Newsletter 08/22

N

Das Besondere am Wort «besonders», ein BGE zum Öffentlichkeitsgesetz und die Jahresübersicht zum Urheberrecht


Liebe Leserin, lieber Leser

1 Nach dem Ständerat hat im Mai auch der Nationalrat beschlossen, das Wort «besonders» aus dem Artikel 266 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu streichen, was bedeutet, dass bei der Bekämpfung eines drohenden missliebigen Artikels künftig ein Hindernis weniger im Weg steht. Medialex hat sich mit dieser Gesetzesänderung letztes Jahr mit Beiträgen von Matthias Schwaibold und Manuel Bertschi befasst. Im neusten Aufsatz zum Thema beleuchtet Rechtsanwalt Etienne Campiche unter dem Titel «Effets et conséquences du projet de modification de l’article 266 CPC» die Hintergründe und die Trageweite der umstrittenen Mini-Revision. Während die eine Seite argumentiert, die Änderung werde kaum Auswirkungen auf die Medien- und Informationsfreiheit haben, äussert die andere die Befürchtung, es könnte schwieriger werden, unbequeme Geschichten zu publizieren. Der Autor vermittelt eine Übersicht zur bisherigen Rechtsprechung zu Art. 266 ZPO und beleuchtet die Absichten des Gesetzgebers. Für ihn hat die Änderung des Artikels den Charakter eines parteipolitischen Manövers.

Einmal mehr hatte sich in diesem Frühjahr das Bundesgericht mit dem Anwendungsbereich des Öffentlichkeitsgesetzes (BGÖ) zu befassen. Das Urteil 148 II 16 betraf ein Zugangsgesuch zum Protokoll einer Vorstandssitzung der Pensionskasse des Kantons Genf, in dem es um die Senkung des technischen Zinssatzes und die Änderung der Sterbetafel ging. Dr. Jérôme Gurter analysiert das Urteil im Beitrag «L’art. 86 LPP ne constitue pas une disposition spéciale au sens de l’art. 4 let. a LTrans», in dem es u.a. um die Verweigerung der Zusammenarbeit der Kasse im Rahmen des Schlichtungsverfahrens vor dem kantonalen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten geht. Laut Bundesgericht stellt die in Art. 86 BVG vorgesehene Geheimhaltungspflicht keine Sonderbestimmung im Sinne von Art. 4 Bst. a BGÖ dar, welche das Öffentlichkeitsprinzip aushebeln würde. Der Autor stimmt dieser Lösung zu.

In der inzwischen vierten Jahresübersicht zur medienrechtlichen Spruchpraxis von 2021 befasst sich Rechtsanwältin Sandra Künzi mit dem Urheberrecht. Im Beitrag «Videos, Erben, Grill und Öffentlichkeitsprinzip» geht es unter anderem um den Werkcharakter eines «Feuerrings», auf dem Lebensmittel gegart werden können, das musikalische Erbe des verstorbenen Sängers Udo Jürgens, die Umsetzung des Öffentlichkeitsprinzips im urheberrechtlichen Tarifgenehmigungsverfahren sowie um die Gebührenberechnung der SUISA und um Kopierentschädigungen.

In Teil 4 der Serie «Meine Diss» erinnert sich Rechtsanwalt Andreas Meili an seine Doktorarbeit mit dem Titel «Akkreditierung von Journalisten im öffentlichen Recht des Bundes und der Kantone». Obwohl er diese vor gut 30 Jahren verfasst hat, ist das Thema aktuell geblieben. Noch heute führt er Fälle, in denen man Medienschaffenden die Akkreditierung entziehen will, um sie zu disziplinieren.

Zum Schluss leider noch eine traurige Nachricht. Im August ist unsere treue Autorin und während mehrerer Jahre Mitherausgeberin von «Medialex», Regula Bähler, nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von erst 69 Jahren von uns gegangen. Wir werden sie nicht nur als engagierte und versierte Anwältin, sondern auch als offene, lebensfrohe, hilfsbereite und gradlinige Persönlichkeit in Erinnerung behalten.

Wie üblich finden Sie unter «Aktuelle Entscheide» die Liste der neu publizierten medienrechtlich relevanten Urteile der Bundesgerichte, UBI-Entscheide und der jüngsten Stellungnahmen des Presserats. Und «Neue Literatur» bietet Ihnen einen Überblick über neu erschienene wissenschaftliche Publikationen zum Medienrecht

Der nächste Newsletter erscheint in der ersten Oktoberwoche.

 

Gute Lektüre wünscht Ihnen

Simon Canonica
Redaktor «Medialex»

image_print

Kommentar schreiben

seventeen + 12 =

Über uns

Medialex ist die schweizerische Fachzeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht. Sie erscheint als Newsletter im Monatsrhythmus (10x jährlich), open access, und enthält Untersuchungen und Brennpunkte zu medienrechtlichen Themen, aktuelle Urteile mit Anmerkungen, Hinweise auf neue medien- und kommunikationsrechtliche Urteile, UBI-Entscheide und Presseratsstellungnahmen sowie auf neue wissenschaftliche Publikationen und Entwicklungen in der Rechtsetzung.

Vernetzen