentlichkeitsgesetz hätte die Beschwerdeführerin daher keinen Anspruch auf uneingeschränkten Zugang.

G.
In den am 15. Februar 2018 eingereichten Schlussbemerkungen hält die Beschwerdeführerin an den Rechtsbegehren und Ausführungen in der Beschwerdeschrift fest.

In der Begründung nimmt die Beschwerdeführerin nochmals zu einzelnen strittigen Punkten Stellung. Sie weist darauf hin, das Kurzgutachten, welches die Vorinstanz extern eingeholt habe, stelle eine Parteieingabe und keine unabhängige Fachmeinung dar. In der Sache betont sie, ob einer Rechtsnorm als lex specialis Vorrang zukomme, sei im Einzelfall auf dem Weg der Auslegung zu bestimmen. Weder in der Botschaft des Bundesrates noch in den parlamentarischen Beratungen zum Produktesicherheitsgesetz sei das Verhältnis zum Öffentlichkeitsgesetz behandelt worden. Art. 10 Abs. 4 PrSG regle allein die aktive Information, für das Recht auf passive Information finde das Öffentlichkeitsgesetz Anwendung. In Bezug auf die mangelhaften Wickelkommoden bestehe vorliegend ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe der Produktbezeichnungen und der Produktbilder.

H.
Auf die weiteren Vorbringen der Parteien sowie die sich bei den Akten befindlichen Schriftstücke wird - soweit entscheidrelevant - im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um eine Verfügung im Sinne von Art. 5
des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021), die von einer Vorinstanz im Sinne von Art. 33 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) erlassen wurde. Da keine Ausnahme gemäss Art. 32 VGG vorliegt, ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung der Beschwerde zuständig (Art. 31 VGG und Art. 44 VwVG; vgl. auch Art. 16 Abs. 1 BGÖ, der auf die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege verweist). Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes vorsieht (Art. 37 VGG).

1.2 Zur Beschwerde ist nach Art. 48 Abs. 1 VwVG berechtigt, wer am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (Bst. a), durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist (Bst. b) und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat (Bst. c). Die Beschwerdeführerin ist als Adressatin der angefochtenen Verfügung, mit der ihr der nachgesuchte Zugang teilweise verweigert wurde, ohne Weiteres zur Beschwerde berechtigt.

1.3 Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde (vgl. Art. 50 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 VwVG) ist somit einzutreten.

2.
Das Bundesverwaltungsgericht überprüft die angefochtene Verfügung auf Rechtsverletzungen - einschliesslich unrichtiger oder unvollständiger Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und Rechtsfehler bei der Ausübung des Ermessens - sowie auf Angemessenheit hin (vgl. Art. 49 VwVG).

3.
3.1 Nach Art. 6 Abs. 1 BGÖ hat jede Person das Recht, amtliche Dokumente einzusehen und von den Behörden Auskünfte über den Inhalt amtlicher Dokumente zu erhalten. Mit dem Inkrafttreten des Öffentlichkeitsgesetzes am 1. Juli 2006 wurde der Grundsatz der Geheimhaltung der Verwaltungstätigkeit ("Geheimhaltung mit Öffentlichkeitsvorbehalt") zu Gunsten des Öffentlichkeitsprinzips ("Grundsatz der Öffentlichkeit mit Geheimhaltungsvorbehalt") umgekehrt. Der Öffentlichkeitsgrundsatz dient der Transparenz der Verwaltung und soll das Vertrauen der Bürger in die staatlichen Institutionen und ihr Funktionieren fördern; er bildet zudem eine wesentliche Voraussetzung für eine sinnvolle demokratische Mitwirkung am politischen Entscheidfindungsprozess und für eine wirksame Kontrolle der staatlichen Behörden (Art. 1 BGÖ). Das Transparenzgebot trägt zudem zur Verwirklichung der Informationsfreiheit (Art. 16 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR 101]) sowie zur Verwaltungsmodernisierung bei. Soweit wie hier eine Medienvertreterin um Zugang zu behördlichen Informationen ersucht, um sie später zu verarbeiten und zu verbreiten, dient das Transparenzgebot schliesslich zumindest indirekt auch der Verwirklichung der Medienfreiheit (Art. 17 BV; vgl. auch Art. 10 Abs. 4 Bst. a BGÖ; vgl. zum Ganzen BGE 142 II 313 E. 3.1 mit Hinweisen; Urteil des BGer 1C_222/2018 vom 21. März 2019 E. 3.1; Urteil des BVGer A-1732/2018 vom 26. März 2019 E. 3.3; Gabor P. Blechta, in: Maurer-Lambrou/Blechta [Hrsg.], Datenschutzgesetz/Öffentlichkeitsgesetz, Basler Kommentar, 3. Aufl. 2014, Art. 1 BGÖ Rz. 4ff. [nachfolgend: Basler Kommentar DSG/BGÖ]; Stephan C. Brunner, in: Brunner/Mader [Hrsg.], Öffentlichkeitsgesetz, Handkommentar, 2008, Art. 1 Rz. 5 ff. [nachfolgend: Handkommentar BGÖ]).

3.2 Art. 4 BGÖ behält Spezialnormen anderer Bundesgesetze vor, die bestimmte Informationen als geheim bezeichnen (Bst. a) oder abweichende Voraussetzungen für den Zugang zu solchen Informationen vorsehen (Bst. b). Die spezialgesetzlichen Zugangsnormen können einen im Vergleich zum Öffentlichkeitsgesetz erleichterten oder erschwerten Zugang festlegen (Botschaft des Bundesrates vom 12. Februar 2003 zum Bundesgesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung, BBl 2003 1989 [nachfolgend: Botschaft zum BGÖ]; vgl. Christa Stamm-Pfister, Basler Kommentar DSG/BGÖ, Art. 4 BGÖ Rz. 10, Bertil Cottier, Handkommentar BGÖ, Art. 4 Rz. 13). Das Verhältnis des allgemeinen Transparenzgebots gemäss dem Öffentlichkeitsgesetz zu besonderen Vertraulichkeitsregeln in anderen Bundesgesetzen ist auf dem Weg der Auslegung zu bestimmen. Entscheidend ist dafür der Sinngehalt der divergierenden Normen, für den wiederum wesentlich auf deren Zweck zurückzugreifen ist. In diesem Sinne ist das allgemeine öffentliche Interesse an der Öffentlichkeit der Verwaltung dem Schutzzweck der Spezialnorm gegenüberzustellen (vgl. Urteil des BGer 1C_50/2015 vom 2. Dezember 2015 E. 2 mit Hinweisen; Stamm-Pfister, Basler Kommentar DSG/BGÖ, Art. 4 BGÖ Rz. 2, Cottier, Handkommentar BGÖ, Art. 4 Rz. 10).

3.3 Das Öffentlichkeitsgesetz des Bundes regelt grundsätzlich nur die passive Informationstätigkeit, d.h. die Information auf Gesuch hin (vgl. Botschaft zum BGÖ, BBl 2003 1977; BGE 142 II 268 E. 4.2.5.2; Blechta, Basler Kommentar DSG/BGÖ, Entstehung u. Systematik BGÖ Rz. 37, Brunner/Mader, Handkommentar BGÖ, Einleitung Rz. 84). Im Rahmen der aktiven Information informieren die Behörden die Öffentlichkeit von sich aus über ihrer Tätigkeit sowie über aktuelle Geschäfte. Funktonal sind die passive und aktive Information teilweise eng verzahnt. Sie bedingen und ergänzen sich gegenseitig (Brunner/Mader, Handkommentar BGÖ, Einleitung Rz. 21 mit Hinweisen; vgl. auch Luzius Mäder, Das Öffentlichkeitsgesetz des Bundes - Einführung in die Grundlagen, in: Bernhard Ehrenzeller [Hrsg.], Das Öffentlichkeitsgesetz des Bundes, 2006, S. 17).

4.
In der Hauptsache strittig und nachfolgend zu prüfen ist, ob sich die Vor-instanz mit Art. 10 Abs. 4 i.V.m. Art. 12 PrSG auf eine spezialgesetzliche Grundlage gemäss Art. 4 BGÖ stützen kann, um der Beschwerdeführerin den ersuchten Zugang zum Abschlussbericht PrSG-Stichprobe 2015 teilweise zu verweigern.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin liegt zu dieser Frage noch keine gefestigte Rechtsprechung vor. Im Urteil A-3363/2012 vom 22. April 2013 entschied das Bundesverwaltungsgericht zwar über ein Zugangsgesuch nach dem Öffentlichkeitsgesetz im Anwendungsbereich des Produktesicherheitsgesetzes. Mit Art. 4 BGÖ, auf den sich die Vorinstanz in der angefochtenen Verfügung beruft, befasste sich jedoch im damaligen Beschwerdeverfahren weder das Bundesverwaltungsgericht noch das Bundesgericht (Urteil des BGer 1C_550/2013 vom 19. November 2013).

5.
Aus dem Gesetzeswortlaut von Art. 4 BGÖ wie auch aus den Materialien ergeben sich vorliegend keine Anhaltspunkte, dass der Vorbehalt von Spezialbestimmungen auf die passive Information beschränkt wäre. Vielmehr ist gerade angesichts der engen funktonalen Verknüpfung von aktiver und passiver Information mit der Vorinstanz einig zu gehen, dass gegebenenfalls auch spezialgesetzliche Normen zur aktiven Informationstätigkeit dem Öffentlichkeitsgesetz vorgehen können. Denn bei beiden Arten der Information gilt es, eine in sich konsistente Anwendung der verschiedenen gesetzlichen Grundlagen sicherzustellen. Soweit die Beschwerdeführerin und der EDÖB diesbezüglich einen anderen Standpunkt vertreten, ist ihnen nicht zu folgen. Auch in Bezug auf die aktive Information ist somit grundsätzlich durch Auslegung der betreffenden Bestimmungen zu prüfen, ob der Vorbehalt von Art. 4 BGÖ greift oder es sich andererseits bloss um eine Mindestvorschrift zur Publikation handelt (vgl. zu Letzterem Urteil des BVGer A-4571/2015 vom 10. August 2016 E. 4.2 mit Hinweisen).

6.
6.1 Nachfolgend ist somit durch Auslegung zu ermitteln, ob mit Art. 10 Abs. 4 i.V.m. Art. 12 PrSG eine bundesgesetzliche Spezialbestimmung vorliegt, die dem Öffentlichkeitsgesetz vorgeht (Art. 4 BGÖ).

6.2 Nach Art. 10 Abs. 4 PrSG warnen die Vollzugsorgane die Bevölkerung vor gefährlichen Produkten, wenn der Inverkehrbringer nicht oder nicht rechtzeitig wirksame Massnahmen trifft. Sie machen ihre Informationen über die Gefährlichkeit bestimmter Produkte und über die getroffenen Massnahmen öffentlich zugänglich. Aus dem Gesetzeswortlaut in allen drei Amtssprachen ergibt sich eine detaillierte Regelung, unter welchen Vor-aussetzungen die Vollzugsorgane die Bevölkerung warnen und welche Informationen bekanntgegeben werden. Nach dem Wortlaut handelt es sich auch nicht um eine Kann-Bestimmung, die die Warnung in das Entschliessungsermessen der Vollzugsorgane stellt. Im Weiteren hält Art. 12 PrSG fest, dass die Vollzugsorgane der Schweigepflicht unterstehen, soweit ihre Wahrnehmungen nicht für die Sicherheit von Produkten oder für den Erfahrungsaustausch über sicherheitstechnische Massnahmen bedeutsam sind. Das Gesetz auferlegt den Vollzugsorganen damit eine Geheimhaltungspflicht, wobei es gesonderte, bereichsspezifische Ausnahmen vorsieht. Art. 10 Abs. 4 i.V.m. Art. 12 PrSG könnten dem Wortlaut nach als Spezialbestimmung dem Öffentlichkeitsgesetz vorgehen.

6.3 Das Produktesicherheitsgesetz, welches das Bundesgesetz vom 19. März 1976 über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten (STEG, AS 1977 2370) abgelöst hat, wurde zeitlich nach dem Öffentlichkeitsgesetz erlassen. Mit Erlass des Produktesicherheitsgesetzes sollten die Vollzugsorgane die gleichen Kompetenzen zum Ergreifen geeigneter Massnahmen erhalten, wie sie die Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft (EG) über die allgemeine Produktsicherheit vorsieht (Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit, ABl. L 11 vom 15. Januar 2002). Zu den hier relevanten Bestimmungen des Produktesicherheitsgesetzes heisst es in der Botschaft des Bundesrates, die Vollzugsorgane seien verpflichtet, die zum Schutze der Sicherheit und der Gesundheit erforderlichen Massnahmen zu treffen. Die Massnahmen müssten dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entsprechen. Habe der Inverkehrbringer die ihm bekannten Besitzer von gefährlichen Produkten oder nötigenfalls die Öffentlichkeit nicht bereits selbst rechtzeitig und wirksam informiert, so hätten gemäss Art. 10 Abs. 4 PrSG die zuständigen Behörden die Bevölkerung vor gefährlichen Produkten zu warnen. Die Sicherheit und die Gesundheit der Bevölkerung wie auch der Grundsatz der Transparenz der Staatstätigkeit würden sodann erfordern, dass Informationen der Behörden über die Gefährlichkeit von Produkten sowie über die getroffenen Massnahmen der Öffentlichkeit zugänglich seien. Zur Schweigepflicht der Vollzugsorgane gemäss Art. 12 PrSG führt der Bundesrat in der Botschaft aus, die Regelung von Art. 10 Abs. 3 STEG werde übernommen, aber in einem separaten Artikel geregelt, weil die Adressaten der Auskunfts- bzw. der Mitwirkungspflicht und der Schweigepflicht unterschiedlich seien (Botschaft des Bundesrates vom 25. Juni 2008 zum Produktesicherheitsgesetz, BBl 2008 7444 f. [nachfolgend: Botschaft zum PrSG]). Eigene Erläuterungen zur Koordination mit dem Öffentlichkeitsgesetz fehlen in der Botschaft des Bundesrates und soweit ersichtlich auch in den übrigen Materialien.

6.4 Ist die aktive Information gesetzlich geregelt, heisst das - gemäss Rechtsprechung (vgl. vorstehend E. 5) und wie auch von der Beschwerdeführerin zu Recht vorgebracht - noch nicht, dass jegliche weitere Bekanntgabe aus Geheimhaltungsgründen ausgeschlossen wäre. Im Hinblick auf den Sinn und Zweck weisen die hier fraglichen Bestimmungen jedoch Besonderheiten auf: Die Warnung der Bevölkerung nach Art. 10 Abs. 4 PrSG dient nicht nur der Transparenz der Staatstätigkeit (vgl. Botschaft zum PrSG, BBl 2008 7444), sondern sie gehört zu den Massnahmen, mit denen das materielle Recht durchgesetzt wird. Warnungen sind Hinweise auf konkrete Gefahren, die überwiegend negativ formuliert sind. Sie sind auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet und zählen zu den behördlichen Realakten (vgl. Hans-Joachim Hess, Produktesicherheitsgesetz, Handkommentar, 2010, Art. 4 Rz. 35 mit Hinweisen). Im Rahmen des Massnahmenkatalogs von Art. 10 PrSG hat der Gesetzgeber mit Art. 10 Abs. 4 PrSG die erforderliche Verhältnismässigkeitsprüfung insofern vorweggenommen, als eine Warnung nur bei gefährlichen Produkten und nur bei Untätigkeit des Inverkehrbringers ausgesprochen werden darf. Die vorweggenommene Interessenabwägung des Gesetzgebers hat komplementär auch für die Schweigepflicht gemäss Art. 12 PrSG zu gelten, da diese nicht losgelöst von den Vorgaben von Art. 10 Abs. 4 PrSG betrachtet werden kann. Wie die fachkundige Vorinstanz nachvollziehbar begründet, könnte eine Zugangsgewährung nach dem Öffentlichkeitsgesetz für den betroffenen Inverkehrbringer gegebenenfalls die gleichen Wirkungen zeitigen, wie wenn das Vollzugsorgan die Bevölkerung nach Art. 10 Abs. 4 PrSG gewarnt hätte. Art. 10 Abs. 4 PrSG, welche eine Warnung nur unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen gestattet, würde insofern faktisch ihren Sinn verlieren resp. umgangen werden. Zu berücksichtigen ist, dass das Produktesicherheitsgesetz nach Inkrafttreten des Öffentlichkeitsgesetzes erlassen wurde. Dem Gesetzgeber kann nicht ohne Weiteres unterstellt werden, er habe eine teilweise zwecklose resp. wirkungslose Regelung treffen wollen. Die ratio legis spricht damit dafür, dass mit Art. 10 Abs. 4 i.V.m. Art. 12 PrSG eine eigene gesetzliche Zugangsbestimmung erlassen wurde.

6.5 Die Gesetzessystematik lässt vorliegend keine erkennbaren weiteren Rückschlüsse auf die zu beurteilende Frage zu.

6.6 Als Fazit der Auslegung kann zusammenfassend festgehalten werden, dass die Warnung der Bevölkerung wie auch die Schweigepflicht der Vollzugsorgane im Gesetzestext detailliert geregelt sind. Die historisch-teleologische Auslegung ergibt zwar, dass die Materialien sich zum Verhältnis zum Öffentlichkeitsgesetz nicht eigens äussern, die gesetzlichen Vorgaben von Art. 10 Abs. 4 PrSG jedoch teilweise ihren Sinn verlören, sollte zusätzlich ein Recht auf Zugang nach dem Öffentlichkeitsgesetz bestehen. Im Rahmen einer Gesamtbeurteilung führen die verschiedenen Auslegungselemente somit zum Resultat, dass mit Art. 10 Abs. 4 i.V.m. Art. 12 PrSG eine spezialgesetzliche Grundlage vorliegt, die nach Art. 4 BGÖ dem Öffentlichkeitsgesetz vorgeht.

7.
Auf den konkreten Fall bezogen bedeutet das vorgenannte Auslegungsergebnis, dass aufgrund der spezialgesetzlichen Grundlage von Art. 10 Abs. 4 i.V.m. Art. 12 PrSG die Vorinstanz der Beschwerdeführerin den vollständigen Zugang zum Abschlussbericht PrSG-Stichprobe 2015 verweigern durfte (Art. 4 BGÖ). Gibt es eine gesetzliche Spezialbestimmung gemäss Art. 4 BGÖ, die von vornherein dem Öffentlichkeitsgesetz vorgeht und den Zugang zu den strittigen Daten beschränkt, sind die im Öffentlichkeitsgesetz selbst vorgesehenen Ausnahmen nicht mehr weiter zu prüfen. Vor diesem Hintergrund kann insbesondere offen bleiben, ob die Ausnahmenbestimmungen von Art. 7 Abs. 1 Bst. b und g BGÖ Anwendung fänden und wie bei einer Interessenabwägung im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Bst. b VBGÖ zu entscheiden wäre.

Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich eine Verletzung der Informations- und Medienfreiheit. Wie das Bundesgericht in einem neueren Entscheid festgehalten hat, lässt sich weder aus der Informationsfreiheit (Art. 16 Abs. 3 BV) noch aus der Medienfreiheit (Art. 17 BV) ein über das Öffentlichkeitsgesetz hinausgehenden Anspruch auf Zugang zu amtlichen Dokumenten ableiten (Urteil des BGer 1C_129/2016 vom 14. Februar 2017 E. 2.2.2 mit Hinweisen; vgl. Urteil des BVGer A-6475/2017 vom 6. August 2018 E. 6). Vorliegend besteht kein Anlass von der Rechtsprechung des Bundesgerichts abzuweichen, weshalb die Beschwerde sich auch in diesem Punkt als unbegründet erweist.

8.
Zusammenfassend ist die Beschwerde somit abzuweisen und die Verfügung der Vorinstanz vom 30. August 2017 zu bestätigen.

Anmerkungen:

Einleitung

In seinem Urteil A-5623/2017 vom 2. Mai 2019 befasste sich das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) mit dem Verhältnis zwischen dem Anspruch auf Zugang zu amtlichen Dokumenten nach dem Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ)[1] und Bestimmungen zur aktiven Informationspflicht im Bundesgesetz über die Produktesicherheit (PrSG)[2], die dem BGÖ möglicherweise vorbehalten sind. Dabei kam es zum Schluss, dass Art. 10 Abs. 4 (öffentliche Warnung der Bevölkerung) i.V.m. Art. 12 PrSG (Schweigepflicht) als spezialgesetzliche Grundlage i.S.v. Art. 4 BGÖ zu qualifizieren ist, welche den Zugang zu Verwaltungsinformationen abweichend regelt und dem BGÖ daher vorgeht. Die dabei getroffene Feststellung des BVGer, wonach auch Bestimmungen über die aktive behördliche Informationstätigkeit dem BGÖ vorgehen können, hat möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf dessen Anwendungsbereich, weshalb dieser Entscheid einer kritischen Beleuchtung bedarf.

Sachverhalt

Konkret hatte eine Journalistin der Konsumentenzeitschrift K-Tipp bei der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) im Hinblick auf einen von dieser im Jahr 2015 stichprobeweise durchgeführten Test über die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften für Wickelkommoden um Zugang zu den Namen jener Produkte ersucht, die den Sicherheitsvorschriften nicht entsprochen haben, ebenso wie zu den festgestellten Mängeln. Der Zugang wurde ihr nur eingeschränkt gewährt, indem die bfu ihr lediglich die Informationen zu jenen zwei Produkten vollständig offenlegte, für welche Warnungen beim Eidgenössischen Büro für Konsumentenfragen (BFK) veröffentlicht worden waren. Die verlangten Informationen zu den übrigen sechs Produkten, bei denen ebenfalls Mängel festgestellt wurden, die jedoch nicht die Schwelle einer öffentlichen Warnung erreichten, wurden hingegen eingeschwärzt.

Daraufhin wandte sich die Gesuchstellerin mit einem Schlichtungsantrag an den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB), welcher ein Schlichtungsverfahren durchführte. Dieser regte anlässlich der Schlichtungsverhandlung zunächst an, die betroffenen Inverkehrbringer der mit Mängeln behafteten Wickelkommoden gemäss Art. 11 BGÖ anzuhören. Nachdem sich im Rahmen dieser Anhörung nur gerade ein Inverkehrbringer mit der Bekanntgabe der von der Gesuchstellerin verlangten Informationen einverstanden erklärte, erliess der EDÖB eine schriftliche Empfehlung[3], in welcher er die Offenlegung der verlangten Informationen (Produktenamen und festgestellte Mängel) zu den verbleibenden fünf Wickelkommoden empfahl. Die bfu verfügte daraufhin die bereits erfolgte Zugangsbeschränkung in Abweichung zu dieser Empfehlung und begründete dieses Vorgehen mit der Anwendung von Art. 10 Abs. 4 (öffentliche Warnung der Bevölkerung) i.V.m. Art. 12 PrSG (Schweigepflicht) als Spezialbestimmungen zum BGÖ.

Das Verhältnis zwischen dem BGÖ und Spezialbestimmungen anderer Bundesgesetze

Nach Art. 6 Abs. 1 BGÖ hat jede Person das Recht, amtliche Dokumente einzusehen und von den Behörden Auskünfte über den Inhalt amtlicher Dokumente zu erhalten. Von dieser gesetzlichen Vermutung des Zugangs kann lediglich im Rahmen der Ausnahmebestimmungen (Art. 7 BGÖ) oder der besonderen Fälle (Art. 8 BGÖ) abgewichen werden. Die Beweislast zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des Zugangs obliegt der Behörde.[4] Weiter sieht Art. 4 BGÖ vor, dass spezielle Bestimmungen anderer Bundesgesetze dem BGÖ vorgehen, soweit sie bestimmte Informationen als geheim bezeichnen (besondere Geheimhaltungsbestimmungen, Bst. a) oder vom BGÖ abweichende Voraussetzungen für den Zugang zu bestimmten Informationen vorsehen (besondere Zugangsvorschriften, Bst. b). Nach der Botschaft des Bundesrates zum Öffentlichkeitsgesetz verdeutlicht Art. 4 BGÖ den generell gültigen Grundsatz des Vorrangs spezieller Bestimmungen vor allgemeinen Bestimmungen.[5] Die vorliegend interessierenden Bestimmungen des PrSG enthalten im Rahmen von Art. 10 Abs. 4 PrSG möglicherweise eine besondere Informationszugangsnorm i.S.v. Art. 4 Bst. b BGÖ, wohingegen in Art. 12 PrSG eine besondere Geheimhaltungsnorm i.S.v. Art. 4 Bst. a BGÖ gesehen werden könnte.

Besondere Geheimhaltungsbestimmungen i.S.v Art. 4 Bst. a BGÖ

Das öffentliche Verwaltungsrecht kennt eine Vielzahl von Geheimhaltungsnormen, welche sehr allgemein formuliert sind und im Wesentlichen nichts anderes als eine generelle Schweigepflicht und damit das allgemeine Amtsgeheimnis nach Art. 22 des Bundespersonalgesetzes[6] wiedergeben. Im Rahmen der Gesetzgebungsarbeiten zur Einführung des Öffentlichkeitsprinzips stellte bereits die Botschaft klar, dass das allgemeine Amtsgeheimnis nach Art. 22 BPG nicht als Spezialbestimmung i.S.v. Art. 4 Bst. a BGÖ gelten kann, da aus diesem lediglich der bis zum Inkrafttreten des BGÖ geltende allgemeine Geheimhaltungsgrundsatz abgeleitet wurde, welcher mit der Einführung des Öffentlichkeitsgesetzes abgelöst worden ist.[7] Solange besondere Schweigepflichtnormen demnach nichts anderes als das allgemeine Amtsgeheimnis wiedergeben, ist davon auszugehen, dass darin keine Spezialbestimmungen zu sehen sind, welche dem BGÖ vorgehen.[8] Zu diesem Ergebnis kam das BVGer etwa im Fall von Art. 33 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts[9] i.V.m. Art. 97 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung[10], Art. 44 des Bundesgesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel[11] und Art. 62 des Bundesgesetzes über Arzneimittel und Medizinprodukte[12]. Sie alle geben im Wesentlichen das allgemeine Amtsgeheimnis wieder und können nach der Rechtsprechung daher nicht als absolute Schweigepflicht und damit als Geheimhaltungsbestimmungen i.S.v. Art. 4 Bst. a BGÖ verstanden werden, welche Informationen einem Zugang nach BGÖ von vornherein entziehen würden.

Besondere Zugangsvorschriften i.S.v. Art. 4 Bst. b BGÖ

Spezielle Zugangsnormen in anderen Bundesgesetzen können einen im Vergleich zum BGÖ erleichterten oder erschwerten Zugang zu Verwaltungsinformationen vorsehen.[13] Zugangserleichterungen können dabei etwa in sach- oder personenbezogener Hinsicht (z.B. in Bezug auf bestimmte Tätigkeitsgebiete oder Personenkreise) oder gar durch die vorbehaltlose Zugänglichkeit von Informationen erfolgen.[14] Zugangserschwerungen sind demgegenüber etwa im Bereich von Identitäts- oder Interessennachweisen oder aber durch weitere, im BGÖ selbst nicht genannte gesetzlich vorgesehene Geheimhaltungsinteressen denkbar.[15] Demnach können grundsätzlich auch Aktivinformationsverpflichtungen Spezialbestimmungen i.S.v. Art. 4 Bst. b BGÖ darstellen.

Aktive vs. passive behördliche Informationstätigkeit

Bei der Prüfung möglicher Spezialbestimmungen zum BGÖ ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich das BGÖ mit Blick auf seinen Regelungsgegenstand auf die behördliche Passivinformation beschränkt.[16] Die Unterscheidung der behördlichen Informationstätigkeit in Aktiv- (Information von Amtes wegen) und Passivinformation (Information auf Gesuch hin) ist dabei elementar, da sich die damit verbundenen Rechte und Pflichten, sowohl seitens der Verwaltung wie auch seitens der Informationsberechtigten, auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen stützen.[17] Die klare Trennung der beiden Informationsaspekte (aktiv und passiv) begegnet auch der Gefahr, dass die Befugnis einer Behörde zur aktiven Information eingeschränkt wird und umgekehrt. Besonders deutlich zeigt sich der unterschiedliche Charakter der beiden Informationstätigkeiten anhand des Ermessensspielraums der Verwaltung, welcher im Bereich der Aktivinformation um ein Vielfaches grösser ist.[18] Oftmals wollen Aktivinformationspflichten jedoch lediglich ein Mindestmass an Information an die Öffentlichkeit sicherstellen.

Unbestritten ist die teilweise enge Verknüpfung der beiden Informationsmodi. Oftmals gehen Aktiv- und Passivinformation ineinander über, ergänzen oder bedingen sich. Gerade im Bereich des Öffentlichkeitsprinzips auf Bundesebene sind es oft Aktivinformationen der Verwaltung, welche das Interesse der Öffentlichkeit auf weitergehende Informationen wecken, welche sodann über das Instrument des BGÖ als Passivinformation bei den Behörden herausverlangt werden. Dennoch sind die beiden Informationstätigkeiten konsequent auseinanderzuhalten.[19] Da sich der Regelungsgegenstand des BGÖ, wie erwähnt, auf die behördliche Passivinformationstätigkeit beschränkt, stellt sich die Frage, ob Bestimmungen anderer Bundesgesetze über Aktivinformationsverpflichtungen überhaupt als Spezialbestimmungen dem BGÖ vorgehen können. Zu dieser Frage hat das BVGer in einem früheren Urteil in allgemeiner – und nach der hier vertretenen Auffassung korrekter – Weise festgehalten, dass das Bestehen einer Aktivinformationsbestimmung nicht im Umkehrschluss bedeute, dass keine darüber hinausgehenden Informationen im Rahmen der Passivinformation bekanntgegeben werden dürfen.[20] Eine andere Sichtweise würde nämlich den Sinn und Zweck des BGÖ unterlaufen und dieses weitgehend seines Inhalts berauben. Vielmehr ist das Verhältnis des allgemeinen Transparenzgebots nach BGÖ zu besonderen Vertraulichkeitsregeln in anderen Bundesgesetzen im Einzelfall auf dem Weg der Auslegung zu bestimmen.[21]

Sofern Aktivinformationsbestimmungen spezifische Informationen zur Veröffentlichung vorsehen, steht mit Blick auf den Zweck entsprechender Bestimmungen oftmals nicht die Transparenz des Verwaltungshandelns im Zentrum, sondern vielmehr der Schutz der Bevölkerung, etwa im Bereich der Polizeigüter (öffentliche Ordnung, Sicherheit, Gesundheit etc.). Es würde sich in solchen Fällen als sachfremd erweisen, Aktivinformationsverpflichtungen zum Zwecke des Polizeigüterschutzes zugleich als Zugangsschranken für darüberhinausgehende Verwaltungsinformationen auf Anfrage hin zuzulassen. In solchen Konstellationen bestehen verschiedene Informationszugangsvorschriften mit unterschiedlichen Zielsetzungen nebeneinander.

Die Auslegung von Art. 10 Abs. 4 i.V.m. Art. 12 PrSG durch das Bundesverwaltungsgericht

Konkret prüft das BVGer in seinem Entscheid, ob sich die Vorinstanz mit Art. 10 Abs. 4 i.V.m. Art. 12 PrSG auf Spezialbestimmungen i.S.v. Art. 4 BGÖ stützen kann. Nach Art. 10 Abs. 4 PrSG warnen die Vollzugsorgane die Bevölkerung vor gefährlichen Produkten, wenn der Inverkehrbringer nicht oder nicht rechtzeitig wirksame Massnahmen trifft. Sie machen ihre Informationen über die Gefährlichkeit bestimmter Produkte und über die getroffenen Massnahmen öffentlich zugänglich. Art. 12 PrSG sieht weiter vor, dass die Vollzugsorgane der Schweigepflicht unterstehen, soweit ihre Wahrnehmungen nicht für die Sicherheit von Produkten oder für den Erfahrungsaustausch über sicherheitstechnische Massnahmen bedeutsam sind.

Im Rahmen der grammatikalischen Auslegung anerkennt das Bundesverwaltungsgericht zwar die Beschränkung des Regelungsgegenstandes des BGÖ auf die passive Informationstätigkeit, doch kommt es zum Schluss, dass weder dem Gesetzeswortlaut noch den Materialien zu entnehmen sei, dass der Vorbehalt von Spezialbestimmungen im Sinne von Art. 4 BGÖ auf solche der Passivinformation beschränkt wäre. Vielmehr sei gerade aufgrund der engen Verzahnung von aktiver und passiver behördlicher Informationstätigkeit davon auszugehen, dass gegebenenfalls auch spezialgesetzliche Normen der aktiven Informationstätigkeit dem BGÖ vorgehen könnten. Schliesslich gehe es bei beiden Arten der Information darum, eine in sich konsistente Anwendung der verschiedenen gesetzlichen Grundlagen sicherzustellen. Es erkennt in Art. 10 Abs. 4 PrSG eine detaillierte Regelung über die Voraussetzungen einer Warnung der Bevölkerung und der bekannt zu gebenden Informationen sowie in Art. 12 PrSG eine vom Gesetz auferlegte Schweigepflicht für die Vollzugsorgane. Nach deren Wortlaut könnten Art. 10 Abs. 4 i.V.m. Art. 12 PrSG in kombinierter Anwendung als Spezialbestimmungen dem BGÖ vorgehen.

Nach der hier vertretenen Auffassung enthält Art. 10 Abs. 4 PrSG nach dessen Wortlaut nichts weiter als eine klassische Aktivinformationsverpflichtung kombiniert mit einer Publikationspflicht im Hinblick auf besonders gefährliche Produkte, für den Fall, dass Gefahr im Verzug ist. Zum Verhältnis dieser Verpflichtung zur Aktivinformation gegenüber passiver Informationsanfragen auf Gesuch hin äussert sich Art. 10 Abs. 4 BGÖ nicht. Auch Art. 12 PrSG lässt sich nichts Entsprechendes entnehmen. Vielmehr sieht Art. 12 PrSG bloss eine allgemeine Schweigepflicht in Bezug auf die den Vollzugsorganen im Rahmen der behördlichen Tätigkeit zur Kenntnis gelangten Informationen vor, soweit diese nicht für die Sicherheit von Produkten und damit für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Vollzugsorgane bedeutsam sind. Aus dem Wortlaut ergibt sich der relative Charakter dieser Schweigepflicht. Die Bekanntgabe festgestellter Mängel von behördlich überprüften Produkten auf Anfrage hin (gemäss BGÖ), dürfte sich – unabhängig von deren Schwere – zumindest mittelbar als für die Produktesicherheit relevant erweisen. Da die beiden Bestimmungen von ihrem Wortlaut her weder Bezug aufeinander nehmen, noch sich zum Verhältnis zum Informationsanspruch des BGÖ äussern, ist nicht nachvollziehbar, weshalb deren Wortlaute für das Vorliegen von Spezialbestimmungen gemäss Art. 4 BGÖ sprechen sollten, welche eine weitergehende Passivinformation ausschliessen würden. Vielmehr ist mangels entsprechender Hinweise in den Wortlauten und dem relativen Charakter der Schweigepflicht das Gegenteil anzunehmen. Im Ergebnis schliessen Art. 10 Abs. 4 und Art. 12 PrSG – selbst in kombinierter Anwendung – eine Zugangsgewährung nach BGÖ nicht aus.

Im Rahmen der teleologischen Auslegung hält das BVGer einleitend fest, dass eine Regelung über die Aktivinformation nicht gleichsam bedeute, dass jegliche weitere Bekanntgabe von Informationen auf Anfrage hin aus Geheimhaltungsgründen ausgeschlossen wäre.[22] Allerdings identifiziert es bei den vorliegend interessierenden Bestimmungen des PrSG gewisse Besonderheiten. So erkennt es im Massnahmenkatalog von Art. 10 PrSG eine vom Gesetzgeber bereits vorweggenommene Verhältnismässigkeitsprüfung, indem dieser eine öffentliche Warnung nur bei gefährlichen Produkten und nur bei Untätigkeit des Inverkehrbringers vorsehe. Diese Interessenabwägung habe komplementär auch für die Schweigepflicht gemäss Art. 12 PrSG zu gelten, da diese nicht losgelöst von Art. 10 Abs. 4 PrSG betrachtet werden könne. Demnach habe eine Zugangsgewährung nach Öffentlichkeitsgesetz für den Inverkehrbringer gegebenenfalls die gleichen Wirkungen wie eine öffentliche Warnung durch die Vollzugsorgane. Die gesetzlich vorgesehene Warnung sei demgegenüber nur gerade in bestimmten Fällen vorgesehen, was ihr bei einer parallelen Anwendbarkeit des BGÖ faktisch ihren Sinn rauben würde.

Dieses Auslegungsergebnis überzeugt nach der hier vertretenen Auffassung nicht. Der mit Art. 10 Abs. 4 PrSG verfolgte Zweck besteht im Kern darin, Konsumentinnen und Konsumenten vor Unfällen, Schäden oder Problemen beim Gebrauch von mangelhaften Produkten zu bewahren. In der Botschaft zum PrSG wird ausgeführt, dass diese – gewissermassen als ultima ratio formulierte – Massnahme die Sicherheit und die Gesundheit der Bevölkerung und damit gleichsam den Schutz von Polizeigütern bezweckt.[23] Den Grundsatz der Transparenz über die Verwaltungstätigkeit nennt die Botschaft hingegen lediglich im Zusammenhang mit der vorgesehenen Publikationsverpflichtung hinsichtlich der Gefährlichkeit von Produkten sowie der getroffenen Massnahmen.[24] Art. 10 Abs. 4 PrSG verfolgt mit dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit demnach also in erster Linie eine völlig andere Zielsetzung als das BGÖ. Dieses soll die Transparenz über den Auftrag, die Organisation und die Tätigkeit der Verwaltung fördern und dient nach der Botschaft des Bundesrates als unmittelbares Instrument zur Kontrolle der Verwaltung durch die Bürgerinnen und Bürger.[25]

Nicht ohne Weiteres nachvollziehbar ist ausserdem, weshalb eine Zugangsgewährung nach BGÖ auf Gesuch hin nach Ansicht des BVGer dieselben Konsequenzen wie eine öffentliche Warnung mit sich bringen sollte. Informationsempfängerin im Verfahren nach BGÖ ist lediglich die gesuchstellende Person. Selbst im Falle von Medienschaffenden, welche die so erhaltenen Informationen im Rahmen ihrer Kontrollfunktion verwerten, wäre eine Berichterstattung über (weniger gravierende) Mängel an Produkten bei weitem nicht einer öffentlichen Warnung über die besondere Gefährlichkeit von Produkten i.S.v. Art. 10 Abs. 4 PrSG gleichzusetzen. Sinn und Zweck der Berichterstattung einer Konsumentenzeitschrift ist es ja gerade, objektiv aber kritisch über mangelhafte Produkte Bericht zu erstatten. Schliesslich unterlässt es das BVGer, diese angeblich vergleichbaren Folgen zu benennen, welche ein subsidiärer Informationszugang nach BGÖ mit sich bringen würde. Sofern das BVGer hier womöglich auf negative Auswirkungen auf den Ruf der betroffenen Inverkehrbringer anspielen wollte, wäre diese Problematik über die Anwendung der Ausnahmebestimmungen des BGÖ zu lösen, indem eine saubere Interessenabwägung zwischen möglicherweise bestehenden Geheimhaltungsinteressen der Inverkehrbringer und dem öffentlichen Interesse an der Offenlegung der verlangten Informationen über Produkte und ihre Mängel vorzunehmen. Von einer faktischen Aushöhlung von Art. 10 Abs. 4 PrSG durch die parallele Anwendbarkeit des BGÖ kann nach der hier vertretenen Auffassung folglich nicht die Rede sein.

Auch eine kombinierte Anwendung von Art. 10 Abs. 4 PrSG mit der in Art. 12 PrSG vorgesehenen Schweigepflicht ändert daran nichts. Mit Blick auf Sinn und Zweck dieser Schweigepflicht lassen – wie bereits erwähnt – weder der Wortlaut noch die Gesetzesmaterialien darauf schliessen, dass diese weitergehen würde als das allgemeine Amtsgeheimnis. Weiter würde die Annahme, dass das gleichzeitige Bestehen einer Aktivinformationsverpflichtung in Kombination mit einer Schweigepflichtnorm die Anwendbarkeit des BGÖ ausschliessen würde, die Konsequenz mit sich bringen, dass eine Behörde im entsprechenden Bereich de facto vom persönlichen Geltungsbereich des BGÖ ausgenommen würde. Dies dürfte im Hinblick auf den Erlass des PrSG kaum der Intention des Gesetzgebers entsprochen haben. Weiter wären solch weitreichende Konsequenzen nicht begründbar, wenn weder der Gesetzeswortlaut selbst noch die Materialien darauf hinweisen, dass der Gesetzgeber eine solche Koordination bewusst einführen wollte. Schliesslich gibt es in zahlreichen verwaltungsrechtlichen Erlassen sowohl Aktivinformations- als auch Schweigepflichtnormen. Der Logik des BVGer folgend dürfte sich dabei stets die Frage stellen, ob eine kombinierte Anwendung dieser Bestimmungen letztendlich die parallele Anwendbarkeit des BGÖ ausschliessen könnte. Eine derart weitreichende Einschränkung des Geltungsbereiches des BGÖ auch in anderen Verwaltungsbereichen wäre mit Blick auf dessen Zielsetzung nicht zu rechtfertigen.

In Anbetracht der völlig unterschiedlichen Zielsetzungen des PrSG und des BGÖ sowie dem Umstand, dass eine parallele Anwendung des BGÖ neben der vorgesehenen Aktivinformation gemäss PrSG nach der hier vertretenen Auffassung ohne Weiteres möglich erscheint und diese auch keineswegs ihres Inhalts beraubt, führt auch die teleologische Auslegung zum Ergebnis, dass es sich bei Art. 10 Abs. 4 i.V.m. Art. 12 PrSG nicht um Spezialbestimmungen handelt, welche dem BGÖ vorgehen.

Anlässlich der historischen Auslegung hält das BVGer fest, dass das PrSG, welches das Bundesgesetz über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten[26] abgelöst hat, zeitlich nach dem Öffentlichkeitsgesetz erlassen worden sei. Zwar weist es darauf hin, dass eigene Erläuterungen zur Koordination zwischen dem PrSG und dem BGÖ in der Botschaft des Bundesrates zum PrSG fehlen würden, doch könne dem Gesetzgeber nicht ohne Weiteres unterstellt werden, er habe eine teilweise zwecklose resp. wirkungslose Regelung treffen wollen.

Dass die Regelungen des PrSG bei gleichzeitiger Anwendbarkeit des BGÖ weder wirkungslos erscheinen noch ihres Inhalts beraubt werden, hat bereits die teleologische Auslegung gezeigt. Alleine der Umstand, dass die zu prüfenden Spezialbestimmungen des PrSG zeitlich nach dem BGÖ in Kraft getreten sind, vermag für sich alleine genommen noch keine Antwort auf das Verhältnis der verschiedenen Informationszugangsnormen zu liefern. Zwar geht die Lehre teilweise davon aus, dass bei nach dem BGÖ in Kraft getretenen Spezialbestimmungen eine materielle Koordination zum BGÖ sichergestellt wurde[27], doch zeigen vorliegend die Materialien zum PrSG, dass dies gerade nicht der Fall war. Hingegen enthält die Botschaft zum PrSG einen Hinweis[28], dass die Schweigepflicht der Vollzugsorgane aus dem mit dem PrSG abgelösten STEG (Art. 10 Abs. 3) übernommen wurde. Auch aus der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum STEG[29] ergeben sich (zum damaligen Art. 8 Abs. 3 STEG) keinerlei Hinweise, dass diese Schweigepflicht im Bereich der Produktesicherheit weitergehen sollte, als das allgemeine Amtsgeheimnis. Daraus erhellt, dass es sich beim heute geltenden Art. 12 PrSG aufgrund seiner Entstehungsgeschichte ebenfalls um nichts Anderes handelt, als einer Umschreibung des allgemeinen Amtsgeheimnisses, welches nach dem Willen des Gesetzgebers keine Spezialbestimmung zum BGÖ darstellt.

Im Rahmen der systematischen Auslegung identifiziert das BVGer keine erkennbaren weiteren Rückschlüsse auf die Frage der Anwendbarkeit der zu prüfenden Bestimmungen des PrSG als Spezialbestimmungen i.S.v. Art. 4 BGÖ. Dies ist bedauerlich, lässt die Gesetzessystematik des PrSG doch durchaus gewisse Rückschlüsse zu, welche im Rahmen der Auslegung von Interesse sein können. Sowohl Art. 10 als auch Art. 12 PrSG sind im 4. Abschnitt eingeordnet, der unter anderem die Durchführung des Gesetzes regelt. Dabei fällt auf, dass es sich im 4. Abschnitt vor allem um Regelungen formeller Natur handelt (Marktüberwachung und Aufsicht, Kontrolle über Verwaltungsmassnahmen, Mitwirkungs- und Auskunftspflicht, Schweigepflicht, Datenschutz und Amtshilfe usw.). Diese halten in grundsätzlicher Weise fest, welche Regeln anlässlich der Durchführung des Gesetzes zwischen den verschiedenen Beteiligten gelten.[30] Es handelt sich bei den beiden Bestimmungen demnach um allgemeine Bestimmungen zur Durchführung des PrSG, welche von ihrer systematischen Eingliederung her kaum eine detaillierte materielle Koordination zwischen verschiedenen Informationszugangsrechten zu regeln beabsichtigen. Die systematische Einordnung der vorliegend interessierenden Bestimmungen des PrSG spricht damit ebenfalls eher für die Annahme, dass es sich bei Art. 10 Abs. 4 i.V.m. Art. 12 PrSG nicht um Spezialbestimmungen i.S.v. Art. 4 BGÖ handelt.

Schlussfolgerungen

Nach Ansicht des BVGer führen die verschiedenen Auslegungsmethoden zum Resultat, dass mit Art. 10 Abs. 4 i.V.m. Art. 12 PrSG eine spezialgesetzliche Grundlage vorliegt, welche dem BGÖ nach dessen Art. 4 vorgeht.

Dieser Entscheid überzeugt in vielerlei Hinsicht nicht. Nach der hier vertretenen Auffassung führen sämtliche Auslegungsmethoden zum Ergebnis, dass es sich bei den beiden Bestimmungen nur, aber immerhin, um eine Aktivinformationsverpflichtung für klar eingeschränkte Informationen hinsichtlich gefährlicher Produkte und um eine allgemeine Schweigepflicht handelt, welche nicht über das allgemeine Amtsgeheimnis hinausgeht. Auch aus der kombinierten Anwendung der beiden Bestimmungen kann nicht gefolgert werden, dass diese als Spezialbestimmungen i.S.v. Art. 4 BGÖ ein in sich geschlossenes, spezialgesetzliches Informationszugangsregime aufstellen und damit zugleich der parallel dazu bestehenden Passivinformationsverpflichtung nach BGÖ Grenzen zu setzen vermögen.

Die aktive und die passive Informationstätigkeit sind streng auseinanderzuhalten und mit Blick auf ihre unterschiedlichen Rechtsgrundlagen nebeneinander anzuwenden. Insbesondere gilt es zu verhindern, dass die aktive Information die passive Information einschränkt oder umgekehrt. Mit Einführung des Öffentlichkeitsprinzips auf Bundesebene verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, die Verwaltungsöffentlichkeit auszubauen. Spezialgesetzliche Einschränkungen zu dieser mit dem BGÖ eingeführten Transparenzverpflichtung müssen daher klar als solche konzipiert und erkennbar sein. Schliesslich ist auch bei allfälligen Spezialbestimmungen in anderen Bundesgesetzes stets deren Zweck jenem des BGÖ gegenüberzustellen. Mit dem Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen im Rahmen der Passivinformation verfolgt das BGÖ oftmals einen anderen Regelungsgegenstand als dies bei Aktivinformationsbestimmungen anderer Bundesgesetze der Fall ist.

Nach der hier vertretenen Auffassung ist bei der Anwendung spezialgesetzlicher Informationszugangsbestimmungen, welche dem BGÖ möglicherweise vorgehen, äusserste Zurückhaltung angezeigt, soll dieses nicht seines Inhalts beraubt und durch die nachträgliche Inkraftsetzung unbestimmter bzw. allgemein formulierter Spezialbestimmungen in seinem Geltungsbereich eingeschränkt werden. Schliesslich soll die Verwaltungsöffentlichkeit nach BGÖ ihr Paradigma des voraussetzungslosen Anspruchs auf Zugang zu amtlichen Dokumenten beibehalten und nicht im Laufe der Jahre zu einem Flickenteppich verkommen, bei welchem eine stetig steigende Anzahl an neuen Ausnahmen letztlich vor allem Rechtsunsicherheit schafft.


* Der Autor vertritt in diesem Beitrag seine persönliche Meinung.

  • [1] SR 152.3.
  • [2] SR 930.11.
  • [3] EDÖB, Empfehlung vom 6. Juli 2017: BFU / Stichprobenbericht Wickelkommoden.
  • [4] Urteile des BGer 1C_137/2016 vom 27. Juni 2016 E. 2.2 und 1C_14/2016 vom 23. Juni 2016 E. 3.4.
  • [5] BBl 2003 1989.
  • [6] BPG; SR 172.220.1.
  • [7] BBl 2003 1990.
  • [8] STAMM-PFISTER, in Maurer/Lambrou/Blechte (Hrsg.) Basler Kommentar Datenschutzgesetz Öffentlichkeitsgesetz (zit. BSK DS BGÖ), Art. 4 BGÖ Rz 8 f.
  • [9] ATSG; SR 830.1, vgl. dazu das Urteil des BVGer A-5111/2013 vom 6. August 2014 E. 4.2 ff., wonach nicht von einer absoluten Schweigepflicht ausgegangen werden kann.
  • [10] UVG; SR 832.20, vgl. dazu das Urteil des BVGer A-5111/2013 vom 6. August 2014 E. 4.2 ff., wonach nicht von einer absoluten Schweigepflicht ausgegangen werden kann.
  • [11] Arbeitsgesetz, ArG; SR 822.11, vgl. dazu das Urteil des BVGer A-5146/2015 vom 10. Februar 2016 E. 4.3.3.
  • [12] Heilmittelgesetz, HMG; SR 812.21, vgl. dazu das Urteil des BVGer A-4307/2010 vom 28. Februar 2013 E. 9.8, wonach nicht von einer absoluten Schweigepflicht ausgegangen werden kann.
  • [13] BBl 2003 1989.
  • [14] COTTIER, in Handkommentar BGÖ, Art. 4 Rz 13 ff.
  • [15] STAMM-PFISTER, BSK BGÖ, Art. 4 Rz 10.
  • [16] MAHON/GONIN, in Brunner/Mader (Hrsg.), Stämpflis Handkommentar zum BGÖ (zit. Handkommentar BGÖ), Bern 2008, Art. 6, Rz 12-14.
  • [17] BRUNNER/MADER, in Handkommentar BGÖ, Einleitung, Rz 78 ff.
  • [18] Vgl. zum Ganzen BRUNNER/MADER, a.a.O.
  • [19] Vgl. zum Ganzen auch BRUNNER, Persönlichkeitsschutz bei der behördlichen Information der Öffentlichkeit von Amtes wegen, Ein Leitfaden, ZBl 111/2010, 599 ff.
  • [20] Urteil des BVGer A-4571/2015 vom 10. August 2016 E. 4.2.
  • [21] Statt vieler Urteil des BGer 1C_50/2015 E.2.4. m.w.H.
  • [22] Vgl. hiervor Fn. 9.
  • [23] Botschaft PrSG, BBl 2008 7444.
  • [24] Botschaft PrSG, a.a.O.
  • [25] Botschaft BGÖ, BBl 2003 1974.
  • [26] STEG, AS 1977 2370.
  • [27] COTTIER, in Handkommentar BGÖ, Art. 4 Rz 6.
  • [28] Botschaft PrSG, BBl 2008 7445.
  • [29] BBl 1975 I 859 f.
  • [30] Vgl. dazu die Ausführungen des BVGer in seinem Urteil A-5146/2015 E.4.3.3.
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