newsletter 09/2023

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Über den Marktwert von Fotografien, Beiträge zur künstlichen Intelligenz und zu Gewaltaufrufen in sozialen Medien

Liebe Leserin, lieber Leser

Das Bundesgericht hat im Frühjahr einen Entscheid gefällt, in dem es für die unerlaubte Nutzung einer Fotografie dem Urheber gerade mal 55 CHF zusprach. «Medialex» besprach dieses Urteil im Juli im Beitrag «Une épine dans le pied des photographes professionnels». Nun übt der Medienwissenschafter und Fotograf Christoph Schütz in seinem Debattenbeitrag «Wenn der Dieb den Wert des Diebesgutes diktiert» Kritik an diesem Urteil. Er stösst sich an der Art und Weise, wie im Entscheid der Marktwert einer Fotografie berechnet worden ist. Schütz findet, dass es zur Erzielung eines sinnvollen Resultats neben den juristischen Abhandlungen auch einen kritischen, an der Praxis des Bildermarktes geschulten Blick auf die Problematik gebraucht hätte. Er beschäftigt sich zudem mit dem so genannten Verletzerzuschlag als Möglichkeit, Urheberrechtsverletzungen weniger attraktiv zu machen.

Der ungenügende Rechtsschutz ist nicht die einzige und wohl auch nicht die grösste Sorge der Fotografinnen und Fotografen. Sie, Medienschaffende generell sowie Juristinnen und Juristen beschäftigt derzeit die künstliche Intelligenz wie kaum ein anderes Thema. Im Rahmen eines Forschungsprojekts des Zentrums für Immaterialgüterrecht und Wettbewerbsrecht der Universität Zürich und des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (IGE) entstanden Empfehlungen der Professoren Florent Thouvenin und Peter Georg Picht. Zusammengefasst seien keine neuen Schutzrechte zu gewähren, doch ein neuer Softwareschutz sei zu entwickeln. Die immaterialgüterrechtlichen Ausnahmebestimmungen seien für das Maschinenlernen zu erweitern und KI-Systeme sollten im Patentrecht als Erfinder benannt werden können. Die Publikation des weitreichenden Beitrags von Thouvenin/Picht findet sich in der Zeitschrift sic! (Ausgabe 10/2023), er ist noch nicht allgemein zugänglich.
Wir weisen gerne auf zwei Auseinandersetzungen zum Thema in «Medialex» hin: auf den Text von Philip Kübler «Wie generative KI-Systeme Rechte nutzen» betrefffend die Einordnung der generativen KI-Systeme ins Urheberrecht und auf den Text von Christoph Schütz «KI und Fotografie in den Medien»  zu den Problemen des KI-gestützten Bildschaffens im Bereich der Fotografie.

Der zweite auf unserer Website neu aufgeschaltete Beitrag befasst sich mit der strafrechtlichen Relevanz von Äusserungen in sozialen Medien. In seiner Untersuchung «Strafbarkeit von Gewaltaufrufen in sozialen Medien» geht BLaw Niklaus Sempach der Frage nach, welche Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Strafbarkeit solcher Äusserungen zukommt. Anhand eines Vergleichs mit der US-amerikanischen Brandenburg-Doktrin erläutert er die Vorteile der Schweizer Konzeption des Verhältnisses zwischen Meinungsfreiheit und Strafverfolgungsinteressen. Weiter stellt der Autor fest, dass nicht abschliessend geklärt ist, inwiefern das Medienprivileg gemäss Art. 28 StGB auf Äusserungen in sozialen Medien anwendbar ist, was in der Praxis zu inkonsequenten Urteilen führe. Er gelangt zum Schluss, dass das Medienstrafrecht nicht für den Umgang mit Äusserungen in sozialen Medien konzipiert ist, weshalb diesbezüglich eine Sonderbestimmung notwendig wäre.

Übermorgen Donnerstag, 9. November, 17 Uhr, geht an der Universitätstrasse 100 in Zürich der jährliche Medialex-Apéro über die Bühne. Eingeladen sind alle, denen Medialex am Herzen liegt. Für Kurzentschlossene: Sie können sich noch bis morgen Mittwochabend anmelden mit einem Mail an redaktion@medialex.ch.

Wie üblich finden Sie unter «Aktuelle Entscheide» die Liste mit neu publizierten medienrechtlich relevanten Urteilen der Bundesgerichte, mit UBI-Entscheiden und den jüngsten Stellungnahmen des Presserats. Und «Neue Literatur» bietet Ihnen einen Überblick über neu erschienene wissenschaftliche Publikationen zum Medienrecht.

Der nächste Newsletter erscheint in der ersten Dezemberwoche.

Gute Lektüre wünscht Ihnen

Simon Canonica
Redaktor «Medialex»

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Medialex ist die schweizerische Fachzeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht. Sie erscheint als Newsletter im Monatsrhythmus (10x jährlich), open access, und enthält Untersuchungen und Brennpunkte zu medienrechtlichen Themen, aktuelle Urteile mit Anmerkungen, Hinweise auf neue medien- und kommunikationsrechtliche Urteile, UBI-Entscheide und Presseratsstellungnahmen sowie auf neue wissenschaftliche Publikationen und Entwicklungen in der Rechtsetzung.

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