Newsletter 04/22

N

Zwei neue, spannende Urteile und
Start zur «Medialex»-Serie «Meine Diss»

Liebe Leserin, lieber Leser

Erneut hat das Bundesgericht einen bedeutenden Entscheid zum Öffentlichkeitsprinzip gefällt (BGer 1C_117/2020). Es geht darin um das Recht auf Einsicht in archivierte Asylakten. Das Bundesgericht hat die gemäss Archivierungsgesetz erforderliche Interessenabwägung durch die zuständige Bundesbehörde als fehlerhaft taxiert. Es sei zwischen der blossen Einsichtnahme und einer allfälligen Publikation heikler Informationen zu unterscheiden. Berechtigte Schutzbedürfnisse des Betroffenen sollten nicht reflexartig zur Sperrung des Zugangs führen. Professor Franz Zeller bespricht das höchstrichterliche Urteil im Beitrag «Mangelhafte Interessenabwägung beim Streit um Einsicht in archivierte Asylakten».

News für Medienschaffende und Presseverlage: Wer ohne Zustimmung einen vorbestehenden Text paraphrasiert, teils wörtlich übernimmt und eigenen Text hinzufügt, begeht eine Urheberrechtsverletzung. Das Handelsgericht Zürich hat im inzwischen rechtskräftig gewordenen Entscheid (HG200101-O) die Löschung eines derart strukturierten Artikels von «blick.ch» angeordnet. In seinem Beitrag «Paraphrasieren ist (k)eine Neugestaltung – die Grenze des Schutzbereichs» analysiert MLaw und ProLitteris-Jurist Mario Minder dieses Urteil. Er hält die vom Gericht angewendete Methode zur Ermittlung des urheberrechtlichen Schutzbereichs für verbesserungsfähig. Deshalb sei fraglich, ob andere Gerichte in ähnlich gelagerten Fällen gleich entscheiden würden oder sollten.

«Meine Diss» heisst die Serie, mit der «Medialex» heute startet. Juristinnen und Juristen, die zu einem medienrechtlichen Thema dissertiert haben, blicken auf ihre damalige Arbeit zurück und machen sich Gedanken darüber, ob und allenfalls inwiefern ihre Doktorarbeit Auswirkungen auf die Praxis gehabt hat. Den Anfang macht Medialex-Stiftungsratspräsident Philip Kübler. Unter dem Titel «’Die Europäische Union löste diese Probleme tapfer ohne meine Dissertation’» schaut er mit einem Schuss Selbstironie auf seine vor über 20 Jahren erschienene Arbeit zum internationalen Rechtsschutz von Datenbanken zurück.

Wie üblich finden Sie unter «Aktuelle Entscheide» die Liste mit neu publizierten medienrechtlich relevanten Urteilen der Bundesgerichte, UBI-Entscheiden und den jüngsten Stellungnahmen des Presserats. Und «Neue Literatur» bietet Ihnen einen Überblick über neu erschienene wissenschaftliche Publikationen zum Medienrecht.

Der nächste Newsletter (05/22) erscheint in der ersten Juniwoche.
  Gute Lektüre wünscht Ihnen

Simon Canonica
Redaktor «Medialex»

image_print

Über uns

Medialex ist die schweizerische Fachzeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht. Sie erscheint als Newsletter im Monatsrhythmus (10x jährlich), open access, und enthält Untersuchungen und Brennpunkte zu medienrechtlichen Themen, aktuelle Urteile mit Anmerkungen, Hinweise auf neue medien- und kommunikationsrechtliche Urteile, UBI-Entscheide und Presseratsstellungnahmen sowie auf neue wissenschaftliche Publikationen und Entwicklungen in der Rechtsetzung.

Vernetzen