«Eine Samba-Truppe, die alles zeigt, was sie hat»

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Medialex-Serie «Meine Diss»: Was AutorInnen heute über ihre Doktorarbeit von damals denken – Teil 7

Sandro Macciacchini zu seiner 2000 erschienenen Dissertation «Urheberrecht und Meinungsfreiheit»

Résumé: Dans la série «Ma dissertation», dont les épisodes sont publiés à intervalles irréguliers, Medialex donne la parole à des juristes qui avaient travaillé, pour leur doctorat, sur des thèmes relevant du droit des médias. Ces juristes reviennent sur leurs réflexions, au moment de la rédaction et aujourd’hui, et ils – ou elles – se demandent si ce travail a eu des effets sur la pratique juridique.
Pour ce nouveau texte, c’est Sandro Macciacchini, aujourd’hui membre de la direction générale de TX Group, qui revient sur son travail de doctorat. Son thème: le champ de tensions entre le droit d’auteur et la liberté d’opinion, qu’il avait analysé à l’aune de l’utilisation d’oeuvres protégées par le droit d’auteur dans des articles médiatiques.

Zusammenfassung: In seiner losen Serie «Meine Diss» möchte Medialex aufspüren, was Juristinnen und Juristen, die eine Doktorarbeit zu einem medienrechtlich interessanten Thema verfasst haben, heute über ihre Arbeit denken, woran sie sich erinnern und ob sie finden, ihre Diss habe Auswirkungen auf die Praxis gehabt.
Im Teil 7 schaut Sandro Macciacchini, heute Mitglied der Geschäftsleitung der TX Group AG, auf seine Doktorarbeit zurück, die das Spannungsfeld von Urheberrecht und Meinungsfreiheit am Beispiel der Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke in der Berichterstattung von Medien thematisierte.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie heute in Ihrer Dissertation lesen?

Die Frage ist gut formuliert, weil ich ein paar Mal nach Veröffentlichung noch «in» meiner Dissertation gelesen habe, aber nie mehr «die» Dissertation. Ich hatte und habe noch Freude am Aufbau und an den Schlussfolgerungen. Dazwischen liegen viele Seiten, die an die vielen Tage erinnern, die zu ihrer Erstellung erforderlich waren. Einiges davon hat auch beim erneuten Reinlesen Esprit, vieles ist aber etwas ausufernd geraten. Oder wie es mein Doktorvater, Manfred Rehbinder, formuliert hat: Die Dissertation erinnere ihn «an eine Samba-Truppe, die alles zeigt, was sie hat».

Wie packten Sie damals die Doktorarbeit an?

Ich hatte mir ein Jahr Zeit gegeben zwischen zwei Anstellungen, erstens um die Arbeit zu schreiben, und zweitens, um meinen Hobbys nachzugehen, die während der Erwerbsarbeit zu kurz kamen. Ich hatte mir ein Verhältnis von 1 zu 3 vorgestellt, im Ergebnis war es umgekehrt, d.h. es blieben nach Fertigstellung der Arbeit noch 3 Monate «übrig». Ich habe eher viel Zeit investiert in das Studium von Lehre und Praxis sowie in die Struktur, und einmal erstellt, die Arbeit dann relativ zügig geschrieben.

Wovon handelte Ihre Doktorarbeit?

Sie thematisiert das Spannungsfeld von Urheberrecht und Meinungsfreiheit am Beispiel der Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke in der Berichterstattung von Medien. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass urheberrechtlich geschützte Werke Teil der Wirklichkeit sind, d.h. Tatsachen. Da es Aufgabe der Medien ist, über Tatsachen zu berichten, stellt sich die Frage, ob das Urheberrecht die freie Berichterstattung einschränkt. Ein naheliegendes Beispiel ist die Berichterstattung über eine Kunstausstellung. Für solche Fälle kennt das Urheberrecht Schrankenbestimmungen, welche in der Arbeit im Einzelnen analysiert werden. Der potenzielle Konflikt zwischen Urheberrecht und Meinungsfreiheit ist aber viel grundlegender also solche Anwendungsfälle es vermuten lassen: Weil das Werk ein geistiges Gut ist, und weil das Urheberrecht das Recht ist, zu verbieten, dass dieses geistige Gut einem Dritten zur Kenntnisnahme gebracht wird, kollidiert dieses Ausschliesslichkeitsrecht fundamental mit dem Recht, sich frei zu äussern. Die Wertung der kollidierenden Interessen konzentriert sich deshalb im Urheberrecht nicht auf die Schrankenbestimmungen. Auch Objekt und Inhalt des Urheberechts sind das Resultat einer Wertung. Dabei sind auch die Gesichtspunkte zu beachten, die sich aus der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie und der Meinungsfreiheit ergeben.

War Ihre Dissertation auch von Nutzen für die Rechtspraxis?

Ein Rezensent hat dies in einer österreichischen Fachzeitschrift prophezeit; leider hat sich die Prophezeiung nicht erfüllt. Ich habe dann eine bekannte Strategie im Verlagswesen angewandt und den Inhalt zweitverwertet in einem Kommentar zum Urheberrecht, der dann doch in dem einen und anderen Entscheid zitiert wurde.

Was würden Sie anders machen, wenn Sie Ihre Diss nochmals schreiben würden?

Ich würde im Titel statt ein «und» ein «versus» verwenden. Getreu der Regel, dass gute Geschichten immer von einem Konflikt handeln, was am besten bereits im Titel zum Ausdruck kommt.

Gibt es Merkmale, die Ihre Arbeit von damals von anderen abhebt?

Vielleicht die Kombination von grundsätzlichen Erwägungen zum Konflikt zwischen Urheberrecht und Meinungsfreiheit einerseits und den detaillierten Erläuterungen zu den einzelnen gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere den Schranken des Urheberrechts, andererseits. Und dass diese grundsätzlichen Erwägungen in einem gewissen Kontrast stehen zur oft vertretenen Haltung, dass das Urheberrecht extensiv angewandt bzw. ausgelegt werden müsse, weil es die «Kreativen» schütze. Das Urheberrecht ist eben ein absolutes Recht, das sich gegen jeden anderen potenziellen Urheber richten kann. Ganz abgesehen davon, dass das Urheberrecht nicht nur den Roman schützt, der in der viel zitierten einsamen Schreibstube geschrieben wurde, sondern auch Gebrauchsanweisungen und Pornofilme.

Verraten Sie zum Schluss eine Anekdote im Zusammenhang mit ihrer Diss?

Da kommen mir zwei Anekdoten in den Sinn. Die Erste: Ich hatte kurz vor Beginn der Dissertation mit Rauchen aufgehört. Wer selber Raucher war oder ist, weiss, dass Schreiben unter Verzicht auf Zigaretten keine einfache Sache ist. Ich hielt es durch und mein Arbeitszimmer blieb rauchfrei. Nach Fertigstellung schickte ich ein Exemplar an meinen Lektor. Als das korrigierte Exemplar zurückkam, roch es stark nach Tabak: offenbar war mein Lektor ein starker Raucher.

Die Zweite: Mein Doktorvater hat mir gleich zu Beginn ein Limit an Seitenzahlen genannt, die meine Arbeit nicht überschreiten sollte. Als ich ihm nach Fertigstellung mitteile, dass ich (trotz kleiner Schriftpunktgrösse) deutlich darüber sei, meinte er: «Kommen sie vorbei und dann schauen wir uns den Schaden einmal an». Er meinte dann, er gäbe mir ein «summa», wenn ich die Arbeit auf das geforderte Limit kürzen würde. Ich habe es dann dabei bewenden lassen und mit einem «magna» vorliebgenommen.

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Medialex ist die schweizerische Fachzeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht. Sie erscheint als Newsletter im Monatsrhythmus (10x jährlich), open access, und enthält Untersuchungen und Brennpunkte zu medienrechtlichen Themen, aktuelle Urteile mit Anmerkungen, Hinweise auf neue medien- und kommunikationsrechtliche Urteile, UBI-Entscheide und Presseratsstellungnahmen sowie auf neue wissenschaftliche Publikationen und Entwicklungen in der Rechtsetzung.

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