Besprechung von Himmelsbach/Mann, «Presserecht»
Matthias Schwaibold , Dr.iur., Rechtsanwalt, Zürich
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Die Professoren Dr. Gero Himmelsbach (München) und Dr. Roger Mann (Hamburg) haben zusammen mit vier weiteren Praktikern (Prof. Dr. Walter Seitz, Dr. Florian Ufer und Tobias Pretsch, alle München, sowie Dr. Endress Wanckel, Hamburg) eine komplette Neufassung des «Klassikers» von Renate Damm und Dr. Klaus Rehbock (3. Aufl. 2008) verfasst. An die Stelle dessen leicht sperrigen Titels «Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien» setzten sie ein schlankes «Presserecht» (Himmelsbach/Mann [Hrsg.), Presserecht, NJW-Praxis Band 101, Beck, München, 2022, 481 S.). Das ist nicht nur wegen des einfacheren Zitierens, sondern auch angesichts der Uferlosigkeit dessen, was man unter «Medienrecht» verstehen könnte, sehr zu begrüssen. Es ändert aber auch nichts daran, dass sich das deutsche Presserecht schwergewichtig um die Themen «Unterlassung» und «Geld» dreht. Wer noch einen Zweifel daran gehabt haben könnte, dass das deutsche Recht kompliziert ist, wird schon nach einem kurzen Blick in das Buch die Auffassung des Rezensenten teilen, dass die Rechtsprechung doch häufig nach dem Motto «warum einfach, wenn es auch umständlich geht» verfährt. Die konkreten Ergebnisse sind häufig wohl diesselben wie in der Schweiz, aber die Wege und Umwege, die dorthin führen, erscheinen meist länger und kunstvoller als hierzulande. Dass das Allermeiste reine Rechtsprechung, zumal des Bundesgerichtshofs (BGH) ist, dessen Urteile geradezu gesetzesersetzend geworden sind, ist sicher der auffälligste Unterschied zur schweizerischen Situation. Während bei uns der Föderalismus in diesem Bereich keine nennenswerte Rolle mehr spielt, kommt in Deutschland den Staatsverträgen zwischen den Ländern und den (wenn auch oft vereinheitlichten) Landespressegesetzen in vieler Hinsicht noch Bedeutung zu.
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Die Darstellung gliedert sich in 4 Teile: Recht der Recherche und Recht der Darstellung, Teil 3 handelt von der Durchsetzung der Ansprüche, Teil 4 vom Strafrecht.
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Das Literaturverzeichnis (vor S. 1) beschränkt sich auf die wichtigsten deutschen Standardwerke, während in den zahlreichen Fussnoten die weitere Aufsatzliteratur und insbesondere die unübersehbare erscheinende Gerichtspraxis nachgewiesen wird.
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Von Seitz sind die beiden Abschnitte über die Gegendarstellung (§ 13 zu Wort- und gesondert zur Bildberichterstattung in § 18), Wanckel hat den umfangreichen § 17 zum Unterlassungsanspruch gegenüber Bildberichterstattung und den zugehörigen Abschnitt zu den Zahlungsansprüchen (§ 19) verfasst, von den beiden Strafrechtlern Ufer und Pretsch stammen die strafrechtlichen und strafprozessualen Schluss-Abschnitte (Teil 4, §§ 25 bis 31). Die beiden Herausgeber haben die nicht genannten Abschnitte der Teile 1 bis 3 unter sich aufgeteilt. Darin geht es, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, um Fragen des Informationszugangs und Auskunftspflichten oder die Gerichtsberichterstattung, um die Unterlassungs- und Zahlungsansprüche bei der Wortberichterstattung oder die zivilprozessuale Durchsetzung von Ansprüchen, insbesondere den einstweiligen Rechtsschutz. Dieser dürfte zu den häufigsten Begegnungen schweizerischer Medienschaffender mit dem deutschen Presserecht führen.
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Es ist nicht Zweck der vorliegenden Besprechung, sich mit den zahlreichen, oft spannenden Einzelheiten zu befassen; ob man jetzt bei Unterlassungserklärungen nach dem «neuen Hamburger Brauch» die Vertragsstrafenbestimmung formuliert (S.353 f.) oder ob Dringlichkeit im Verfügungsverfahren auch noch nach zwei Monaten angenommen wird (S. 399 f.), beschlägt nur gerade zwei Unterschiede zur Rechtslage in der Schweiz. Dass die bei uns so wichtige «Feststellungsklage» in Deutschland demgegenüber eine höchstens untergeordnete Rolle spielt, belegt allein schon das Fehlen eines eigenständigen Stichworts im entsprechenden Sachverzeichnis am Ende des Buches. Froh können wir sein, dass das Monster der «internettypischen besonderen Gefahr», die der BGH erfunden hat, sein Haupt nicht bei uns erhebt (S. 236). Während die Gewinnherausgabe bei uns zumindest derzeit en vogue ist, spielt sie in Deutschland keine Rolle, ja erscheint sogar ausgeschlossen (S. 235). Die oekonomische Seite des Persönlichkeitsschutzes spielt sich vielmehr unter dem Titel Geldentschädigung ab; diese nimmt begründungsmässig, so der Eindruck, eine Zwischenstellung zwischen Schadenersatz und (in alter Begrifflichkeit) Schmerzensgeld ein, erweist sich vor allem aber betragsmässig als inzwischen schärfste Waffe von Medienopfern gegen Medienunternehmen. Insbesondere sind die Gerichte davon dispensiert, eine nachvollziehbare Berechnungsgrundlage darzulegen, sondern verhelfen mit dem Blankett-Argument der Einzelfall-Gerechtigkeit den Opfern der sogenannten «Zwangskommerzialisierung des Persönlichkeitsrechts» zu inzwischen teils hohen sechsstelligen Beträgen.
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Dass das Presserecht in Deutschland in ständiger Bewegung ist, erstaunt angesichts des permanenten Feinschliffs durch die einschlägigen Pressekammern und den BGH natürlich nicht; ob das Ausmass der damit erreichten (aber offenbar nie fertigen) Differenzierung wirklich sinnvoll ist, bleibe dahingestellt; jedenfalls ist im Sinne einer generellen Betrachtung festzustellen, dass der Spielraum der Medien langsam, aber sicher enger und spiegelbildlich die Abwehransprüche der echten und vermeintlichen Betroffenen zunehmend grösser wird. Dazu trägt, wenn auch nicht übermässig, der Gesetzgeber durch die Schaffung neuer Strafnormen («Paparazzi-Paragraf» 201a StGB, S. 444 f.) bei. Einen gewissen «Prominenzgewinn» hat die Materie indessen dadurch erlangt, dass seit 2021 an allen Landgerichten und Oberlandesgerichten spezifische «Pressekammern» bzw. «Pressesenate» zu bilden sind; ob damit das Problem des «fliegenden Gerichtsstandes» beseitigt und der praktischen Dominanz der Gerichte von Köln, Hamburg und Berlin die Grundlage entzogen wird, bleibt abzuwarten. Demgegenüber bedurfte es des zähen Kampfes der Verlage, um ohne Hilfe des Gesetzgebers, nur mit später Hilfe des Bundesverfassungsgerichts die gröbsten Missstände im Verfahren der einstweiligen Verfügung zu beseitigen (S. 405 ff.).
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Das sind, wie gesagt, nur ein paar Schlaglichter auf das «Presserecht» von Himmelsbach und Mann. Sie bieten einen verlässlichen Blick auf den derzeitigen Stand der Dinge und wahren, so gut als irgend möglich, das Gleichgewicht zwischen dem Abtauchen in die Abgründe der Einzelheiten zu jeder Besonderheit und der relativen Unverbindlichkeit einer Darstellung «in a nutshell». Und gerade deshalb bietet sich das Buch auch für den interessierten ausländischen Leser an, der mit den tausend oder gar 2000 Seiten der kiloschweren, einschlägigen Handbücher sich nur ausnahmsweise anfreunden wird.
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