Trumps Verbot der Zensur durch Portalbetreiber ist zu begrüssen

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Entgegnung zum Artikel „Trump v. Twitter“ von Urs Saxer (medialex 05/20)

Erwin Kessler, Dr. sc. tech. ETH, Präsident des Vereins gegen Tierfabriken Schweiz VgT.ch

Résumé: L’auteur de ce texte, un défenseur connu de la cause animale en Suisse alémanique, défend un décret du président américain Donald Trump. Selon lui, il n’est pas acceptable, ni du point de vue de l’Etat de droit ni de celui de la démocratie, que des entreprises dominant le marché puissent dicter ce qui est vrai, ce qui est faux et quelles opinions sont adéquates et dignes d’être publiées, socialement et moralement. Au lieu de critiquer l’interdiction de la censure décidée par Trump, il vaudrait mieux contraindre les gérants de sites internet, en Suisse également, à transmettre aux ministères publics l’identité des usagers ou leur adresse IP, lorsqu’une plainte est en cours.

Zusammenfassung: Der Autor verteidigt das Dekret des amerikanischen Präsidenten. Es sei rechtsstaatlich und demokratisch nicht akzeptierbar, dass marktbeherrschende Konzerne bestimmen dürften, was wahr und was falsch sei und was sozial und moralisch zulässige bzw. sozialadäquate Äusserungen seien. Anstatt Trumps Zensurverbot zu kritisieren, wünscht er sich, dass auch bei uns die Portalbetreiber verpflichtet würden, der Staatsanwaltschaft die Identität der Nutzer bzw. deren IP-Adresse bekannt zu geben, gegen welche eine Anzeige hängig ist.

I. Einleitung

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Egal wie man sich zum amerikanischen Präsidenten Donald Trump stellt – ich bin alles andere als ein Fan von ihm -, sollte sich eine rechtliche Würdigung seiner präsidialen Verfügung gegen Zensur durch grosse Social Media Plattformen auf den Inhalt dieser Verfügung konzentrieren, nicht auf die Person Trumps und seine Motive. Beschränkt man sich sachlich auf diese Verfügung, so ist zweierlei zu unterscheiden

  • das Verbot der Zensur durch die globalen Internetkonzerne, welche die sozialen Medien betreiben, und
  • die Mittel mit denen dies erreicht werden soll.

II. Verbot privater Zensur 

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Das Verbot der privaten Zensur durch marktbeherrschende Portalbetreiber ist ganz klar zu begrüssen. Gemäss Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts können marktbeherrschende Firmen nicht tun und lassen was sie wollen wie andere Private, vielmehr sind sie ähnlich wie staatliche Institutionen verpflichtet, die Grundrechte zu beachten, namentlich die Meinungsäusserungsfreiheit. Auf dieser Ebene müssen in freiheitlichen Demokratien Eingriffe in die Meinungsäusserungsfreiheit den ordentlichen Gerichten vorbehalten bleiben.

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Twitter und Facebook haben marktbeherrschende Stellungen und haben deshalb aus Sicht der europäischen Grundrechte (EMRK) die Meinungsäusserungsfreiheit zu beachten. Es ist rechtsstaatlich und demokratisch nicht akzeptierbar, dass marktbeherrschende Konzerne bestimmen dürfen was wahr und was falsch sei und was sozial und moralisch zulässige bzw. sozialadäquate Äusserungen sind.

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Es ist verführerisch aber nicht realistisch, die private Zensur durch Internetkonzerne verharmlosend so zu umschreiben, diese richte sich gegen, „obszöne, übermässig gewalttätige, schmutzige oder anstössige Inhalte, auch wenn diese im Grundsatz verfassungsrechtlich geschützt sind“. In der Realität sieht das wesentlich anders aus, wie folgende Beispiele zeigen.

  • Fallbeispiel 1: Veröffentlichung eines Urteils zensuriert.
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Ich wurde in einem Facebook-Post diffamiert. Eine freiwillige Löschung durch die Facebook-Administration zu erreichen scheiterte an der Forderung, ich müsse die Unwahrheit beweisen, was rasch auf ein privates Pseudogerichtsverfahren mit privaten Laienrichtern hinauslief, wobei diese entgegen den geltenden Gesetzen von einer Beweislastumkehr aus gingen, d.h. ich als „Kläger“ hätte die Unwahrheit beweisen müssen, was bekanntlich oft nicht einfach bis unmöglich ist (Nichtexistenzbeweis). Ich ging deshalb direkt gegen den Täter vor, und in diesem Fall gelang es der Staatsanwaltschaft, den verantwortlichen Facebook-Nutzer zu identifizieren; er wurde per Strafbefehl verurteilt. Hierauf veröffentlichte ich das Urteil, worauf Facebook diesen Post löschte, wie üblich ohne konkrete Begründung, vermutlich weil der Name des Verurteilten genannt wurde, was aber bei einer Urteilsveröffentlichung üblich, korrekt und sogar notwendig ist, um die Rufschädigung bestmöglich wieder rückgängig zu machen. Deshalb ging ich gestützt auf das IPRG gegen die Zensur dieser Urteilsveröffentlichung durch Facebook vor mit dem Rechtsbegehren, Facebook sei zu verbieten, diese Urteilsveröffentlichung zu löschen bzw. diese sei wiederherzustellen und zu dulden. Irland, wo der gewichtige Steuerzahler seinen europäischen Sitz hat, trickste jedoch das hiesige Gericht aus mit der Forderung, alle Akten müssten übersetzt werden, was nicht finanzierbar war; diese Forderung verletze das IPRG, wie das Bundesamt für Justiz gegenüber dem Gericht erklärte, aber dieses internationale Justiz-Abkommen sehe keine Sanktionen vor bei Missachtung. Dies ist im Kopf zu behalten zur Frage, mit welchen Mitteln Trump sein Zensurverbot durchsetzt.

  • Fallbeispiel 2: Zensur eines Videos durch Youtube
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Im Jahr 2018 veröffentlichte ich ein Video, auf dem zu sehen ist, wie ein Grossmäster Lämmer für den Schlachthof selektierte. Er packte diese an den Haaren und warf sie über eine Abschrankung. Andere zerrte er an den Hinterbeinen durch den Stall und über die Abschrankung. Weiter schlägt er mit einem Knüppel auf die Tiere ein und traktiert sie mit Kniestössen. Blick bezeichnete diesen Thurgauer Schafmäster als «Schafwerfer von Herrenhof» und das Video als «Schock-Video». Von der Agrolobby war dann in der Thurgauer Zeitung zu hören, auf dem Video sei keine Tierquälerei zu sehen, das sei normaler Umgang beim Verladen von Schafen und könne überall so gefilmt werden. Die Videoplattform Youtube hingegen zensurierte dieses Video wegen «Gewaltdarstellung», und Facebook hat den Link in die Videothek auf der Website des VgT gesperrt. Das Video ist jetzt noch auf dem alternativen Videoportal Vimeo zu sehen: https://vimeo.com/296256497

  • Fallbeispiel 3: Löschung eines Tweet-Thread durch Twitter
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Neue Videoaufnahmen zeigen katastrophale Missstände in der Mästerei des Schafwerfers: völlig verkotete, stark vernachlässigte Schafe, viele krank, mehrere so krank, dass sie nicht mehr aufstehen können, zum Teil sichtlich am Sterben – alle sich selber überlassen (www.vgt.ch/news/181015-schafe-herrenhof.htm). Twitter löschte einen Tweet-Thread mit meinem Bericht und den Aufnahmen darüber ohne Begründung.

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Mit solcher Zensur wird der öffentliche politische Diskurs über wichtige politische Themen (Tierschutz) massiv und willkürlich behindert. Das von Trump verfügte Verbot privater Zensur und die private „Rechtsprechung“, was wahr ist und was nicht und welche Meinungsäusserungen zulässig sind und welche nicht, ist deshalb sehr zu begrüssen. Eine Ablehnung des Verbots, bloss weil es von Trump kommt, ist abzulehnen.

III. Umsetzung des Verbotes gemäss Trumps Verfügung

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Social-media-Plattformbetreiber, die sich (mit Zensur und Bewertungen) in den Inhalt einmischen, werden für den Inhalt verantwortlich gemacht. Damit sollen sie abgehalten werden, sich mit Zensur und einer aktiven Beurteilung was wahr bzw. unwahr sei in den Inhalt einzumischen. Ich kann darin nichts Unlogisches, Sachfremdes und Abzulehnendes erkennen und vermisse im Artikel von Urs Saxer eine nachvollziehbare sachliche Begründung. Auch vermisse ich Hinweise, wie das Verbot juristisch besser bzw. wirksamer umgesetzt werden könnte.

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Das Argument, die Plattformen hätten „ein eigenes, auch ökonomisches Interesse daran, dass die verbreiteten Inhalte minimale Standards beachten und mit den Einstellungen des Mainstreams kompatibel bleiben“ erinnert an das Gerichtsverfahren des VgT gegen die Schweizerische Post, weil sich diese aus politischen Gründen weigerte, die VgT-Zeitschrift zu spedieren. Die Begründung der Post war, diese schade dem Ruf der Post, weil darin Tierhalter namentlich kritisiert würden. Das Bundesgericht hat dieser Zensur mit dem Entscheid 4C.297/2001 vom 7. Mai 2002 einen Riegel geschoben und die Begründung als unhaltbar zurückgewiesen.

Aus Erw. 6.4:

„Schliesslich kann auch festgehalten werden, dass die Post den Transport der fraglichen Publikationen ohne sachliche Gründe verweigert hat. Der Hinweis der Post, die Publikationen würden ihrem Ruf schaden und ihre Geschäftstätigkeit beeinträchtigen, weil viele Landwirte darin namentlich kritisch erwähnt würden, überzeugt nicht. Es ist allgemein bekannt, dass sich die Leistungen der Post auf die blosse Verteilung von Sendungen jeglicher Art bezieht und beschränkt. Mit dem redaktionellen Inhalt der von ihr beförderten Sendung wird die Post nicht identifiziert. Die Begründung der Post, dass andere Kunden - die namentlich erwähnten Landwirte - durch die Beförderung der Publikation ihre Geschäftsbeziehungen mit der Beklagten in Frage stellen könnten, dürfte kaum zutreffen. Im Übrigen behauptet die Post auch nicht, dass der redaktionelle Inhalt rechtswidrig sei, was als sachlicher Grund für die Abweisung des Klägers zu anerkennen wäre. Unter diesen Umständen stellt die Weigerung der Post, die Publikationen des Klägers zu transportieren, einen Verstoss gegen die guten Sitten dar. Die Post wäre daher verpflichtet gewesen, die Sendungen des Klägers zu den von ihr in der Broschüre "Promopost" öffentlich und allgemein bekannt gegebenen Bedingungen zu befördern.“

IV. Handlungsbedarf beim Schweizer Gesetzgeber

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Anstatt Trumps Zensurverbot zu kritisieren, wünscht man sich im Gegenteil – auch vom schweizerischen Gesetzgeber – eine weitere Verfügung bzw. ein Gesetz, welches die Portalbetreiber verpflichtet, der Staatsanwaltschaft die Identität der Nutzer bzw. deren IP-Adresse bekannt zu geben, gegen welche eine Anzeige hängig ist. Das verweigert Facebook systematisch, soweit es nicht schwere Katalogdelikte betrifft. Damit ermöglicht es Facebook anonymen Nutzern, die mit Fake-Namen unterwegs sind, das Portal für ein rechtswidriges Verhalten zu missbrauchen, ohne dass sie – in vielen Fällen – rechtlich zur Rechenschaft gezogen werden können (mehrere meiner Anzeigen verliefen deshalb im Sand).

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Die Portalbetreiber wollen einerseits keine Verantwortung tragen für die Inhalte, andererseits decken sie die verantwortlichen Nutzer und torpedieren damit den Rechtsstaat. De lege ferenda sollten Portalbetreiber verpflichtet werden, die Identität von Nutzern in hängigen Strafverfahren gegenüber den Strafverfolgungsbehörden offen zu legen. Insofern ist es zu begrüssen, dass Trumps „executive order“ gegen die Zensur durch marktbeherrschende Portalbetreiber eine Diskussion ausgelöst hat.

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