«Ich habe heute noch Fälle, in denen es um den Entzug der Akkreditierung geht»

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Medialex-Serie «Meine Diss»: Was AutorInnen heute über ihre Doktorarbeit von damals denken – Teil 4

Andreas Meili zu seiner Dissertation aus dem Jahr 1990: «Akkreditierung von Journalisten im öffentlichen Recht des Bundes und der Kantone»

Résumé: Dans la série «Ma dissertation», dont les épisodes sont publiés à intervalles irréguliers, Medialex donne la parole à des juristes qui avaient travaillé, pour leur doctorat, sur des thèmes relevant du droit des médias. Ces juristes reviennent sur leurs réflexions, au moment de la rédaction et aujourd’hui, et ils – ou elles – se demandent si ce travail a eu des effets sur la pratique juridique.
Dans cette quatrième partie, l’avocat Andreas Meili, ancien membre de la direction de Tamedia (aujourd’hui TX Group), reprend son thème de doctorat, l’accréditation de journalistes, qui a gardé toute son actualité, quelque 30 ans plus tard. Il explique comment il continue à être saisi de cas journalistes que l’on veut discipliner et qui sont, pour ce faire, menacés de se voir retirer leur accréditation .

Zusammenfassung: In seiner losen Serie «Meine Diss» möchte Medialex aufspüren, was Juristinnen und Juristen, die eine Doktorarbeit zu einem medienrechtlich interessanten Thema verfasst haben, heute über ihre Arbeit denken, woran sie sich erinnern und ob sie finden, ihre Diss habe Auswirkungen auf die Praxis gehabt.
Im Teil 4 schaut Andreas Meili, heute Rechtsanwalt und früher Mitglied der Unternehmensleitung der Tamedia AG (heute Tx Group), auf seine Doktorarbeit zurück. Obwohl er diese vor gut 30 Jahren verfasst hatte, ist sein Thema, die Akkreditierung von Journalisten, aktuell geblieben. Noch heute führe er Fälle, in denen man Medienschaffenden die Akkreditierung entziehen wolle, um sie zu disziplinieren.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie heute in Ihrer Dissertation lesen?

Das Thema ist immer noch aktuell, auch wenn seit der Publikation meiner Dissertation mehr als 30 Jahre vergangen sind. Wenn ich in die aktuelle Medienrechtsliteratur schaue, stelle ich mit einer gewissen Freude fest, dass die Arbeit immer noch zitiert wird und dass es fast keine anderen Autorinnen und Autoren gibt, die sich diesem Thema angenommen haben. Das Werk hat somit immer noch eine gewisse Gültigkeit und ist noch nicht Teil der Rechtsgeschichte.

Wie packten Sie damals die Doktorarbeit an?

In der Anwaltskanzlei, in der ich 1989/90 als Substitut tätig war, hatten wir im Zusammenhang mit dem «SonntagsBlick» einen aktuellen Fall, zu dem ein Kollege (Dr. Herbert Pfortmüller) ein Kurzmemo verfasst hatte, das mir als erste Grundlage für die Fallbearbeitung diente. Mein damaliger Chef (Prof. Peter Nobel) meinte, das Thema würde  eine vertiefte wissenschaftliche Bearbeitung verdienen. Betreut wurde die Arbeit dann von meinem Doktorvater, Prof. Manfred Rehbinder von der Uni Zürich, damals zuständig für Urheber- und Medienrecht. Herausgegeben wurde sie dann 1990 in der «Schriftenreihe zum Medien- und Immaterialgüterrecht» («SMI»).

Wovon handelte Ihre Doktorarbeit?

Der Titel lautete «Akkreditierung von Journalisten im öffentlichen Recht des Bundes und der Kantone». Das Thema war damals insofern sehr aktuell, als gerade die Verordnung der Bundeskanzlei über die Akkreditierung (SR 170.61) revidiert worden war. Im ersten Teil meiner Dissertation wird ein Überblick über die zahlreichen, verstreuten kantonalen und bundesrechtlichen Akkreditierungsvorschriften gegeben, im zweiten werden diese Bestimmungen auf ihre Verfassungsmässigkeit überprüft. Der dritte Teil enthält konkrete Empfehlungen zur Revision der Akkreditierungsverordnung der Bundeskanzlei, die am 21. Dezember 1990 in Kraft getreten ist.

Die Akkreditierung verschafft den Journalistinnen und Journalisten zum Teil besondere Rechte, indem sie z.B. im Vorfeld eines Strafprozesses Einblick in die wichtigsten Prozessakten nehmen können oder indem ihnen im Gerichtssaal spezielle Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden. Im Gegenzug fordert die Stelle, bei der die Medienschaffenden akkreditiert sind, die Beachtung besonderer Regeln, z.B. die Pflicht zur wahrheitsgemässen oder sachgerechten Berichterstattung oder zur Richtigstellung von falschen Tatsachenbehauptungen, Regeln, die zum Teil weitergehen als die allgemeinen Bestimmungen des Zivil- und Straf(prozess-)rechts und des RTVG . Daraus entsteht ein heikles Spannungsfeld zu den Grundrechten der Meinungs- und Informationsfreiheit.

War Ihre Dissertation auch von Nutzen für die Rechtspraxis?

Das Thema holt mich immer wieder ein. Ich habe heute noch Fälle, in denen es um den Entzug der Akkreditierung geht, womit kritische Medienschaffende diszipliniert werden sollen. Da sich bei solchen Fällen immer verfassungsrechtliche Fragen stellen und sich die einzelnen Massnahmen am Verhältnismässigkeitsprinzip messen lassen müssen, kommt es in der Praxis oft zu fragwürdigen Anordnungen, die dann gerichtlich zu überprüfen sind.

Was würden Sie anders machen, wenn Sie Ihre Diss nochmals schreiben würden?

Nichts Grundlegendes. Das Thema ist immer noch aktuell und präsentiert sich in Bezug auf das heikle Spannungsfeld zwischen den Rechten und Pflichten der akkreditierten Journalistinnen und Journalisten und der Meinungs- und Informationsfreiheit noch gleich wie 1990.

Gibt es Merkmale, die Ihre Arbeit von damals von anderen abhebt?

Was sofort auffällt ist das aus heutiger Sicht seltsame Schriftbild. Als ich 1989 mit der Arbeit begann, stand mir mein erster PC zur Verfügung; doch dieser war nicht genügend «fit», um den Fussnotenapparat zu bewältigen. Daher gab es bei den Fussnoten zwischen den einzelnen Wörtern Lücken, die sich technisch nicht beheben liessen. Man darf nicht vergessen: Viele Dissertationen wurden in den 80er Jahren noch mit der Schreibmaschine geschrieben. Die ersten PCs brachten zweifellos Verbesserungen, waren aber noch alles andere als perfekt.

Verraten Sie zum Schluss eine Anekdote oder ein Geheimnis im Zusammenhang mit ihrer Diss?

Mein Doktorvater war bekannt dafür, bei wissenschaftlichen Arbeiten streng auf korrektes Zitieren zu achten, insbesondere auf den «Punkt» am Schluss der Fussnoten. Vorsorglich gab ich deshalb meinem ehemaligen Deutschlehrer aus dem Gymnasium sowie meiner damaligen Freundin (damals Assistentin an der Uni Zürich bei Prof. Anton Heini) den Entwurf meiner Dissertation zur kritischen Durchsicht, bevor ich micht an die Schlussredaktion machte. Das hat sich ausbezahlt, denn mit dem erwähnten PC hätte ich spätere Korrekturen kaum mehr bewältigen können. Übrigens: Der damalige Deutschlehrer wurde später Pfarrer und hat uns getraut. Wie meine Dissertation hat auch unsere Ehe bis heute Bestand.

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Medialex ist die schweizerische Fachzeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht. Sie erscheint als Newsletter im Monatsrhythmus (10x jährlich), open access, und enthält Untersuchungen und Brennpunkte zu medienrechtlichen Themen, aktuelle Urteile mit Anmerkungen, Hinweise auf neue medien- und kommunikationsrechtliche Urteile, UBI-Entscheide und Presseratsstellungnahmen sowie auf neue wissenschaftliche Publikationen und Entwicklungen in der Rechtsetzung.

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