Keine Legitimation einer Behörde als Privatklägerin in einem Strafverfahren wegen Rassendiskriminierung

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Besprechung des Entscheids des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 02.03.2020 (BES.2019205)

Résumé: La Cour d’appel de Bâle-Ville a refusé au Département des constructions et des transports du canton d’être partie plaignante dans une procédure pénale pour discrimination raciale.  Raison avancée: les droits de l’autorité n’avaient pas été directement violés par les révélations d’un journaliste. Il n’y a pas de base légale pour que le Département, sur la base de l’art. 104 al. 2 du CPP, ait la qualité de partie. Le droit cantonal ne prévoit qu’un devoir général de dénoncer, obligation que le département avait honorée. Le verdict reflète la pratique en vigueur. Sa pertinence est établie.

Zusammenfassung: Die kantonale Oberinstanz verweigerte dem Bau- und Verkehrsdepartement Basel-Stadt die Stellung als Privatklägerin in einem Strafverfahren wegen Rassendiskriminierung, weil die Behörde durch die von einem Journalisten vorgeworfenen Äusserungen nicht unmittelbar in seinen Rechten verletzt worden sei. Es mangle auch an einer gesetzlichen Grundlage, um dem Departement gestützt auf Art. 104 Abs. 2 StPO Parteistellung einzuräumen. Das kantonale Recht statuiere bloss eine allgemeine Anzeigepflicht für Behörden, welcher das Departement nachgekommen war. Insgesamt widerspiegelt der Entscheid die geltende Praxis und ist in der Sache sicher richtig.

Rudolf Mayr von Baldegg, Rechtsanwalt, Luzern

Sachverhalt und Erwägungen in Kürze:

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Im besprochenen Urteil, das inzwischen ans Bundesgericht weitergezogen worden ist,  wurde dem Bau- und Verkehrsdepartement Basel-Stadt die Stellung als Privatklägerin im Strafverfahren wegen mutmasslicher Rassendiskriminierung gegen einen Autor zweier Artikel in der Basler Zeitung verweigert. Bereits die Staatsanwaltschaft hatte das Departement nicht als Privatklägerin zugelassen und ihr damit keine Parteirechte gewährt. Dagegen führte das Departement Beschwerde mit der Begründung, es sei als Arbeitgeber von Personen, die der diskriminierten Gruppe angehörten, geschädigt. Die beiden Artikel der Basler Zeitung befassten sich mit Missständen bei der Abfallentsorgung, welche teilweise durch – bei der Stadtreinigung angestellten – Eritreer besorgt wird, welche angeblich Abfallsäcke unter Umgehung der Gebührenpflicht, direkt aus den Geschäften mitgenommen haben sollen («Verstösse im Abfallwesen» bzw. «Neues aus der Schweinebucht«). Sodann sei nebst dem «mafiösen» System der Abfallentsorgung auch eine krasse Untätigkeit der Verwaltung im Zusammenhang mit Lärmklagen der Anwohner im Umkreis eines Take-Away-Lokales in Kleinbasel zu verzeichnen, das insbesondere von Personen mit Migrationshintergrund und Sexarbeiterinnen aufgesucht werde («Drogendealer aus Afrika», «Schwarze» und ihre «Drogendepots»).

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Strittig war, ob das Departement als Privatkläger zuzulassen sei. Dies ist anerkanntermassen dann möglich, wenn diese Behörde unmittelbar in ihren Rechten verletzt wäre und unter den Schutzbereich der Strafnorm fiele. Fraglich war, ob hier der Staat handelnd durch die Behörde wie ein Privater betroffen war. Handle der Staat lediglich kraft seiner ihm übertragenen öffentlichen Funktion und damit hoheitlich, sei dies nicht der Fall. (besprochener Entscheid, Erw. 2.3.).

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Im Wesentlichen begründete das Appellationsgericht (Einzelgericht) die Verweigerung der Stellung als Privatklägerin des Departements damit, dass es durch die vom Journalisten vorgeworfenen Äusserungen nicht unmittelbar in seinen Rechten verletzt worden sei, unter der hypothetischen Annahme, der erhobene Vorwurf der Rassendiskriminierung treffe überhaupt zu. Nicht geschädigt seien Verwaltungsträger des Gemeinwesens, wenn sich die Straftat gegen Rechtsgüter richtete, für welche sie, Kraft ihres Amtes, zuständig seien. Im Übrigen könne ohne spezifische gesetzliche Grundlage nicht in die Gewaltenteilung eingegriffen werden, denn die öffentlichen Interessen in Bezug auf die Strafverfolgung würden von der Staatsanwaltschaft allein gewahrt.

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Das Appellationsgericht hat im Einklang mit der Bundesgerichtspraxis entschieden, dass die einzelnen Angehörigen einer diskriminierten Gruppe für sich alleine nicht geschädigt seien. Bei Rassendiskriminierung komme es auf die Angriffsrichtung an: Richte sich der Angriff unmittelbar gegen eine Einzelperson, sei diese unmittelbar geschädigt. Bei einem Angriff gegen eine Gruppe sei die Einzelperson nur mittelbar geschädigt. Der Gruppe komme daher keine Geschädigtenstellung zu, so dass die Voraussetzung der Privatklägerschaft, also die unmittelbare Schädigung, nicht erfüllt sei (BGE 143 IV 77 Erw. 4.2; besprochener Entscheid, Erw. 2.4.1 und 2.4.2). Auch die Voraussetzung von Art. 104 Abs. 2 StPO, wonach Behörden, die öffentliche Interessen zu wahren haben, volle oder beschränke Parteirechte eingeräumt werden können, war vorliegend nach Ansicht des Appellationsgerichtes nicht erfüllt, weil § 35 EG StPO Basel-Stadt bloss eine allgemeine Anzeigepflicht für Mitglieder von Behörden vorsehe. Diese gesetzliche Grundlage genüge nicht, zumal die allgemeine Anzeigepflicht durch die Einreichung der Strafanzeige bereits erfüllt worden sei.

Anmerkungen:

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Der Entscheid erscheint in der Sache sicher richtig. Das Departement hatte zunächst bei der Staatsanwaltschaft bloss um Akteneinsicht ersucht, indessen darauf verzichtet, den abschlägigen Entscheid weiterzuziehen. In der Folge hielt das Departement aber an der Stellung als Privatkläger fest, sodass die Staatsanwaltschaft die Nichtzulassung explizit verfügen musste. Gegen diese Verfügung hat das Departement in der Folge Beschwerde eingereicht, welche zum vorliegend besprochenen Urteil führte.

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Nebst dieser etwas unorthodoxen Vorgehensweise des Departementes erscheint auch die Beschwerdebegründung teilweise etwas gewagt, etwa wenn in der Beschwerde offenbar vorgebracht worden ist, das Departement müsse sich als Teil der Stadtregierung durch Teilnahmerechte davon überzeugen können, dass der Schutz vor Rassendiskriminierung auch wirklich umgesetzt werde. Es gehe auch darum, dass das Departement sicher sein könne, dass der Entscheid bzw. die rechtliche Wertung von Äusserungen mit mutmasslich rassendiskriminierendem Inhalt nicht nur einer einzigen Person, also dem Staatsanwalt, überlassen werde. Zitat: «Die verbleibende Machtkonzentration beim jeweils zuständigen Staatsanwalt sei im Wissen um die Geschichte Europas nicht vertretbar»  (Erw. 3.3). Der Grundsatz der Gewaltenteilung lässt aus weiter Ferne grüssen!

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In der Hauptsache geht es aber richtigerweise darum, die Konturen der Geschädigtenstellung, die dem Privatkläger Parteirechte verleiht, zu schärfen (vgl. Art. 115 i.V.m. Art. 118 Abs. 1 StPO). Vor diesem Hintergrund konnte gerade im Zusammenhang mit dem Straftatbestand der Rassendiskriminierung wegen Äusserungen wie » vorne Schweinebucht, hinten Nuttenbahnhof»  und » Verstösse im Abfallwesen» sowie «Drogendealer aus Afrika» etc. keine unmittelbare Verletzung des Departementes in seinen eigenen Rechten festgestellt werden.

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Dies ist bei den Behörden wie vorliegend dem Departement für Bau und Verkehr kaum je der Fall, selbst wenn sie einen finanziellen «Schaden» erleiden, was etwa bei Strafanzeigen von Sozialbehörden wegen Sozialhilfemissbrauch der Fall sein kann. Gemäss Entscheid des Bundesgerichts gelten Behörden bei Straftaten gegen Rechtsgüter, für die sie zuständig sind, nicht als Geschädigte im Sinne von Art. 115 Abs. 2 StPO. Vor diesem Hintergrund erscheint logisch, dass der Staat – hier das Departement – nicht unmittelbar geschädigt ist, auch wenn öffentliche Interessen durch die behauptete Straftat beeinträchtigt werden, solange er nicht wie ein Privater verletzt worden ist. Letzteres ist beispielsweise bei der Sachbeschädigung an einem Verwaltungsgebäude der Fall. Der Grund liegt darin, dass der Staat in diesen Fällen hoheitlich handelt, das heisst, er nimmt bei der Verrichtung von öffentlichen Aufgaben ausschliesslich öffentliche und keine eigenen individuellen Interessen wahr, womit er auch von der Straftat nicht in seinen persönlichen Rechten unmittelbar betroffen und verletzt ist.

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Der Verwaltungsträger kann, soweit er hoheitlich wirkt, nicht gleichzeitig Träger des Rechtsguts sein, für dessen Schutz, Kontrolle und Verwaltung er gerade Kraft seiner ihm auferlegten öffentlichen Aufgabe einstehen muss und entsprechend selber dafür verantwortlich ist (zur Praxis: BGer 1B_ 158/2018 E. 2.5 m. H.). Im genannten Urteil, auf das sich auf der Entscheid des Appellationsgerichtes stützt, wird mit Blick auf die Gewaltenteilung klargestellt, dass die öffentlichen Interessen an der Strafverfolgung der beschuldigten Person ausschliesslich von der Staatsanwaltschaft wahrgenommen werden, zumal es sich hierbei um ein Offizialdelikt handelt. Verwaltungseinheiten wie die Beschwerdeführerin könnten deshalb nur ausnahmsweise und bei ausdrücklicher formeller gesetzlicher Grundlage als Partei zugelassen werden (Erw. 3.1). Das bereits erwähnte Vorbringen des Departements bzgl. des «Verbleibens der Machtkonzentration» beim Staatsanwalt lässt darauf schliessen, dass das Departement mit der Stellung als Privatklägerschaft eine Art Wächterfunktion im Strafverfahren erstreiten wollte. Die behördliche Kontrolle der Strafverfolgungsbehörden in Bezug auf die Einhaltung des Legalitätsprinzips widerspricht indessen dem Grundsatz der Gewaltenteilung diametral (vgl. Mazzucchelli/Postizzi in: BSK StPO, 2. Aufl., N 40 zu Art. 115 StPO).

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Im vorliegenden Fall wird wurde in erster Linie die Legitimation im Zusammenhang mit Rassendiskriminierung geltend gemacht und auch besprochen. Als geschädigte Person einer Rassendiskriminierung kann nur gelten, wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise in einer gegen die Menschenwürde verstossenen Weise herabgesetzt wird. Dadurch können wie erwähnt Einzelpersonen geschädigt werden, aber nur, wenn sich der Angriff unmittelbar gegen sie richtet (BGE 128 I 218 E. 1.5). Hieraus hat die Rechtsprechung abgeleitet, dass bei Angriffen gegen eine Gruppe als Ganzes, die einzelnen Mitglieder nur mittelbar betroffen sind, weshalb sie keine Geschädigtenstellung haben und nicht als Privatkläger in einem Strafverfahren teilnehmen können. Nicht gefolgt werden kann auch der Behauptung des Departementes, die strittigen Äusserungen richten sich gegen das Department als Adressat und als Arbeitgeber einzelner Angehörigen der möglicherweise diskriminierten Gruppe. Das ist wie erwähnt nicht der Fall, weil gemäss Bundesgerichtsrechtsprechung auch eine Diskriminierung von allen Angehörigen einer Gruppe nicht zwingend jeder Person individuell eine Geschädigtenstellung verleiht (BGE 143 IV 77 E. 2.4.2 m. H.).

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Bei den hier in Frage kommenden diskriminierenden Äusserungen wie «Schwarze» und «Drogendealer aus Afrika» handelt es sich tatsächlich um Gruppenbezeichnungen ohne individuelle Zuordnung zu einer bestimmten Person. Wenn also schon einzelne Angehörige der diskriminierten Gruppe nicht als Geschädigte anzusehen sind, gilt dies erst Recht für das Departement soweit es als Arbeitgeber Adressat der diskriminierenden Äusserungen ist. Das Departement ist deshalb ebenfalls nur mittelbar betroffen. Selbst wenn sich ein Angriff gegen einen individuellen Arbeitnehmer gerichtet hätte und dieser unmittelbar geschädigt gewesen wäre, wäre das Departement als Arbeitgeber nur mittelbar geschädigt, da es nicht Träger des durch den Tatbestand der Rassendiskriminierung geschützten Rechtsguts ist.

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Die geltend gemachte Fürsorgepflicht als Arbeitgeber ist mit der Einreichung der Strafanzeige genügend gewahrt und vermag keine gesetzlich nicht vorgesehenen Parteirechte zu begründen. Richtigerweise hat auch das Appellationsgericht darauf hingewiesen, dass die dem Journalisten vorgeworfenen Äusserungen in Bezug auf das «mafiöse» System sich gegen das besagte Take-Away-Lokal richtete und nicht an die Adresse des Departementes. Die Vorwürfe zielten damit allenfalls gegen die Inhaber des Take-Aways sowie insbesondere die Polizei bzw. die Leitung der Stadtreinigung, die dem gesetzlichen Auftrag nicht nachgekommen sein sollen.

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Da es wie gesagt auch an einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage im Sinne eines formellen Gesetzes fehlte, um dem Departement gestützt auf Art. 104 Abs. 2 StPO volle oder beschränkte Parteistellung einzuräumen, vermochte auch dieses Argument keine Parteirechte zu begründen. Dies da die angerufene baselstädtische Gesetzbestimmung eine bloss allgemeine Anzeigepflicht für Behörden statuiert, welcher das Departement ja bereits nachgekommen war. Insgesamt widerspiegelt der Entscheid die geltende Praxis und ist in der Sache sicher richtig.

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