WhatsApp bei Behörden: Geheime Chats oder öffentliche Akten?

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Das Zürcher Verwaltungsgericht schliesst WhatsApp-Nachrichten nicht per se vom Öffentlichkeitsprinzip aus


Anna Katharina Burri, Rechtsanwältin, Zürich
Anamarija Primorac, Rechtsanwältin, LL.M., Zürich

Résumé: Dans son arrêt VB.2023.00558 du 24 octobre, le Tribunal administratif de Zurich précise que les messages WhatsApp ne sont pas, en soi, exclus du droit à l’accès à l’information selon la loi cantonale sur l’information et la protection des données. Il a donc ordonné à la direction de l’Hôpital universitaire de Zurich de réexaminer la demande d’un journaliste d’avoir accès à des documents concernant le conflit au sein du service de chirurgie cardiaque. Cette décision est conforme au principe de transparence, qui doit être le même pour tous les types de médias – ce qui est à saluer.

Zusammenfassung: Das Verwaltungsgericht Zürich stellt in seinem Urteil VB.2023.00558 vom 24. Oktober 2024 klar, dass WhatsApp-Nachrichten nicht per se vom Anwendungsbereich des Informationszugangsrechts nach IDG ausgeschlossen sind. Es weist die Spitaldirektion des Universitätsspitals Zürich an, ein entsprechendes Einsichtsgesuch eines Journalisten zum Konflikt innerhalb der Herzchirurgie neu zu behandeln. Das Urteil steht im Einklang mit dem Grundsatz, dass das Öffentlichkeitsprinzip technologieneutral ausgestaltet ist – was zu begrüssen ist.

I. Sachverhalt

1

Ein Journalist ersuchte bei der Spitaldirektion des Universitätsspitals Zürich (USZ) um Einsicht in die WhatsApp-Korrespondenz zwischen dem damaligen Vorsitzenden der Spitaldirektion und diversen anderen leitenden Mitarbeitenden. Das Gesuch bezog sich auf Nachrichten im Zusammenhang mit dem «Konflikt innerhalb der Herzchirurgie», wie er im Bericht der Aufsichtskommission Bildung und Gesundheit des Kantonsrats (ABG) vom 3. März 2021[1] beschrieben wurde und in der Presse für Aufsehen gesorgt hatte.

2

Die Spitaldirektion wies das Einsichtsgesuch mit der pauschalen Begründung ab, dass WhatsApp-Nachrichten per se nicht in den Anwendungsbereich von § 20 Abs. 1 des Gesetzes über die Information und den Datenschutz (IDG)[2] fielen[3].

3

Ein hiergegen erhobener Rekurs an den Spitalrat des USZ blieb erfolglos. Der Journalist gelangte daraufhin an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (nachfolgend Verwaltungsgericht).

4

Mit Urteil vom 24. Oktober 2024 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde teilweise gut. Es hob den Beschluss des Spitalrats und die Verfügung der Spitaldirektion des USZ auf und wies die Sache zur ergänzenden Sachverhaltsabklärung und weiteren Behandlung des Gesuchs an die Spitaldirektion zurück.

II. Erwägungen des Verwaltungsgerichts

5

Das Verwaltungsgericht hielt fest, die Spitaldirektion dürfe das Gesuch nicht pauschal verweigern, sondern müsse ihrer Untersuchungspflicht nachkommen. Sie müsse prüfen, inwieweit zwischen den Direktionsmitgliedern überhaupt jemals WhatsApp-Nachrichten mit dienstlichem Inhalt ausgetauscht wurden, inwieweit sie diese beschaffen bzw. wiederherstellen kann und inwieweit deren Herausgabe allfällige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.

6

Das Informationszugangsrecht gemäss § 20 Abs. 1 IDG bezieht sich, wie das Verwaltungsgericht festhält, auf sämtliche bei einem öffentlichen Organ vorhandenen Informationen – dies unabhängig von Form, Inhalt, Herkunft oder Darstellungsweise. Das Recht ist technologieneutral ausgestaltet und gilt damit auch für Aufzeichnungen auf elektronischen Datenträgern wie Text-, Ton- oder Bilddateien. Damit werden auch E-Mails und Nachrichten auf anderen digitalen Kommunikationskanälen erfasst (so z.B. Microsoft Teams, WhatsApp, Threema, Skype etc.). Massgebend für das Zugangsrecht ist jedoch, so das Verwaltungsgericht, ob die nachgesuchten Informationen beim angerufenen öffentlichen Organ vorhanden sind und ob sie unter den Informationsbegriff von § 3 Abs. 2 IDG fallen. Diese Bestimmung umfasse alle Aufzeichnungen, welche die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe beträfen, unabhängig von ihrer Darstellungsform und ihrem Informationsträger. Ausgenommen seien lediglich Aufzeichnungen, die nicht fertig gestellt oder die ausschliesslich zum persönlichen Gebrauch bestimmt sind[4].

7

Das Verwaltungsgericht stellt klar, dass WhatsApp-Nachrichten nicht per se nicht fertiggestellte Aufzeichnungen darstellen, die nicht vom Informationsbegriff umfasst wären: Der Versand einer Nachricht an den Empfänger sei mit einer definitiven Übergabe an den designierten Adressaten gleichzusetzen. Zwar könne es sein, dass gewisse Nachrichten bloss Inhalte provisorischer Natur enthielten, so etwa Entwürfe eines Dokuments. Trotzdem sei davon auszugehen, dass es sich bei den dienstlichen Informationen, die über einen Kurznachrichtendienst wie WhatsApp ausgetauscht würden – etwa, wenn Mitarbeitende über solche Kanäle Anweisungen erhielten oder über gefällte Entscheidungen informiert würden –, um fertiggestellte Informationen handle[5]. Es treffe auch nicht zu, dass WhatsApp-Nachrichten von ihrem Format her generell nicht geeignet seien, «sachlich relevante, abschliessend aussagekräftige Informationen zu enthalten»[6].

8

Nicht massgebend bei der Frage, ob Zugang gewährt werden muss, ist gemäss den Erwägungen des Verwaltungsgerichts weiter, ob ein verwendeter Kommunikationskanal zulässig ist respektive dem «Standard des formellen, dokumentierten Verwaltungshandelns» entspricht[7]. Ebenfalls keine Rolle spielt es, ob allfällige WhatsApp-Korrespondenz auch oder gar hauptsächlich private Mitteilungen ohne hinreichenden Amtsbezug enthält. Wäre dies relevant, könnte das Öffentlichkeitsprinzip durch die Nutzung von überwiegend privat genutzten Kommunikationskanälen unterlaufen werden[8].

9

Schliesslich hält das Verwaltungsgericht die Ausnahme nach § 3 Abs. 2 IDG nicht für einschlägig, wonach Aufzeichnungen, die ausschliesslich zum persönlichen Gebrauch bestimmt sind, nicht unter den Informationsbegriff fallen. Nebst Informationen mit rein privatem Gehalt fiele unter diese Ausnahme beispielsweise eine über ein dienstliches E-Mail-Konto geführte «Selbst-Korrespondenz», die zwar dienstlichen Zwecken diene, aber als persönliches Arbeitshilfsmittel dem Verfasser vorbehalten bleibe. Da WhatsApp-Nachrichten von ihrem Wesen her nicht für den Verfasser, sondern in erster Linie für den Empfänger bestimmt seien, sei diese Ausnahme nicht einschlägig[9].

10

Zu prüfen ist jedoch, so das Verwaltungsgericht, «inwiefern es sich bei den […] verlangten Nachrichtenverläufen zwischen einzelnen Mitarbeitenden überhaupt um Informationen handelt, die bei der Beschwerdegegnerin [also dem USZ] vorhanden sind»[10].

11

Das Öffentlichkeitsprinzip biete «keine Handhabe für Informationen, die angerufene Behörde zur Beschaffung von Informationen zu verpflichten, über die sie nicht selbst verfüge»[11]. Im konkreten Fall könne ein Zugangsrecht zu WhatsApp-Nachrichten bestehen, wenn sich diese «derzeit – in ausgedruckter oder digitaler Form, z.B. auf einem Diensttelefon oder einem Server des USZ abgespeichert – in der unmittelbaren Verfügungsgewalt der Beschwerdegegnerin befinden oder sich zumindest einmal dort befunden haben»[12]. Allfällige Schutzmechanismen wie Passwortsicherungen bzw. Verschlüsselungen seien dabei nicht relevant bzw. stünden der «Verfügungsgewalt» des USZ im Sinne des IDG nicht entgegen. Demgegenüber seien Nachrichten, die sich ausschliesslich in der persönlichen Verfügungsgewalt (z.B. auf privaten Mobiltelefonen) einzelner Mitarbeitenden befänden und auf welche das USZ – besondere Umstände vorbehalten – keinen Zugriff habe, vom Anwendungsbereich des IDG ausgenommen. Ergäbe sich jedoch beispielsweise im Rahmen eines Strafverfahrens oder bei einer Disziplinar- bzw. Administrativuntersuchung, dass Mitarbeitende in rechtswidriger Weise Nachrichten über dienstliche Vorgänge auf privaten Mobiltelefonen ausgetauscht hätten, könnten entsprechende Beweise in die Verfügungsgewalt des öffentlichen Organs und damit in den Anwendungsbereich des IDG gelangen[13].

III. Anmerkungen

12

Insgesamt ist das Urteil begrüssenswert: Es stellt klar, dass Einsichtsgesuche nicht pauschal aufgrund der von der Behörde gewählten Kommunikationsform abgewiesen werden dürfen, und trägt damit zur Verwirklichung des Öffentlichkeitsprinzips bei.

13

Das Verwaltungsgericht bestätigt mit seinem Entscheid explizit, dass das Zugangsrecht gemäss IDG «technologieneutral» ausgestaltet ist: Die Art der Aufzeichnung der verlangten Information ist nicht relevant (was auch beim Zugangsrecht gemäss dem Öffentlichkeitsgesetz des Bundes[14] der Fall ist[15]).

14

Es steht im Einklang mit dieser Technologieneutralität, wenn das Verwaltungsgericht betont, dass WhatsApp-Nachrichten nicht per se ungeeignet sind, sachlich relevante, abschliessend aussagekräftige Informationen zu enthalten. Gleiches gilt für die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei WhatsApp-Nachrichten nicht per se um nicht fertiggestellte Aufzeichnungen handelt. Es mag zwar zutreffen, dass WhatsApp-Nachrichten von ihrer Natur her eher auf rasche und informelle Kommunikation ausgerichtet sind – sie deshalb vom Zugangsrecht auszuschliessen, wäre allerdings verfehlt.

15

Die Klarstellung des Verwaltungsgerichts, dass irrelevant sei, ob ein verwendeter Kommunikationskanal zulässig ist respektive dem «Standard des formellen, dokumentierten Verwaltungshandelns» entspricht oder ob ein Kommunikationskanal mehrheitlich dem privaten Austausch dient, trägt dem Sinn und Zweck des Öffentlichkeitsprinzips Rechnung. Durch dieses soll Transparenz geschaffen und staatliches Handeln nachvollziehbar gemacht werden. Dass es dabei nicht darauf ankommen kann, ob Mitarbeitende sich an interne Kommunikationsvorgaben und -standards halten, leuchtet ein. Würden auf einem unzulässigen oder nicht standardmässig verwendeten Kommunikationskanal ausgetauschte Nachrichten vom Zugangsrecht ausgenommen, würde faktisch ein Anreiz geschaffen, beim Austausch zu sensiblen Themen auf solche Kanäle zurückzugreifen. Dadurch würde das Öffentlichkeitsprinzip unterlaufen.

16

Die im IDG genannte Formulierung, dass eine Information «beim öffentlichen Organ vorhanden» sein muss, damit ein Zugangsrecht besteht, scheint das Verwaltungsgericht eng auszulegen. Fraglich ist, ob diese Auslegung zu eng ist, um dem Transparenzgebot tatsächlich Wirkung zu verschaffen. Zumindest die Ausführungen in der Botschaft zur parallelen Bestimmung im BGÖ[16] könnten Anhaltspunkt für eine weitere Auslegung sein: Eine Behörde hat bei Dokumenten, die sie nicht tatsächlich besitzt – deren Erstellerin oder Hauptadressatin sie aber ist –, alle Massnahmen zu ergreifen, die zur Beschaffung des Dokuments erforderlich sind[17].

 



Fussnoten:

  1. Vgl. die entsprechende Medienmitteilung des USZ vom 09.03.2021, https://www.usz.ch/untersuchungen-am-usz-abgeschlossen-massnahmen-in-umsetzung/ (zuletzt abgerufen am 26.02.2025).

  2. Gesetz über die Information und den Datenschutz des Kantons Zürich (IDG, LS 170.4).

  3. Vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich (nachfolgend VGer ZH) VB.2023.00558, vom 24.10.2024, E. 3.1.

  4. Urteil VGer ZH, VB.2023.00558, vom 24.10.2024, E. 3.2, m.w.H.

  5. Urteil VGer ZH, VB.2023.00558, vom 24.10.2024, E. 3.3.

  6. Urteil VGer ZH, VB.2023.00558, vom 24.10.2024, E. 3.4.

  7. Urteil VGer ZH, VB.2023.00558, vom 24.10.2024, E. 3.4.

  8. Urteil VGer ZH, VB.2023.00558, vom 24.10.2024, E. 3.5.

  9. Urteil VGer ZH, VB.2023.00558, vom 24.10.2024, E. 3.6.

  10. Urteil VGer ZH, VB.2023.00558, vom 24.10.2024, E. 3.7.

  11. Urteil VGer ZH, VB.2023.00558, vom 24.10.2024, E. 3.7.

  12. Urteil VGer ZH, VB.2023.00558, vom 24.10.2024, E. 3.8.

  13. Urteil VGer ZH, VB.2023.00558, vom 24.10.2024, E. 3.8.

  14. Bundesgesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung (BGÖ, SR 152.3).

  15. Vgl. dazu etwa Robert Bühler, in: Blechta Gabor-Paul/Vasella David (Hrsg.), Basler Kommentar Datenschutzgesetz – Öffentlichkeitsgesetz, 4. Aufl. 2024, N 9 zu Art. 5 BGÖ, m.w.H.

  16. Vgl. Art. 5 Abs. 1 Bst. b BGÖ („Ein amtliches Dokument ist jede Information, die: […] sich im Besitz einer Behörde befindet, von der sie stammt oder der sie mitgeteilt worden ist; […].).

  17. Botschaft zum BGÖ vom 12. Februar 2003, BBl 2003, 1963 ff., S. 1993.

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