Newsletter 05/23

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Ein Urteil zum Bilderklau aus dem Internet, eine Untersuchung zu Künstlicher Intelligenz und Urheberrecht und die Praxisübersicht 2022 zum Medienstrafrecht

Liebe Leserin, lieber Leser

Das jüngste Urteil des Bundesgerichts zum Urheberrecht (4A_168/2023) birgt Zündstoff. Ein Bieler Fotograf stellte einer Firma, die ein von ihm geknipstes Bild für ihre Verkaufsdokumentation und für Werbung auf social media verwendet hatte, Rechnung über 3500 CHF. Er errechnete den Betrag anhand der Tarife der Schweizerischen Vereinigung der Bilddatenbanken und Fotoarchive (SAB). Als die Firma die Forderung ablehnte, reichte er Klage ein – und scheiterte. Zugesprochen wurden ihm gerade mal 55 CHF – aufgebrummt hingegen Gerichtskosten und Parteientschädigung im vierstelligen Bereich. Die Vorinstanz und das Bundesgericht fanden, Branchenempfehlungen wie die der SAB dienten lediglich als Orientierung und könnten ohne Absprache im Einzelfall nur verwendet werden, wenn der Nachweis erbracht werde, dass sie vom Markt generell befolgt würden. Diesen Nachweis habe der Kläger aber nicht erbracht. Das Urteil schaffte es auch in die Tagespresse. Der Tages-Anzeiger titelte «So wird das Internet zum Selbstbedienungsladen», und kritisierte, das Urteil zeige, dass jemand, der Fotos aus dem Internet verwende ohne dafür zu bezahlen, faktisch nichts zu befürchten habe.

MLaw Etienne Coquoz, Generalsekretär des Berufsverbandes impressum, dessen Rechtschutzversicherung für die Prozesskosten des Fotografen geradestand, setzt sich im Beitrag «Une épine dans le pied des photographes professionnels?» mit dem Urteil auseinander. Das Zusprechen einer geradezu lächerlich geringen Entschädigung für die unerlaubte Nutzung einer Fotografie sei der Achtung des Urheberrechts von Fotografen abträglich. Coquoz schlägt vor, sich in solchen Fällen künftig zu überlegen, Anzeige wegen Verletzung des Urheberrechts zu erstatten anstatt zu klagen.

Das Urheberrecht ist auch Thema der Untersuchung von Philip Kübler. Der Direktor von ProLitteris beleuchtet in seinem Beitrag mit dem Titel «Wie generative KI-Systeme Rechte nutzen» den Umgang des Urheberrechts mit Künstlicher Intelligenz. Maschinengenerierte Texte, Bilder, Audios und Videos werfen Fragen auf zur Transparenz der Herstellung und Quellentreue der Abbildung, zu Falschinformation und Manipulation, zu Überflutung und Ablenkung und zu einem versteckten Qualitätsverlust angesichts einer stets ansprechenden Gestaltung der Inhalte. Und im Zuge der maschinellen Inhaltsproduktion stellen sich Fragen des geistigen Eigentums. Wie bei der Lancierung ambitionierter Internetdienste üblich, werden subjektive Rechte Dritter erst nach der Lancierung der neuen Tools diskutiert. Die urheberrechtlichen Antworten sind allerdings klarer als die kommunikationspolitischen, wie der Autor aufzeigt.

Ab heute finden Sie auf unserer Website zudem die dritte Praxisübersicht zur Rechtsprechung des vergangenen Jahres. Die Lausanner Anwältin Miriam Mazou und Marie Besse besprechen unter dem Titel «Discrimination et incitation à la haine dans la ligne de mire» die Urteile des Bundesgerichtes und ausgewählte kantonale Entscheidungen des Jahres 2022 zu medienrelevanten Fällen des Strafrechts und des Strafprozessrechts. Wie der Titel des Beitrags andeutet, standen letztes Jahr Urteile zum Rassendiskriminierungstatbestand im Fokus der Rechtsprechung.

Wie üblich finden Sie unter «Aktuelle Entscheide» die Liste mit neu publizierten medienrechtlich relevanten Urteilen der Bundesgerichte, mit UBI-Entscheiden und den jüngsten Stellungnahmen des Presserats. Und «Neue Literatur» bietet Ihnen einen Überblick über neu erschienene wissenschaftliche Publikationen zum Medienrecht.

Der nächste Newsletter erscheint in der ersten Juliwoche.

Gute Lektüre wünscht Ihnen


Simon Canonica
Redaktor «Medialex»

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Über uns

Medialex ist die schweizerische Fachzeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht. Sie erscheint als Newsletter im Monatsrhythmus (10x jährlich), open access, und enthält Untersuchungen und Brennpunkte zu medienrechtlichen Themen, aktuelle Urteile mit Anmerkungen, Hinweise auf neue medien- und kommunikationsrechtliche Urteile, UBI-Entscheide und Presseratsstellungnahmen sowie auf neue wissenschaftliche Publikationen und Entwicklungen in der Rechtsetzung.

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