«Medienkampagne»: Problematische Ausdehnung des Persönlichkeitsschutzes

«

Risiken und Nebenwirkungen des
Hirschmann II-Urteils des Bundesgerichts

Christoph Born, Dr. iur., Rechtsanwalt, LL.M., Konsulent bei Quadra Rechtsanwälte AG, Zürich

Résumé: Depuis l’arrêt Hirschmann II, dans lequel le Tribunal fédéral a reconnu qu’une atteinte à la personnalité avait été réalisée par une campagne médiatique, la littérature scientifique et les instances judiciaires cantonales et locales se sont penchées sur cette question. L’arrêt du Tribunal fédéral s’avère problématique et compliqué, car il accorde un double droit de constatation, dont le fondement légal est discutable. Ce verdict ouvre aussi la porte à une possible restriction de la publication de faits véridiques par les médias. Il incite en outre les instances inférieures à considérer qu’il y a eu une campagne médiatique dans des cas où les critères du Tribunal fédéral ne sont pas remplis. Dans l’affaire Hirschmann, il s’agissait d’un battage médiatique sans précédent. Une campagne médiatique portant atteinte à la personnalité ne devrait donc être admise que dans des cas exceptionnels.

Zusammenfasung: Seit dem Hirschmann II-Urteil, in dem das Bundesgericht eine Persönlichkeitsverletzung durch eine Medienkampagne bejahte, haben sich Literatur und untere Gerichtsinstanzen mit diesem Thema beschäftigt. Das Bundesgerichtsurteil erweist sich als kompliziert und problematisch, denn es gewährt einen doppelten Feststellungsanspruch, dessen gesetzliche Grundlage fraglich ist, und es hat den Boden dafür bereitet, die Verbreitung wahrer Tatsachen durch die Medien einzuschränken. Ferner verleitet es die unteren Instanzen dazu, eine Medienkampagne in Fällen anzunehmen, in denen die bundesgerichtlichen Kriterien nicht erfüllt sind. Im Hirschmann-Fall ging es um einen präzedenzlosen Medienhype. Eine persönlichkeitsverletzende Medienkampagne sollte deshalb nur in Ausnahmefällen bejaht werden.

Inhaltsübersicht:

I. Einleitung     Rn 1

II. Das Hirschmann II-Urteil
     1. Sachverhalt     3
     2. Keine rechtliche Definition des Begriffs «Medienkampagne»     5
     3. Kriterien des Bundesgerichts     6
          A. Tatbestandsmerkmale der Verletzung     7
              a) Berichterstattung während mehrerer Monate    8
              b) Überdurchschnittliche Masse und Intensität     10
              c) Fokussierung auf dasselbe personenbezogene Thema     14
              d) Massive tatsächliche und spürbare Beeinträchtigung einer Person     16
              e) Problem Wahrheitsgehalt      18
          B. Verletztes Rechtsgut
              a) Privatsphäre     23
              b) Recht auf informationelle Selbstbestimmung     25
          C. Rechtfertigungsgründe     29
              a) Öffentliches (Unterhaltungs-)Interesse bejaht     30
              b) Informationsbedürfnis versus reine Unterhaltung     31
          D. Verneinung des Beseitigungsanspruchs     32

III. Weitere Urteile     37
       1. Der Fall KESB Linth    
          A. Sachverhalt     38
          B. Teilurteil des Kreisgerichtes Werdenberg-Sarganserland     39
               a) Vermischung von Intensität und Inhalt     40
               b) Vermischung von Verletzungs- und Rechtfertigungsebene     42
          C. Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen     45
               a) Vermischung von Intensität und Inhalt     47
               b) Vermischung von Verletzungs- und Rechtfertigungsebene     50
      2. Der Fall F. P.
          A. Sachverhalt     55
          B. Urteil des Bezirksgerichts Zürich     56
               a) Anders gelagert als der Hirschmann-Fall     57
               b) Informationsbedürfnis bejaht     62
               c) Knappe Begründung     63
      3. Der Fall Wirtschaftskammmer     66

IV. Exkurs: Der Fall Schnyder gege «SonntagsBlick»     69
      1. Sachverhalt     70
      2. Bedeutung nicht verletzender Folgeartikel     72
      3. Keine Bedeutung bezüglich Medienkampagne     74
      4. Problem Wahrheitsgehalt     76

V. Fazit     78



I. Einleitung

1

Bevor das Bundesgericht das sogenannte Hirschmann II-Urteil[1] fällte, schienen seine Grundsätze zur Medienberichterstattung klar: «Die Verbreitung wahrer Tatsachen ist grundsätzlich durch den Informationsauftrag der Presse gedeckt, es sei denn, es handle sich um Tatsachen aus dem Geheim- oder Privatbereich oder die betroffene Person werde in unzulässiger Weise herabgesetzt, weil die Form der Darstellung unnötig verletzt (…)»[2]. Seit das Bundesgericht im Hirschmann II-Urteil eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung durch eine Medienkampagne bejaht hat, ist fraglich, ob diese Grundsätze weiterhin so gelten oder ob sie eingeschränkt wurden.

2

Dieser Frage soll in diesem Aufsatz nachgegangen werden, nachdem Entscheide unterer Gerichtsinstanzen ergangen sind, die sich mit dem Thema Medienkampagne bzw. mit den Erwägungen des Bundesgerichts im Hirschmann II-Urteil auseinandergesetzt haben.

II. Das Hirschmann II-Urteil

1. Sachverhalt[3]

3

Im Zeitraum vom 4. November 2009 bis 2. Oktober 2010 erschienen über Carl Hirschmann, einen jungen Unternehmer und Betreiber des Nachtclubs Saint Germain in Zürich, im Zusammenhang mit seiner Verhaftung 273 Berichte in verschiedenen Medien (Print, Online, Radio, Fernsehen) der Tamedia-Gruppe[4]. Darüber hinaus erschien auch in anderen Medien eine Vielzahl von Berichten über Hirschmann.

4

Das Bundesgericht stellte fest, dass die Tamedia-Medien die Persönlichkeit Hirschmanns widerrechtlich verletzt hatten, indem sie an einer «eigentlichen Medienkampagne rund um die Verhaftung» von Hirschmann mitwirkten[5].

2. Keine rechtliche Definition des Begriffs «Medienkampagne»

5

Vor dem Hirschmann II-Urteil sah sich das Bundesgericht noch nie veranlasst, den Begriff bzw. das Vorliegen einer Medienkampagne zu definieren[6], und auch das Hirschmann II-Urteil enthält keine Definition. Somit blieb es einstweilen der Literatur und den unteren Gerichtsinstanzen überlassen zu analysieren und herauszuschälen, was das Bundesgericht mit «Medienkampagne» eigentlich meint.

6

Die ersten Reaktionen waren konträr[7]. Eine weitere, umfassende Analyse schliesst mit der folgenden Feststellung: «Einzelne Punkte bleiben dabei allerdings noch unklar. Das Bundesgericht wird sicherlich Gelegenheit haben, sich in weiteren Urteilen dazu zu äussern, wobei nicht auszuschliessen ist, dass es sich dabei um einen Entscheid Hirschmann III handeln könnte»[8].

3. Kriterien des Bundesgerichts

7

Die Erwägungen des Bundesgerichts zur Medienkampagne im Hirschmann II-Urteil sind leider kompliziert und auch nicht eindeutig. Das liegt zum einen an der verschlungenen Gedankenführung und zum andern daran, dass das Bundesgericht dabei bisherige klare Abgrenzungskriterien aufweicht[9] und mit neuen Begriffen operiert, die es nicht definiert[10]. Dennoch wird im Folgenden versucht, die Kriterien einer persönlichkeitsverletzenden Medienkampagne herauszuschälen, welche im Hirschmann-Fall zum Ergebnis geführt haben, dass eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung durch die Teilnahme an einer Medienkampagne bejaht wurde.

A. Tatbestandsmerkmale der Verletzung

a) Berichterstattung während mehrere Monate
8

Die erste Medienkampagne dauerte rund elf Monate (vom 4. November 2009 bis 2. Oktober 2010)[11], die zweite – im Hirschmann II-Urteil nicht berücksichtigte – rund viereinhalb Monate (vom 9. September 2011 bis 27. Januar 2012)[12].

9

Daraus ist abzuleiten, dass sich eine Berichterstattung zumindest über mehrere Monate hinziehen muss, um im Sinne des Bundesgerichts als Medienkampagne zu gelten. Eine kurzzeitige intensive Berichterstattung, wie sie in den Medien oft stattfindet, stellt deshalb noch keine Medienkampagne dar[13].

b) Überdurchschnittliche Masse und Intensität
10

Gestützt auf die bindenden Feststellungen des Handelsgerichts des Kantons Zürich hebt das Bundesgericht die folgenden Aspekte der Berichterstattung über Hirschmann – auch derjenigen der nicht eingeklagten Medienunternehmen – hervor : «schiere Masse, Intensität und Allgegenwärtigkeit», «Vielzahl an Berichterstattungen», «sehr grosse Flut von Medienberichten», als «präzedenzlos» bezeichneter «Medienhype», «überdurchschnittliche Intensität». Tagtäglich seien mehrere Berichte zu demselben Thema erschienen. Es sei der Eindruck entstanden, dass die Medien den «Fall» geradezu «medial ausschlachteten». Die Medien hätten sich «regelrecht auf das Ereignis» gestürzt[14].

11

Die konkrete Anzahl der Berichte, die Teil der vom Bundesgericht beurteilten ersten Medienkampagne waren, nennt das Bundesgericht nicht. Auch aus den drei Urteilen des Handelsgerichts des Kantons Zürich geht sie nicht hervor. Hingegen ist dem dritten Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 25. Februar 2019 zu entnehmen, dass im Zeitraum vom 23. August bis 22. September 2011 (also vor und zu Beginn der zweiten Medienkampagne[15]) 1’463 Printartikel erschienen, wovon nur ein kleiner Teil von den Tamedia-Medien publiziert wurde[16]. Aus den bundesgerichtlichen Erwägungen geht ebenfalls nicht hervor, ob die Berichterstattung während des gesamten Zeitraums von gleichbleibender quantitativer Intensität war[17].

12

Die Begriffe, welche das Bundesgericht bei der Beschreibung der Berichterstattung hervorhebt, machen aber deutlich, dass deren Masse und Intensität weit über das Übliche hinausgingen und von einer überdurchschnittlichen und einmaligen Dimension waren[18].

13

Dass die Medienberichte sowohl während der ersten als auch währen der zweiten Medienkampagne nicht allein von den Tamedia-Medien publiziert wurden, sondern auch aus andern Medienhäusern stammten, erachtete das Bundesgericht als nicht von Bedeutung. Gemäss Art. 28. Abs. 2 ZGB kann die verletzte Person zu ihrem «Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen»[19]. Es bleibt somit offen, ob das Bundesgericht in Bezug auf Masse und Intensität gleich entschieden hätte, wenn die eingeklagten Berichte der Tamedia-Medien für sich allein zu beurteilen gewesen wären – und nicht als Teil einer Medienkampagne, an der auch andere Medienunternehmen teilnahmen.

c) Fokussierung auf dasselbe personenbezogene Thema
14

Das Bundesgericht hält fest, dass sich die Tamedia-Medien am «Medienrummel» rund um Hirschmann beteiligt hatten, «indem sie eine Vielzahl von Berichten veröffentlichten, die sich immer um dasselbe Thema drehten. Um den Schwung dieses medialen Karussells aufrechtzuerhalten, bauschten sie die Berichte mit weiteren (angeblichen) Episoden aus dem Leben des Beschwerdeführers von untergeordneter Bedeutung auf»[20]. «Tagtäglich seien mehrere Berichte zu demselben Thema erschienen», und «tagtäglich seien neue Fakten ans Tageslicht gekommen und verschiedenste, irgendwie involvierte Personen hätten in den diversen Medien ihre Meinung zum Thema kundgetan»[21].

15

Der Aspekt der Fokussierung auf dasselbe Thema, nämlich auf die Person und das Leben von Hirschmann, spielt zwar im Hirschmann II-Urteil eine Rolle. In Bezug auf dieses Kriterium zeigen sich jedoch «rasch Abgrenzungsschwierigkeiten, beispielsweise wenn regelmässig über einen bestimmten Aspekt einer Person, wie ihre Frisur, berichtet wird. So wäre es fragwürdig, wenn regelmässige Berichte über die neueste Frisur einer Schauspielerin als Kampagne betrachtet würden»[22]. Eine Fokussierung auf dasselbe Thema darf deshalb nur dann als Kriterium einer Medienkampagne dienen, wenn sie im Rahmen einer massiven und intensiven Berichterstattung von überdurchschnittlichem Ausmass erfolgt.

d) Massive tatsächliche und spürbare Beeinträchtigung
16

Aus der vom Handelsgericht des Kantons Zürich verbindlich festgestellten Masse und Intensität der Berichterstattung zieht das Bundesgericht den folgenden, für die Bejahung der Medienkampagne, zentralen Schluss: «Mit den Berichten, die sie im erwähnten Zeitabschnitt veröffentlichten, beraubten» die Tamedia-Medien Hirschmann «seines privaten Herrschaftsrechts (…), selber darüber zu bestimmen, von welchen Informationen über sich und sein Leben die Öffentlichkeit erfahren soll»[23].

17

Dies kann so ausgelegt werden, dass die überdurchschnittliche Masse und Intensität der Berichterstattung zur Folge haben muss, dass die betroffene Person dagegen praktisch nichts unternehmen kann: Publizistische Eindämmungsversuche gehen in der Masse der sich täglich mehrenden Berichte unter, juristische Abmahnschreiben sind bereits überholt, wenn sie bei den Medienunternehmen eintreffen, und auch mit Massnahmebegehren an Gerichte ist der «sehr grossen Flut von Medienberichten» zeitlich und quantitativ nicht beizukommen.

e) Problem Wahrheitsgehalt
18

Im Licht der bundesgerichtlichen Erwägungen scheint der Gegenstand der Kampagne bzw. der Inhalt der fraglichen Berichte für das Vorliegen einer Persönlichkeitsverletzung durch eine Medienkampagne irrelevant zu sein. «Die Inhalte müssen für sich alleine nicht persönlichkeitsverletzend sein, damit eine persönlichkeitsverletzende Medienkampagne vorliegt. Dies ist konsequent. Andernfalls bliebe unklar, worin der spezifische Gehalt einer persönlichkeitsverletzenden Medienkampagne liegen sollte, wenn bereits die konkreten Berichte eine Persönlichkeitsverletzung darstellten»[24].

19

Diese Konsequenz ist aber höchst problematisch. Wenn der Inhalt irrelevant ist, spielt auch der Wahrheitsgehalt der Berichterstattung keine Rolle. Auf den ersten Blick scheint das Bundesgericht diese Konsequenz auf Eingriffe in die Privat- und Intimsphäre zu beschränken: «Wie bereits erörtert, geht es bei dieser Persönlichkeitsverletzung nicht um den Wahrheitsgehalte einzelner Berichte, sondern um den Verlust an Privatsphäre», den Hirschmann «aufgrund des Umfangs und der Intensität der Berichterstattung in ihrer Gesamtheit erlitt»[25]. Dass bei einer Persönlichkeitsverletzung durch einen Eingriff in die Privatsphäre der Wahrheitsgehalt primär keine Rolle spielt, sondern nur die Frage, ob der Eingriff im Sinne von Art. 28 Abs. 2 ZGB gerechtfertigt ist, ist nichts Neues.

20

Das Hirschmann II-Urteil enthält aber auch Erwägungen, die darauf hindeuten, dass der Wahrheitsgehalt auch bei Verletzungen der Ehre keine Rolle spielen könnte: Es stünden «hier das Recht auf Achtung der Privatsphäre (…) und das Recht auf Achtung des gesellschaftlichen und beruflichen Ansehens, also der Ehre» (…) in Frage. Berühren die von den Medien verbreiteten Presseinhalte diese Individualrechtsgüter, so kann eine Persönlichkeitsverletzung auch dann gegeben sein, wenn die Medien in ihrer Berichterstattung die Wahrheit wiedergeben (…).» Letztlich ausschlaggebend sei, ob die Berichte in die Geheim- oder Privatsphäre eingreifen oder «die betroffene Person auf unzulässige Weise in ihrem Ansehen herabsetzen»[26].

21

Dies hätte zur Folge, dass Berichte mit ehrverletzendem Inhalt als persönlichkeitsverletzend zu gelten hätten, selbst wenn der Inhalt der Wahrheit entsprechen würde. Damit würden die eingangs genannten Grundsätze zur Medienberichterstattung[27] über den Haufen geworfen. Die Verbreitung wahrer Tatsachen wäre in diesen Fällen nicht mehr durch den Informationsauftrag der Medien gedeckt. Die Grundsätze müssten deshalb eingeschränkt und neu definiert werden, in etwa wie folgt: Die Verbreitung wahrer Tatsachen ist grundsätzlich durch den Informationsauftrag der Presse gedeckt, es sei denn, es handle sich um Tatsachen aus dem Geheim- oder Privatbereich, oder die Verbreitung erfolge im Rahmen einer persönlichkeitsverletzenden Medienkampagne oder die betroffene Person werde in unzulässiger Weise herabgesetzt, weil die Form der Darstellung unnötig verletzt.

22

Ob dies vom Bundesgericht tatsächlich so gewollt ist und zu einer Einschränkung der Verbreitung wahrer Tatsachen durch die Medien führen wird, werden weitere höchstinstanzliche Urteile zeigen müssen.

B. Verletztes Rechtsgut

a) Privatsphäre
23

Wie oben ausgeführt, enthält das Hirschmann II-Urteil Andeutungen, dass eine Medienkampagne sowohl die Privatsphäre als auch die Ehre einer Person verletzen kann[28].

24

Im Ergebnis stellt das Bundesgericht jedoch eine Verletzung der Privatsphäre fest, wobei es dabei verschiedene Begriffe verwendet: «Achtung der Privatsphäre», «Diskretionsbedürfnis», «schutzwürdiger Bereich des Privaten», «informationelle Privatheit»[29], «Achtung [der] (informationellen) Privatsphäre», «Abstriche an Privatsphäre und Diskretionsbedürfnis», Beraubung des «privaten Herrschaftsrechts»[30], «Verlust an Privatsphäre»[31].

b) Recht auf informationelle Selbstbestimmung
25

Zwar stellt das Bundesgericht auch fest, dass die Medien Hirschmann «seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beraubten»[32]. Diese Feststellung findet sich in Erwägung 7 des Hirschmann II-Urteils, in der das Gericht den Beseitigungsanspruch behandelt. Die Erwägung 7 ist in der amtlichen Publikation aber nicht enthalten[33]. Weshalb dem so ist, ist unerfindlich.

26

Wer sich ausschliesslich auf die amtliche Publikation abstützt, erfährt nichts davon, dass das Bundesgericht eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung festgestellt hat. Dies ist störend. Zwar verweist das Bundesgericht bei der Verwendung des Begriffs «informationelle Selbstbestimmung» auf die Erwägung E. 6.5 [34], doch verwendet es dort einen andern Begriff, nämlich den des «privaten Herrschaftsrechts»[35]. Dies ist verwirrend.

27

Bedeutet dies, dass das Bundesgericht die Achtung der Privatsphäre im Sinne der informationellen Selbstbestimmung versteht und den Anwendungsbereich der informationellen Selbstbestimmung in Bezug auf Art. 28 ZGB erweitert hat[36]? Wenn dem so sein sollte: Weshalb wird die informationelle Selbstbestimmung im amtlich publizierten Text nicht genannt, und weshalb nimmt das Bundesgericht ohne ausdrückliche Begründung eine Erweiterung des umstrittenen Konzepts der informationellen Selbstbestimmung auf Art. 28 ZGB vor? Auch zu diesem Thema werden weitere höchstinstanzliche Urteile Klarheit schaffen müssen.

28

Will man im Hirschmann II-Urteil tatsächlich eine Erweiterung der informationelle Selbstbestimmung erkennen, wäre zu berücksichtigen, dass das Bundesgericht diese im Kontext von Art. 28 ZGB nicht einfach generell einführt. «Vielmehr wird eine tatsächliche und spürbare Beeinträchtigung durch den Eingriff gefordert»[37]. Und diese Beeinträchtigung muss eine überdurchschnittlich massive und intensive sein[38].

C. Rechtfertigungsgründe

29

Eine Verletzung in der Persönlichkeit ist nur dann widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist (Art. 28 Abs. 2 ZGB).

a) Öffentliches (Unterhaltungs-)Interesse bejaht
30

Was die Rechtfertigung durch ein überwiegendes öffentliches Interesse betrifft, ging es im Hirschmann-Fall gemäss Bundesgericht «im Kern um die Frage, ob darunter auch die kollektive Klatschsucht fällt, welche die Medienkampagne bedient.» Bei der Prüfung dieser Frage stellt das Bundesgericht zuerst generell – und überraschend – fest, dass «auch Sensationsberichte, mit denen ein Boulevardblatt oder ein Lokalfernsehen seinen Lesern bzw. Zuschauern die Zeit vertreibt, im öffentlichen (Unterhaltung-)Interesse liegen». Einer «reinen Unterhaltung» als öffentlichem Interesse komme jedoch «nicht das Gewicht zu, welches das Informieren – verstanden als aufklärendes Vermitteln von Neuigkeiten aus verschiedensten Bereichen des Allgemeininteresses – für sich beanspruchen kann»[39].

b) Informationsbedürfnis versus reine Unterhaltung
31

Bei der Interessenabwägung prägte das Bundesgericht den folgenden Grundsatz: Wenn als öffentliches Interesse «einzig die Unterhaltung der Allgemeinheit oder einer Vielzahl von Personen in Frage» stehe, müsse «sich der Verletzte mit Blick auf seine Persönlichkeitsrechte … weniger gefallen lassen, als wenn es um die Befriedigung eines legitimen Informationsbedürfnisses geht». Da das Bundesgericht in der Berichterstattung der Tamedia-Medien «kein nennenswertes Informationsbedürfnis» erkennen konnte, kam es zum Schluss, dass «ein allfälliges öffentliches Interesse an dieser Art von Berichterstattung» die Persönlichkeitsverletzung, die Hirschmann widerfahren sei, nicht aufzuwiegen vermöge[40].

D. Verneinung des Beseitigungsanspruchs

32

Hirschmann hatte (u.a.) auch das Begehren gestellt, sämtliche Presseartikel, TV/Video- und Radiobeiträge mit persönlichkeitsverletzenden und gegen das UWG verstossende Inhalten aus allen verfügbaren Archiven in allen Formen und Formaten zu löschen[41]. Das Bundesgericht lehnte dieses Begehren aus den folgenden Gründen ab:

33

«Denn die Persönlichkeitsverletzung, gegen die sich ein allfälliger Beseitigungsanspruch richten würde, ist die Medienkampagne selbst, das heisst die Tatsache, dass die Medien – darunter die Beschwerdegegnerinnen [die Tamedia-Medien, Anm. des Autors] – zwischen dem 4. November 2009 und dem 2. Oktober 2010 mit zahllosen Berichten auf etlichen Kanälen seine [Hirschmanns] mediale Skandalisierung provozierten und ihn damit seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beraubten (s. E. 6.5). (…) Lassen sich die einst veröffentlichten Medienberichte auch heute noch online abrufen, so bedeutet dies allein nicht, dass auch der damals entbrannte Medienhype nach wie vor andauert, also eine im Sinne von Art. 28a Abs. 1 Ziff. 2 ZGB ‹bestehende› Persönlichkeitsverletzung ist. Der Beschwerdeführer [Hirschmann] täuscht sich, wenn er meint, mit dem Beseitigungsbegehren gegen den Medienhype auf einen Streich und ohne weitere Begründung sämtliche Medienberichte aus der Welt schaffen zu können, die in seinen Augen sein Recht auf Privatleben beeinträchtigen»[42].

34

Diese Ausführungen finden sich in Erwägung 7 des Hirschmann II-Urteils. Wie bereits erwähnt, ist die Erwägung 7 in der amtlichen Publikation nicht enthalten[43]. Es ist somit erneut festzustellen, dass es unerfindlich ist, weshalb diese Erwägung in der amtlichen Publikation fehlt, zumal die Ausführungen zum Beseitigungsbegehren zum besseren Verständnis beitragen, was das Bundesgericht unter Medienkampagne versteht.

35

Die Erwägung 7 macht deutlich, dass das Bundesgericht zwischen der «Medienkampagne selbst» und den einzelnen Berichten unterscheidet. Die Persönlichkeitsverletzung durch eine Kampagne besteht in der Summe der «zahllosen Berichte auf etlichen Kanälen». Sie hat nichts mit der Frage zu tun, ob auch einzelne Berichte persönlichkeitsverletzend sind[44]. Diese Unterscheidung erscheint konsequent: Wenn die Persönlichkeitsverletzung durch eine Medienkampagne erfolgt, kann sich auch der Beseitigungsanspruch nur auf die Kampagne und nicht auf einzelne Berichte beziehen[45]. Die Folge ist aber, dass in Bezug auf einen und denselben Bericht gleich zweimal eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung festgestellt werden kann: einmal, weil er Bestandteil einer persönlichkeitsverletzenden Kampagne ist und ein zweites Mal, weil sein Inhalt persönlichkeitsverletzend ist.

36

Ob Art. 28a Abs. 1 Ziff. 3 ZGB einen solchen «doppelten Feststellungsanspruch»[46] zulässt, ist höchst zweifelhaft.

III. Weitere Urteile

37

Seit dem Hirschmann II-Urteil sind weitere Urteile ergangen, in denen sich Gerichte unterer Instanzen mit dem Thema Persönlichkeitsschutz und Medienkampagne befasst haben.

1. Der Fall KESB Linth

A. Sachverhalt

38

Im Zeitraum von 25.September 2014 bis 4. August 2016 veröffentlichten die «Obersee Nachrichten» in 56 Ausgaben und 20 Facebook-Beiträgen zahlreiche Äusserungen über die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB Linth und deren Leiter. Die Stadt Rapperswil, der die Verantwortung über die KESB Linth obliegt, sowie der damalige Leiter der KESB reichten gegen den Verlag, den Chefredaktor und einen Redaktor der «Obersee Nachrichten» wegen Persönlichkeitsverletzung Klage ein und beantragten (u.a.), es sei festzustellen, dass sie durch die «KESB-Kampagne» in ihrer Persönlichkeit verletzt worden seien[47].

B. Teilentscheid des Kreisgerichts Werdenberg-Sarganserland

39

In seinem (nicht veröffentlichten) Teilentscheid vom 8. Dezember 2017 stellte das Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland (u.a.) fest, dass die Berichterstattung der «Obersee Nachrichten», «verbunden mit den publizierten bzw. veröffentlichten Leserbriefen und Beiträgen auf der Facebook-Seite der Obersee Nachrichten AG … eine persönlichkeitsverletzende Kampagne» gegen den Leiter der KESB Linth und die Stadt Rapperswil-Jona darstellt. Das Medienunternehmen wurde verpflichtet, bei sämtlichen von der Kampagne umfassten Berichten und Leserbriefen im Onlinearchiv, in allen anderen verfügbaren Datenquellen auf der Website und der Facebook-Seite sowie in den Mediendatenbanken SMD und Swissdox den Hinweis anzubringen, dass diese Teil einer persönlichkeitsverletzenden Kampagne gegen die Stadt Rapperswil und den Leiter der KESB Linth sind[48].

a) Vermischung von Intensität und Inhalt
40

Das Kreisgericht hielt in Bezug auf die Prüfung der Frage, ob eine Medienkampagne vorliege, zum einen fest, dass «nicht jede einzelne Berichterstattung und nicht jede Äusserung für sich zu würdigen» sei, sondern dass «die Intensität, die Art und Weise, wie ein Sachverhalt in den Medien präsentiert wird, einer Gesamtwürdigung zu unterziehen» seien. Dabei sei «insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Ehrverletzung zu würdigen, wie sich die Berichterstattung im Gesamtbild auf das Ansehen einer Person» auswirke bzw. ob die Person durch die Gesamtheit der Berichterstattung in ihrem Ansehen herabgesetzt» werde. Daraus ergebe sich indessen nicht, «dass auf eine Beurteilung der Einzelberichterstattung verzichtet werden» könne. Der ehrverletzende Charakter der Kampagne ergebe sich u.a. «aus der Wortwahl und dem Bild, welches aus den einzelnen Berichten gewonnen wird» sowie daraus, «ob der Leser die Berichterstattung als Einheit» wahrnehme, die «in ihrer Summe persönlichkeitsverletzend» sei. So sei der Fall denkbar, dass «einzelne Berichterstattungen noch im Rahmen des Zulässigen» seien und dass sich «der persönlichkeitsverletzende Charakter erst aus deren Gesamtheit» ergebe. Bei der Verbreitung wahrheitswidriger Tatsachen könne «beispielsweise bei einem einzelnen Bericht die Messlatte durchaus hoch angesetzt werden und einzelne – unwichtigere – Falschinformationen können dahin gewertet werden, dass bei einer Drittperson noch kein falsches Bild von der Sachlage entsteht. Wiederholen sich diese Falschinformationen aber mehrfach und in verschiedenen Variationen, kann der dadurch ausgelöste Gesamteindruck unter Umständen aber dennoch persönlichkeitsverletzend sein. Insofern ergibt sich, dass die bei der Prüfung, ob eine persönlichkeitsverletzende Kampagnen vorliegt, zunächst die einzelnen Berichterstattungen zu würdigen und diese in einem zweiten Schritt in ihrer Summe zu betrachten sind»[49].

41

Diese Erwägungen zeigen, dass das Kreisgericht die Begründung des Bundesgerichts im Hirschmann II-Urteil gründlich missverstanden hat. Die Beurteilung der «Intensität, Art und Weise» der Berichterstattung wird mit der Beurteilung des Inhalts der Einzelberichterstattung vermischt. Die «Gesamtwürdigung» der Kampagne wird mit der Würdigung des «Gesamtbilds» der Person verknüpft, wobei letztere ausschliesslich unter dem Aspekt der Ehrverletzung vorgenommen wird.

b) Vermischung von Verletzungs- und Rechtfertigungsebene
42

Die Feststellung, dass kein Rechtfertigungsgrund für die persönlichkeitsverletzende Kampagne vorliegt, begründet das Kreisgericht u.a. wie folgt: «Die Berichterstattung der Beklagten – sowohl in den oben abgehandelten Einzelfällen als auch in einer Gesamtschau – war vorliegend aber in einem solchen Ausmass persönlichkeitsverletzend, dass dies weder durch die Pressefreiheit oder durch den öffentlichen Informationsauftrag der Presse gerechtfertigt werden kann»[50]. Und: «Die Masse an Berichterstattungen zu verschiedenen Fällen erzeugt aber ein Gesamtbild, welches dermassen persönlichkeitsverletzend erscheint, dass das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes in weite Ferne rückt»[51].

43

Das Kreisgericht begründet die Verneinung eines Rechtfertigungsgrunds somit zum einem mit dem Ausmass der Persönlichkeitsverletzung in den Einzelberichten und zum andern mit der Masse der Berichterstattung. Beide Aspekte aber haben mit der Frage, ob ein Rechtfertigungsgrund im Sinne von Art. 28 Abs. 2 ZGB vorliegt, nichts zu tun. Sowohl das Ausmass einer Persönlichkeitsverletzung als auch die Masse der Berichterstattung in den Medien schliessen die Rechtfertigung durch ein überwiegendes öffentliches Interesse nicht aus. Dies ergibt sich auch aus der Interessenabwägung, die das Bundesgericht im Hirschmann II-Urteil vorgenommen hat. Diese scheint dem Kreisgericht aber entgangen zu sein.

44

Das Teilurteil des Kreisgerichts Werdenberg-Sarganserland trägt somit nichts zur Verdeutlichung des Hirschmann II-Urteils des Bundesgerichts bei, sondern zeigt höchstens, dass dieses Urteil kompliziert und unklar ist.

C. Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen

45

Die Obersee Nachrichten AG akzeptierte das Teilurteil des Kreisgerichts Werdenberg-Sarganserland und löschte alle beanstandeten Berichte noch während der laufenden Rechtsmittelfrist freiwillig. Der Leiter der KESB Linth und die Stadt Rapperswil-Jona sowie der Chefredaktor und der Reaktor fochten das Teilurteil mit Berufung an[52].

46

In seinem Entscheid vom 6. Juli 2020 bestätigte das Kantonsgericht St. Gallen (u.a.) das Vorliegen einer persönlichkeitsverletzenden Kampagne[53].

a) Vermischung von Intensität und Inhalt
47

Zu den Hirschmann I und II-Urteilen stellte das Kantonsgericht fest, dass diese nicht dahingehend zu verstehen seien, «dass damit ein für alle Mal festgelegt wurde, unter welchen Umständen eine persönlichkeitsverletzende ‹Medienkampagne› vorliege. Sie liefern nur ein Beispiel einer solchen ‹Kampagne'»[54]. Demensprechend geht das Kantonsgericht wie folgt über die Erwägungen des Bundesgericht hinaus: «Lässt man das im angesprochenen Leitentscheid als verletzt anerkannte Rechtsgut (informationelle Selbstbestimmung) aussen vor, fällt auf, dass es sich im Grunde genommen bloss um einen Anwendungsfall des allgemeinen Grundsatzes handelte, wonach der Eingriff in die Persönlichkeit einer bestimmen Person nicht nur durch einen einmaligen Akt, sondern auch durch das Zusammenspiel mehrerer Handlungen erfolgen kann. (…) So verstanden macht es jedoch keinen Unterschied, ob die Handlungen resp. Anhäufung an Presseberichten (‹Serie› oder ‹Kampagne›) am Recht der betroffenen Person auf informationelle Selbstbestimmung rührt (…) oder ob sie diese Person in den Augen eines Durchschnittslesers in ihrem gesellschaftlichen, beruflichen oder wirtschaftlichen Ansetzen (recte wohl: Ansehen) herabsetzt»[55].

48

Damit übersieht das Kantonsgericht, dass es bei der Beurteilung einer Medienkampagne nicht auf den Inhalt der Berichterstattung ankommt, sondern auf deren überdurchschnittliche Masse und Intensität[56]. Wie die Vorinstanz vermischt auch das Kantonsgericht die Frage, ob der Inhalt persönlichkeitsverletzend ist, mit der Frage, ob die Masse und Intensität der Berichterstattung persönlichkeitsverletzend sind. Letzteres wäre gemäss Bundesgericht nur dann zu bejahen, wenn die Stadt Rapperswil und der Leiter der KESB Linth ihres Herrschaftsrechts beraubt worden wären, selber darüber zu bestimmen, von welchen Informationen über sie die Öffentlichkeit erfahren soll[57]. Ob dies der Fall war, hat das Kantonsgericht aber gar nicht geprüft. Stattdessen hat es, wie die Vorinstanz, auf den «ehrverletzende[n] Charakter» abgestellt und die Kampagne deshalb – in Abweichung von den Erwägungen im Hirschmann II-Urteil – als persönlichkeitsverletzen qualifiziert.

49

Problematisch wird die Vermischung der Intensität der Gesamtberichterstattung mit dem Inhalt der Einzelberichte dort, wo das Kantonsgericht feststellt, im zu beurteilenden Fall stehe «der Schutz des Ansehens im Vordergrund», und dabei komme es «weniger auf den Wahrheitsgehalt einzelner Äusserungen als vielmehr auf jenen des Gesamtbildes an, welches durch die Berichterstattung beim Durchschnittsleser hervorgerufen wurde»[58]. Abgesehen davon, dass das Kantonsgericht nicht erklärt, weshalb der Wahrheitsgehalt eines Gesamtbilds vom Wahrheitsgehalt der einzelnen Äusserungen abweichen kann, übersieht es die Problematik, dass der Wahrheitsgehalt bei der Beurteilung von Ehrverletzungen entscheidend ist – anders als bei der Beurteilung von Eingriffen in die Privatsphäre[59].

b) Vermischung von Verletzungs- und Rechtfertigungsebene
50

Bei der Beurteilung, ob Rechtfertigungsgründe vorliegen, erkannte das Kantonsgericht zwar richtigerweise, dass die Vorinstanz «die Verletzungs- und die Rechtfertigungsebene … (jeweils) miteinander vermischt» hat. Dennoch heisst es das Ergebnis deren Interessenabwägung gut: Mit einer Ausnahme habe die Vorinstanz «jede der persönlichkeitsverletzenden Einzelberichterstattungen auf eine mögliche Rechtfertigung hin» geprüft und eine solche jeweils zu Recht ausgeschlossen, «womit eine Rechtfertigung der Gesamtberichterstattung in Anbetracht der sich summierenden Schwere der Verletzung (…) logischerweise erst recht ausser Betracht fallen musste»[60].

51

Damit vermischt das Kantonsgericht die Verletzungs- und die Rechtfertigungsebene im gleichen Ausmass wie die Vorinstanz. Zudem übersieht es, dass die Einzel- und die Gesamtberichterstattung nach unterschiedlichen Massstäben zu beurteilen sind – jedenfalls soweit es um die Frage geht, ob eine persönlichkeitsverletzende Medienkampagne vorliegt. Dies geschieht sowohl in Bezug auf die Verletzungstatbestände als auch die Rechtfertigungsgründe. Eine Summe von persönlichkeitsverletzenden Einzelberichten bedeutet nicht automatisch, dass auch eine persönlichkeitsverletzende Medienkampagne vorliegt. Gleichermassen bedeutet eine Verneinung von Rechtfertigungsgründen in Bezug auf eine Medienkampagne nicht automatisch, dass es auch für einzelne Berichte keine Rechtfertigungsgründe gibt.

52

Das Kantonsgericht scheint seiner Logik denn auch nicht ganz zu trauen. Jedenfalls nimmt es auf der Basis des Hirschmann II-Urteils doch noch eine Interessenabwägung vor. Dabei stellt es zuerst fest, dass sich auf Seiten der «Obersee Nachrichten» «im Wesentlichen bloss das Unterhaltungsinteresse der Leserschaft» anführen lasse. Es seien «hier klarerweise nicht die Informationen …, sondern die Befriedigung der Neugierde des Publikums (an Tragödien und vermeintlichen Skandalen innerhalb der Verwaltung) im Vordergrund» gestanden. Mit zunehmender Dauer sei es bloss noch darum gegangen, der KESB Linth und deren Leiter «stets weitere und spektakuläre Vorwürfe machen zu können»[61]. Im Ergebnis gelangt das Kantongericht zu der folgenden Feststellung: «Ein allfälliges öffentliches Interesse an dieser Art der Presseberichterstattung (vgl. zur Gewichtung des öffentlichen Unterhaltungsinteresses: BGer 5A_256/2016 E. 6.7.3) ist jedenfalls als sehr gering einzustufen und vermag die schwere Persönlichkeitsverletzung», die der Stadt Rapperswil-Jona und dem Leiter der KESB Linth über die gesamte Kampagne hinweg widerfuhr, «nicht ansatzweise aufzuwiegen»[62].

53

Das klingt, als habe das Kantonsgericht die Güterabwägung des Bundesgerichts übernommen. Dem ist aber nicht so. Zum einen überzeugt der Versuch, die Berichterstattung über die Handlungen der KESB Linth, also einer Behörde, als Unterhaltung zu qualifizieren, in keiner Weise. Mag die Berichterstattung noch so überbordend gewesen sein, sie ist nicht annähernd vergleichbar mit Publikationen über das Leben einer Person, welche das Bundesgericht zur «Cervelat-Prominenz» zählt[63]. Ausserdem lässt das Kantonsgericht ausser Acht, dass gemäss Bundesgericht auch «Sensationsberichte … im öffentlichen (Unterhaltungs-)Interesse liegen», und dass Gegenstand der Interessenabwägung die «reine» Unterhaltung» ist[64].

54

Es ist deshalb fraglich, ob diese Interessenabwägung einer Überprüfung durch das Bundesgerichts standgehalten hätte. Das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen wurde zwar an das Bundesgericht weitergezogen. Da der Verlag indes alle beanstandeten Beiträge schon nach dem erstinstanzlichen Urteil gelöscht hatte, musste sich das Bundesgericht mangels Rechtsschutzinteresses nicht mehr mit dem Thema Medienkampagne befassen[65].

2. Der Fall F.P.

A. Sachverhalt

55

Im Zeitraum vom 26. Juni 2018 bis 22. Februar 2019 erschienen 44 Artikel in verschiedenen Printmedien und auf verschiedenen Online-Plattformen der TX Group AG mit zahlreichen Äusserungen über den in Lausanne wohnhaften schwedischen Milliardär und Mäzen Frederik Paulsen. Dieser reichte gegen die TX Group AG und sechs ihrer Gruppengesellschaften Klage wegen Persönlichkeitsverletzung ein. Er beantragte (u.a.), es sei festzustellen, dass er durch eine «eigentliche Medienkampagne» widerrechtlich in seiner Persönlichkeit verletzt worden sei[66].

B. Urteil des Bezirksgerichts Zürich

56

In seinem (nicht publizierten) Urteil vom 23. September 2021 wies das Bezirksgericht Zürich alle Klageanträge ab, damit auch das Feststellungsbegehren bezüglich der Medienkampagne (die Erwägungen zur Medienkampagne finden sich auf den Seiten 111 – 118 des Urteils).

.

a) Anders gelagert als der Hirschmann-Fall
57

Was die Medienkampagne betrifft, prüfte das Bezirksgericht mit Blick auf das Hirschmann II-Urteil zuerst, ob «aufgrund des Umfangs und der Intensität der Berichterstattung eine Persönlichkeit zu bejahen ist». Dabei stellte es fest, dass der vorliegende Fall «gänzlich anders gelagert ist» als der Hirschmann-Fall[67].

58

Der grösste Teil der beanstandeten Artikel habe Westschweizer Politiker und nicht F.P. zum Gegenstand gehabt. Dieser sei in den Artikeln nur insoweit vorgekommen, als Politikern im Wesentlichen vorgeworfen worden sei, angesichts ihrer amtlichen Funktionen heikle Beziehungen zu ihm zu unterhalten. Dem Verweis von F.P. auf die «schiere Masse von Artikeln» hielt das Bezirksgericht entgegen, dass diese wesentlich auf dem Ansatz gründe, dieselben Artikel mehrfach zu zählen, wenn sie als Online- und als Printartikel sowie in verschiedenen von der TX-Gruppe vertriebenen Zeitungen erschienen seien. Aus der «konzerninternen Verwertung» derselben Artikel in verschiedenen Pressetiteln könne keine Medienkampagne abgeleitet werden. Es handle sich dabei schlicht um eine Folge der Pressekonzentration bzw. der Gegebenheiten der neueren Medienlandschaft. Kein entscheidendes Kriterium für das Vorliegen einer Kampagne sei auch die von P.F. hervorgehobene Verlinkung der verschiedenen Berichte. Dies gehöre bei der Online-Berichterstattung zum Standard[68].

59

Anders als im Fall Hirschmann würden die Artikel «nicht um einen isolierten Themenkreis, der ausgeschlachtet und aufgebauscht wurde», kreisen[69].

60

Die Themen der streitgegenständlichen Artikel hätten «nichts gemein … mit den Berichten über angebliche Sexual- und Gewaltdelikte sowie angebliche Charakterschwächen eines Boulevard-Prominenten wie im Fall Hirschmann. In keinem Artikel wird über private oder intime Details des Klägers berichtet; sein Privatleben kommt in den Artikeln gar nicht vor»[70].

61

Das Bezirksgericht kommt deshalb zum Schluss, dass die zu beurteilende Berichterstattung nicht unter den Begriff der Medienkampagne fällt[71].

b) Informationsbedürfnis bejaht
62

Bei der Prüfung der Frage, ob Rechtfertigungsgründe vorliegen, zieht das Bezirksgericht die bundesgerichtlichen Erwägungen bei der Interessenabwägung im Hirschmann II-Urteil heran und kommt zum folgenden Ergebnis: «Vorliegend geht es nicht um Klatschsucht bzw. reine Unterhaltung. Vielmehr wurden Themen behandelt, an denen durchaus ein gewichtiges Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit besteht»[72].

c) Knappe Begründung
63

Die Urteilsbegründung des Bezirksgerichts Zürich umfasst zwar 120 Seiten. Das liegt daran, dass das Gericht jede der eingeklagten Äusserungen geprüft (und eine widerrechtliche Persönlichkeit verneint) hat. Für die Erwägungen zur Medienkampagne benötigte es jedoch nur gerade knapp acht Seiten.

64

Auffallend ist, dass es die Frage, ob F.P. seines Herrschaftsrechts beraubt worden sei, selbst darüber zu bestimmen, von welchen Informationen über sich und sein Leben die Öffentlichkeit erfahren soll, weder anschneidet noch beantwortet. Es lässt es dabei bewenden, der Art und Weise, wie F.P. die Artikel zählt, zu widersprechen. Ferner begnügt sich das Bezirksgericht mit dem Hinweis, das Privatleben von F.P. komme in den Artikeln gar nicht vor. Auch die Interessenabwägung fällt knapp aus.

65

Es wird sich zeigen, ob die knappen Erwägungen zur Medienkampagne ausreichen, denn F.P. hat gegen das Urteil Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich eingelegt. Dessen ungeachtet ist zu bemerken, dass sich das Bezirksgericht eng an die Erwägungen des Bundesgerichts im Hirschmann II-Urteil hält und weder die Intensität der Berichterstattung mit dem Inhalt der Berichte noch die Verletzungsebene mit der Rechtfertigungsebene miteinander vermischt.

3. Der Fall Wirtschaftskammer

66

Die «Basler Zeitung» hat im Zeitraum vom 20. Januar 2018 bis 12. Februar 2020 zahlreiche Artikel über die Wirtschaftskammer Baselland und deren Direktor publiziert. Die Wirtschaftskammer hat gegen die Tamedia Basler Zeitung AG und den Autor der Artikel deswegen eine Klage wegen unlauteren Wettbewerbs angehoben und (u.a.) das Begehren gestellt, dass die Beklagten mit ihrer Kampagne die Wirtschaftskammer unlauter in ihrer Wettbewerbsstellung verletzt haben.

67

In seinem Entscheid vom 25. Oktober 2021 stellte das Kantonsgericht Basel-Landschaft fest, dass die Beklagten die Wirtschaftskammer mit neun Berichterstattungen im genannten Zeitraum in ihrer Wettbewerbsstellung verletzt haben. Ferner verpflichtete es die «Basler Zeitung» zur Löschung einer Reihe von Artikeln bzw. Aussagen und Tweets. Das Begehren auf Feststellung einer unlauteren Medienkampagne gegen die Wirtschaftskammer wies das Kantonsgericht ab.

68

Die schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Das Urteilsdispositiv ist auf der Website der Wirtschaftskammer Baselland zugänglich[73].

IV. Exkurs: Der Fall Schnyder gegen «SonntagsBlick»

69

Eine Beurteilung des Hirschmann II-Urteils wäre nicht vollständig, würde dabei nicht auch der Bundesgerichtsentscheid Schnyder gegen «SonntagsBlick» in Betracht gezogen.[74]

1. Sachverhalt

70

Der «SonntagsBlick» publizierte im Zeitraum vom 10. Februar bis 3. November 2002 in vier Ausgaben Äusserungen über Willy Schnyder, den Vater der damals sehr bekannten Tennisspielerin Patty Schnyder.

71

Willy Schnyder reichte gegen die Ringier AG, die Herausgeberin des «SonntagsBlicks», sowie den Autor Klage wegen Persönlichkeitsverletzung ein und beantragte (u.a.) die Feststellung der Widerrechtlichkeit der beanstandeten Äusserungen, Schadenersatz, Genugtuung und Gewinnherausgabe. Das Bezirksgericht Zürich und das Obergericht des Kantons Zürich hiessen die Feststellungsbegehren teilweise gut und wiesen die übrigen Begehren ab. Die Beschwerde an das Bundesgericht hatte nur noch die Punkte der Gewinnherausgabe und der Genugtuung zum Gegenstand[75].

2. Bedeutung nicht verletzender Folgeartikel

72

Im Zusammenhang mit der Frage, welche Eckdaten bei der Schätzung des mit der unrechtmässigen Persönlichkeitsverletzung generierten Gewinns eine Rolle spielten, hielt das Bundesgericht Folgendes fest: «Massgeblich ist sodann, ob es sich um einen einzelnen Artikel, um eine ganze Serie oder gar um eine Medienkampagne handelt, in welchem Fall die Berichterstattung besonders geeignet ist, über eine längere Zeit dem angestrebten Zweck der Absatzförderung zu dienen. Bei der Kampagne und der Serie ist, (…), auch nicht zwingend erforderlich, dass Folgeartikel erneut bzw. eigenständig die Persönlichkeit verletzen, umso weniger als je nach Art der Berichterstattung der geschaffene Unrechtszustand insofern nachwirken kann, als der Eindruck früherer verletzender Aussagen durch (für sich genommen nicht verletzende) Folgeartikel am Leben erhalten und weiter ausgebeutet wird»[76].

73

In der Folge verneinte das Bundesgericht zwar das Vorliegen «einer eigentlichen, systematisch aufgebauten Kampagne.» Es handle sich indes auch «nicht um eine lose Folge in sich geschlossener, voneinander unabhängiger Artikel». Vielmehr bestehe «in objektiver Hinsicht und nach dem Empfinden des Durchschnittslesers jeweils eine Anknüpfung an der vorangegangenen Berichterstattung»[77].

3. Keine Bedeutung in Bezug auf Medienkampagne

74

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob das Bundesgericht im Hirschmann II-Urteil den Ansatz aus dem Schnyder-Urteil ausgeweitet habe[78], nicht persönlichkeitsverletzende Artikel als persönlichkeitsverletzend zu qualifizieren, weil sie Folgeartikel von persönlichkeitsverletzenden Berichten sind. Dies ist aber nicht der Fall. Im Hirschmann II-Urteil spielt der Inhalt der Berichte keine Rolle, und das Bundesgericht stellt auch nicht auf die Anknüpfung an vorangegangene Artikel ab.[79]

75

Ausserdem stellt das Bundesgericht die Überlegungen zum persönlichkeitsverletzenden Charakter im Zusammenhang mit der Schätzung des Gewinns an – und nicht mit der Feststellung einer Persönlichkeitsverletzung.

4. Problem Wahrheitsgehalt

76

Die Parallele zwischen dem Hirschmann II- und dem Schnyder-Urteil besteht darin, dass einzelne Berichte widerrechtliche Persönlichkeitsverletzungen darstellen können, obwohl sie «eigenständig», das heisst ohne Berücksichtigung anderer Artikel, nicht persönlichkeitsverletzend sind.

77

Dass diese Konsequenz vor allem in Bezug auf den Wahrheitsgehalt der Medienberichterstattung höchst problematisch ist, wurde bereits ausgeführt[80].

V. Fazit

78

Das Hirschmann II-Urteil ist rechtlich problematisch, weil es einen doppelten Feststellungsanspruch ermöglicht, dessen gesetzliche Grundlage fraglich ist, und weil es den Boden dafür bereitet hat, die Verbreitung wahrer Tatsachen durch die Medien einzuschränken.

79

Die Urteilserwägungen sind kompliziert; sie verleiten die Gerichte unterer Instanzen dazu, eine Medienkampagne auch in Fällen zu bejahen, in denen die bundesgerichtlichen Kriterien nicht erfüllt sind.

80

Die Berichterstattung im Fall Hirschmann war extrem: ein präzedenzloser Medienhype, ein Medienrummel, an dem zahlreiche Medien verschiedener Medienunternehmen teilgenommen haben. Dementsprechend sind die Hürden, die das Bundesgericht für die Annahme einer Medienkampagne angesetzt hat, hoch: Es muss eine mehrmonatige Berichterstattung vorliegen, die in der Masse und Intensität von überdurchschnittlichem Ausmass ist. Sie muss die betroffene Person tatsächlich und spürbar dermassen beeinträchtigen, dass sie nicht mehr in der Lage ist zu bestimmen, welche Informationen über sie und ihr Leben in der Öffentlichkeit verbreitet werden sollen. Zudem muss es den Berichten an einem nennenswerten Informationsbedürfnis fehlen.

81

Die Bejahung einer Persönlichkeitsverletzung infolge Masse und Intensität von Medienberichten im Rahmen einer Medienkampagne darf deshalb «nur in extremen Ausnahmefällen erfolgen»[81].

82

Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesgericht dies bei nächster Gelegenheit bestätigt.


Fussnoten:

  1. BGE 143 III 297 (ohne diverse Erwägungen, insbesondere ohne E. 7) bzw. BGer 5A_256/2016 (vollständig)

  2. BGE 138 III 641 S. 643, E. 4.1.1

  3. Vgl. die ausführliche Zusammenfassung des Hirschmann II-Urteils in: Stephanie Hrubesch-Millauer, Olivia Fuhrer, Rechtsprechungspanorama Einleitungsartikel und Personenrecht, AJP 2018 S. 641 ff.

  4. Zweites Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 8. Februar 2016, HG150112-O, https://www.gerichte-zh.ch/fileadmin/user_upload/entscheide/oeffentlich/HG150112-O2.pdf, S. 85, E. 5.6.3. Im sogenannten Hirschmann I-Urteil des Bundesgerichts ist von «mindestens 140 Medienberichten» die Rede (BGer 5A_658/2014, E. 6.1). Ein erstes Urteil des Handelsgerichts in der Sache Hirschmann, HG110029-O/U, war am 26. Juni 2014 ergangen (https://www.gerichte-zh.ch/fileadmin/user_upload/entscheide/oeffentlich/HG110029-O22.pdf; vgl. auch Medialex 3|4, S. 164 ff.)

  5. BGE 143 III 297 S. 316 f., E. 6.8

  6. Vgl. zweites Urteil des Handelsgericht des Kantons Zürich vom 8. Februar 2016, HG150112-O, https://www.gerichte-zh.ch/fileadmin/user_upload/entscheide/oeffentlich/HG150112-O2.pdf, S. 83, E. 5.6.2

  7. Matthias Schwaibold, Ein Schrecken ohne Ende, Medialex 6|17; Daniel Glasl, Medienkampagne und Gewinnabschöpfung – kein Ende ohne Schrecken, Medialex 7/8 | 17

  8. Bettina Bacher, Persönlichkeitsverletzung durch eine Medienkampagne, in: sui generis 2017, S. 259. Zu einem dritten Bundesgerichtsurteil im Fall Hirschmann wird es allerdings nicht kommen. In seinem Teil-Urteil vom 25. Februar 2019 – d.h. in seinem dritten Urteil – stellte das Handelsgericht des Kantons Zürich fest, dass die Tamedia-Medien Hirschmann und seine Gesellschaft widerrechtlich in ihrer Persönlichkeit verletzt hatten, indem sie in der Zeit vom 9. September 2011 bis 27. Januar 2012 an einer zweiten Medienkampagne rund um das Strafverfahren von Hirschmann mitgewirkt hatten. Die Verlagsunternehmen wurden verpflichtet, eine ganze Reihe von Informationen zur Eruierung bzw. Abschätzung des mit den Medienkampagnen erzielten Gewinns offen zu legen

    (https://entscheidsuche.ch/docs/ZH_Obergericht/ZH_HG_001_HG170133_2019-02-25.pdf, S. 27 f.; in der publizierten Fassung des Urteils werden bei der Dauer der Medienkampagnen nur die Jahreszahlen angegeben). Am 23. Mai 2019 gab die Tamedia AG im «Tages-Anzeiger» bekannt, dass der jahrelange Rechtsstreit mit einer Einigung beigelegt worden war, und sie entschuldigte sich bei Hirschmann (www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/tamedia-entschuldigt-sich-bei-carl-hirschmann/story/13085934).

  9. Bettina Bacher, Persönlichkeitsverletzung durch eine Medienkampagne, in: sui generis 2017, S. 257

  10. So scheint es eine Persönlichkeitsverletzung schon dann zu bejahen, wenn Presseberichte das Recht auf Achtung der Privatsphäre und auf Achtung der Ehre «berühren». Ferner verwendet es den Begriff «informationelle Privatheit», ohne diesem Konturen zu verleihen, und es setzt in Bezug auf die Beschaffung von Informationen durch die Medien «unfair» mit «unerlaubt» gleich. Schliesslich bringt es auch noch – völlig sachfremd – «die Objektivität der medialen Äusserungen» ins Spiel. Vgl dazu Matthias Schwaibold, Ein Schrecken ohne Ende, Medialex 6 | 17, Ziff. 5.2, 5.4 und 5.5.

  11. BGE 143 III 297 S. 311, E. 6.5

  12. Drittes Urteil des Handelsgerichts vom 25. Februar 2019, HG170133-O, https://entscheidsuche.ch/docs/ZH_Obergericht/ZH_HG_001_HG170133_2019-02-25.pdf,

    S. 25, E. 10; in der publizierten Fassung des Urteils werden bei der Dauer der Medienkampagnen nur die Jahreszahlen angegeben.

  13. Bettina Bacher, Persönlichkeitsverletzung durch eine Medienkampagne, in: sui generis 2017, S. 250

  14. BGE 143 III 297 S. 303, E. 6.1

  15. Zur zweiten Medienkampagne vgl. Fussnote 8

  16. https://entscheidsuche.ch/docs/ZH_Obergericht/ZH_HG_001_HG170133_2019-02-25.pdf, S. 14

  17. Bettina Bacher, Persönlichkeitsverletzung durch eine Medienkampagne, in: sui generis 2017, S. 251

  18. Auch Schwaibold weist in seiner Kritik auf die ausserordentliche Dimension des Falls hin: «Ausmass und Umfang der Berichterstattung standen – und stehen auch rückblickend – sicher in keinem vernünftigen Verhältnis weder zu den (damals) vermuteten noch den (in der Folge strafrechtlich und rechtskräftig) erstellten Tatsachen, (…)» (in: Ein Schrecken ohne Ende, Medialex 6|17, Ziff. 3).

  19. Vgl. dazu BGE 143 III 297 S. 311 mit Hinweis auf das Hirschmann I-Urteil, BGer 5A_658/2014, E. 4.2

  20. BGE 143 III 297 S. 316

  21. BGE 143 III 297 S. 303

  22. Bettina Bacher, Persönlichkeitsverletzung durch eine Medienkampagne, in: sui generis 2017, S. 251 f.

  23. BGE 143 III 297 S. 311

  24. Bettina Bacher, Persönlichkeitsverletzung durch eine Medienkampagne, in: sui generis 2017, S. 254

  25. BGE 143 III 297 S. 314

  26. BGE 143 III 297 S. 308 f., E. 6.4.2

  27. Ziff. I oben

  28. Ziff. II 3 A e oben

  29. BGE 143 III 297 S. 309

  30. BGE 143 III 297 S. 311

  31. BGE 143 III 297 S. 314, E. 6.7.2

  32. BGer 5A_256/2016, E. 7.4.2

  33. BGE 143 III 297

  34. BGer 5A_256/2017, E. 7.4.2

  35. BGE 143 III 297 S. 311

  36. Vgl. dazu Bettina Bacher, Persönlichkeitsverletzung durch eine Medienkampagne, in: sui generis 2017, S. 252 f.

  37. Bettina Bacher, Persönlichkeitsverletzung durch eine Medienkampagne, in: sui generis 2017, S. 253

  38. Ziff. II 3 A d oben

  39. BGE 143 III 297 S. 315, E. 6.7.3

  40. BGE 143 III 297, S. 316

  41. Zweites Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 26. Juni 2014, https://entscheidsuche.ch/docs/ZH_Obergericht/ZH_HG_001_HG110029_2014-06-26.pdf, S. 7

  42. BGer 5A_256/2016, E. 7.4.2. Zur Problematik des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung vgl. Ziff. II 3 B b oben

  43. BGE 143 III 297

  44. Deshalb kommt es bei der Beurteilung der Medienkampagne auch nicht darauf an, dass in den Hirschmann-Urteilen sowie in den Urteilen des Kreisgerichts Werdenberg-Sarganserland und des Kantonsgerichts St. Gallen (vgl. Ziff. III 1 B und C unten) auch einzelne Berichte als widerrechtliche Persönlichkeitsverletzungen qualifiziert wurden.

  45. Bettina Bacher, Persönlichkeitsverletzung durch eine Medienkampagne, in: sui generis 2017, S. 257

  46. Matthias Schwaibold, Ein Schrecken ohne Ende, Medialex 6|17, Ziff. 4

  47. Nicht veröffentlichter Teilentscheid des Kreisgerichts Werdenberg-Sarganserland vom 8. Dezember 2017

  48. Urteilsdispositiv Ziff. 1 und 2

  49. Teilentscheid S. 74 f.

  50. Teilentscheid S. 186

  51. Teilentscheid S. 188

  52. Vgl. Mitteilung des Kantonsgerichts St. Gallen vom 22. Juli 2020,

    https://www.sg.ch/news/sgch_gerichte/2020/07/persoenlichkeitsverletzung-durch-medien—kesb-berichterstattung.html

  53. https://publikationen.sg.ch/fileadmin/ekab/judical_sg/2020/09/BO-2018-28-32/attachments/BO.2018.28-32.pdf ; vgl. auch Christiana Fountoulakis, Julien Francey, L’année des procès infructueux de la protection de la personnalité, medialex 06/2021, Ziff. III 4.

  54. Entscheid, S. 76

  55. Entscheid, S. 76

  56. Vgl. Ziff. II 3 A b oben

  57. Vgl. Ziff. II 3 A d oben

  58. Entscheid, S. 78

  59. Vgl. Ziff. II 3 A e oben

  60. Entscheid, S. 197

  61. Entscheid, S. 199, E. 4.12.2.3.2

  62. Entscheid, S. 200

  63. BGer 5A_658/2014, E. 5.6 (Hirschmann I-Urteil)

  64. BGE 143 III 297, S. 315, E. 6.7.2

  65. BGer 5A_758/2020

  66. Vgl. Artikel, «Tamedia hat gegen Frederik Paulsen keine Medienkampagne geführt», «Tages-Anzeiger» vom 15. Oktober 2021, https://www.tagesanzeiger.ch/tamedia-hat-gegen-frederik-paulsen-keine-medienkampagne-gefuehrt-697049293392

  67. Urteil des Bezirksgerichts Zürich, S. 113 ff.

  68. Urteil, S. 114 f., E. 4.3.2.1

  69. Urteil, S. 115, E. 4.3.2.2

  70. Urteil, S. 116, E. 4.3.2.3

  71. Urteil, S. 116, E. 4.3.2.4

  72. Urteil, S. 117 f. E. 4.4.3

  73. https://www.kmu.org/sites/default/files/2021-10/Entscheid%20des%20Kantonsgerichts%20Basel-Landschaft_2021_10_25.pdf

  74. BGE 133 III 153

  75. BGE 133 III 153 S. 155

  76. BGE 133 III 153 S. 164, E. 3.5

  77. BGE 133 III 153 S. 165, E. 3.6

  78. Matthias Schwaibold, Ein Schrecken ohne Ende, Medialex 6 | 17, Ziff. 4

  79.   Ziff. II 3 A e und II 3 B

  80. Ziff. II 3 A e

  81. Peter Nobel, Rolf H. Weber, Medienrecht, 4. A., 2021, Rz. 156

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  • Ehre erlangt ein Mensch durch „ehrenhaftes“ Verhalten. Wer die gesellschaftlichen und gesetzlichen Normen respektiert, dem wird eine solche Ehre zuteil. Derjenige, der z.B. durch Lügen oder Betrugsdelikte solche Normen verletzt, ist damit der erste, der eine Ehrverletzung begeht, nämlich an sich selber. Die verletzte Ehre ist die Konsequenz aus seinem Handeln. Wenn Medien später faktentreu über ein Fehlverhalten berichten und sich der Täter in seiner Ehre verletzt fühlt, vergisst er (oder offenbar zuweilen auch Richter), dass er es war, der durch seine eigenen Taten seine Ehre herabgesetzt hat. Es darf also nicht sein, wie Christoph Born richtig schreibt , dass wahre Medienberichte als persönlichkeitsverletzend eingestuft werden können.
    Christoph Schütz, Fribourg

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