Newsletter 08/23

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Von geheimen Unterlagen, interessanten Zivilurteilen, Sperrverfügungen und vom Schutz von Whistleblowern

Liebe Leserin, lieber Leser

Diesen Sommer hat das Bundesgericht zwei Urteile zum Zugang zu Dokumenten zur  Cryptoleaks-Affäre gefällt. In beiden Entscheiden (1C_321/2021 und 1C_257/2022) gewichtete es das Interesse an der Geheimhaltung der verlangten Unterlagen stärker als das öffentliche Interesse an der Aufarbeitung der Affäre. Rechtsanwalt Michael Schweizer, der die Urteile im Beitrag «Unterlagen rund um die Crypto AG bleiben geheim» analysiert, zeigt sich wenig überrascht von den Entscheiden. Für ihn zeigen die Begründungen, dass Behörden und Medienschaffende mit ungleich langen Spiessen kämpfen. Während sich die Behörden bei der Begründung der Risiken einer Veröffentlichung mit Allgemeinplätzen begnügen können, sollen Medienschaffende deren vagen Argumente substantiiert entkräften.

Neu aufgeschaltet ist die Übersicht der medienrelevanten Urteile des letzten Jahres im Zivil- und Zivilprozessrecht. In der Schweiz ergingen 2022 relativ wenige Entscheide im Bereich der Persönlichkeitsverletzungen durch Medien. Louis Wéry und Jonas Dupraz heben in ihrem Beitrag «Les meilleurs (droits de réponse) sont les plus courts mais l’humour a ses limites» zwei Urteile des Bundesgerichts hervor: Im einen stellte sich die Frage, ob die in einem Fernsehinterview geäusserte Kritik lediglich den Fussballclub Luzern oder auch dessen Sportdirektor betraf, das zweite handelt von der noch akzeptablen Länge einer Gegendarstellung. Umfangreicher war die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). In einem die Schweiz betreffenden Entscheid ging es um die Grenzen der noch zulässigen Kritik an einem Politiker.

Etwas ausserhalb des klassischen Medienrechts bewegt sich die Untersuchung von BLaw Tina Hediger mit dem Titel «Sperrverfügungen gegen Access Provider». Der Beitrag beleuchtet die bisherige Schweizer Praxis bezüglich Sperrverfügungen gegen Internetzugangsdienstleister. Der Kern der Überlegungen besteht in einer Grundrechtsprüfung gemäss Art. 36 BV. Es werden auch mögliche allgemeine rechtliche Grundlagen diskutiert und die sich aus dem Verhältnismässigkeitsgebot ergebenden Anforderungen an Sperrverfügungen abgebildet.

In der Herbstsession der eidgenössischen Räte ist etwas Bewegung in die Frage des besseren gesetzlichen Schutzes für Whistleblowerinnen und Whistleblower gekommen. Nachdem zuletzt diesbezügliche Versuche gescheitert waren, startet nun der Ständerat – gegen den Willen des Bundesrates – einen neuen Anlauf. Er hat eine entsprechende Motion des Zürcher Ständerats Ruedi Noser gutgeheissen, wie Sie dem kurzen Bericht «Neuer Anlauf zum besseren Schutz von Whistleblowern» entnehmen.

Und – nicht vergessen: Heute in einem Monat, am Donnerstag, 9. November, 17 Uhr, geht an der Universitätstrasse 100 in Zürich der jährliche Medialex-Apéro über die Bühne. Eingeladen sind alle, denen Medialex am Herzen liegt. Der Stiftungsrat, die Autorinnen und Autoren von Medialex und die bekannten Kommunikationsrechtler:innen in unserem Land werden zahlreich zugegen sein. Wer dabei sein möchte, möge sich bitte bis Ende Oktober mit einem Mail an redaktion@medialex.ch anmelden.

Wie üblich finden Sie unter «Aktuelle Entscheide» die Liste mit neu publizierten medienrechtlich relevanten Urteilen der Bundesgerichte, mit UBI-Entscheiden und den jüngsten Stellungnahmen des Presserats. Und «Neue Literatur» bietet Ihnen einen Überblick über neu erschienene wissenschaftliche Publikationen zum Medienrecht.

Der nächste Newsletter erscheint in der ersten Novemberwoche.

Gute Lektüre wünscht Ihnen

Simon Canonica
Redaktor «Medialex»

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Medialex ist die schweizerische Fachzeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht. Sie erscheint als Newsletter im Monatsrhythmus (10x jährlich), open access, und enthält Untersuchungen und Brennpunkte zu medienrechtlichen Themen, aktuelle Urteile mit Anmerkungen, Hinweise auf neue medien- und kommunikationsrechtliche Urteile, UBI-Entscheide und Presseratsstellungnahmen sowie auf neue wissenschaftliche Publikationen und Entwicklungen in der Rechtsetzung.

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