Stolperstein Aktivlegitimation bei UWG-Klagen gegen Medienunternehmen

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Das Berner Handelsgericht wies eine Klage der Wirtschaftskammer Baselland gegen die SRG wegen fehlender Aktivlegitimation ab

Christoph Born, Dr. iur., Rechtsanwalt, Zürich

Résumé: Le 22 avril dernier, le Tribunal de commerce du canton de Berne a rejeté une plainte de la Chambre économique de Bâle-Campagne (contre la SSR) au motif qu’elle n’avait pas qualité pour agir en justice. Les considérants montrent que, dans des plaintes au nom de la LCD contre des entreprises de médias, le critère de la qualité pour agir peut se révéler un obstacle. Première condition pour qu’il soit rempli: il faut pouvoir montrer de façon crédible que la partie plaignante est reconnaissable dans les contributions journalistiques concernées. En outre, il faut aussi montrer que ces dernières affectent sa compétitivité économique. Le Tribunal de commerce a vérifié ces deux éléments, même si l’analyse du deuxième critère n’était pas nécessaire, car la première condition était d’entrée de jeu non remplie: la plaignante n’était pas reconnaissable dans les comptes-rendus journalistiques.

Zusammenfassung: Die Erwägungen im Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 22. April 2020 (HG 18 100) machen deutlich, dass die Aktivlegitimation bei UWG-Klagen gegen Medienunternehmen unter zwei Aspekten zum Stolperstein werden kann: Es muss substanziiert dargetan werden, inwiefern die klagende Partei in den eingeklagten Publikationen für den Durchschnittsadressaten erkennbar ist und inwiefern sie dadurch in ihrem eigenen wirtschaftlichen Wettbewerb betroffen ist. Das Handelsgericht hat beide Aspekte geprüft, obwohl sich die Prüfung der Betroffenheit im Wettbewerb erübrigt hätte, da gemäss Feststellung des Handelsgerichts die Klägerin in den eingeklagten Beiträgen nicht erkennbar war.

Inhalt des Urteils in Kürze:

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Unter dem Titel «Millionenskandal oder formaljuristisches Problem» berichtete das Schweizer Radio und Fernsehen SRF im April 2018 in einer Radiosendung des Regionaljournals Basel und auf der Website über die umstrittene Frage, ob das Inkasso von Lohnbeiträgen im Maler- und Gipsergewerbe zur Finanzierung der Kontrollen des Gesamtarbeitsvertrags im Kanton Baselland rechtskonform war. Die Wirtschafskammer Baselland, welcher das Inkasso obliegt, erachtete diese Berichterstattung als unlauter und reichte gegen die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG Klage ein, in der sie u.a. die Löschung des Radiobeitrags verlangte.

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In seinem Entscheid vom 22. April 2020 wies das Handelsgericht des Kantons Bern die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation ab. Es kam zum Schluss, dass die Wirtschaftskammer nicht hinreichend konkretisiert hatte, auf welchem Markt und in welcher Stellung sie durch die streitigen Publikationen berührt sein könnte. Zudem stellte das Gericht fest, dass in der Berichterstattung kein direkter Bezug zur Wirtschaftskammer hergestellt worden war. Der Entscheid ist infolge Weiterzugs an das Bundesgericht nicht rechtskräftig.

Anmerkungen:

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Von medienrechtlicher Bedeutung sind vor allem die folgenden Feststellungen des Handelsgerichts: Die Wirtschaftskammer Baselland (im Folgenden «Wirtschaftskammer») werde in den beiden Beiträgen (Radio und online) «nicht namentlich genannt»; sie werde nicht erwähnt und es werde «kein direkter Bezug zu ihr hergestellt» (Entscheid Handelsgericht, E. 19, S. 14 f.). Die Betroffenheit der Klägerin erschliesse sich «also nicht einfach so und dürfte nur für wenige Personen, welche die Hintergründe kennen, erkennbar sein». Daran vermöge auch nichts zu ändern, dass die Klägerin etwa in einem Artikel der Basler Zeitung vom 2. Mai 2018, welcher direkt auf die Sendung des Regionaljournals vom 26. April 2018 Bezug nahm, ausdrücklich genannt und für Missstände verantwortlich gemacht wurde. «Die Aktivlegitimation muss sich einzig und allein aus den streitgegenständlichen Beiträgen ergeben» (E. 19, S. 15).

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Mit diesen Feststellungen hätte es das Handelsgericht eigentlich bewenden lassen können, und es hätte die Klage mit der Begründung abweisen können (wenn nicht sogar müssen), dass die nicht genannte Klägerin für das Publikum nicht erkennbar bzw. nicht identifizierbar und deshalb von den beanstandeten Berichten nicht betroffen war. Dies in Analogie zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Persönlichkeitsschutz, wonach die Aktivlegitimation zu den Klagen von Art. 28a Abs. 1 ZGB «eine persönlich und direkt treffende Verletzung» voraussetzt und «bloss mittelbare Verletzungen oder deren indirekte Folgen» keine Aktivlegitimation begründen (BGer 5A_773/2018, E. 5); und wonach eine Persönlichkeitsverletzung nur vorliegen kann, wenn die betroffene Person für Dritte – mithin für nicht involvierte Personen – erkennbar, also identifizierbar ist (BGE 136 III 410, S. 413).

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Dennoch hat das Handelsgericht in erster Linie geprüft, ob die (nicht genannte) Wirtschaftskammer im Sinne von Art. 9 Abs. 1 UWG aktivlegitimiert ist. Gemäss dieser Norm ist zur Klage berechtigt, «wer durch unlauteren Wettbewerb in seiner Kundschaft, seinem Kredit oder beruflichen Ansehen, in seinem Geschäftsbetrieb oder sonst in seinen wirtschaftlichen Interessen bedroht oder verletzt wird».

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Das Besondere im vorliegenden Fall liegt darin, dass die Wirtschaftskammer ein Verein im Sinne von Art. 60 ff. ZGB ist. Gemäss Art. 60 Abs. 1 ZGB widmen sich Vereine «einer politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen oder andern nicht wirtschaftlichen Aufgabe». Dementsprechend verfolgt die Wirtschaftskammer (gemäss Handelsregisterauszug) den folgenden – nicht wirtschaftlichen – Zweck: «Allseitige Wahrung und stete Förderung der ideellen, wirtschaftlichen und standespolitischen Interessen der Selbständigerwerbenden und Unternehmungen aus Gewerbe, Handel, Dienstleistung und Industrie. Insbesondere Unterstützung und Förderung aller Bestrebungen zur Stärkung der kleinen und mittleren Unternehmungen (KMU) und zur Steigerung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Baselland.»

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Gemäss der vom Handelsgericht zitierten Auslegung von Art. 9 Abs. 1 UWG in Lehre und Rechtsprechung ist aktivlegitimiert, wer selbst am wirtschaftlichen Wettbewerb beteiligt ist und eigene wirtschaftliche Interessen geltend machen kann. «Erforderlich ist ein unmittelbares Interesse daran, die eigene Stellung im Wettbewerb mit dem Erfolg der Klage abzusichern oder zu verbessern. Klageberechtigt ist deshalb nur die betroffene Person bzw. das betroffene Unternehmen selbst» (E. 17, S. 12).

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Diese Erfordernisse scheinen bei einem Verein mit ideellem Zweck auf den ersten Blick nicht erfüllt zu sein. Das Handelsgericht erwog jedoch, die Konstituierung der Wirtschaftskammer schliesse nicht aus, dass sie selbständig am Wettbewerb teilnehme und eigene wirtschaftliche Interessen verfolge. Diese Erwägung ist angesichts der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach Vereine, die kein kaufmännisches Unternehmen betreiben, einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen dürfen (BGE 90 II 333 = Pra 1965 Nr. 35), folgerichtig. Zutreffend ist auch die Feststellung des Handelsgerichts, bei einer als Verein organisierten, ideell ausgerichteten juristischen Person erschliesse sich «nicht ohne Weiteres, worin der wirtschaftliche Wettbewerb, an dem sie sich beteiligt, besteht». Deshalb hätte die Wirtschaftskammer eingehend darlegen müssen, inwiefern ihr eine Stellung auf dem Markt zukommt und worin die wirtschaftlichen Interessen bestehen (E. 19, S. 13). Nach Auffassung des Handelsgerichts hat die Wirtschaftskammer diesbezüglich die Behauptungs- und Substantiierungslast vernachlässigt.

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Dieses Vernachlässigen wog gemäss Handelsgericht «umso schwerer», als die Wirtschaftskammer in den beiden Beiträgen von SRF nicht erkennbar war (E. 19, S. 14 f.). Mit dieser Feststellung verknüpfte das Handelsgericht zwei unterschiedliche Aspekte der Aktivlegitimation miteinander, nämlich die Fragen, ob die Wirtschaftskammer in ihrem eigenen wirtschaftlichen Wettbewerb betroffen worden war, und ob sie für den Durchschnittsadressaten erkennbar war. Die eine Frage hat mit der andern aber nichts zu tun. Es ist deshalb m.E. verfehlt, an die Behauptungs- und Substantiierungslast bezüglich der Betroffenheit im Wettbewerb höhere Anforderungen zu stellen, wenn die Erkennbarkeit fehlt. Wenn die Erkennbarkeit verneint wird, ist eine weitere Beurteilung der Aktivlegitimation obsolet.

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Eine andere Frage ist, ob das Handelsgericht generell zu hohe Anforderungen an die Behauptungs- und Substantiierungslast gestellt hat. Diese Frage muss mangels Kenntnis der Rechtsschriften offenbleiben. Dessen ungeachtet machen die Erwägungen des Handelsgerichts aber deutlich, dass die Aktivlegitimation bei UWG-Klagen unter zwei Aspekten ein Stolperstein sein kann, wenn auf der Klägerseite ein Verein und auf der Beklagtenseite ein Medienunternehmen steht.

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