Übersicht über die wichtigsten Urteile im Bereich des Urheberrechtes im Jahr 2018
Sandra Künzi, lic. iur. Fürsprecherin und Mitglied der Eidg. Schiedskommission für Urheber- und Verwandte Schutzrechte
I. Urheberrechtlicher Werkschutz
1. Singvögel
a) Sachverhalt
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Der beklagte Autor gestaltete Sachbücher mit Kurzporträts von Vögeln in zwei Bänden (Singvögel und Nichtsingvögel). Diese Büchlein waren für den Feldgebrauch gedacht und erschienen in drei Auflagen. An der 4. und 5. Auflage, die unter dem Titel «Ornithologische Steckbriefe» erschienen, arbeitete die Klägerin mit. Sie klagte im September 2017 auf ihre Miturheberschaft an diesen neuen Auflagen. Der Beklagte stellte sich auf den Standpunkt, die Klägerin habe lediglich als Lektorin mitgearbeitet, sei aber nicht Miturheberin. Ein schriftlicher Vertrag lag nicht vor.
b) Beurteilung durch das Kantonsgericht Basel-Landschaft vom 11. Dezember 2018
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Das Gericht prüfte als erstes, ob es sich bei den fraglichen Büchern um geschützte Werke nach Art. 2 Abs. 1 URG handle. Wo nur wenig schöpferischer Spielraum bestehe, wie bei wissenschaftlichen Werken, da reiche bereits ein geringer schöpferischer Grad, um die erforderlichen Individualität zu erreichen. «Es handelt sich um Bücher über Vögel bzw. um einen Zusammenzug von fachlichen Informationen und somit um wissenschaftliche Werke. Bei diesen ist der Inhalt durch die fachlichen Fakten weitgehend vorgegeben, weshalb sich die Individualität in der Gestaltung des Werkes ausdrückt, …». Das Gericht bejahte den Werkcharakter der Bücher. Als nächstes prüfte es, ob die Klägerin eine eigene schöpferische Leistung erbracht habe und so überhaupt zur Miturheberin der Auflagen 4 und 5 geworden sei. Im Impressum der 4. und 5. Auflage wird die Klägerin wie folgt erwähnt: «unter Mitwirkung von V.D.» Das Gericht hielt fest, dass die Auflage 4 zwar deutlich überarbeitet worden sei, jedoch primär durch den Beklagten selber noch vor der Mitarbeit der Klägerin.
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Weiter analysierte und bewertete das Gericht die konkreten Tätigkeiten der Klägerin: Sie habe alle Vogelbeschreibungen inhaltlich überprüfen müssen und allfällige Änderungen, insbesondere Erkenntnisse aus der Fachliteratur, vorgeschlagen. Das sei unbestrittenermassen sehr zeitintensiv gewesen, gehe aber nicht über das wissenschaftliches Lektorieren hinaus und stelle daher keinen gestalterischen Akt dar. Dieser läge im Konzept und in der Gestaltung der Bücher als kompakte Nachschlagewerke im Feld, gelte aber nicht für das Ergänzen oder Ändern des bestehenden Textes. Weiter habe das selbstständige Beschreiben von 55 «Jugendkleidern» von Vögeln im Gesamtwerk nur untergeordnete Bedeutung gehabt. Auch entbehre die Mitarbeit am Glossar der schöpferischen Leistung, weil es lediglich um Fachausdrücke gehe, die bereits definiert seien. Und schliesslich begründe die Mitarbeit an Titel und Titelgestaltung keine Miturheberschaft, da es zu den Aufgaben von Verlagslektoren gehöre, Titel und Cover gut vermarktbar zu gestalten. Aus diesen Gründen verneinte das Gericht eine Miturheberschaft der Klägerin
c) Ergebnis
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Es dürfte für das Gericht kein Einfaches gewesen sein, die ehemals offenbar fruchtbare und mindestens vom Beklagten geschätzte Zusammenarbeit der zerstrittenen Parteien zu beurteilen. Das Gericht spricht allen Arbeiten der Klägerin die schöpferische Qualität ab, da sich ihre Tätigkeit primär auf die Inhalte, aber nicht auf die Gestaltung der Bücher bezog. Allein die Menge der investierten Arbeitsstunden vermag keine Urheberschaft an einem Werk zu begründen. Massgeblich ist, ob sie das Werk mit erkennbaren individuellen Beiträgen mitgestaltet hat. Dies wurde wohl zu Recht verneint. Etwas irritierend ist allerdings die gerichtliche Feststellung, wonach die Gestaltung eines Covers zu den üblichen Lektoratsarbeiten gehöre und kein schöpferischer Akt sei. Hier wäre wohl eher zu fragen gewesen, ob ein derartig simples Cover wie im vorliegenden Fall überhaupt Werkschutz beanspruchen kann, was m.E. zu verneinen ist. Eine weitere spannende Frage liegt im Aspekt des Schutzes von Konzepten. Das Gericht beschreibt in E. 4.2. die Idee des Beklagten: kleine, handliche Form, Ringbindung, kompakter Beschrieb der Vögel mit viel Text und kleiner Schrift, um möglichst viele Informationen aufzuführen, keine Fotos, pro Vogel eine Doppelseite, Anhang mit Glossar. «Dieses Gesamtkonzept macht den individuellen Charakter und damit die Werkeigenschaft dieser Bücher aus». Diese Einschätzung kann aus urheberrechtlicher Sicht aber nicht bedeuten, dass nicht auch andere Personen handliche Bücher zu Vögeln, aufgeteilt in Sing- und Nichtsingvögel, mit kompakten Beschrieben herausgeben dürfen. Das URG kennt gerade keinen Schutz von Ideen oder Konzepten an sich, sondern nur die konkrete Ausgestaltung.
2. Fremde Texte: Verwenden oder Zitieren?
a) Sachverhalt
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Im Oktober 2016 erschienen in der Zeitung H. zwei Artikel mit der Frage, ob es an der Universität an «Lichtgestalten» fehle. Mit Lichtgestalten waren Professorinnen und Professoren mit grosser Ausstrahlung gemeint. Es entspann sich daraufhin eine längere öffentliche Debatte, in der auch die Uni Basel Stellung nahm bzw. Stellung nehmen musste (https://www.unibas.ch/de/Aktuell/News/Uni-Info/Zur-Lage-der-Basler-Geistes-und-Sozialwissenschaften-Eine-Stellungnahme.html). Im November 2016 veröffentlichte der Kläger einen Artikel in der Zeitung I. dazu. Dieser wurde von der Zeitung H. einige Tage später fast vollständig wiedergegeben. Daraufhin machten der Autor des Artikels (Kläger 1) sowie die Zeitung I. (Klägerin 2) vor Gericht eine Verletzung von Urheberrechten mittels Stufenklage geltend. Sie verlangten die Feststellung der Verletzung von Urhebervermögens- und Urheberpersönlichkeitsrechten, eine Publikation des Urteils, die Unterlassung einer weiteren Verbreitung oder Archivierung des Artikels, eine Genugtuung, die Bekanntgabe des Bruttogewinns für die Zeitung mit dem fraglichen Artikel und die Bezahlung einer Vergütung.
b) Beurteilung durch das Appellationsgericht Basel-Stadt vom 31. Oktober 2018
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Das Gericht äusserte sich vorab zum Verhältnis von Feststellungsbegehren und Leistungsklage. Es gelangte zum Schluss, dass die Durchsetzung von Vergütungsansprüchen im Bereich Urheberrecht regelmässig schwierig sei, was im vorliegenden Fall das gleichzeitige Einreichen einer Feststellungs- und Leistungsklage nachvollziehbar mache. Es beruft sich auf BGE 135 III 378, wonach Feststellungsklagen nicht immer a priori ausgeschlossen sind, wenn Leistungsklagen möglich sind. Es sprächen ausserdem keine prozessökonomischen Gründe dagegen und das Gericht bejahte das Feststellungsinteresse trotz gleichzeitiger Leistungsklage. Dies gelte auch für die Klägerin 2, obwohl sie nur Lizenznehmerin und nicht Rechteinhaberin sei. Denn die einzige Voraussetzung sei nach Art. 61 URG das Vorliegen eines rechtlichen Interesses an der Feststellung unabhängig von einer Rechtsinhaberschaft. Auch für die Leistungsklage sei die Klägerin 2 gestützt auf Art. 62 Abs. 3 URG aktivlegitimiert.
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Materiell hatte das Gericht zu prüfen, ob die von der Beklagten unbestrittene Übernahme des Artikels des Klägers unter das Privileg des Zitierens nach Art. 25 URG fiel oder nicht. Es verwies in seinen Argumenten auf den einschlägigen BGE 131 III 480 und wiederholte die Grundsätze, dass ein Zitat kein Selbstzweck sein dürfe, sondern Belegfunktion haben müsse. Es diene der Erläuterung, dem Hinweis oder der Veranschaulichung, und der Umfang des Zitates müsse durch diesen Zweck gerechtfertigt sein. Ausserdem müsse das Zitat von untergeordneter Bedeutung gegenüber der eigenen Darstellung sein. Im vorliegenden Fall sei gar keine eigene Darstellung der Beklagten ersichtlich, ihr Beitrag erschöpfe sich weitgehend in der Wiedergabe des Artikels des Klägers. Damit fehle es an der Belegfunktion. Den Einwand der Beklagten, man müsse das Zitat in einem grösseren Zusammenhang betrachten, also die ganze mehrwöchige Debatte, verwarf das Gericht: Die Regeln des Zitierens seien in jedem Fall einzuhalten. Davon entbinde auch das vorgängige Verhalten des Zitierten nicht. Das Gericht stellte schliesslich eine Verletzung des Werkverwendungsrechtes fest. Es hiess das klägerische Unterlassungsbegehren gut, mit dem der Beklagten verboten wurde, den Artikel zu archivieren, verbreiten oder zugänglich zu machen. Ein Interesse an einer Publikation des Urteils wurde dagegen verneint, weshalb das Urteil auch nur in anonymisierter Form einsehbar ist. Schliesslich verneinte das Gericht einen Genugtuungsanspruch wegen schwerer Verletzung der Urheberpersönlichkeitsrechte. Zwar sei die Werkintegrität durch Kürzungen verletzt worden, dies beträfe aber nicht den harten Kern des Urheberpersönlichkeitsrecht, da der Kläger nicht in ein falsches Bild gerückt würde. Es läge keine persönlichkeitsentstellende Verletzung vor. Schliesslich musste das Gericht auch noch das Leistungsbegehren auf Gewinnherausgabe nach Art. 423 OR beurteilen. Es kam zum Schluss, die Beklagte habe böswillig gehandelt und verpflichtete sie, Auskunft zu geben über ihren Bruttogewinn aus dem Verkauf der print- und e-paper-Ausgabe vom 12. November 2018.
c) Ergebnis
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Die Rechtsprechung zum Zitatrecht nach Art. 25 URG ist rar. Der vorliegende Entscheid des Appellationsgerichtes Basel-Stadt orientiert sich an den bekannten Grundsätzen zum Zitatrecht und wartet in dem Sinne nicht mit neuen Gedanken auf. Überraschend ist dagegen die Bejahung eines Feststellungsinteresses neben den eingereichten Leistungs- und Unterlassungsklagen, da die Feststellungsklage bekanntermassen subsidiär ist. Die vom Gericht zitierten Bundesgerichtsentscheide 135 III 378 und 4A_589/2011 halten denn auch fest, dass ein Feststellungsbegehren neben einem Leistungsbegehren nur dann eine Berechtigung habe, wenn damit ein Rechtsverhältnis als bestehend oder nicht bestehend qualifiziert werde, welches nicht schon Gegenstand des Leistungs- oder Unterlassungsbegehrens sei. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall. Die Gutheissung der vorliegenden Unterlassungsklage zeigt, dass eben kein Feststellungsinteresse für eine eigenständige Feststellung der Verletzung von Urheber und Urheberpersönlichkeiten vorlag. Das Gericht musste ohnehin prüfen, ob Urheberrechte verletzt worden sind, um über die eingereichten Leistungs- und Unterlassungsbegehren zu entscheiden. Mithin hätte es ein Feststellungsinteresse verneinen müssen. Konsequenterweise untersagt das Gericht die weitere Verwendung des unerlaubt benutzten Artikels und verpflichtet die Beklagte, ihren Bruttogewinn an der fraglichen Ausgabe bzw. prozentual an dem unerlaubt verwendeten Artikel bekannt zu geben, bevor die geschuldete Vergütung festgelegt werden kann. Daher ist dieses Urteil erst ein Teilentscheid.
3. Elektronischer Zahlungsverkehr und seine Schnittstellen
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Dieser mit Spannung erwartete Entscheid des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18. Dezember 2018 (B-831/2011) zu einem im Jahr 2006 vor der WEKO eingeleiteten Verfahren umfasst mehr als 500 Seiten. Obwohl es sich um einen kartellrechtlichen Entscheid handelt, ist er auch aus Sicht des Urheberrechtes beachtenswert. Es handelt sich um einen Grundsatzentscheid, welcher nicht nur den elektronische Zahlungsverkehr im Detail erläutert sondern rund 60 relevante Rechtsfragen beantwortet, 20 davon mit präjudiziellem Charakter (Medienmitteilung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. Mai 2019, (https://www.bvger.ch › 2019/05 › MM_B-831-2011_Dt_ohne-Embargo).
a) Sachverhalt
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Im Zentrum dieses langjährigen Streites geht es um Kartenterminals mit der Zusatzleistung „Dynamische Währungsumrechnung“ bei Auslandstransaktionen, abgekürzt DCC. Dank diesem Service können KartennutzerInnen bei ihren Kartenzahlungen wählen, ob sie in ihrer Landeswährung oder in der Währung des jeweiligen Händlers bezahlen wollen. DCC wurde in der Schweiz ab 2004 von der Firma Card Solutions entwickelt und ab Januar 2005 von der Schwester-Firma Multipay vermarktet. Die Firma Multiplay lieferte nicht nur die passenden Kartenterminals mit der Zusatzfunktion DCC, sondern auch den nötigen Zugang zur passenden Verarbeitungsplattform, die die Nutzung von DCC erst möglich machten und die von der SIX Group betrieben wurde. Hier zeigt sich denn auch die kartellrechtliche Dimension: Multipay und Card Solutions sind Tochterfirmen der SIX Group. Multipay war mithin in der Lage, interessierten Händlern und Händlerinnen, Terminals mit der neuen Funktion DCC und den Zugang zur notwendigen Vertriebsplattform bei SIX anzubieten. Das führte in den Jahren 2005 -2007 zu merklichen Umsatzeinbussen bei den übrigen (sechs) Herstellerinnen von Kartenterminals. Diese verlangten daher von Multipay die Herausgabe der notwendigen Schnittstellenformationen für den Anschluss ihrer Terminals an die SIX-Verarbeitungsplattform, was Multipay aber mehrfach verweigerte. Nach einer Anzeige eröffnete die WEKO im Januar 2007 eine entsprechende Untersuchung. Am 29. November 2010 kam die WEKO zum Schluss, die SIX-Group habe eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung gemäss Art. 7 Kartellgesetz verwirklicht, indem sie ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht und die Bereitstellung von bestimmten Informationen zu DCC an andere Anbieter verweigert habe. Dagegen erhob die SIX-Group Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Sie berief sich dabei unter anderem auch auf Art. 21 URG und Art. 17 URV, wonach Schnittstellen grundsätzlich geschützt seien, und sie auch aus urheberrechtlicher Sicht nicht verpflichtet sei, diese Informationen herauszugeben. Die SIX behauptete ein Urheberrecht sowohl an der DCC-Funktion wie auch an der DCC-Schnittstelle.
b) Die Beurteilung durch das Bundesverwaltungsgericht vom 18. Dezember 2018
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Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte grundsätzlich die Einschätzung der WEKO: Die SIX habe im Zeitraum von 2005 -2007 im Akzeptanzgeschäft bezüglich Kredit- und Debitkarten eine marktbeherrschende Stellung gehabt, die sie missbraucht habe. Es bestätigte weiter die Sanktionen von rund 7 Mio. Franken gegen die SIX Group. Da aus kartellrechtlicher Sicht der Konzern massgebend ist und nicht einzelne Konzerngesellschaften, wurde die SIX Group AG verurteilt. In den hier interessierenden Ausführungen zum Urheberrecht hält das Gericht eingangs fest, dass es bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage «des Anwendungsvorrangs des Immaterialgüterrechts bei Schnittstelleninformationen für EDV-Plattformen zur Herstellung der Interoperabilität mit EDV-Geräten» gäbe (E.543, B-831-2011). Über rund 40 Seiten prüfte das Gericht Funktion und Bedeutung von Schnittstellen(informationen), Zweck und Schutzumfang der Art. 10, 12 und 21 URG, Voraussetzungen eines Urheberrechts an Schnittstellen sowie einer Dekompilierung, das Bestehen einer urheberrechtlichen Offenlegungspflicht und schliesslich das Verhältnis von Urheber- und Kartellrecht.
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Dabei kam es grob zusammengefasst zu folgenden Schlüssen:
- Einzelne Komponenten eines (offenen) EDV-Systems können nur verwendet werden, wenn die Interoperabilität aller Komponenten gegeben ist. Dafür sind massgebliche Schnittstelleninformationen nötig. Zahlungskartensysteme sind als offene EDV-Systeme zu qualifizieren.
- In der schweizerischen Literatur ist umstritten, ob Schnittstellen urheberrechtlich geschützt sind oder nicht (E. 570 ff.)
- Für Schnittstellen «kann nicht automatisch ein Urheberrecht geltend gemacht werden, weil sie die Voraussetzungen für Werkqualität nicht ohne Weiteres erfüllen. Allerdings ist es auch nicht völlig ausgeschlossen, dass im Einzelfall ein Urheberrecht an einer Schnittstelle besteht.» (E.576).
- Der übliche urheberrechtliche Schutzumfang wird mit Art. 21 URG eingeschränkt (E. 941).
- Art. 21 URG sieht ausdrücklich die Möglichkeit zu einer Dekompilierung von Computerprogrammen zwecks Feststellung von Schnittstelleninformationen vor, um so den Wettbewerb von Computerprogrammen und sonstigen EDV-Komponenten zu ermöglichen.
- Art. 21 URG ist im Sinne von Art. 6 Software-RL der EU zu interpretieren. Der Zweck dieser Norm besteht im Schutz der jeweiligen Computerprogramme vor unerlaubter Vervielfältigung, aber nicht im Schutz vor konkurrierenden Produkten oder in der Ausschaltung des Wettbewerbs.
- Sowohl das Urheberrecht als auch das Kartellrecht seien darauf ausgerichtet, «die Verfügbarkeit von untereinander austauschbaren EDV-Komponenten zur Nutzung innerhalb eines EDV-Systems zu gewährleisten» (E.612).
- «Das Urheberrecht statuiert für Schnittstelleninformationen von EDV- Komponenten weder einen allgemeinen immaterialgüterrechtlichen Vorbehalt im Sinne von Art. 3 Abs. 2 KG noch weist Art. 21 URG einen generellen Vorbehalt gegenüber kartellrechtlichen Vorschriften zur Begründung einer Offenlegung von Schnittstelleninformationen auf, selbst wenn an den Schnittstellen ein Urheberrecht bestehen sollte. Demzufolge geniessen Schnittstelleninformationen aus kartellrechtlicher Sicht keinen beachtenswerten urheberrechtlichen Schutz im Hinblick auf die Herstellung bzw. Gewährleistung einer notwendigen Kompatibilität von EDV- Komponenten. Dies gilt unabhängig von der Art der jeweiligen EDV- Komponente, insbesondere wird hierdurch auch die Kompatibilität von Peripheriegeräten oder Konkurrenzprodukten mit einer Plattform erfasst. Die Anwendung der materiellrechtlichen Vorschriften des Kartellrechts zur Gewährleistung eines wirksamen Wettbewerbs wird daher bei entsprechenden Sachverhalten nicht durch urheberrechtliche Aspekte eingeschränkt» (E. 619).
c) Ergebnis
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Wer sich mit Werkqualität von Schnittstellen, mit den Anforderungen an die Dekompilierung nach Art. 21 URG oder mit dem Verhältnis von Kartell- und Urheberrecht befasst, kommt nicht umhin, diesen spannenden Entscheid zu lesen. Er kommt in seinem Aufbau und in seiner Systematik einem Lehrmittel gleich.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Es wurde von SIX mit Beschwerde beim Bundesgericht angefochten.
II. Tarifentscheide
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Entscheide zu Tarifen gemäss Art. 46 URG werden nicht nur von Gerichten erlassen, sondern auch von der ESchK, die für die Genehmigung und Angemessenheitsprüfung von Tarifen zuständig ist.
- Tarif A Fernsehen [SWISSPERFORM] (Beschluss vom 13. September 2018) Verwendung von im Handel erhältlichen Tonträgern und Tonbildträgern durch die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft [SRG] zu Sendezwecken im Fernsehen > rechtskräftig (einvernehmlicher Tarif)
- GT 3c (Beschluss vom 13. September 2018) Empfang von Fernsehsendungen auf Grossbildschirmen («public viewing») > rechtskräftig (einvernehmlicher Tarif)
- Tarif VN (Beschluss vom 20. September 2018) Aufnehmen von Musik auf Tonbildträger zur Vorführung, Sendung oder Online-Nutzung > rechtskräftig (einvernehmlicher Tarif)
- GT H (Beschluss vom 28. September 2018) Musikaufführungen zu Tanz und Unterhaltung im Gastgewerbe > rechtskräftig (einvernehmlicher Tarif)
- GT 11 (Beschluss vom 28. Oktober 2018) Nutzung von Archivaufnahmen von Sendeunternehmen > rechtskräftig (einvernehmlicher Tarif)
- GT 4i (Beschluss vom 12. November 2018) Vergütung auf in Geräte integrierte digitale Speichermedien > rechtskräftig (einvernehmlicher Tarif)
- GT 5 (Beschluss vom 10. Dezember 2018 Vermieten von Werkexemplaren > nicht rechtskräftig: hängig vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Dieser Entscheid thematisiert die Berechnungsbasis für den Tarif für das Vermieten von Werkexemplaren durch Bibliotheken (Art. 13 URG i.V. mit Art. 40 I b URG). Bis anhin wurden für die Tarifberechnung lediglich die konkreten Ausleihgebühren pro Werkexemplar herangezogen. Neu sollten auch Pauschalzahlungen wie nutzungsunabhängige Jahresgebühren mitberücksichtigt werden. In einem sehr sorgfältig und hervorragend begründeten Entscheid befasst sich die ESchK ausgiebig mit dieser Frage. Sie erläutert unter anderem auch die Auslegungsgrundsätze, um Sinn und Gehalt von Art. 13 URG zu ermitteln: Es sei «unter Umständen auch eine rechtsvergleichende Auslegung mit Blick auf das Recht der Europäischen Union (EU) und das (ggf. mittels Richtlinien harmonisierte) Recht von deren Mitgliedstaaten angezeigt.» (E.8). Die ESchK kommt zum Schluss, dass Art. 13 Abs. 1 URG auch Pauschalbezahlmodelle erfasst. Die Rechtslage von Hochschulbibliotheken sei aber gesondert zu betrachten, mithin sollen Einschreibegebühren an Hochschulen bei der Tarifberechnung nicht als Entgelt mit einbezogen werden.
Parallel zum Beschwerdeverfahren lobbyierten die Bibliotheken im Parlament und versuchten «gemeinnützige Bibliotheken», die nur Pauschalgebühren verlangen, von einer Vergütung zu befreien (vgl. AB 2019 S, S. 260 Votum Engler). Es kam im revidierten Gesetz schliesslich zu einer abgeschwächten Lösung, wonach Bibliotheken zur Wahrung ihres Vermittlungsauftrags tariflich zu begünstigen sind (Schlussabstimmung vom 27.09.2019). - GT 12 (Beschluss vom 16. Februar 2018) Vergütung für die Gebrauchsüberlassung von Set-Top-Boxen mit Speicher und vPVR > nicht rechtskräftig, hängig am Bundesgericht 2C_949/2018. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Beschwerde von Sendeunternehmen mit Urteil B-1714/2018 im September 2019 bereits abgewiesen. Die gegen dieses Urteil beim Bundesgericht eingereichte Beschwerde 2C_949/2018 wurde bis Februar 2020 sistiert.
III. Verwertungsgesellschaften: Geschäftsführung
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Die Aufsichtsbehörde über Verwertungsgesellschaften ist das Institut für geistiges Eigentum (IGE). Dieses erliess im Juli 2014 eine Verfügung, in der sie die ProLitteris verpflichtete, ausserordentliche Pensionskassenzahlungen für drei Mitglieder der Geschäftsleitung zurück zu zahlen. Dagegen wehrte sich die ProLitteris mit einer Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht. Sie argumentierte unter anderem, dem IGE stehe nach Art. 53 URG nur eine reine Rechtskontrolle zu, während es vorliegend um einen Ermessensentscheid gehe. Das Bundesverwaltungsgericht stellte dazu fest, dass dem IGE zwar tatsächlich nur eine Rechtskontrolle zustehe, aber qualifizierte Ermessensfehler wie Ermessensmissbrauch, -überschreitung oder -unterschreitung seien eben gerade Rechtsverletzungen (E. 4.2.7). Und so kam das Bundesverwaltungsgericht in seinem Entscheid B-5220/2014 zum Schluss, «dass die Beschwerdeführerin ihre Pflicht zur Geschäftsführung nach den Grundsätzen einer geordneten und wirtschaftlichen Verwaltung gemäss Art. 45 Abs. 1 URG verletzt hat, indem sie entgegen dem Vorsorgereglement, in Missachtung des Selbstverschuldens der Geschäftsleitungsmitglieder und ohne überzeugenden Grund deren Anteile von 30% der Pensionskassennachzahlungen übernommen und dadurch die treuhänderisch eingenommenen Gelder nicht zur Ausschüttung an die Rechteinhaber, sondern einzig im persönlichen Interesse dreier Geschäftsleitungsmitglieder verwendet hat. Zurecht hat sie die Vorinstanz zur Rückzahlung bzw. zur künftigen Einschränkung der Nachzahlungen aufgefordert.» Damit liegt ein seltenes Urteil zu Art. 45 URG vor.