Zürcher Zwangsmassnahmengericht verneint hinreichenden Tatverdacht und bricht eine Lanze für den Quellenschutz
Anmerkungen:
a) Sachverhalt
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Der Sachverhalt ist weitgehend bekannt und war Anfang Monat Gegenstand breiter Medienberichterstattung. Für Medialex hatte sich NZZ-Rechtskonsulent Simon Jakob im Artikel «Journalismus als Risiko» zur Hausdurchsuchung bei Inside Paradeplatz geäussert.
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Journalist Lukas Hässig hatte auf dem Finanzportal 2016 Inhalte publiziert, die zu einer Strafuntersuchung und zur erstinstanzlichen Verurteilung von Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz und seines Vertrauten Beat Stocker führte. Anfang Juni 2025 fand beim Finanzportal eine Hausdurchsuchung statt. Es wurden ein Computer, ein Handy und zahlreiche Dokumente beschlagnahmt. Die Massnahme wurde gestützt auf Art. 47 des Bankengesetzes durchgeführt. Seit dessen Verschärfung von 2015 stellt der Artikel Verletzungen des Bankgeheimnisses nicht nur durch Bankpersonal, sondern auch durch Dritte wie Journalisten unter Strafe.
b) Das Wichtigste aus den Erwägungen
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Die zuständige Richterin verneinte schon die erste Voraussetzung, das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts ohne Wenn und Aber. Sie pflichtete dem Gesuchsgegner (Hässig) bei, dass ein über weite Teile geschwärzter, nicht mit Beilagen überprüfbarer, privater und damit kaum unabhängiger Untersuchungsbericht (der so genannte «Van-Gogh-Bericht) nicht als Grundlage für einen hinreichenden Tatverdacht dienen könne (Erw. 2.8). Von einem dringenden Tatverdacht, wie ihn Lehrmeinungen bei der Nähe zum Quellenschutz sogar verlangten (z.B. FRANZ ZELLER im Basler Kommentar zur StPO, 2023) könne schon gar keine Rede sein (Erw. 2.10).
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Damit hätte es die Richterin bewenden lassen können. Sie prüfte aber im Sinne einer Eventualerwägung auch die Frage der Verhältnismässigkeit der angeordneten Hausdurchsuchung und nahm eine Abwägung zwischen dem Geheimhalteinteresse nach Bankengesetz und dem aus der Medienfreiheit abgeleiteten Quellenschutz vor. Auch diesbezüglich sprach sie Klartext. Sie wies in Erw. 3.8 darauf hin, dass die Durchbrechung des Informations- und Quellenschutzes gemäss Art.10 EMRK nur bei Rechtfertigung durch ein vorrangiges öffentliches Interesse zulässig sei, und verwies auf die vom Bundesgericht noch diesen Januar erneut bestätigte Rechtsprechung (BGer 7B_733/2024 vom 31.1.2025, besprochen in medialex 05/25). Der Journalist habe mit den Gegenstand der Untersuchung bildenden Publikationen seine Aufgabe als investigativer Medienschaffender wahrgenommen. In Erw. 3.9 heisst es wörtlich: «Davon auszugehen, dass eine Strafverfolgung und allfällige Bestrafung des Gesuchgegners aufgrund einer (derzeit noch völlig unbelegten) Bankgeheimnisverletzung höher oder vorrangiger zu werten sei als seine pflichtbewusste Berufsausübung, mithin die berechtigte Information der Öffentlichkeit über mutmasslich weitreichende Gesetzesverstösse in der Finanzwelt, wäre nach Einschätzung des hiesigen Zwangsmassnahmengerichts, welches die Achtung des Quellenschutzes in einem funktionierenden Rechtsstaat als unerlässlich hält, offenkundig falsch.»
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Bei dieser Sachlage prüfte die Richterin nicht mehr, ob sich der Gesuchsgegner auch hätte auf Art. 14 StGB stützen können. Diese Norm verweist auf externe Rechtfertigungsgründe. Demnach verhält sich rechtmässig, «wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt», auch wenn die Tat nach dem StGB oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist. Der Gesuchsgegner argumentierte, dass er sich selbst im Falle der Annahme eines Anfangsverdacht der Verletzung von Art. 47 BankG auf Art. 14 StGB i.V.m. Art. 10 Abs.2 EMRK berufen könnte, weil er bei seinem Handeln, das zur Hausdurchsuchung geführt habe, seine berufliche Pflicht erfüllt habe. Diesen Aspekt prüfte die Richterin angesichts des Zwischenresultats nicht mehr, bezeichnete aber auch diese Überlegung als «nicht völlig abwegig» (Erw. 3.10).
Simon Canonica, Redaktor medialex