Der Zugang zu amtlichen Dokumenten mit Personendaten von Verwaltungsangestellten

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Leitfaden zum Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ)

Daniel Ladanie-Kämpfer*, MLaw, Jurist beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA, Bern

Résumé: Les documents officiels contiennent régulièrement des données personnelles de collaboratrices et collaborateurs de l’administration. Elles doivent être accessibles et ne tombent pas sous le coup du devoir de l’anonymisation si elles répondent à l’exercice de l’activité publique. Toutefois, lorsque les données publiées présentent un lien direct avec la sphère privée des personnes, une pesée des intérêts doit être effectuée. Le personnel des administrations doit ainsi accepter des atteintes plus larges à la sphère privée que d’autres catégories de personnes actives. Chez les cadres de l’administration, dans des cas exceptionnels, ce sont même des données particulièrement sensibles qui doivent être publiques. En revanche, pour le personnel sans fonction dirigeante, la protection de la sphère privée l’emporte, en général, lors de la pesée des intérêts. Cette dernière doit être réalisée pour chaque cas individuel. Les critères à prendre en compte sont par exemple le type de données à protéger, ainsi que l’effet d’une éventuelle publication sur la personne concernée.

Zusammenfassung: In amtlichen Dokumenten sind regelmässig Personendaten von Verwaltungsangestellten enthalten. Soweit diese im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer öffentlichen Tätigkeit stehen, sind sie in der Regel zugänglich zu machen und unterliegen nicht der Anonymisierungspflicht. Sofern sie jedoch einen direkten Bezug zu ihrer Privatsphäre aufweisen, hat eine Interessenabwägung zu erfolgen. Verwaltungsangestellte müssen sich weitergehende Eingriffe in ihre Privatsphäre gefallen lassen als dies bei Drittpersonen der Fall ist. Während bei Verwaltungsangestellten in hohen Führungsfunktionen im Ausnahmefall sogar die Bekanntgabe von besonders schützenswerten Personendaten in Betracht kommt, geniesst bei Verwaltungsangestellten ohne Führungsfunktion der Schutz ihrer Privatsphäre meist Vorrang. Die Interessenabwägung hat stets im Einzelfall zu erfolgen und orientiert sich an Kriterien wie etwa der Art der betroffenen Personendaten sowie den Auswirkungen auf die betroffene Person.

I. Einleitung

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Seit Inkrafttreten des BGÖ[1] im Jahr 2006 besteht auf Bundesebene für jede Person ein gesetzlich durchsetzbarer Anspruch auf Zugang zu amtlichen Dokumenten. Das amtliche Dokument ist definiert als jede Information, die auf einem beliebigen Informationsträger aufgezeichnet ist, sich im Besitz einer Behörde befindet, von der sie stammt oder der sie mitgeteilt worden ist, und die die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe betrifft (Art. 5 Abs. 1 BGÖ). Die offene und technologieneutrale Definition des amtlichen Dokuments macht deutlich, dass neben klassischen Papierakten auch sämtliche elektronischen Erzeugnisse und damit insbesondere auch der behördliche Emailverkehr vom Gesetz erfasst werden. Daraus folgt, dass in einer Vielzahl amtlicher Dokumente Personendaten von Verwaltungsangestellten enthalten sind. Wie mit deren Offenlegung im Rahmen von konkreten Einsichtsgesuchen im Einzelfall zu verfahren ist, führt regelmässig zu Fragen und Unsicherheiten. Grund dafür dürfte unter anderem sein, dass zwischen den Behörden auf Bundesebene keine einheitliche Praxis und damit verbunden keine übereinstimmende Rechtsauffassung zu dieser Frage zu bestehen scheint. Der vorliegende Beitrag skizziert die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie Lehre und Rechtsprechung und versucht, ein vereinfachtes Modell aufzustellen, welches als Leitfaden dienen kann.

II. Schutz der Privatsphäre Dritter als privates Interesse gegen den Dokumentenzugang

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Das BGÖ statuiert nicht nur einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Dokumenten, es stellt zugleich die Vermutung des freien Zugangs zu diesen auf. Einschränkungen des Zugangs lässt es lediglich im Rahmen von abschliessend normierten Ausnahmebestimmungen zu (Art. 7 ff. BGÖ). Die Beweislast zur Widerlegung der Vermutung des Zugangs obliegt der Behörde.[2] Im Ausnahmekatalog gemäss Art. 7 BGÖ wird neben diversen öffentlichen Interessen u.a. auch der verfassungsrechtlich garantierte Schutz der Privatsphäre (Art. 13 BV)[3] als legitimes privates Interesse genannt, welches im Einzelfall eine Einschränkung, einen Aufschub oder eine Verweigerung des Dokumentenzugangs rechtfertigen kann. Demnach wird der Zugang zu amtlichen Dokumenten eingeschränkt, aufgeschoben oder verweigert, wenn durch seine Gewährung die Privatsphäre Dritter beeinträchtigt werden kann; ausnahmsweise kann jedoch das öffentliche Interesse am Zugang überwiegen (Art. 7 Abs. 2 BGÖ).

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Die Bestimmung verdeutlicht, dass das Gesetz im Falle einer Prüfung des Schutzes der Privatsphäre Dritter eine Interessenabwägung zwischen den öffentlichen Interessen am Zugang zu amtlichen Dokumenten (und insbesondere der darin enthaltenen Personendaten) einerseits und privaten Geheimhaltungsinteressen betroffener Dritter andererseits vorsieht.[4] Diese Abwägung ist im Einzelfall vorzunehmen, da die informationelle Selbstbestimmung bzw. der Anspruch auf Schutz der persönlichen Daten als Teilgehalt des verfassungsmässigen Schutzes der Privatsphäre nicht automatisch und in jedem Fall Vorrang vor dem Öffentlichkeitsprinzip geniesst.[5] Die Einschränkung auf den Schutz der Privatsphäre Dritter ergibt sich aus dem Umstand, dass Gesuche, welche sich auf Dokumente mit Personendaten der gesuchstellenden Person selbst beziehen, als datenschutzrechtliches Auskunftsrecht i.S.v. Art. 8 DSG[6] zu behandeln sind (vgl. Art. 3 Abs. 2 BGÖ). Weiter unterscheidet Art. 7 Abs. 2 BGÖ jedoch nicht zwischen dem Schutz der Privatsphäre von Verwaltungsangestellten und von Drittpersonen, weshalb der Schutz der Privatsphäre von Verwaltungsangestellten ebenfalls über die Ausnahmebestimmung gemäss Art. 7 Abs. 2 BGÖ zu gewährleisten ist.

III. Pflicht zur Anonymisierung von Personendaten

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Eine mögliche Beeinträchtigung der Privatsphäre einer Person ist in aller Regel mit der Bekanntgabe ihrer Personendaten verbunden bzw. setzt diese voraus. Neben der Ausnahmebestimmung betreffend den Schutz der Privatsphäre Dritter gemäss Art. 7 Abs. 2 enthält das BGÖ eine weitere Bestimmung, welche sich im weiteren Sinne mit dem Schutz der Persönlichkeit befasst. Art. 9 Abs. 1 BGÖ sieht vor, dass amtliche Dokumente, welche Personendaten enthalten, nach Möglichkeit vor der Einsichtnahme zu anonymisieren sind. Als Ausfluss des verfassungsmässigen Verhältnismässigkeitsgrundsatzes beansprucht die Anonymisierungsverpflichtung jedoch keine absolute Geltung. Vielmehr ist sie in zweierlei Hinsicht zu relativieren:[7]

  • Personendaten in amtlichen Dokumenten müssen nicht anonymisiert werden, wenn dies aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist. So kann etwa ein Dokument nicht anonymisiert werden, wenn es sich auf eine Person bezieht, deren Identität die gesuchstellende Person bereits anlässlich ihres Einsichtsgesuches nennt.[8] Weiter darf nach der Botschaft zum BGÖ eine Anonymisierung entfallen, sofern eine solche nur mit unverhältnismässigem Aufwand erbracht werden kann.[9]
  • In rechtlicher Hinsicht fällt eine Anonymisierung etwa ausser Betracht, wenn eine Bekanntgabe von Personendaten gar nicht geeignet erscheint, die Privatsphäre der betroffenen Person zu beeinträchtigen.[10] Weiter verneint die Lehre eine Anonymisierungsverpflichtung bei Daten von Personen, welche in amtlicher bzw. offizieller Funktion an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben beteiligt sind, wie etwa Mitglieder von Kommissionen oder Verwaltungsangestellte. Verwaltungsangestellte können für sich keinen absoluten Schutz ihrer Privatsphäre beanspruchen, soweit sie öffentliche Aufgaben erfüllen.[11]
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Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass Personendaten von Verwaltungsangestellten in amtlichen Dokumenten grundsätzlich nicht anonymisiert werden müssen, solange sie lediglich im Zusammenhang mit der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der betroffenen Person stehen und ihre Bekanntgabe nicht geeignet erscheint, die Privatsphäre der betroffenen Person zu beeinträchtigen. Konkret fallen demnach etwa Namen und Funktionsbezeichnungen von Verwaltungsangestellten als Ersteller, Empfänger, Mitwirkende, Unterzeichner etc. von Berichten, Stellungnahmen, Schreiben oder Emails ebenso wie von ihnen vertretene Positionen, Auffassungen oder Aussagen in Protokollen oder Gutachten grundsätzlich nicht unter die Anonymisierungsverpflichtung gemäss Art. 9 Abs. 1 BGÖ.[12]

IV. Zugang zu amtlichen Dokumenten mit nicht anonymisierbaren Personendaten

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Nach Art. 9 Abs. 2 BGÖ sind Zugangsgesuche, die sich auf amtliche Dokumente beziehen, welche nicht anonymisiert werden können (bzw. müssen), nach Art. 19 DSG zu beurteilen. Nach Art. 19 Abs. 1 DSG dürfen Bundesorgane Personendaten nur bekannt geben, wenn dafür eine Rechtsgrundlage im Sinne von Art. 17 (DSG) besteht oder in den in Buchstaben a-d genannten Fällen. Weiter wurde Art. 19 DSG mit Inkraftsetzung des BGÖ um einem neuen Abs. 1bis ergänzt. Es handelt sich dabei um eine eigens für die Bekanntgabe von Personendaten im Rahmen der Gewährung des Zugangs zu amtlichen Dokumenten geschaffene gesetzliche Grundlage. Diese als Koordinationsbestimmung zwischen BGÖ und DSG ausgestaltete Norm sieht vor, dass Bundesorgane im Rahmen der behördlichen Information von Amtes wegen oder gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz auch Personendaten bekannt geben dürfen, wenn die betreffenden Personendaten im Zusammenhang mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben stehen (Bst. a) und an deren Bekanntgabe ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht (Bst. b).

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Die erste Voraussetzung von Art. 19 Abs. 1bis DSG (Zusammenhang mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben) führt in der Praxis kaum je zu Schwierigkeiten und ergibt sich im Bereich des BGÖ bereits aus der gesetzlichen Definition des amtlichen Dokuments gemäss Art. 5 Abs. 1 Bst. c BGÖ.[13] Die zweite Voraussetzung (überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe der im Dokument enthaltenen Personendaten) verlangt analog zur oben bereits besprochenen Ausnahmebestimmung gemäss Art. 7 Abs. 2 BGÖ nach einer Interessenabwägung zwischen den öffentlichen Interessen am Zugang zu amtlichen Dokumenten (und insbesondere der darin enthaltenen Personendaten) und den privaten Geheimhaltungsinteressen der betroffenen Person. In welcher Beziehung Art. 7 Abs. 2 BGÖ und Art. 19 Abs. 1bis DSG zueinander stehen, bzw. ob und, wenn ja, wie weit sie denselben Regelungsgegenstand aufweisen, kann hier offen bleiben.[14] Dieser Auslegungsfrage kommt in der Praxis keine praktische Relevanz zu.[15]

V. Interessenabwägung im Einzelfall

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Die gesetzliche Konzeption des BGÖ (und des DSG) verlangt im Bereich des Zugangs zu amtlichen Dokumenten mit Personendaten eine Güterabwägung im Einzelfall zwischen den öffentlichen Interessen am Zugang zu amtlichen Dokumenten (und insbesondere der darin enthaltenen Personendaten) und den privaten Interessen der betroffenen Person am Schutz ihrer Privatsphäre. Im Gegensatz zu Art. 19 Abs. 1bis DSG geht aus Art. 7 Abs. 2 BGÖ, zweiter Teilsatz, explizit hervor, dass der Gesetzgeber nur ausnahmsweise von einem überwiegenden öffentlichen Einsichtsinteresse ausgeht. Die Botschaft zum BGÖ nennt hierfür etwa Fälle von Korruption, von Gewährung namhafter wirtschaftlicher Vorteile an Einzelne, Bewilligungen oder Konzessionen oder Verträge, die der Staat mit Privaten abgeschlossen hat.[16] In allen übrigen Fällen scheint der Schutz der Privatsphäre Vorrang gegenüber dem Interesse am Dokumentenzugang zu geniessen.

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Demgegenüber scheinen Lehre und Rechtsprechung weniger strenge Anforderungen an das öffentliche Interesse am Zugang zu amtlichen Dokumenten mit Personendaten zu stellen bzw. lassen umgekehrt nur gewichtige private Interessen der betroffenen Person am Schutz der Privatsphäre zu. So wird etwa nur von einem Eingriff in die Privatsphäre ausgegangen, wenn die zu vermutende Beeinträchtigung eine gewisse Intensität erreicht, wobei geringfügige oder bloss unangenehme Konsequenzen nicht ausreichen, um ein überwiegendes privates Interesse am Schutz der Personendaten geltend zu machen. Ebenso wenig soll es reichen, wenn eine Verletzung der Privatsphäre der betroffenen Person lediglich denkbar bzw. entfernt möglich erscheint.[17]

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Für die Beurteilung, ob das private Geheimhaltungsinteresse oder das öffentliche Einsichtsinteresse überwiegt, können etwa folgende Kriterien herangezogen werden: [18]

  • Funktion der betroffenen Person:

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Personen, die in Erfüllung öffentlicher Aufgaben handeln, können grundsätzlich nicht geltend machen, dass diese Tätigkeit in ihre Privatsphäre falle.[19] Enthalten amtliche Dokumente demnach Personendaten von Verwaltungsangestellten, ist zunächst immer zu unterscheiden, ob diese nur im Zusammenhang mit der Erfüllung der öffentlichen Tätigkeit stehen oder aber, ob sie zusätzlich einen direkten Bezug zu ihrer Privatsphäre aufweisen. In der erstgenannten Konstellation sind sie in aller Regel zugänglich zu machen[20], in der zweitgenannten Konstellation ist – genau wie bei verwaltungsexternen Drittpersonen – eine Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen.

  • Stellung der betroffenen Person:

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Stehen die im Dokument enthaltenen Personendaten nicht lediglich im Zusammenhang mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, sondern weisen darüber hinaus einen direkten Bezug zur Privatsphäre auf, gilt es bei Verwaltungsangestellten mit Blick auf ihre hierarchische Stellung weiter zu unterscheiden: Verwaltungsangestellte in hohen Führungsfunktionen müssen sich weitergehende Eingriffe in ihre Privatsphäre gefallen lassen, als hierarchisch nachgeordnetes Verwaltungspersonal.[21] Demnach sind etwa Personaldossiers von «normalen» Verwaltungsangestellten bzw. Unterlagen daraus kaum je zugänglich, da der Schutz ihrer Privatsphäre in der Interessenabwägung in der Regel überwiegen dürfte. Hingegen müssen beispielsweise der Generalsekretär eines Eidg. Departements und sein Stellvertreter mit der Offenlegung ihrer Auflösungsvereinbarung rechnen.[22] Gleiches gilt für die Einsicht in den Einzelarbeitsvertrag eines vom Parlament abgewählten Bundesanwaltes, welcher von der Bundesanwaltschaft als normaler Staatsanwalt wieder angestellt wird.[23] Demgegenüber ist eine Liste aller gemeldeten Nebenbeschäftigungen sämtlicher Bundesangestellten in ihrer Gesamtheit nicht zugänglich, sondern lediglich im Rahmen der Nebenbeschäftigungen der Verwaltungsangestellten in höheren Führungsfunktionen nach deren Anhörung und einer Interessenabwägung im Einzelfall. Für hierarchisch nachgeordnetes Verwaltungspersonal wird der Zugang nur in anonymisierter Form gewährt.[24] Schliesslich wurde auch der Zugang zu einer Liste sämtlicher an zwei Unternehmensfusionen beteiligter Mitarbeitender der Wettbewerbskommission abgelehnt und lediglich Zugang zu einer eingeschränkten Liste jener Mitarbeitenden gewährt, welche massgeblichen Einfluss auf die beiden konkreten Geschäfte hatten.[25]

  • Art der Personendaten und mögliche Konsequenzen ihrer Offenlegung:

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Handelt es sich bei Personendaten in amtlichen Dokumenten um besonders schützenswerte Personendaten bzw. um Persönlichkeitsprofile i.S.v. Art. 3 Bst. c bzw. Bst. d DSG, ist in der Interessenabwägung grössere Zurückhaltung angezeigt. So dürfte einer Offenlegung von besonders schützenswerten Personendaten oder Persönlichkeitsprofilen von Verwaltungsangestellten nur in seltenen Ausnahmefällen stattzugeben sein und dies lediglich dann, wenn das öffentliche Interesse am Zugang sehr schwer wiegt. In Anknüpfung an obige Ausführungen zur Stellung der betroffenen Person gilt es zu beachten, dass eine Offenlegung von besonders schützenswerten Personendaten bzw. Persönlichkeitsprofilen in der Regel nur bei Verwaltungsmitarbeitenden in hohen Führungsfunktionen überhaupt je in Betracht fällt. Unabhängig von der Kategorisierung der betroffenen Personendaten ist jedoch im Rahmen der Interessenabwägung stets nach den möglichen Konsequenzen einer Offenlegung der fraglichen Personendaten für die betroffene Person im konkreten Fall zu fragen.[26]

  • Kriterien für ein ausnahmsweise überwiegendes öffentliches Einsichtsinteresse:

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In Art. 6 Abs. 2 VBGÖ[27] hat der Bundesrat drei beispielhafte Konstellationen normiert, in welchen das öffentliche Interesse am Dokumentenzugang der Vermutung nach überwiegen kann. Dies ist etwa dann der Fall,

  • wenn die Zugänglichmachung einem besonderen Informationsinteresse der Öffentlichkeit dient, insbesondere aufgrund wichtiger Vorkommnisse (Bst. a);
  • wenn die Zugänglichmachung dem Schutz spezifischer öffentlicher Interessen dient, insbesondere dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit oder der öffentlichen Gesundheit (Bst. b), oder
  • wenn die Person, deren Privatsphäre durch die Zugänglichmachung beeinträchtigt werden könnte, zu einer dem BGÖ unterstehenden Behörde in einer rechtlichen oder faktischen Beziehung steht, aus der ihr bedeutende Vorteile erwachsen (Bst. c).
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Zur Veranschaulichung der hiervor skizzierten Vorgehensweise kann nachfolgendes, vereinfachtes Schema dienen:


* Der Autor vertritt in diesem Beitrag seine persönliche Meinung.


Fussnoten:

  1. Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ; SR 152.3.

  2. Botschaft zum BGÖ, BBl 2003 2002; statt vieler BVGE 2011/52, E. 6.

  3. Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (SR 101).

  4. Bertil Cottier/Rainer J. Schweizer/Nina Widmer, in: Brunner/Mader (Hrsg.), Stämpflis Handkommentar Öffentlichkeitsgesetz, Art. 7 Rz. 53.

  5. Stephan C. Brunner, Öffentlichkeit der Verwaltung und informationelle Selbstbestimmung: Von Kollisionen und Verkehrsregeln, in: Selbstbestimmung und Recht, FS für Rainer J. Schweizer, Zürich 2003, S. 40; Reto Ammann/Renate Lang, Öffentlichkeitsgesetz und Datenschutz, Rz. 25.48 m.w.H., in: Passadelis/Rosenthal/Thür (Hrsg.), Handbücher für die Anwaltspraxis, Datenschutzrecht, Zürich 2015.

  6. Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG; SR 235.1).

  7. BBl 2003 2016; Alexandre Flückiger, Handkommentar BGÖ, Art. 9 Rz. 20 f.

  8. Vgl. dazu EDÖB Empfehlung vom 22.2.2012, BA / Arbeitsvertrag alt Bundesanwalt; BGE 136 II 399 bzw. das Urteil des BVGer A-3609/2010 betreffend die Zugänglichkeit der Auflösungsvereinbarungen mit dem ehemaligen EJPD-Generalsekretär sowie dessen Stellvertreter.

  9. BBl 2003 2016; Diese Ausnahmekonstellation sollte nach der hier vertretenen Auffassung nur zurückhaltend angenommen werden. Grosser Anonymisierungsaufwand sollte die gesetzlich vorgesehene Anonymisierungspflicht nicht gleichsam automatisch entfallen lassen. Dies erst recht nicht, soweit nach dem geltenden Recht für diesen Aufwand in Anwendung von Art. 17 BGÖ gegenüber der gesuchstellenden Person Gebühren erhoben werden können.

  10. Vgl. dazu EDÖB Empfehlung vom 8.7.2.13, BLW / Auszüge Dokumentenverwaltungssystem.

  11. Vgl. dazu Bertil Cottier/Rainer J. Schweizer/Nina Widmer, in: Brunner/Mader (Hrsg.), Handkommentar BGÖ, Art. 7 Rz. 80 sowie Alexandre Flückiger, Handkommentar BGÖ; Art. 9 Rz. 14; Ammann/Lang, Öffentlichkeitsgesetz und Datenschutz, Rz. 25.62 m.w.H.

  12. BVGer A-4962/2012, E. 7.1 f., ebenso EDÖB Empfehlung vom 16. August 2012: BSV / Sitzungsprotokolle AHV/IV-Kommission, Ziff.II.B.27 ff.; EDÖB Empfehlung vom 19. Oktober 2012: fedpol / dezentral getätigte Beschaffungen, Ziff. II.B.29; EDÖB Empfehlung vom 4. März 2013: VBS / Bericht Feststellungen Kassenrevision, Ziff. II.B. 31; EDÖB Empfehlung vom 3. September 2013: WEKO / Mitarbeiterlisten, Ziff. 24.

  13. Ammann/Lang, Öffentlichkeitsgesetz und Datenschutz, Rz. 25.73 m.w.H.

  14. Vgl. dazu Basler Kommentar (BSK) BGÖ-Häner Art. 7 N 53.

  15. Vgl. BVGer A-6755/2016, m.w.H.

  16. Botschaft zum BGÖ, BBl 2003 2013.

  17. Vgl. zum Ganzen Ammann/Lang, Öffentlichkeitsgesetz und Datenschutz, Rz. 25.79 m.w.H.

  18. Brunner, Verkehrsregeln, S. 48 ff.; Ammann/Lang, Öffentlichkeitsgesetz und Datenschutz, Rz. 25.83 ff. m.w.H.; BVGer A-6738/2014, E. 5.1.3.1, m.w.H.

  19. BSK BGÖ-Häner, Art. 7 N 58.

  20. Dies selbstverständlich immer nur unter Vorbehalt, dass keine andere Ausnahmebestimmung des BGÖ zur Anwendung gelangt.

  21. BVGer A-3609/2010, E. 4.4; BSK BGÖ-Häner, Art. 7 N 59; Brunner, Verkehrsregeln, S. 49.

  22. BVGer A-3609/2010.

  23. Empfehlung EDÖB vom 22.2.2012: Bundesanwaltschaft / Arbeitsvertrag alt Bundesanwalt.

  24. BVGer A-6738/2014, E. 5.2.3.1 f.

  25. BVGer A-6054/2013. Dieser Entscheid steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zur neueren Rechtsprechung, da in diesem Fall nicht ohne Weiteres nachzuvollziehen ist, inwiefern durch eine Offenlegung der vollständigen Liste die Privatsphäre der betroffenen Mitarbeitenden tangiert sein sollte.

  26. Brunner, Verkehrsregeln, S. 51; Ammann/Lang, Öffentlichkeitsgesetz und Datenschutz, Rz. 25.89 f.

  27. Verordnung über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsverordnung, VBGÖ; SR 152.31).

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