Besprechung des Urteils 7B_727/2024 des Bundesgerichts vom 11. Okt. 2024
Thomas Hasler, Dr. phil., ehem. Gerichtsreporter «Tages Anzeiger» *
BGer 7B_ 727-2024
I. Sachverhalt
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Zwischen Dezember 2017 und Dezember 2019 soll der im Mai 2001 geborene A. eine gewalttätige und ausbeuterische Beziehung zu einem im September 2005 geborenen Mädchen unterhalten haben. Unter anderem gegenüber seinen Freunden habe er sich als «Gangster» in Szene setzen wollen, der Mädchen wie die Geschädigte in jeglicher Hinsicht sowohl zur eigenen sexuellen Befriedigung als auch zur sexuellen Befriedigung Dritter manipulieren, beherrschen, erniedrigen und wie eine Ware benützen könne. Neben diesem Haupttäter wird das Verfahren gegen weitere, zum Tatzeitpunkt teilweise minderjährige, teilweise bereits erwachsene Personen geführt. Bei A. handelt es sich im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Jugendstrafgesetz (JStG) um einen so genannten Übergangstäter. Wegen des Sachzusammenhangs wurden und werden die Fälle der Jugendlichen und Erwachsenen gemeinsam verhandelt.
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Im April 2022 schloss das erstinstanzliche Bezirksgericht Winterthur die Öffentlichkeit aus, gewährte akkreditierten Medienschaffenden aber Zutritt zur Hauptverhandlung im Verfahren vor dem Jugendgericht – und zwar für die Dauer der Einvernahme der beschuldigten Personen zur Sache sowie zur Urteilseröffnung. Eine Beschwerde von A. gegen die Medienzulassung wies das Zürcher Obergericht ab. Der Entscheid erwuchs in Rechtskraft. Gegen seine Verurteilung unter anderem wegen Menschenhandels, teilweise versuchter Vergewaltigung, sexuellen Nötigung, mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern (alles in gemeinsamer Tatbegehung) und gegen die Bestrafung mit acht Jahren und neun Monaten meldete A. Berufung an.
Mit Präsidialverfügung vom Mai 2024 schloss auch das Zürcher Obergericht die Öffentlichkeit aus und bestätigte die Zulassung von akkreditierten Medienschaffenden «während der Dauer der Einvernahmen der beschuldigten Personen zur Sache und zur Urteilseröffnung». Das Bezirksgericht Winterthur habe «sorgfältig und in der Sache zutreffend dargelegt», warum akkreditierte Medienschaffende zur Verhandlung teilweise zugelassen werden, damit aber vom Grundsatz der Nichtöffentlichkeit nicht abgewichen werde.
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Die Zulassung war – unter Strafandrohung gemäss Art. 292 StGB sowie § 38 IAV – mit den Auflagen verbunden, «dass in der Berichterstattung die Identitäten der Beschuldigten und der Privatklägerin nicht veröffentlicht werden dürfen und insbesondere keine Namen und Initialen der beteiligten Personen (Beschuldigte und Privatklägerin), keine genauen Geburtsdaten, keine genauen Staatsangehörigkeiten und auch keine weiteren persönlichen Details, die eine Identifizierung dieser Personen zulassen (Verzicht auf Beifügen von Fotos der Beteiligten, auch mit «Gesichtsbalken»; Verzicht auf Nennung des Wohnortes der Beteiligten oder der konkreten Tatorte), genannt werden.»
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A. wandte sich mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht. Es seien unter anderem Art. 14 JStPO sowie Art. 11 Abs. 1 BV verletzt. Im vorliegenden Fall gehe es nicht um Jugendkriminalität, über welche die Öffentlichkeit durch mediale Berichterstattung informiert werden müsse. Zudem könnten die erteilten Auflagen seine berechtigten Interessen nicht genügend schützen.
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Das Bundesgericht wies die Beschwerde im zur Publikation vorgesehenen Entscheid 7B_727/2024 ab.
II. Erwägungen
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Das Bundesgericht referiert in Erwägung 2.2 die einschlägigen rechtlichen Grundlagen des Jugendstrafgesetzes (JStG) und der Jugendstrafprozessordnung (JStPO). Vor Inkrafttreten der JStPO am 1. Januar 2011 regelten die Kantone das Verfahren nach den Grundsätzen des JStG. Verglichen mit der damaligen Regelung zur Frage der Öffentlichkeit des Verfahrens gemäss aArt. 39 Abs. 1 JStG weist der aktuelle Art. 14 JStPO inhaltlich zwei relevante Änderungen auf: Die Öffentlichkeit der Verhandlung ist neu als Kann-Vorschrift formuliert. Zudem wird zusätzlich verlangt, dass die Öffentlichkeit der Verhandlung «den Interessen der oder des beschuldigten Jugendlichen nicht zuwiderläuft». Dass die Öffentlichkeit im Jugendstrafverfahren grundsätzlich ausgeschlossen wird, war schon vor Inkrafttreten des JStG (1. Januar 2007) die Regel. Eine Verletzung der EMRK vermochte das Bundesgericht darin nicht zu erblicken (BGE 108 Ia 90).
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Das Bundesgericht bekräftigt in Erwägung 2.3, dass der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Hauptverhandlung «eines der zentralen Merkmale der Jugendgerichtsbarkeit» sei. Das Verfahrensrecht, das auf Jugendliche angewendet werde, strebe «die Vertraulichkeit und den Schutz der Privatsphäre der Jugendlichen und ihrer Familien an und will hauptsächlich die Zukunft des Beschuldigten schützen». Dazu müsse die beschuldigte Person der «Neugier des Publikums entzogen» werden.
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Ein ausnahmsweises Durchbrechen der Nichtöffentlichkeit könne angezeigt sein, wenn dies «wegen des öffentlichen Interesses als notwendig erachtet wird», beispielsweise dann, wenn die Straftat des Jugendlichen «in der Öffentlichkeit grosses Aufsehen erregte und die Öffentlichkeit stark bewegt hat». Das Gericht habe sich aber trotzdem stets zu vergewissern, dass die Öffentlichkeit der Verhandlung den Interessen des beschuldigten Jugendlichen nicht zuwiderläuft. Je nach Interessenlage könne «eine Teilöffentlichkeit», in Form von akkreditierten Medienschaffenden beispielsweise, zugelassen werden.
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Das Bundesgericht verweist auf die Erwägungen der Erstinstanz. Diese hatte hervorgehoben, dass das Verfahren «zumindest bereits teilweise Eingang in die öffentliche mediale Berichterstattung gefunden» habe. Man könne keineswegs von gewöhnlichen und alltäglichen Anklagesachverhalten und -vorwürfen ausgehen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die in jugendstrafrechtlicher Kompetenz zu behandelnden Beschuldigten mittlerweile volljährig seien. «Wenngleich aufgrund ihres Alters im Tatzeitpunkt das Jugendstrafprozessrecht auf sie zur Anwendung kommt, sind die jugendlichen Beschuldigten aufgrund ihres derzeitigen Alters nicht im gleichen Mass schutzbedürftig wie ein im Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung minderjähriger Beschuldiger» (Beschluss des Bezirksgerichts Winterthur vom 7. April 2022 (u.a. DJ210004), Erw. 3.2, ebenso: Beschluss der III. Strafkammer des ZH-Obergerichts vom 26. September 2018, Erw. 4.3).
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Wenn auf diesem Hintergrund das Zürcher Obergericht auch für die Berufungsverhandlung ein öffentliches Interesse annehme und akkreditierte Medienschaffende mindestens teilweise zur Berufungsverhandlung zulasse, sei dies «vertretbar», so das Bundesgericht in Erwägung 2.4. Selbst A. räume ein, dass der Fall während und nach der erstinstanzlichen Hauptverhandlung «sehr breit in den Medien kommentiert und begleitet» worden sei.
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Inwiefern die Zulassung von akkreditierten Medienschaffenden im Sinne von Art. 14 Abs. 2 lit.b JStPO den Interessen von A. zuwiderlaufe, sei «weder genügend dargetan noch ersichtlich». Zum einen habe A. das Erwachsenenalter bereits vor mehr als fünf Jahren erreicht. Zum anderen sei der Zugang der akkreditierten Medienschaffenden beschränkt und zur Wahrung der Anonymität zusätzlich mit strengen Auflagen versehen worden. A. lege auch nicht näher dar, «dass die Berichterstattung über die erstinstanzliche Hauptverhandlung zur Identifikation seiner Person geführt hätte».
III. Anmerkungen
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Soweit ersichtlich, hat sich das Bundesgericht seit Inkrafttreten der JStPO (1. Januar 2011) noch nicht mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit bzw. der Zulassung zu einer öffentlichen Verhandlung gemäss Art. 14 JStPO befasst. Es ist begrüssenswert, dass es 13 Jahre nach Inkrafttreten dazu Gelegenheit erhielt und den Entscheid zur Publikation vorsieht.
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Gleichzeitig bewegt sich das höchste Gericht in den Bahnen der bisherigen Rechtsprechung auf kantonaler Ebene und im Rahmen der einschlägigen Kommentare. Im konkreten Fall übernimmt es die wesentlichen Erwägungen der Erstinstanz. Es wäre meines Erachtens wünschenswert gewesen, wenn sich das Bundesgericht zum Komplex «Übergangstäter» ein paar Gedanken mehr gemacht hätte. So wäre es – wenigstens in Form eines obiter dictums – durchaus angemessen und für spätere Fälle hilfreich gewesen, beispielsweise der Frage nachzugehen, ob es im vorliegenden Fall angezeigt gewesen wäre, akkreditierte Medienschaffende zur gesamten Verhandlung zuzulassen.
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Akkreditierten Medienschaffenden wird vorliegend Zutritt gewährt «während der Dauer der Einvernahmen der beschuldigten Personen zur Sache und zur Urteilseröffnung». Da stellt sich umgekehrt die Frage, von welchen Verfahrenshandlungen die Medienschaffenden denn überhaupt ausgeschlossen sind. Da das Opfer mutmasslich nicht mehr befragt wird, was bezüglich einer medialen Anwesenheit ohnehin nach den Artikeln 70 und/oder 152 StPO zu beurteilen wäre, kommen höchstens weitere Beweiserhebungen und die Plädoyers der Parteien infrage. Mit den Worten des Bundesgerichts formuliert: Es ist «weder dargetan noch ersichtlich», inwiefern die Anwesenheit von Medienschaffenden während weiterer Beweiserhebungen, so es solche überhaupt gibt, sowie den Plädoyers der Parteien den Interessen des Beschuldigten zuwiderlaufen kann. Denn auch für diese Teile der (Berufungs-)Verhandlung gelten die laut Bundesgericht «strengen Auflagen zur Wahrung der Anonymität».
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Die Behandlung von so genannten Übergangstätern ist in Art. 3 JStG geregelt. Geht es um Strafen ist nur das Erwachsenenstrafrecht (StGB) anzuwenden. Geht es um Massnahmen, gibt es die Wahlmöglichkeit. Aus dem StGB oder vom JStG ist jene Massnahme auszuwählen, «die nach den Umständen erforderlich ist». War das Strafverfahren bereits eröffnet, als das «Erwachsenendelikt» des Täters noch nicht bekannt war, bleibt das Jugendstrafverfahren anwendbar. Sonst muss die StPO angewendet werden.
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Es leuchtet auf den ersten Blick nicht ein, weshalb ein Übergangstäter – unter Beachtung von Art. 49 Abs. 3 StGB – die volle Härte des Erwachsenenstrafrechts (inkl. Landesverweisung, siehe BGE 149 IV 342) spüren, in verfahrensrechtlicher Hinsicht aber den vollen Schutz des Jugendverfahrens geniessen soll, wie ein 12-Jähriger, der in die Mühlen der Justiz gerät. Die Frage drängt sich umso stärker auf, je älter der ehemals Jugendliche ist. Im vorliegenden Fall steht ein mittlerweile junger Mann von 23 Jahren vor Gericht, der – um es deutlich zu sagen – bereits vor mehr als fünf Jahren das Erwachsenenalter erreicht hat. Es ist nachvollziehbar, dass bei Jugendlichen das Öffentlichkeitsprinzip nicht grundsätzlich und unbesehen gilt, weil «Schutz und Erziehung der Jugendlichen wegleitend» sind (Art. 4 Abs. 1 JStPO). Der Hinweis, dass die Strafbehörden dafür sorgen, «dass das Strafverfahren nicht mehr als nötig in das Privatleben der Jugendlichen (…) eingreift», kann aber ebenso gut auf Erwachsene angewendet und mit der Fürsorgepflicht des Gerichts begründet werden.
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Der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit als zentrales Merkmal der Jugendgerichtsbarkeit «will hauptsächlich die Zukunft der Beschuldigten beschützen» (Erw. 2.3.1) und sie «der Neugier des Publikums» entziehen (a.a.O.). Dafür braucht es aber nicht zwingend den Ausschluss der medialen Öffentlichkeit. Dem berechtigten schutzwürdigen Interesse des Übergangstäters kann mit dem Ausschluss der allgemeinen Öffentlichkeit sowie mit strengen Auflagen an die akkreditierten Medienschaffenden in ausreichendem Mass Rechnung getragen werden. Art. 14 JStPO und Art. 70 StPO bieten dafür eine genügende gesetzliche Grundlage. Nur am Rande sei erwähnt, dass es angesichts einer 70-seitigen Anklageschrift und einer beantragten Freiheitsstrafe von 10 Jahren nicht ganz einfach fällt, die Jugendgerichtsbarkeit in der Pflicht zu sehen, die Zukunft des Beschuldigten zu beschützen.
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Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass der Beschuldigte das Erwachsenenalter bereits vor fünf Jahren erreichte, dass der Zugang der Medien zur Verhandlung beschränkt wurde, dass zusätzlich strenge Auflagen zur Wahrung der Anonymität erlassen wurden, und dass A. nicht behauptet, dass die Berichterstattung über das erstinstanzliche Verfahren zu seiner Identifikation geführt hätte. Angesichts all dieser Fakten und Massnahmen sei «weder genügend dargetan noch ersichtlich», inwiefern die teilweise Zulassung der Medien seinen Interessen zuwiderlaufe. Das Bundesgericht nimmt hier eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Übergangstäters und den Interessen der Öffentlichkeit vor, so, wie es auch im Erwachsenenstrafrecht bei der Anwendung von Art. 70 StPO üblich ist, bzw. sein sollte. Dass die Anwesenheit von Medienschaffenden in der Verhandlung einem Übergangstäter nicht passt und ihm unangenehm ist, kann nicht im Sinne von Art. 14 Abs. 2 lit. b JStPO als Verletzung seiner Interessen interpretiert werden. Im Verfahren gegen Jugendliche sind Alter und Entwicklungsstand angemessen zu berücksichtigen (Art. 4 Abs. 1 JStPO). Es ist nicht einzusehen, warum dieser Aspekt bei einem Übergangstäter im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zulassung der medialen Öffentlichkeit nicht grundsätzlich gewichtet werden sollte.
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Gemäss Art. 14 Abs. 2 lit. a JStPO kann das Jugendgericht und die Berufungsinstanz eine öffentliche Verhandlung anordnen, «wenn das öffentliche Interesse es gebietet». Es ist notorisch, dass sich die Gerichte schwer damit tun, das öffentliche Interesse zu definieren. Beispielhaft erwähnt das Bundesgericht den Fall, «wenn die Straftat des Jugendlichen in der Öffentlichkeit grosses Aufsehen erregt und die Öffentlichkeit stark bewegt hat» (Erw. 2.3.1). In gleicher Richtung argumentierte auch das erstinstanzliche Bezirksgericht. Dieses verweist nicht nur auf einen bereits publizierten Artikel in einer Tageszeitung, sondern auch auf die «keineswegs gewöhnlichen und alltäglichen Anklagesachverhalte und -vorwürfe». Die Zulassung der Öffentlichkeit wird auch im Schrifttum befürwortet, wenn die Identität und die Lebensverhältnisse des Jugendlichen aufgrund der Schwere des Delikts in den Medien bereits publik gemacht wurden und ein öffentliches Interesse an objektiver Berichterstattung besteht (Jositsch/Brunner/Riesen-Kupper, in: Kommentar zur Schweizerischen Jugendstrafprozessordnung, 2010, Art. 14 N 3).
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Alle diese Ansätze leiden an einem Mangel. Sie setzen eine Bekanntheit des Delikts oder sogar des Täters voraus, was in diametralem Gegensatz zum Grundprinzip der Nichtöffentlichkeit steht. Wenn vorausgesetzt wird, dass grosses Aufsehen und stark bewegte Öffentlichkeit zum Massstab des öffentlichen Interesses genommen werden, öffnen wir die Hauptverhandlung tatsächlich «der Neugier des Publikums». Das kann nicht im wohlverstandenen Interesse des Übergangstäters liegen.
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Sollen Strafverfahren gegen Übergangstäter medial etwas zugänglicher gemacht werden, müssen andere Kriterien zur Beurteilung herangezogen werden. Lehre und Rechtsprechung gehen davon aus, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit im Sinne von Art. 14 JStPO «zwar das Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehrt», dies aber «trotzdem EMRK-konform sein dürfte» (BSK JStPO-Eberle/Hug/Schläfli/Valär, Art. 14 N 4). Art. 6 Ziff. 1 EMRK wie auch Art. 14 UNO-Pakt II und Art. 30 Abs. 3 BV verankern das Prinzip der Justizöffentlichkeit. Ziel ist es, Einblick in die Rechtspflege zu erhalten, was für Transparenz im gerichtlichen Verfahren sorgt. Damit soll einerseits die korrekte Behandlung der Beschuldigten sichergestellt werden, es andererseits Dritten auch ermöglichen nachzuvollziehen, wie gerichtliche Verfahren geführt, das Recht verwaltet und die Rechtspflege ausgeübt wird (statt vieler: BGE 143 I 194, E. 3.1). Es ist nicht ersichtlich, warum dieser Grundsatz nicht auch in Verfahren gegen Übergangstäter zum Tragen kommen soll.
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Es ist in den letzten Jahren zu beobachten, dass das Thema Jugendkriminalität in der öffentlichen Wahrnehmung grössere Beachtung erfuhr. Regelmässig ist in Polizeiberichten von Bandenkriminalität, von Messereinsätzen, von Massenschlägereien, von der nächtlichen «Stunde der Idioten» usw. die Rede. Oft enden solche Medienmitteilungen mit dem Hinweis, die Personen seien der Jugendanwaltschaft zugeführt worden. Damit hat es sich in aller Regel. Welche Konsequenzen die teils gravierenden Delikte für die Jugendlichen bzw. Übergangstäter hatten, bleibt im Dunkeln. Das kann unter generalpräventiven Aspekten nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Es lohnt sich, an dieser Stelle wieder einmal an Lord Hewert, in den 20er-Jahren Lord Chief Justice of England, zu erinnern. Auf ihn geht der Spruch zurück: «Justice must not only be done, but must also be seen to be done».
* Der Autor hat als Gerichtsreporter des «Tages-Anzeigers» mehr als 30 Jahre über Strafprozesse berichtet. Der promovierte Politologe war daneben auch Dozent an der Schweizer Journalistenschule MAZ und ist Lehrbeauftragter an der Schweizerischen Richterakademie im Modul «Justiz und Öffentlichkeit». Von ihm in Medialex ebenfalls erschienen: «Das Bundesgericht auf Abwegen», in: medialex 10/23; «Schlichte Unkenntnis oder magistrale Ignoranz?», in: medialex 02/2020; «Dunkelkammer Justiz», in: medialex 7-8/2015,