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Differenzierte Rechtsprechung in Strassburg und Lausanne und ein Kompromissvorschlag

Liebe Leserin, lieber Leser

Mit dem letzten Newsletter dieses Jahres schliessen wir die Rechtsprechungsübersichten 2023 ab. Prof. Franz Zeller bespricht im Beitrag «Differenzierte Rechtsprechung zu den prekären Grenzen freier Kommunikation» die erneut vielfältige verfassungs- und konventionsrechtliche Judikatur zur freien Kommunikation. Er bespricht mehrere Leiturteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Diese reichen von der staatlichen Publikation säumiger Steuerzahler über das rechtzeitige Löschen hasserfüllter Kommentare auf Facebook, die Anonymisierung identifizierender Zeitungsbeiträge in Online-Archiven bis hin zu einem konventionswidrigen Warnhinweis auf einem Märchenbuch und dem erweiterten Schutz für Whistleblower. Daneben haben auch das professionelle Medienschaffen und der Zugang zu staatlichen Informationen die Justiz in Strassburg und Lausanne beschäftigt. Verschiedene Entscheide zeigen das richterliche Bemühen um eine differenzierte Beurteilung, welche die widerstreitenden Interessen bestmöglich in die Balance zu bringen versucht.

Erstmals seit Einführung der Jugendstrafprozessordnung vor 13 Jahren hat sich das Bundesgericht im Entscheid 7B_727/2024 mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit in Strafverfahren nach Jugendstrafrecht befasst. Es bestätigte zwar den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit solcher Prozesse, liess aber im Fall eines Mannes, der vor mehr als fünf Jahren das Erwachsenenalter erreicht hatte, die akkreditierten Medienschaffenden zur Verhandlung teilweise zu. Dieses Urteil bespricht Thomas Hasler im Beitrag «Der jugendliche Übergangstäter und der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit». Der Autor bedauert, dass das Bundesgericht nicht die Chance ergriff, die grundsätzliche Frage zu diskutieren, ob es nicht gerechtfertigt wäre, Gerichtsberichterstattende im Fall eines inzwischen erwachsenen Täters zur ganzen Verhandlung zuzulassen.

Bundesratsansprachen im Fernsehen gehören zum Ritual vor eidgenössischen Volksabstimmungen. Mit diesem Thema musste sich jüngst das Bundesgericht auseinandersetzen. Es hielt fest, diese Praxis verstosse nicht gegen Programmrecht (vgl. dazu die Besprechung des Urteils von Oliver Sidler in medialex 09/24). Im Debattenbeitrag «Der tolerierte Fremdkörper Bundesratsreden» schlägt nun der Publizist Roger Blum einen Kompromiss vor: Eine «längere» Ansprache des Bundesrats soll kombiniert werden mit einer «kürzeren» der jeweiligen Gegenkomitees.

Wie üblich finden Sie unter «Aktuelle Entscheide» die Liste mit neu publizierten medienrechtlich relevanten Urteilen der Bundesgerichte, mit UBI-Entscheiden und den jüngsten Stellungnahmen des Presserats. Und «Neue Literatur» bietet Ihnen einen Überblick über neu erschienene wissenschaftliche Publikationen zum Medienrecht.

Der nächste Newsletter erscheint Ende Januar 2025.

Anregende Lektüre, frohe Festtage und einen guten Start ins Neue Jahr wünscht Ihnen

Simon Canonica
Redaktor «Medialex»

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