Von Waagen, Bauplänen, Netzsperren, hauchdünnen Farbschichten und Tonschnipseln

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Übersicht über die wichtigsten Urteile im Bereich des Urheberrechtes im Jahr 2019

Sandra Künzi, lic. iur. Fürsprecherin und Mitglied der Eidg. Schiedskommission für Urheber- und Verwandte Schutzrechte

Résumé: En 2019, les tribunaux suisses ont traité de nombreux cas d’atteinte au droit d’auteur. Des plans de construction d’une balance, ceux d’une maison ou un prospectus, est-ce que ce sont œuvres à protéger? Comment distinguer l’usage privé d’une œuvre, autorisé, des utilisations soumises aux droits des créateurs lors de streaming ou du téléchargement de films? Et où est la protection du droit d’auteur lors d’agrandissements de bâtiments, un exemple qui concerne l’architecte Santiago Calatrava et la gare Stadelhofen, à Zurich, qu’il a dessinée. La Cour de justice de l’Union européenne (CJUE) a en outre tranché sur d’importantes questions concernant le droit de citation lors d’un conflit portant sur un son de deux secondes au milieu d’un morceau de musique.

Zusammenfassung: Im Berichtsjahr befassten sich schweizerische Gerichte mit Streitigkeiten um den Werkcharakter von Konstruktionsplänen einer Waage, von Bauplänen und eines Faltprospektes, dann mit der Abgrenzung von erlaubtem Eigengebrauch und urheberrechtlichen Ansprüchen der Schöpfer beim Streamen und Downloaden von Filmen sowie mit dem Urheberrechtsschutz von Bauwerken, wenn diese erweitert werden sollen – konkret ging es um den vom berühmten Architekten Santiago Calatrava gestalteten Bahnhof Stadelhofen. Zudem beantwortete der Gerichtshof der EU (EuGH) spannende Vorfragen zum Zitatrecht im Zusammenhang mit einem Streit um einen zwei Sekunden langen Tonschnipsel in einem Musikstück. 

I. Urheberrecht

1. Schüttgefässwaage

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Die S.AG brachte eine mit Druckluft betriebene Schüttgefässwaage auf den Markt. Die R. AG hatte ihrerseits bereits in den Jahren 2013-2017 eine solche entwickelt und ging davon aus, dass ihre acht ehemaligen Mitarbeitenden, welche nun alle bei der S.AG tätig waren, das Konkurrenzprodukt durch unrechtmässige Verwendung von Arbeits- und Geschäftsgeheimnissen hergestellt hatten. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde mit Urteil BGer 4A_381/2019 vom 02.12.2019 gegen den offensichtlich mangelhaften Entscheid des Kantonsgerichtes Appenzell I.Rh. gut und wies den Fall zur nochmaligen Beurteilung an die Vorinstanz zurück. Diese müsse nicht nur beurteilen, ob den angeblich rechtswidrig verwendeten Konstruktionsplänen, Leiterplatten und Dateien Geheimnischarakter zukomme, sondern vor allem auch, ob sie als Arbeitsergebnisse oder als urheberrechtlich geschützte Werke zu qualifizieren seien.

2. Bau oder Baukunst?

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Mit Verfügung GPR 2019 5 vom 20. August 2019 lehnt das Kantonsgericht Schwyz ein Gesuch um ein superprovisorisches Bauverbot ab. Der Gesuchsteller beruft sich auf sein Urheberrecht an den Bauplänen sowie auf einen abgeschlossenen Werkvertrag, gemäss welchem das Recht zur Ausführung des Bauwerks erst mit Bezahlung des vereinbarten Honorars an den Auftraggeber übergehe. Das Kantonsgericht kommt zum Schluss, dem Gesuchsteller gelinge es mangels genügender Substantiierung nicht, glaubhaft zu machen, dass die von ihm geplante Überbauung ein Werk nach Art. 2 URG sei: «Allein der Umstand, dass die Gebäude einmalig auf ihren Standort geplant wurden, macht jedoch keinen besonderen individuellen Charakter oder das Vorliegen von Kunst glaubhaft» . Auch ergäben sich aus den Akten keine Hinweise auf das Vorliegen einer geistigen Schöpfung mit individuellem Charakter. Das Gesuch um vorsorgliche Massnahme wurde abgelehnt.

3. Faltprospekt

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Grafiker A. entwarf einen Faltprospekt mit verschiedenen graphischen Elemente für ein Festival des ausländischen Staates B im Jahr 2015. Für die Festivalausgabe 2016 vergab der Staat B. den Auftrag für einen neuen Festivalprospekt an die Agentur E. A. klagte daraufhin gegen B., da im Prospekt 2016 mehrere von ihm gestaltete Elemente ohne seine Einwilligung übernommen worden seien. B. bestritt, dass am Prospekt 2015 Urheberechte bestünden, ausserdem berief er sich auf seine Immunität. Das zuständige Genfer Gericht prüfte und bejahte zuerst die örtliche Zuständigkeit wie auch die Anwendbarkeit von Schweizer Recht nach IPRG. Sodann musste es sich mit der Frage der Immunität gemäss dem von der Schweiz 2010 ratifizierten Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit auseinandersetzen. Nach dessen Art. 14 kann sich ein Staat in Verfahren, die sich auf die Feststellung eines Rechtes an geistigem oder gewerblichem Eigentum beziehen, nicht auf seine Immunität berufen. Der Begriff der «Feststellung» strittiger Rechte bezieht sich gemäss Botschaft nicht nur auf deren Bestehen, sondern auch auf deren Inhalt, Geltungsbereich und Umfang (Botschaft 09.024 vom 25. Februar 2009). Das Gericht prüfte vorfrageweise die Frage des Werkcharakters des Faltprospektes und bejahte diese: Trotz den relativ engen Vorgaben, die der Gestalter A. habe berücksichtigen müssen (Form, Logo, weitere Vorgaben), habe er den (kleinen) gestalterischen Spielraum ausgenützt und eine spezielle Schrift kreiert mit einem Farbverlauf von Blau nach Gold, sowie mit figurativen Elementen, die an Lampione und herbstlichen Nebel erinnerten. Es sei keine simple, bekannte Kombination von Farben und Formen, sondern das individuelle Resultat einer originellen Auseinandersetzung mit dem Auftrag. Weiter sei zu prüfen, ob A. seine Urheberrechte allenfalls an B. abgetreten habe und sich folglich nicht mehr darauf berufen könne. Das Gericht verneinte eine Rechtsübertragung mit dem Hinweis auf den Grundsatz, dass die Abtretung eines Rechtes nicht automatisch die Abtretung weiterer Rechte bedeute. Es verneinte in seinem Entscheid vom 11. Oktober 2019 (ACJA /1514/2019) die Immunität des beklagten Staates B. in dieser Sache.

II. Rechtschutz

1. Netzsperren

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In seinem Entscheid BGE 4A_433/2018 vom 08.02.2019 hatte das Bundesgericht über die Passivlegitimation und Haftung eines Access Providers bei Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen nach Urheberrecht zu entscheiden. Die A. AG, welche Grossfilme produziert, verleiht und verkauft, klagte gegen den Access Provider, die B. AG, welche über seine technische Infrastruktur Internetzugang anbietet. Die A. AG beantragte, die B. AG sei zu verpflichten, ihren Kunden den Zugang zu gewissen Portalen wie www.cineblog 01.li zu sperren, da diese Portale Tausende von Filmen unrechtmässig zugänglich machen würden, an welchen die A.AG Exklusivlizenznehmerin der Urheberrechte sei.

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Das Gericht hielt eingangs fest, dass das URG weder die Frage der Passivlegitimation noch der Teilnahmehandlungen regle. Dafür könne man auf die haftpflichtrechtliche Bestimmung (Art. 50 Abs. 1 OR) zurückgreifen, die auch im Urheberrecht Anwendung fänden. Die Vorinstanz habe richtigerweise erst geprüft, ob überhaupt eine rechtswidrige Haupttat vorliege, da andernfalls kein Unterlassungsanspruch gegeben sei. Dieses wurde vom Bundesgericht für Endkunden verneint, da das Streamen oder Downloaden von Filmen zum Eigengebrauch in der Schweiz erlaubt sei, selbst wenn die Filme aus illegalen Quellen stammen würden (Art. 19 URG). Dagegen sei für die fraglichen Filme eine Urheberrechtsverletzung durch die (unbekannten) Portalbetreiber, Hoster oder Uploader anzunehmen, und dies werde auch von der B.AG nicht bestritten.

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Das Bundesgericht bestätigte weiter, «dass sich der Schutz des URG auch auf Handlungen erstrecken kann, die zwar von Personen im Ausland begangen werden, aber in der Schweiz Wirkung zeitigen» (E.2.2.3). Für die Frage, einer haftbaren Teilnahme an der unbestrittenen Urheberrechtsverletzung prüfte es, ob der Beitrag der B.AG als adäquat kausal zum Verletzungserfolg zu werten sei. Dies verneinte das Gericht, denn ein Access Provider biete den Kunden keine bestimmten Inhalte an, sondern lediglich den Zugang zum weltweiten Internet. Die B. AG gebe die abrufbaren Filme auch nicht selber frei, sondern dies geschehe durch Dritte an unbekannten Orten. Ein Access Provider übermittle über seine Infrastruktur Daten zwischen Nutzern und einer Unzahl potentieller Kommunikationspartner weltweit, ohne dass ein Bezug zu den übermittelten Daten vorliegen würde. Die damit einhergehende vorübergehende Datenvervielfältigung sei nach Art. 24a URG zulässig. Schliesslich stünden die Verletzer der Urheberrechte der A.AG, also die Portale, Hoster oder Uploader, in einer (vertraglichen) Beziehung zur B. AG. Sie liefere keinen konkreten Teilbetrag am Zugänglichmachen der Filme auf ausländischen Rechnern. Das Bundesgericht verneinte den adäquaten Kausalzusammenhang und damit die Haftung der B.AG als Access Provider. Eine Einbindung von Access Providern zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen wäre, wenn schon, durch den Gesetzgeber zur regeln.

2. Urheberpersönlichkeitsrecht: Bahnhof Stadelhofen

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Die SBB lud acht Personen ein, Pläne zur baulichen Erweiterung des Bahnhof Stadelhofens einzureichen. Dagegen erhob ein Architekt Beschwerde, weil er in den Jahren 1984 bis 1990 umfangreiche Architekturleistungen am Bahnhof Stadelhofen erbracht habe, welche urheberrechtlich geschützt seien. Der zweite Beschwerdeführer rügte, das ausgeschriebene Erweiterungsprojekt greife mehrfach in die bestehende Bausubstanz des Bahnhofs Stadelhofen ein. Jede Projekteingabe, die den Anforderung der Ausschreibung genügen wolle, habe automatisch entstellenden Charakter. In seinem Zwischenentscheid vom 04.02.2019 kam das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, die Frage, ob durch die Realisierung eines öffentlich ausgeschriebenen Bauprojekts Urheberpersönlichkeitsrechte verletzt würden (Art. 11, Art. 12 Abs. 3 URG), sei ohne vergaberechtliche Relevanz und deshalb nicht im Rahmen des Vergabeverfahrens zu prüfen. Zwar könne eine Person, die ihr Urheberrecht als gefährdet wähnt, nach Art. 62 URG vom Gericht verlangen, es sei eine drohende Verletzung zu verbieten; dafür sei aber ein Zivilgericht zuständig und nicht, auch nicht vorfrageweise, das Bundesverwaltungsgericht als Rechtsmittelinstanz in Vergabesachen.

3. Schutz vor Zerstörung: Hauchdünne Farbschicht

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Im Urteil HG 124 vom 5. Februar 2019 hatte das Handelsgericht Bern über einen schier altmodisch anmutenden Rechtsstreit zu urteilen: Eine Kunstmalerin erhielt von einer Kurartorin den Auftrag, ein bestimmtes Bild zu malen. Dafür stellte die Auftraggeberin der Malerin eine Leinwand zu Verfügung, die der Ehemann der Kuratorin offenbar selbst aufgezogen und grundiert hatte. Die Malerin lieferte das fertige Bild im Frühling 2018 ab. Die beiden Parteien hatten sich im Vorfeld nie über einen Preis unterhalten und wurden sich nun, nach Ablieferung des Werkes, nicht einig. Im November 2018 schrieb die Kuratorin der Malerin folgende Nachricht: „Liebe A., Unterdessen wird die Idee von einem Bild nach meinen Vorstellungen ziemlich anstrengend! Bild (Leinwand usw.) sind mein/unser Eigentum! Lediglich eine hauchdünne Farbschicht stammt von Dir. Einen angemessenen Preis konntest / wolltest du nicht nennen! E. möchte SEINE Leinwand behalten!! Deine aufgetragene Farbe wird er übermalen – uns liegt nichts daran es zu besitzen – die Leinwand jedoch, aufwendig von E. aufgezogen und grundiert hat für uns eine hohe Wertigkeit – Du als Künstlerin wirst das sicher verstehen!“ Daraufhin ersuchte die Malerin mittels Superprovisorium um ein Verbot, ihr Bild zu übermalen bzw. übermalen zu lassen. Das Handelsgericht hiess das Gesuch mit Verweis auf Art. 15 Abs. URG gut. Eigentümer von Originalwerken dürfen diese nicht zerstören, ohne der Urheberin vorher die Rücknahme anzubieten. Es sei vorliegend unklar, wem das Eigentum am fraglichen Bild zukomme und diese Frage benötige vertiefte Abklärungen. Mangels besonderer Dringlichkeit solle das Bild vorerst bei der Auftraggeberin verbleiben, wobei ihr aber bis auf Weiteres verboten wurde, das Bild zu verändern, zu übermalen oder zu zerstören. Der Malerin wurde eine Frist zur Einreichung einer Klage in der Hauptsache gestellt.

III. EuGH

Sample als Zitat

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1997 komponierten Moses Pelham und Martin Haas den Song „Nur mir“ für die Sängerin Sabrina Setlur. In der Aufnahme des Songs wird ein zweisekündiger Sample (Tonschnipsel) aus dem Song „Metall auf Metall“ der Gruppe Kraftwerk von 1977 verwendet. Gegen diese Verwendung klagten zwei Mitglieder von Kraftwerk. Nachdem das Landgericht Hamburg die Klage erst guthiess, musste der Fall zwei Mal vom deutschen Bundesgerichtshof beurteilt werden (2008 und 2012) und schliesslich auch vom Bundesverfassungsericht (2016), der den Fall erneut an die Vorinstanz zurückwies.

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Der Bundesgerichthshof reichte dem EuGH im August 2017 schliesslich mehrere Vorlagefragen in diesem langjährigen Rechtsstreit vor, von denen besonders diese zwei interessieren: Die Frage, ob die Verwendung „kleinster Tonfetze“ in einem anderen Tonträger ein Eingriff in das ausschliessliche Vervielfältigungsrecht des Tonträgerherstellers darstelle. Und die sinngemässe Frage, ob überhaupt ein Zitat vorliegen könne, wenn nicht erkennbar ist, dass dafür ein fremdes Werk genutzt wird? Der EuGH beantwortete die Fragen wie folgt:

  1. Auch die Nutzung eines nur sehr kurzen Audiofragmentes ab einem Tonträger erlaube dem Tonträgerhersteller sich dagegen zu wehren, ausser das Fragment werde derart geändert, dass es beim Hören nicht wiedererkennbar sei.
  2. Grundsätzlich erfasse der Begriff „Zitate“ in Art. 5 Abs. 3 Bst. d der RL 2001/29 keine Situation in der das zitierte Werk nicht zu erkennen sei. Aber je nach Umständen des Einzelfalles könne beim Verwendung von Samples ein Zitat vorligen, sofern „die Nutzung das Zielt hat, mit dem Werk, dem das Audiofragment entnommen wurde … zu interagieren und so die Voraussetzungen von art. 5 Abs. 3 Bst. d erfüllt sind“.
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Dieses Urteil musste sich mit dem für die künstlerische Praxis äusserst relevanten Zitatrecht befassen. Auch wenn es hier um die Beurteilung eines deutschen Entscheides durch den EuGH ging, so ist es doch auch für die Präzisierung von Art. 25 URG relevant. Denn URG 25 erlaubt ein Zitat zum Zweck der «Erläuterung, als Hinweis oder zur Veranschaulichung», was der vom deutschen Recht geforderten Interaktion zwischen bestehendem und zitierendem Werk entsprechen dürfte. Hört man sich die beiden Songs an und vergleicht sie, so erschliesst sich einem nicht, inwiefern «Nur mir» mit «Metall auf Metall» interagiert bzw. worin der notwendige Bezug zwischen den beiden Werken liegen soll. Dieser Bezug wird zwar richtigerweise von der Künstlerin oder dem Künstler bestimmt, muss aber auch objektiv erkennbar, also nachvollziehbar sein. Andernfalls dürfte das Vorliegen eines Zitates richtigerweise abgelehnt und von einer einwilligungspflichtigen Nutzung ausgegangen werden. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit diesem Urteil und dem Zitatrecht findet sich im Aufsatz «Von der freien Benutzung zum künstlerischen Zitat» von Willi Egloff in sic! 7/8/2020, S. 399 ff.

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Mittlerweile hat der BGH die Sache ans Oberlandesgericht Hamburg zurückgewiesen mit dem Hinweis, dass sich die Beklagten für alle Nutzungshandlungen vor dem Inkrafttreten der Richtlinie auf das damals noch geltende Recht der freien Benutzung dürften berufen können (BGH vom 30.04.2020), I ZR 115/16, Metall auf Metall IV – OLG Hamburg, in: ZUM 8/9/2020, S. 617 ff.

IV. Tarifentscheide

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Folgende richterliche Entscheide sind im Berichtsjahr zu urheberrechtlichen Tarifen ergangen:

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BGer 4A_382/2019 vom 11.12.2019: Beim fraglichen Rechtsstreit ging es um die Pflicht, ein bestimmtes Formular zu benutzen, um Nutzungen gemäss dem Tarif GT 9 VI zu melden. Gemäss Art. 59 Abs. 3 URG sind rechtskräftig genehmigte Tarife für die Gerichte verbindlich inklusive der darin geregelten Auskunftspflichten der Nutzer bzw. die Modalitäten der Rechnungsstellung. Dazu kann auch eine Formularpflicht gehören. Dies stellt eine zulässige Konkretisierung der in Art. 51 URG statuierten Auskunftspflicht dar (Urteil 4A_418/2007 vom 13. Dezember 2007 E. 4). Das Beharren auf der Verwendung eines bestimmten Formulars ist nicht automatisch überspitzt formalistisch, insbesondere deshalb nicht, weil damit eine effiziente kollektive Verwaltung gerade bei kleinen Nutzungsentschädigungen ermöglicht wird.

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Bundesverwaltungsgericht B-3599/2019 vom 10.09.2019: Der Dachverband der Bibliotheken legte gegen den von der ESCHK genehmigten Tarif GT 5 (Vermieten von Werkexemplaren) Beschwerde ein und verlangte aufschiebende Wirkung. Umstritten war zwischen den Tarifparteien insbesondere der Umstand, dass neu auch auf Einschreibegebühren, Mitgliedsbeiträgen, Abonnementen und ähnlichen Pauschalzahlungen von Bibliotheken eine Vergütung geschuldet sein soll. Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Frage, ob für die erwähnte Erweiterung der Tarifbasis eine gesetzliche Grundlage bestehe, einer eingehenden Prüfung bedürfe. Sodann verneinte es in seiner Zwischenverfügung die aufschiebende Wirkung, da Beschwerden gegen Entscheide der Schiedskommission grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukomme.

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Bundesverwaltungsgericht B-5852/2017 vom 23.05.2019: Bei diesem Rechtsstreit ging es um den Tarif GT 3a, der die Entschädigung für das Wahrnehmbarmachen von Sendungen sowie Nutzung von Ton und Tonbildträgern, insbesondere Hintergrundmusik, regelt. Dieser Tarif wurde erstmals 2007 genehmigt und in der Folge mehrmals verlängert. Das Inkasso dieser Entschädigungen erfolgte bis Ende 2018 mit den Billag-Gebühren. Gegen die erneute Verlängerung des Tarifes legten drei Nutzerverbände Beschwerde ein, da die ESchK die Angemessenheitsprüfung gemäss Art. 59 URG nicht pflichtgemäss wahrgenommen habe. Tatsächlich stützten die Verwertungsgesellschaften ihre Kostenberechnungen auf eine rund zehn Jahre alte Studie. Das Bundesverwaltungsgericht kam nach eingehender Prüfung aller Kriteren gemäss Art. 60 URG zum Schluss, die ESchK habe zu Recht den neuen GT 3a 2017-2020 genehmigt und den bisherigen GT 3a 2008-2016 zur Vermeidung eines tariflosen Zustands bis zu dessen Inkrafttreten verlängert. Insbesondere hätten die Beschwerdeführenden zwar die Berechnungsgrundlagen kritisiert, aber selber keine eigenen Unterlagen beigebracht, die die zehnjährige Studie widerlegt hätten. Der Mitwirkungspflicht im Tarifgenehmigungsverfahren komme besonderes Gewicht zu, mithin hätten sie entsprechende anderslautende Zahlen belegen müssen. Weiter hielt das Gericht fest: Zur Angemessenheitsprüfung könnten nicht mehr die bisherigen billigeren Vergütungen der Billag herangezogen werden, sondern Ausgangspunkt seien die teureren Vergütungen durch ein direktes Inkasso (ohne Synergien). Gesunkene Kosten für Empfangsanlagen sowie negative Teuerung seien als kostensenkend zu berücksichtigen, nicht aber die Frankenstärke oder wirtschaftliche Situation der Nutzer.

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Entscheide zu Tarifen gemäss Art. 46 URG werden auch von der ESchK erlassen, die für die Genehmigung und Angemessenheitsprüfung von Tarifen zuständig ist. Im Berichtsjahr wurden diese vier Tarife beurteilt (https://www.eschk.admin.ch/eschk/de/home/dokumentation/beschluesse/2019.html):

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