Das grosse Ganze im Auge behalten

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Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Fall Radio Alpin Grischa auf dem Prüfstand

Roger Blum, Prof. em. für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Bern.

Résumé: Dans l’édition 03/25 de medialex, l’avocate Mirjam Teitler a critiqué le jugement du Tribunal administratif fédéral A-929/2024 qui avait retiré à Roger Schawinski la concession accordée par l’OFCOM pour Radio Alpin Grischa, le qualifiant de contestable. Dans le texte qui suit, Roger Blum, professeur émérite en sciences de la communication et des médias de l’Université de Berne, critique également la règle dite «3:1» utilisée par le TAF, selon laquelle un poste de stagiaire doit être encadré par trois postes de rédaction. L’auteur estime que des éléments plus importants devraient être déterminants. Il faut notamment, selon lui, s’assurer que la demande de concession prévoie que les programmes permettront la formation libre des opinions et de la volonté politiques et qu’ils contribueront à l’épanouissement culturel.             

Zusammenfassung: Wie Rechtsanwältin Mirjam Teitler in ihrem Beitrag zum Urteil A-929/2024 des Bundesverwaltungsgerichts in medialex 03/25 stört sich der Autor daran, dass das Konzessionsgesuch von Roger Schawinski für Radio Alpin Grischa an der sogenannten 3:1-Regel gescheitert ist, wonach einer Praktikantenstelle drei Redaktionsstellen gegenüberstehen müssen. Er findet, dass Wesentlicheres den Ausschlag geben müsste, nämlich, ob das Konzessionsgesuch in der Region für eine freie politische Meinungs- und Willensbildung und kulturelle Entfaltung Gewähr bietet.

1. Worum geht es?

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Demnächst wird das Bundesverwaltungsgericht das Revisionsgesuch von Roger Schawinski und Stefan Bühler behandeln, mit dem die beiden die ihnen von Bundesrat Albert Rösti zugesprochene Konzession für ihr Radio Alpin Grischa im Sendegebiet Graubünden–Glarus–Sarganserland zurückholen möchten. Rösti hatte ihrem Konzessionsgesuch gegenüber jenem der Familie Lebrument (Südostschweiz Radio AG) bei der obligatorischen Neuausschreibung den Vorzug gegeben. Zuvor hatte diese Konzession drei Jahrzehnte lang das Medienhaus Somedia der Familie Lebrument innegehabt.

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Über Röstis Entscheid geschockt, reichte diese beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde ein und erhielt teilweise recht. Die Konzession wanderte zurück zur Somedia. Den Ausschlag gab dabei ein Nebenpunkt, nämlich die sogenannte 3:1-Regel, das Zahlenverhältnis, wonach einer Praktikantenstelle drei Redaktionsstellen gegenüberstehen müssen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wurde wegen dieses formalistischen Massstabs in den Medien schon mehrfach kritisiert, etwa durch die Rechtsanwältin Mirjam Teitler in medialex 03/25 oder durch den Juristen Roger Huber.

2. Warum braucht es überhaupt Konzessionen für Radiosender?

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Wer in der Schweiz Radio machen will, muss sich eigentlich beim Bundesamt für Kommunikation (Bakom) nur anmelden und braucht keine Konzession, es sei denn, man möchte Anteile aus dem Radio- und TV-Abgabenkuchen ergattern (Gebührensplitting). Kommerzielle Radios können Abgabenanteile erhalten, wenn sie in wirtschaftsschwachen Regionen senden, in denen die Werbeerträge für ihre Finanzierung zu gering wären. Nicht gewinnorientierte, komplementäre Radios können Abgabenanteile erhalten, wenn sie in Agglomerationen eine Alternative zu den anderen Programmen bieten.

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Für diese zwei Radiotypen braucht es eine Konzession. Das Bakom, das die Konzessionsgesuche sichtet, prüft sie nach einem sehr sorgfältig aus dem Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) abgeleiteten Kriterienraster und bereitet so die Konzessionsentscheide für den Medienminister vor. Entscheidend ist, dass dabei trotz all der Details das grosse Ganze nicht aus den Augen verloren wird.

3. Was ist das grosse Ganze?

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Der Schweizer Gesetzgeber wollte mit dem Gebührensplittung privaten Veranstaltern Raum geben und den Wettbewerb mit der SRG fördern. Mit der Konzession wollte er sicherstellen, dass auch die privaten Radiosender einen (regionalen) Service public leisten, indem sie einen Leistungsauftrag erfüllen. Sie sollen also in ihrer Region die politische Meinungs- und Willensbildung ermöglichen und zur kulturellen Entfaltung beitragen. Im Fall von Graubünden sollen sie nachweisen, dass sie auch rätoromanische und italienische Sendungen ausstrahlen.

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Das ist das Wesentliche und das wäre wichtiger als der Streit um die Frage, ob die 3:1-Regel wie auch immer eingehalten wird. Es wäre zu hoffen, dass auch das Bundesverwaltungsgericht bei der Prüfung des Revisionsbegehrens diesen Blick auf das Wesentliche nicht verliert und sich nicht im Klein-Klein erschöpft.


Die Erstpublikation dieses Beitrages erfolgte am 15.4.2025 im Blog persönlich.ch
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