Medienschaffende müssen Geheimnisinteressen gut substantiieren können

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BGer 1B_550/2018 stellt hohe Anforderungen an den Quellenschutz für Medienschaffende

Dr. Christoph Born, Rechtsanwalt, Zürich

Résumé: Ce jugement concerne un journaliste indépendant qui avait réussi à entrer dans cinq élevages de poulets et à y filmer des scènes. Sous le coup d’une enquête pour dommages à la propriété, violation de domicile et autres délits, il a fait recours au Tribunal fédéral après que le tribunal des mesures de contraintes avait décidé la levée des scellés sur le matériel confisqué chez lui. Le Tribunal fédéral rejette son recours, arguant que le journaliste n’a pas suffisamment justifié son intérêt à garder les documents secrets et que, étant lui-même acteur des faits incriminés, respectivement, y ayant participé, il ne peut se prévaloir de la protection des sources.

Zusammenfassung: Ein freischaffender Publizist hatte sich in drei Kantonen unbefugterweise Zugang zu fünf Hühner-Mastbetrieben verschafft und dort Videoaufnahmen angefertigt. Im Rahmen der gegen ihn eingeleiteten Strafuntersuchung wegen Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs und weiterer Delikte gelangte er mit einer Beschwerde an das Bundesgericht, nachdem das Zwangsmassnahmengericht die Entsiegelung des bei ihm beschlagnahmten Materials verfügt hatte. Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab mit der Begründung, der Medienschaffende habe seine Geheimnisinteressen nicht ausreichend substantiiert und er könne sich nicht auf den Quellenschutz berufen, da er selber Mittäter bzw. Teilnehmer sei.

Sachverhalt: 

A.
Die Regionale Staatsanwaltschaft Emmental-Oberaargau führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs, Verletzung der Geheim- oder Privatsphäre durch Aufnahmegeräte und Widerhandlung gegen das Tierschutzgesetz. Es wird ihm namentlich vorgeworfen, er habe sich in verschiedenen Kantonen (Bern, Freiburg und Waadt) unbefugterweise Zugang zu fünf Hühner-Mastbetrieben verschafft und dort Videoaufnahmen angefertigt. Anlässlich einer Hausdurchsuchung vom 4. Oktober 2018 liess die Staatsanwaltschaft beim Beschuldigten diverse elektronische Geräte und Datenträger sicherstellen, welche auf dessen Verlangen gesiegelt wurden. Am 9. Oktober 2018 stellte sie ein Entsiegelungsgesuch, welches der Präsident des Regionalen Zwangsmassnahmengerichts Emmental-Oberaargau (ZMG) mit Entscheid vom 8. November 2018 guthiess, indem er sämtliche Geräte und Aufzeichnungen zur Durchsuchung an die Staatsanwaltschaft freigab.

B.
Gegen den Entscheid des ZMG gelangte der Beschuldigte mit Beschwerde vom 10. Dezember 2018 an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Abweisung des Entsiegelungsgesuches. Die Staatsanwaltschaft und das ZMG haben auf Stellungnahmen je ausdrücklich verzichtet.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in Strafsachen gegen Entsiegelungsentscheide der Zwangsmassnahmengerichte ist nur zulässig, wenn der betroffenen beschuldigten Person wegen eines Eingriffs in ihre rechtlich geschützten Geheimnisinteressen ein nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil droht (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG i.V.m. Art. 248 Abs. 1 StPO; BGE 143 IV 462 E. 1 S. 465; s.a. nicht amtl. publizierte E. 1.2 von BGE 143 IV 270 und E. 2 von BGE 142 IV 207).
Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei "freischaffender Publizist". Er befasse sich beruflich mit der Publikation von Informationen im redaktionellen Teil eines periodisch erscheinenden Mediums. Das der Strafuntersuchung zugrunde liegende Videomaterial habe er von anonymer dritter Quelle erhalten. Durch den Entsiegelungsentscheid werde der journalistische Quellenschutz gegenüber Drittpersonen unterlaufen, zumal es denkbar sei, dass sich auf den beschlagnahmten Geräten Aufzeichnungen befänden, welche Rückschlüsse auf die anonyme Quelle ermöglichten. Er, der Beschwerdeführer, habe das empfangene Videomaterial lediglich an die Redaktion des Schweizer Radio und Fernsehens (SRF) weitergeleitet. Auch diese Korrespondenz (bzw. der gesamte Kommunikations- und Datenverkehr) unterliege dem journalistischen Quellenschutz.
In der Beschwerdeschrift wird ein drohender nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil in Bezug auf den sogenannten "Quellenschutz der Medienschaffenden" (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG i.V.m. Art. 172 Abs. 1 und Art. 248 Abs. 1 StPO) ausreichend substanziiert. Auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG sind grundsätzlich erfüllt. Die vorgebrachten Rügen sind materiell zu prüfen; auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.
In prozessualer Hinsicht rügt der Beschwerdeführer zunächst, die Vorinstanz habe in gesetzwidriger Weise keine Triage der dem Geheimnisschutz unterliegenden Aufzeichnungen und Geräte durchgeführt, sondern diese richterliche Aufgabe an die Staatsanwaltschaft übertragen.

2.1. Aufzeichnungen und Gegenstände, die nach Angaben der Inhaberin oder des Inhabers wegen eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts oder aus anderen Gründen nicht durchsucht oder beschlagnahmt werden dürfen, sind zu versiegeln und dürfen von den Strafbehörden weder eingesehen noch verwendet werden (Art. 248 Abs. 1 StPO). Stellt die Staatsanwaltschaft im Vorverfahren ein Entsiegelungsgesuch, hat das ZMG im Entsiegelungsverfahren (auf entsprechende substanziierte Vorbringen des Siegelungsberechtigten hin) zu prüfen, ob schutzwürdige Geheimnisinteressen oder andere gesetzliche Entsiegelungshindernisse einer Durchsuchung entgegenstehen (Art. 248 Abs. 2 -4 StPO; vgl. BGE 144 IV 74 E. 2.2 S. 77; 141 IV 77 E. 4.1 S. 81). Der Entsiegelungsrichter darf eine für die Entscheidfindung notwendige richterliche Triage der versiegelten Gegenstände bzw. die Aussonderung von geheimnisgeschützten Aufzeichnungen und Unterlagen nicht an die Staatsanwaltschaft oder an die Polizei "delegieren". Wenn das ZMG spezialisierte Polizeidienste oder externe Fachexperten (z.B. Informatiker) zur Unterstützung seiner Triage beiziehen will (vgl. Art. 248 Abs. 4 StPO), hat es dafür zu sorgen, dass die betreffenden Personen nicht auf den Inhalt von
(mutmasslich) geheimnisgeschützten Dateien zugreifen können (BGE 142 IV 372 E. 3.1 S. 374 f.; 141 IV 77 E. 5.5.1 S. 84 f.; 138 IV 225 E. 7.1 S. 229; 137 IV 189 E. 5.1.2 S. 196 f.; je mit Hinweisen; s.a Urteile 1B 555/ 2017 vom 22. Juni 2018 E. 3.1 und 3.3; 1B 519/2017 vom 27. März 2018 E. 2.1-2.2; 1B 91/2016 vom 4. August 2016 E. 4.6 und 5.8).

2.2. Wie zu zeigen sein wird, hat das ZMG im vorliegenden Fall alle sichergestellten Aufzeichnungen und Geräte entsiegelt und an die Staatsanwaltschaft zur Durchsuchung freigegeben (Art. 246 -248 StPO). Die Entsiegelung erfolgt im angefochtenen Entscheid aufgeteilt auf die verschiedenen sichergestellten Geräte:
Dispositiv Ziffern 1-2 beziehen sich auf vier elektronische Kameras und ein GPS-Gerät. In ihrer Erwägung 3/8 legt die Vorinstanz dar, dass im vorliegenden Fall nur die journalistische Korrespondenz mit der Redaktion des Schweizer Radio und Fernsehens (SRF) unter den Quellenschutz fallen könne. Das ZMG erwägt, dass diese fünf Geräte keine Korrespondenz mit dem SRF enthielten. Aus Dispositiv Ziffern 1-2 (s.a. Erwägung 3/8, S. 7 mittlerer Abschnitt) ergibt sich klar, dass die Vorinstanz den Geheimnisschutz geprüft und geschützte Geheimnisinteressen verneint hat.
Dispositiv Ziffern 3-4 des angefochtenen Entscheides beziehen sich auf die restlichen Geräte und Datenträger, darunter diverse digitale Kommunikationsgeräte. Diese Geräte könnten Korrespondenz und Datenverkehr mit der Redaktion SRF enthalten. Zwar erscheint Dispositiv Ziffer 3 etwas missverständlich formuliert; aus den diesbezüglichen Erwägungen in Verbindung mit Dispositiv Ziffer 4 des angefochtenen Entscheides ergibt sich jedoch mit ausreichender Deutlichkeit, dass die Vorinstanz auch hier eine materielle Entsiegelung und Freigabe zur Durchsuchung verfügt hat:

2.3. In ihrer Erwägung 3/8 (S. 7 unterster Abschnitt) legt die Vorinstanz - in Bezug auf die "weiteren sichergestellten und versiegelten Geräte" - dar, dass der Beschwerdeführer weder im Siegelungsbegehren noch im Entsiegelungsverfahren Angaben darüber gemacht hat, auf welchen Kommunikationsgeräten und wo sich journalistische Korrespondenz mit dem SRF befinden könnte. Das ZMG legt auch nachvollziehbar dar, dass der Beschwerdeführer seine angebliche (ausserhalb des SRF liegende) Primärquelle nicht hätte preisgeben müssen, indem er dem ZMG (zu Triagezwecken) wenigstens dargelegt hätte, welche Kontakte in den versiegelten Kommunikationsgeräten angebliche Korrespondenz mit dem SRF betreffen könnten.
Nach der bundesgerichtlichen Praxis trifft den Inhaber von zu Durchsuchungszwecken sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenständen, der ein Siegelungsbegehren gestellt hat, die prozessuale Obliegenheit, die von ihm angerufenen Geheimhaltungsinteressen (im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO) ausreichend zu substanziieren. Dies gilt besonders bei grossen Datenmengen. Kommt der Betroffene seiner Mitwirkungs- und Substanziierungsobliegenheit im Entsiegelungsverfahren nicht nach, ist das ZMG nicht gehalten, von Amtes wegen nach allfälligen materiellen Durchsuchungshindernissen zu forschen. Tangierte Geheimnisinteressen sind wenigstens kurz zu umschreiben und glaubhaft zu machen. Auch sind diejenigen Aufzeichnungen und Dateien konkret zu benennen, die dem Geheimnisschutz unterliegen. Dabei ist der Betroffene nicht gehalten, die angerufenen Geheimnisrechte bereits inhaltlich offenzulegen (BGE 142 IV 207 E. 7.1.5 S. 211, E. 11 S. 228; 141 IV 77 E. 4.3 S. 81, E. 5.5.3 S. 86, E. 5.6 S. 87; 138 IV 225 E. 7.1 S. 229; 137 IV 189 E. 4.2 S. 195, E. 5.3.3 S. 199; nicht amtl. publ. E. 6 von BGE 144 IV 74).
Mangels ausreichender Substanziierung von geschützten Geheimnisrechten durch den Beschwerdeführer war das ZMG im vorliegenden Fall nicht gehalten, von Amtes wegen sehr grosse Datenmengen zu durchsuchen, um selber nachzuforschen, wo sich allenfalls Korrespondenz mit dem SRF befinden könnte. Im Einklang mit der dargelegten Praxis durfte das ZMG somit auch die Kommunikationsgeräte entsiegeln und zur Durchsuchung an die Staatsanwaltschaft freigeben, was es (in Dispositiv Ziffer 4 Absatz 1) ausdrücklich verfügt hat ("wird ermächtigt, die Geräte und Datenträger gemäss Ziffer 3 [...] zu durchsuchen"). Daran ändert auch die (in Dispositiv Ziffer 4 Absatz 2 zusätzlich angefügte) Anweisung an die Staatsanwaltschaft nichts, dass diese nachträglich noch "geeignete Massnahmen" zur Wahrung des journalistischen Quellenschutzes zu treffen habe, falls bei der bewilligten Durchsuchung (Art. 246 StPO) noch nachträglich etwaige Korrespondenz mit dem SRF zum Vorschein käme.

2.4. Die verfahrensrechtliche Rüge, es sei eine bundesrechtswidrige "Delegation" der Entsiegelung bzw. Triage an die Staatsanwaltschaft erfolgt, erweist sich als unbegründet.

3.
In materieller Hinsicht bestreitet der Beschwerdeführer im Verfahren vor Bundesgericht weder den hinreichenden Tatverdacht (Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO), noch die Verhältnismässigkeit der streitigen Zwangsmassnahmen bzw. die Untersuchungsrelevanz der sichergestellten Beweismittel (Art. 197 Abs. 1 lit. c - d und Abs. 2 StPO). Er macht aber geltend, die Journalisten des SRF und deren Hilfspersonen hätten (gestützt auf Art. 172 Abs. 1 StPO) ein Zeugnisverweigerungsrecht. Nach der bundesgerichtlichen Praxis gelte dies unabhängig davon, ob die fraglichen Aufzeichnungen sich bei der beschuldigten Person oder bei den betroffenen Medienschaffenden befinden. Entgegen den Erwägungen der Vorinstanz spreche das Gesetz nicht (nur) von "Korrespondenz", sondern von Gegenständen und Unterlagen aus dem "Verkehr" zwischen der beschuldigten Person und Medienschaffenden. Sein Datenverkehr mit dem SRF könne "per Briefpost, E-Mail, Upload im Internet, Cloud oder USB stattgefunden haben". Ausserdem sei er selber "freischaffender Publizist" und habe als solcher "digitale Daten von einer anonymen Quelle" erhalten. Insofern beruft er sich auch auf einen eigenen Quellenschutz.

3.1. Macht eine berechtigte Person geltend, eine Beschlagnahme von Gegenständen und Vermögenswerten sei wegen eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts (Art. 113 Abs. 1, Art. 158 Abs. 1 lit. b, Art. 168-176, Art. 180 Abs. 1 StPO) oder aus anderen Gründen nicht zulässig, so gehen die Strafbehörden nach den Vorschriften über die Siegelung vor (Art. 264 Abs. 3 StPO). Zu den im Strafprozess zu berücksichtigenden Zeugnisverweigerungsrechten gehört insbesondere der Quellenschutz von Medienschaffenden: Personen, die sich beruflich mit der Veröffentlichung von Informationen im redaktionellen Teil eines periodisch erscheinenden Mediums befassen, sowie ihre Hilfspersonen können das Zeugnis über die Identität der Autorin oder des Autors oder über Inhalt und Quellen ihrer Informationen verweigern (Art. 172 Abs. 1 StPO). Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit Personen, die nach den Artikeln 170-173 StPO das Zeugnis verweigern können und im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt sind, dürfen, ungeachtet des Ortes, wo sich die Gegenstände und Unterlagen befinden, und des Zeitpunktes, in welchem sie geschaffen worden sind, nicht beschlagnahmt werden (Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO).

3.2. Nach der Praxis des Bundesgerichtes gilt der Quellenschutz bei Medienschaffenden, die im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt sind, grundsätzlich auch für Aufzeichnungen und Gegenstände aus dem journalistischen Verkehr, die sich im Gewahrsam der beschuldigten Person befinden und bei ihr sichergestellt werden (BGE 140 IV 108 E. 6.5-6.10 S. 112-117).

3.3. Wie im angefochtenen Entscheid zutreffend erwogen wird, beschränkt sich der zu prüfende journalistische Quellenschutz im vorliegenden Fall auf allfällige Korrespondenz (Kommunikations- und Datenverkehr) des Beschwerdeführers mit dem SRF. Keine gesetzlich geschützten Geheimnisrechte bestehen hingegen an den sichergestellten vier elektronischen Kameras des Beschwerdeführers und seinem GPS-Gerät, welche unmittelbar als Beweismittel bzw. Tatwerkzeuge in Frage kommen:

3.4. Beim Beschwerdeführer handelt es sich nicht um einen unbeteiligten Dritten, der lediglich als Journalist bzw. Medienschaffender über ihm bekannt gewordene mutmassliche Straftaten berichtet bzw. diesbezügliches Beweismaterial publiziert hat. Die kantonalen Strafbehörden werfen ihm vielmehr vor, er sei selber Mittäter (oder zumindest Teilnehmer) der untersuchten Delikte (vgl. angefochtener Entscheid, E. 3/2, S. 3 f.). Er bestreitet die betreffenden Verdachtsgründe nicht.
Selbst Berufsgeheimnisträger im Sinne von Art. 170 StPO (wie z.B. Anwälte oder Ärzte) könnten sich nur dann auf ihren spezifischen Berufsgeheimnisschutz berufen, wenn sie im gleichen Zusammenhang nicht selber beschuldigt oder mitbeschuldigt sind (Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO; BGE 141 IV 77 E. 5.2 S. 83; 140 IV 108 E. 6.5 S. 112; 138 IV 225 E. 6.1-6.2 S. 227 f.). Analoges gilt nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ("nach den Artikeln 170-173") für den journalistischen Quellenschutz (Art. 172 Abs. 1 i.V.m. Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO). Es widerspräche denn auch dem gesetzlichen Sinn und Zweck des Quellenschutzes, förmlich beschuldigte und ernsthaft verdächtige Medienschaffende in der Weise zu privilegieren, dass bei ihnen a priori kein relevantes Beweismaterial zur Aufklärung der untersuchten Delikte sichergestellt und durchsucht werden könnte. Wer seine eigenen mutmasslichen Straftaten auf Video (oder andere Bild- und Tonträger) aufnimmt, kann sich als Beschuldigter den (gegen ihn gerichteten) gesetzlichen Beweismassnahmen nicht mit dem Argument entziehen, er sei im gleichen Kontext auch "journalistisch tätig" gewesen.
Im vorliegenden Fall bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die kantonalen Strafbehörden den Beschwerdeführer rechtsmissbräuchlich (nämlich bloss unter einem Vorwand) förmlich beschuldigt hätten, um seinen journalistischen Quellenschutz zu unterlaufen. Die von den Strafbehörden gegen ihn erhobenen (und von ihm nicht bestrittenen) Verdachtsgründe erscheinen ausreichend konkret.

3.5. Zwar unterstünde eine allfällige Korrespondenz des Beschwerdeführers mit - nicht selber mitbeschuldigten - Medienschaffenden des SRF grundsätzlich dem journalistischen Quellenschutz von Artikel 172 Absatz 1 StPO: Absatz 2 dieser Bestimmung ist hier (mangels untersuchter qualifizierter Delikte) nicht anwendbar, und solche Korrespondenz (Kommunikations- und Datenverkehr mit Medienschaffenden) könnte im Prinzip auch dann dem Geheimnisschutz unterliegen, wenn sie auf Geräten des Beschuldigten sichergestellt wurde (Art. 264 Abs. 1 Ingress i.V.m. lit. c und Art. 172 Abs. 1 StPO; BGE 140 IV 108 E. 6.5 S. 112, E. 6.10 S. 117). Wie oben (in Erwägung 2.3) bereits erörtert, ist der Beschwerdeführer jedoch in diesem Zusammenhang seiner strafprozessualen Substanziierungsobliegenheit nicht nachgekommen: Er hat im Entsiegelungsverfahren keine Angaben darüber gemacht, auf welchen der diversen Kommunikationsgeräte und wo sich journalistische Korrespondenz mit dem SRF befinden könnte. Ebenso wenig hat er gegenüber dem ZMG konkretisiert, welche elektronisch gespeicherten Kontakte angeblichen Kommunikationsverkehr mit dem SRF betreffen könnten. Die Vorinstanz war folglich nicht gehalten, von Amtes wegen sehr umfangreiche Datenmengen zu
durchsuchen, um selber nachzuforschen, wo sich allenfalls dem Geheimnisschutz unterliegender Kommunikations- und Datenverkehr mit der Redaktion des SRF und deren Hilfspersonen befinden könnte (vgl. BGE 142 IV 207 E. 7.1.5 S. 211, E. 11 S. 228; 141 IV 77 E. 4.3 S. 81, E. 5.5.3 S. 86, E. 5.6 S. 87; 138 IV 225 E. 7.1 S. 229; 137 IV 189 E. 4.2 S. 195, E. 5.3.3 S. 199).
Die Rüge der Verletzung von gesetzlich geschützten Geheimnisrechten erweist sich als unbegründet.

4.
Die weiteren Vorbringen der Beschwerdeschrift gehen über das bereits Dargelegte inhaltlich nicht hinaus bzw. erfüllen die gesetzlichen Substanziierungsanforderungen nicht (vgl. Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG). Letzteres gilt insbesondere für die Rüge, der vorinstanzliche Kostenentscheid sei "falsch", da der Beschwerdeführer im Entsiegelungsverfahren "teilweise obsiegt" habe.

5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

Anmerkungen:

1

Der Quellenschutz der Medienschaffenden ist (als Teil der Medienfreiheit) in Art. 17 Abs. 3 BV und (als Teil der Meinungsäusserungsfreiheit) in Art. 10 Ziff. 1 EMRK gewährleistetet. Gemäss Art. 28a StGB und Art. 172 f. StPO können Medienschaffende das Zeugnis über Inhalt und Quellen ihrer Informationen in beschränktem Umfang verweigern. Dementsprechend dürfen auch keine Gegenstände und Unterlagen beschlagnahmt werden, die solche Informationen enthalten (Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO).

2

Das Bundesgericht hat dem betroffenen Medienschaffenden im Urteil 1B_550/2018 vom 6. August 2019 den Quellenschutz aus zwei Gründen verweigert: Er habe die von ihm angerufenen Geheimhaltungsinteressen nicht ausreichend substantiiert, und er sei selber Mittäter (oder zumindest Teilnehmer).

Zum Thema Substantiierung

3

Das Bundesgericht stellt fest, der Medienschaffende habe weder im Siegelungsbegehren noch im Entsiegelungsverfahren Angaben darüber gemacht, «auf welchen Kommunikationsgeräten und wo sich journalistische Korrespondenz mit dem SRF befinden könnte.» Nach der bundesgerichtlichen Praxis treffe den Inhaber der sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenstände, der ein Siegelungsbegehren gestellt habe, «die prozessuale Obliegenheit, die von ihm angerufenen Geheimhaltungsinteressen (im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO) ausreichend zu sustantiieren.» Tangierte Geheimnisinteressen seien wenigstens kurz zu umschreiben und glaubhaft zu machen. Auch seien diejenigen Aufzeichnungen und Dateien, die dem Geheimnisschutz unterliegen, «konkret zu benennen». Mangels ausreichender Substantiierung sei das Zwangsmassnahmengericht im vorliegenden Fall nicht gehalten gewesen, von Amtes wegen «sehr grosse Datenmengen zu durchsuchen», um selber nachzuforschen, wo sich allenfalls Korrespondenz mit dem SRF befinden könnten (Erwägung 2.3).

4

Die Anforderungen, welche das Bundesgericht an die Substantiierunsgobliegenheit knüpft, sind hoch. Sie sind unter drei Aspekten problematisch: Erstens bedarf eine solche Erschwernis einer klaren gesetzlichen Grundlage, da sie einen Eingriff in den Quellenschutz der Medienschaffenden und damit in die Medien- und Meinungsfreiheit darstellt. Eine solche gesetzliche Grundlage fehlt. Art. 248 Abs. 1 StPO taugt jedenfalls nicht als Grundlage, denn die Siegelung bezweckt die Sicherung des Quellenschutzes und nicht dessen Einschränkung. Zweitens hat der Gesetzgeber dafür gesorgt, dass das Zwangsmassnahmengericht auch sehr grosse Datenmengen durchsuchen kann, indem dieses zur Prüfung des Inhalts von Aufzeichnungen eine sachverständige Person beiziehen kann (Art. 248 Abs. 4 StPO). So darf es bei der Aussonderung von geheimnisgeschützten Aufzeichnungen zum Beispiel spezialisierte Polizeidienste oder externe Fachexperten wie Informatiker beiziehen – wobei es dafür zu sorgen hat, dass die betreffenden Personen nicht auf den Inhalt von (mutmasslich) geheimnisgeschützten Dateien zugreifen können (BGer 1B_555/2017, E. 3.1). Drittens laufen die Medienschaffenden Gefahr, die angerufenen Geheimnisse – zumindest teilweise – inhaltlich offenzulegen, wenn sie ihre Geheimhaltungsinteressen «ausreichend» substantiieren müssen, zumal sie nicht wissen, was die Gerichte letztlich als «ausreichend» akzeptieren. Oder anders ausgedrückt: je mehr die Medienschaffenden ihre Geheimnisrechte substantiieren, um sie zu schützen, desto eher können die Strafverfolgungsbehörden die Geheimnisse erkennen.

5

Es ist somit nicht von der Hand zu weisen, dass die vom Bundesgericht artikulierte Substantiierungsgobliegenheit der Medienschaffenden zur Aushöhlung des Quellenschutzes führen kann.

Zum Thema Mittäterschaft

6

Als weiteren Grund für die Verweigerung des Quellenschutzes führt das Bundesgericht die Tatsache an, dass der betroffene Medienschaffende selber der Mittäterschaft (oder zumindest der Teilnahme) der untersuchten Delikte beschuldigt wurde (E. 3.4). Dabei stützt es sich auf Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO, wonach sich die in Art. 170 – 173 StPO genannten Geheimnisträger nur dann auf ihren spezifischen Berufsgeheimnisschutz berufen, können, wenn sie «im gleichen Zusammenhang nicht selber beschuldigt sind.» Daraus leitet das Bundesgericht im konkreten Fall ab, dass es dem gesetzlichen Sinn und Zweck des Quellenschutzes widerspräche, «förmlich beschuldigte und ernsthaft verdächtige Medienschaffende in der Weise zu privilegieren, dass bei ihnen a priori kein relevantes Beweismaterial zur Aufklärung der untersuchten Delikte sichergestellt und durchsucht werden könnte» (E. 3.4).

7

Angesichts des Wortlauts von Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO leuchtet diese Argumentation ein. Eine andre Frage ist aber, ob diese Strafnorm in jedem Fall im Einklang steht mit der Bedeutung des Quellenschutzes für Medienschaffende, welche der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) diesem beimisst.

8

Im Fall des Journalisten Ludovic Rocchi («Le Matin») hat das zuständige Neuenburger Zwangsmassnahmengericht in seiner Verfügung vom 22. Mai 2014 die Beschlagnahme von Geräten und Unterlagen in dessen Wohnung sowie seines Laptops im Hotelzimmer, in dem er sich aufhielt, als rechtswidrig qualifiziert und das Entsiegelungsgesuch der Staatsanwaltschaft abgelehnt (https://files.newsnetz.ch/upload//3/7/37895.pdf). Die Beschlagnahme war auf Grund einer Strafanzeige gegen Rocchi wegen übler Nachrede, evtl. Verleumdung, und Verletzung des Amtsgeheimnisses, evtl. Anstiftung dazu, erfolgt. In seiner Verfügung berief sich das Zwangsmassnahmengericht vor allem auf die Erwägungen des EGMR zum Quellenschutzes für Medienschaffende in den Fällen Roemen et Schmitt c. Luxembourg (vom 25. Februar 2003, Requête No 51772/99) und Dammann c. Suisse vom (25. April 2006, Requête No 77551/01). Daraus leitete es ab, dass der Quellenschutz gemäss Art. 172 StPO nicht nur dann anwendbar ist, wenn der Journalist Zeuge ist, sondern auch dann, wenn er selber Beschuldigter ist (E. 5.2). Auf Grund der Würdigung der konkreten Umstände der Hausdurchsuchung und der Beschlagnahme anhand der Kriterien des EGMR räumte das Zwangsmassnahmengericht der Pressefreiheit den Vorrang ein (E. 5.3).

9

Die Auffassung des Neuenburger Zwangsmassnahmengerichts, wonach sich Medienschaffende auch dann auf den Quellenschutz berufen können, wenn sie selber Beschuldigte sind, scheint auf den ersten Blick im Widerspruch zu den Erwägungen im hier besprochenen Bundesgerichtsurteil 1B_550/2018 vom 6. August 2019 zu stehen. Dies ist bei näherem Hinsehen jedoch nicht der Fall.

10

Der betroffene Medienschaffende hat im Verfahren vor dem Bundesgericht weder den hinreichenden Tatverdacht noch die Verhältnismassigkeit der streitigen Zwangsmassnahmen bzw. die Untersuchungsrelevanz der sichergestellten Beweismittel bestritten (BGer 1B_550/2018, E. 3). Offenbar hat er sich auch nicht auf die Praxis des EGMR berufen. Das Bundesgericht war deshalb nicht gehalten, eine Verletzung der EMRK zu prüfen (Art. 106 Abs. 2 BGG). Dennoch hat das Bundesgericht von sich aus festgestellt, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die kantonalen Strafbehörden den Journalisten rechtsmissbräuchlich (nämlich bloss unter einem Vorwand) förmlich beschuldig hätten, um seinen journalistischen Quellenschutz zu unterlaufen (E. 3.4). Damit hat es zumindest zu erkennen gegeben, dass es Fallkonstellationen geben kann, in denen sich Medienschaffende auf den Quellenschutz berufen können, auch wenn sie selber als Mittäter oder Teilnehmer beschuldigt werden.

Fazit

11

Die Beschwerde des beschuldigten Medienschaffenden ist in erster Linie mangels ausreichender Substantiierung seiner geschützten Geheimnisinteressen abgewiesen worden. Die vom Bundesgericht an die Substantiierungsobliegenheit geknüpften hohen Anforderungen bergen aber die Gefahr, dass der Quellenschutz für Medienschaffende ausgehöhlt wird. Hingegen bedeutet der Entscheid nicht, dass sich Medienschaffenden generell nicht auf den Quellenschutz berufen können, wenn sie selber Beschuldigte sind.

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