Replik auf den Beitrag «Presserat als Retter des Journalismus: Kann das gut gehen?»
Markus Spillmann, Präsident Stiftung Schweizer Presserat
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Markus Prazeller, Medienanwalt und damit nicht ganz frei von Sonderinteressen, übt wortreich, wenn auch leider nicht sehr präzise, Kritik am Schweizer Presserat und den vom Stiftungsrat diskutierten Reform, ohne diese wirklich zu kennen. Und da mindestens von einem Juristen erwartet werden darf, dass er in der sachlichen Darstellung korrekt argumentiert, sei festgehalten: Spillmann als Präsident des Stiftungsrates sagt nirgends, der Presserat sei «die oberste moralische Instanz des Journalismus», noch hat er sich die «Rettung des Journalismus» auf die Fahnen geschrieben. Wobei das ja eine noble, wenn auch ziemlich vermessene Ambition wäre.
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Recht hat der Verfasser in seiner Feststellung, dass der Presserat als Organ der Selbstkontrolle der Schweizer Medienbranche zu wenig wahrgenommen wird und dass er bei der Umsetzung einschlägiger medien- und berufsethischer Empfehlungen, die er auf der Basis des sozialpartnerschaftlich getragenen Kodex über die Pflichten und Rechte von Journalistinnen und Journalisten ausspricht, nur bedingt Beisskraft besitzt. Und ja, richtig ist auch, dass die Verfahren teilweise sehr lange dauern und dass die Stiftung seit Jahren mit einem strukturellen Defizit zu kämpfen hat. Und genau darum beschäftigt sich der Stiftungsrat seit geraumer Zeit mit der Frage, wie diese Probleme sinnvollerweise angegangen werden können.
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Wenn man des Kritikers Argumentation folgt, merkt man rasch, dass es Prazeller im Grunde jedoch gar nicht darum geht: Er plädiert für den ungleich teureren und aufwändigeren Rechtsweg, was nachvollziehbar ist, damit verdient er sein Geld. Der Presserat hätte somit nur eine mahnende Rolle einzunehmen, und das bitte auch nur im Grundsätzlichen – wenn überhaupt. Wie das der beklagten fehlenden Beisskraft dienen soll, bleibt des Kritikers Geheimnis.
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Nein, der Schweizer Presserat soll wahrgenommen werden – öfters als bisher, zeitnaher und durchaus auch deutlicher. Und ja, dafür benötigt der Presserat entsprechende Strukturen und Kapazitäten, zumal die Zahl und Komplexität der pendenten Fälle seit Jahren nicht kleiner wird, sondern grösser. Der Presserat ist kein Gericht mit hoheitlichen Rechten, sondern ein Organ der Selbstkontrolle von und für die Medienbranche in Fällen, wo es eben gerade nicht nur um rechtliche Aspekte geht, sondern ganz elementar um medien- und berufsethische Fragen. Er leistet damit auch einen unverzichtbaren Beitrag zum medialen Service Public.
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Es spricht daher nichts dagegen, dass Branche und öffentliche Hand gemeinsam und in angemessener Weise zur Finanzierung beitragen. Es ist eine Investition von Verlags- und Medienhäusern, von Berufsverbänden und Gewerkschaften, von Stiftungen und von der öffentlichen Hand in eine branchenweite, den Erfordernissen eines modernen und zunehmend fragmentierten Medienangebotes gerecht werdende Reflektion über das eigene Tun und Handeln. Es dient der Qualitätssicherung und der Glaubwürdigkeit des Journalismus, es dient aber auch Medienkonsumentinnen und -konsumenten, der Gesellschaft als Ganzes und der Demokratie.
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Der Schweizer Presserat ist daher nicht Retter des Journalismus, sondern er übt eine Wächterfunktion im Journalismus aus. Daran ändern die vom Stiftungsrat diskutierten Anpassungen bei Struktur, Ressourcenausstattung und Aufgabenbereichen nichts.