Zwei neue, spannende Urteile und
Start zur «Medialex»-Serie «Meine Diss»
Liebe Leserin, lieber Leser
Erneut hat das Bundesgericht einen bedeutenden Entscheid zum Öffentlichkeitsprinzip gefällt (BGer 1C_117/2020).
Es geht darin um das Recht auf Einsicht in archivierte Asylakten. Das
Bundesgericht hat die gemäss Archivierungsgesetz erforderliche
Interessenabwägung durch die zuständige Bundesbehörde als fehlerhaft
taxiert. Es sei zwischen der blossen Einsichtnahme und einer allfälligen
Publikation heikler Informationen zu unterscheiden. Berechtigte
Schutzbedürfnisse des Betroffenen sollten nicht reflexartig zur Sperrung
des Zugangs führen. Professor Franz Zeller bespricht das höchstrichterliche Urteil im Beitrag «Mangelhafte Interessenabwägung beim Streit um Einsicht in archivierte Asylakten».
News für Medienschaffende und Presseverlage: Wer ohne Zustimmung einen
vorbestehenden Text paraphrasiert, teils wörtlich übernimmt und eigenen
Text hinzufügt, begeht eine Urheberrechtsverletzung. Das Handelsgericht
Zürich hat im inzwischen rechtskräftig gewordenen Entscheid (HG200101-O) die Löschung eines derart strukturierten Artikels von «blick.ch» angeordnet. In seinem Beitrag «Paraphrasieren ist (k)eine Neugestaltung – die Grenze des Schutzbereichs» analysiert MLaw und ProLitteris-Jurist Mario Minder
dieses Urteil. Er hält die vom Gericht angewendete Methode zur
Ermittlung des urheberrechtlichen Schutzbereichs für verbesserungsfähig.
Deshalb sei fraglich, ob andere Gerichte in ähnlich gelagerten Fällen
gleich entscheiden würden oder sollten.
«Meine Diss» heisst die Serie, mit der «Medialex» heute startet.
Juristinnen und Juristen, die zu einem medienrechtlichen Thema
dissertiert haben, blicken auf ihre damalige Arbeit zurück und machen
sich Gedanken darüber, ob und allenfalls inwiefern ihre Doktorarbeit
Auswirkungen auf die Praxis gehabt hat. Den Anfang macht
Medialex-Stiftungsratspräsident Philip Kübler. Unter dem Titel «’Die Europäische Union löste diese Probleme tapfer ohne meine Dissertation’»
schaut er mit einem Schuss Selbstironie auf seine vor über 20 Jahren
erschienene Arbeit zum internationalen Rechtsschutz von Datenbanken
zurück.
Wie üblich finden Sie unter «Aktuelle Entscheide»
die Liste mit neu publizierten medienrechtlich relevanten Urteilen der
Bundesgerichte, UBI-Entscheiden und den jüngsten Stellungnahmen des
Presserats. Und «Neue Literatur» bietet Ihnen einen Überblick über neu erschienene wissenschaftliche Publikationen zum Medienrecht.
Der nächste Newsletter (05/22) erscheint in der ersten Juniwoche.
Gute Lektüre wünscht Ihnen
Simon Canonica
Redaktor «Medialex»